Jopi Heesters

Jopi Heesters
Johannes Heesters im März 2006 in Osnabrück

Johannes „Jopi(e)“ Heesters, eigentlich Johan Marius Nicolaas Heesters (* 5. Dezember 1903 in Amersfoort, Niederlande) ist ein niederländischer, seit 1936 in Deutschland lebender und arbeitender Schauspieler und Sänger mit österreichischer Staatsbürgerschaft[1]. Er gilt als der weltweit älteste aktive darstellende Künstler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und erste Erfolge

Der jüngste von vier Söhnen des Kaufmanns Jacobus Heesters und seiner Ehefrau Gertruida, geborene van der Hoevel, begann nach seiner Schulzeit zunächst eine kaufmännische Lehre. An seinem 16. Geburtstag fasste Heesters den Entschluss, Schauspieler zu werden. Er absolvierte eine Gesangs- und Schauspielausbildung und erhielt eine Reihe von Engagements. 1921 hatte er seinen ersten Bühnenauftritt. 1924 spielte er eine Nebenrolle in seinem ersten Film, dem Stummfilm Cirque Hollandais, unter der Regie von Theo Frenkel. Im Dezember 1927 sang er bei Harry Frommermann vor, der die Gesangsgruppe Comedian Harmonists gründete, lehnte ein Engagement jedoch ab, als dieser ihm sagte, er würde für die nächsten Monate keine Gage bezahlen können.[2]

1930 heiratete Heesters die belgische Schauspielerin Louise H. Ghijs, mit der er bis zu ihrem Tod 1985 verheiratet blieb. Der Ehe entstammen zwei Töchter, Wiesje Herold-Heesters (Pianistin in Wien) und Nicole Heesters (Schauspielerin in Hamburg).

1932 übernahm er seine erste Gesangsrolle und spielte in der Folge in diversen Operetten. 1934 debütierte er mit Millöckers Bettelstudent an der Wiener Volksoper.

Heesters im nationalsozialistischen Deutschland

1936 wechselte Heesters nach Berlin, wo er in zahlreichen Operettenverfilmungen und Musikfilmen mitwirkte. Vom Berliner Publikum erhielt er seinen Spitznamen „Jopie“[3]. Ab 1938 sang er erstmals die Rolle des Grafen Danilo in der „Lustigen Witwe“, eine Rolle, die er 35 Jahre lang behalten und zu seiner Paraderolle ausbauen sollte.

Heesters wird vorgeworfen, dass er auch in der Zeit des "Dritten Reichs" vielfach in Deutschland aufgetreten ist. Sympathiebekundungen für das Regime sind von ihm nicht bekannt; er hat sich aber in dieser Zeit auch nicht explizit vom Nationalsozialismus und der deutschen Politik distanziert, wie dies etwa Hans Albers tat. Andererseits hat er weder die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, noch war er NSDAP-Mitglied. Noch 1938 hat er mit einer aus Deutschland geflüchteten jüdischen Theatergruppe in den Niederlanden gastiert. Adolf Hitler besuchte in den 1930er Jahren mehrmals Heesters' Aufführungen, als dieser die Hauptrolle in der Operette „Die lustige Witwe“ sang. In seinem Heimatland ist Heesters aber kein Publikumsliebling, sondern wird noch heute teilweise eher als Kollaborateur denn als reiner Mitläufer aus Karrieregründen gesehen, der in deutschen Diensten gestanden habe, als sein Heimatland von der deutschen Wehrmacht besetzt war.[4]

Es gibt Fotografien, die Heesters beim Besuch des KZ Dachau im Jahr 1941 zeigen.[5] Unterschiedliche Darstellungen gibt es über Zweck und Ablauf dieser Veranstaltung. Umstritten ist, ob Heesters als Besucher oder als Stargast anwesend war, um die KZ-Wachmannschaft zu unterhalten. Heesters beschreibt in seinen Memoiren: „Wir bekamen ein normales Häftlingslager gezeigt, oder was man sich darunter vorstellte.“ Im August 2006 dementierte Heesters in einer TV-Talkshow erneut den Unterhaltungsauftritt mit den Worten „Ich schwöre es bei meiner Familie – es ist nicht wahr!“[6] Der Publizist und Regisseur Volker Kühn will hingegen einen Zeitzeugen gefunden haben, der aussagte, er habe bei dem Unterhaltungsauftritt für die SS-Angehörigen den Vorhang für Heesters gezogen.[7]. Heesters hatte gegen diese Behauptung Unterlassungsklage beim Landgericht Berlin eingereicht. Diese wurde am 16. Dezember 2008 abgewiesen. Volker Kühn darf weiter über Heesters Auftritt vor der SS-Wachmannschaft im KZ Dachau berichten.[8]

