Julius Pintsch

Julius Pintsch
Julius Pintsch

Julius Carl Friedrich Pintsch (* 6. Januar 1815 in Berlin; † 20. Januar 1884 in Fürstenwalde) war ein deutscher Klempnermeister und Unternehmer. 1878 wurde ihm der Ehrentitel eines Königlich-Preußischen Kommerzienrats verliehen. Nach Julius Pintsch wurde die Pintschstraße in Berlin-Friedrichshain sowie der Julius-Pintsch-Ring in Fürstenwalde benannt.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Selbstständigkeit

Julius Pintsch absolvierte bis 1833 eine Klempnerlehre. Als Geselle ging er nach altem Brauch auf die Wanderschaft und war drei Jahre lang in Dresden tätig. Wieder zu Hause in Berlin, arbeitete Pintsch fünf Jahre lang bei der Firma Koeppen & Wenke, einer Lampen- und Lackierwarenfabrik. Er legte in dieser Zeit die Meisterprüfung bei der Berliner Klempner-Innung ab und gründete am 26. April 1843 am Stralauer Platz 4 in Berlin-Friedrichshain in einem Kellerraum seine eigene kleine Werkstatt.

Die Stadt Berlin hatte sich zu der Zeit entschlossen, eine eigene Gasversorgung aufzubauen, und errichtete in diesem Zuge eine weitere Gasanstalt am Stralauer Platz, also ganz in der Nähe der Werkstatt von Julius Pintsch. In der Folge erhielt er von den Berliner Gaswerken Gasag Reparaturaufträge und kam auf diese Weise frühzeitig mit der Gastechnik in Berührung. Viele der bis dahin teuer aus England eingeführten Gerätschaften waren reparaturanfällig, sodass für Julius Pintsch der Gedanke nahe lag, bessere Armaturen und Apparate zu produzieren. 1847 stellte er einen sorgfältig gebauten Gasmesser eigener Konstruktion vor.

Aufstieg zum Industriellen

1848 erwarb Julius Pintsch das Haus Stralauer Platz 6/7 und baute eine Fabrik. Jedoch dauerte es noch mehrere Jahre, bis sich der Berliner Magistrat entschließen konnte, ihm 1851 einen Auftrag über 50 Gasmesser zu erteilen. Die überlegene Qualität dieser Geräte führte dann zu weiteren Bestellungen aus anderen Städten und sogar aus dem Ausland. Der Bedarf war immens, weil Gasmesser eine notwendige Voraussetzung für die Installation von Gasbeleuchtung in Privathäusern waren.

Die Auftragslage entwickelte sich in den folgenden Jahren derart positiv, dass Pintsch 1863 eine größere Fabrik in der Andreasstraße 73 eröffnen konnte. Er beschäftigte zunächst 60 Arbeiter[1] und legte