Heesters' Filme wurden nach dem Krieg von der alliierten Militärregierung nicht als Nazipropaganda eingestuft, hätten dem NS-Regime aber zur Ablenkung und Ruhigstellung der Bevölkerung gedient. Erst in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts wurde bekannt, dass ihn Goebbels 1944 auf die Gottbegnadeten-Liste mit den unverzichtbaren Schauspielern, die er für die Filmproduktion brauchte, gesetzt hatte, mit dem Zusatz „Ausländer“.[9][10]

Heesters in der Nachkriegszeit

Nach dem Krieg konnte Heesters seine Karriere fortsetzen und sang in Wien, München und Berlin. Das Auftrittslied des Grafen Danilo Da geh’ ich ins Maxim aus der Operette Die lustige Witwe von Franz Lehár wurde durch Heesters zum Evergreen. In dieser Rolle stand Heesters 1600 Mal auf der Bühne.

1953 engagierte ihn Otto Preminger für den Film „Die Jungfrau auf dem Dach“ nach Hollywood. In den 1960er und 1970er Jahren war er in zahlreichen Fernsehfilmen, Theateraufzeichnungen und Fernseh-Shows zu sehen. 1978 erschienen seine Memoiren: „Es kommt auf die Sekunde an“.

1992 heiratete Heesters die Schauspielerin Simone Rethel. Von 1996 bis zum Sommer 2001 spielte er neben seiner Frau in dem von Curth Flatow für ihn geschriebenen Stück Ein gesegnetes Alter. Dies trug ihm 1997 sogar einen Vermerk im Guinness-Buch der Rekorde ein – als weltweit ältester Schauspieler, der über 250 Mal en suite in der Hauptrolle eines Drei-Stunden-Stücks auf der Bühne stand. Im Jahr 2005 ging Heesters mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg auf Tournee und gastierte in sieben deutschen Großstädten. Zu dem war er unmittelbar vor seinem 102. Geburtstag Stargast bei einer Feierveranstaltung zum 140-jährigen Bestehen des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München. Im Dezember 2006 gastierte Heesters als Solist gemeinsam mit Katja Riemann im Konzertprogramm Stars go swing der Big-Band The Capital Dance Orchestra in mehreren Vorstellungen im Admiralspalast Berlin.

Heesters erhielt sieben Mal den Bambi (1967, 1987, 1990, 1997, 2003, 2007, 2008). 2001 wurde er mit der Platin Romy für sein Lebenswerk geehrt. 2004 trat er in Köln vier Mal in der Rolle des Herrn im Jedermann von Hofmannsthal auf. Bei der Gala der Elblandfestspiele Wittenberge wurde ihm der Titel Kammersänger verliehen. Seit August 2006 findet die erste Ausstellung über Heesters in der Berliner Akademie der Künste statt, die er persönlich mit einem Liederabend eröffnete.

Heesters lebt heute im oberbayerischen Landkreis Starnberg. Er ist aufgrund einer Makuladegeneration und eines Glaukoms fast vollständig erblindet.

Mitte Februar 2008 trat Heesters nach mehr als 40 Jahren wieder in seinem Heimatland, in seiner Geburtsstadt Amersfoort, auf. In den 1960ern war er von der Bühne in Amsterdam verjagt worden.[11]

2008 übernahm Heesters im Alter von 104 Jahren eine Nebenrolle in der Komödie 1 1/2 Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde von Til Schweiger. Dies war sein erster Auftritt in einem Kinofilm seit Otto – Der Film aus dem Jahr 1985.

Filmografie

  • 1924: Cirque hollandais
  • 1934: Bleeke Bet
  • 1935: De vier Mullers
  • 1936: Die Leuchter des Kaisers
  • 1936: Der Bettelstudent
  • 1936: Das Hofkonzert
  • 1937: Wenn Frauen schweigen
  • 1937: Gasparone (mit Marika Rökk)
  • 1938: Nanon (mit Erna Sack, Kurt Meisel)
  • 1938: Immer wenn ich glücklich bin..! (mit Paul Hörbiger, Hans Moser, Theo Lingen)
  • 1939: Hallo Janine! (mit Marika Rökk)
  • 1939: Das Abenteuer geht weiter
  • 1939: Meine Tante – Deine Tante
  • 1940: Liebesschule
  • 1940: Die lustigen Vagabunden (mit Rudi Godden, Rudolf Carl, Rudolf Platte, Carola Höhn, Mady Rahl)
  • 1940: Rosen in Tirol (mit Elfriede Datzig, Hans Holt, Hans Moser, Theo Lingen)
  • 1941: Immer nur … Du!
  • 1941: Jenny und der Herr im Frack
  • 1941: Illusion
  • 1942: Karneval der Liebe
  • 1944: Es lebe die Liebe
  • 1944: Glück bei Frauen
  • 1944: Es fing so harmlos an
  • 1944: Frech und verliebt (Uraufführung 1948)
  • 1946: Die Fledermaus
  • 1946: Renée / Renée XIV. Der König streikt
  • 1947: Wiener Melodien
  • 1949: Liebe Freundin
  • 1950: Wenn eine Frau liebt
  • 1950: Hochzeitsnacht im Paradies
  • 1951: Professor Nachtfalter
  • 1951: Tanz ins Glück
  • 1951: Die Csardasfürstin
  • 1952: Im weißen Rößl (mit Johanna Matz)
  • 1953: Die geschiedene Frau
  • 1953: Die Jungfrau auf dem Dach (mit Hardy Krüger, Johanna Matz)

Auszeichnungen

Literatur

  • Johannes Heesters (aufgezeichnet von Willibald Eser): „Es kommt auf die Sekunde an“, Blanvalet-Verlag, München, 1978, ISBN 3-442-03879-0
  • Johannes Heesters (aufgezeichnet von Willibald Eser): „Ich bin gottseidank nicht mehr jung“, Edition Ferency bei Bruckmann, München 1993, ISBN 3-7654-2705-5
  • Johannes Heesters, Beatrix Ross: „Johannes Heesters. Auch hundert Jahre sind zu kurz.“ Langen/Müller-Verlag, 2003, ISBN 3-7844-2934-3
  • Ursula Meyer: „Johannes Heesters.“ Verlag Ursula Meyer, 2003, ISBN 3-00-010684-7
  • Ingo Schiweck: „Johannes Heesters – Ich bin Holländer!“; in: Ingo Schiweck: „Lass dich überraschen … Niederländische Unterhaltungskünstler in Deutschland“. Agenda-Verlag, 2005, S. 15-49, ISBN 3-89688-255-4
  • Jürgen Trimborn: „Der Herr im Frack – Johannes Heesters.“ Aufbau-Taschenbuchverlag, 2005, ISBN 3-7466-2153-4

Einzelnachweise

  1. Artikel Heesters, Johannes "Jopie" im Österreich-Lexikon von aeiou
  2. Vgl. Peter Czada/Günter Große: Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 978-3894680824, hier S. 15
  3. Johannes-Heesters-Biografie, Who's Who Online-Lexikon
  4. Jürgen Trimborn: „Johannes Heesters: Der Herr im Frack“, Aufbau-Taschenbuchverlag, Berlin 2005
  5. Davon geht die Welt nicht unter, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Sendung vom 4. Dezember 2003
  6. Johannes Heesters in der Talkshow Beckmann, ARD Das Erste, 21. August 2006
  7. Volker Kühn bei der Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises 2007 für sein Hörbuch „Hitler und die Künstler – Mit den Wölfen geheult“, Live-Übertragung im WDR-Hörfunk, 18. März 2007; siehe dazu auch die Rezension des Hörbuchs Stephan Göritz: „Vergessen und verdrängt“, Deutschlandfunk, 4. Dezember 2006
  8. Historiker darf weiter von Heesters' SS-Auftritt sprechen
  9. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 227.
  10. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991, S. 177.
  11. BBC: Nazi-era singer returns to stage, 17. Februar 2008 (engl.)

Weblinks


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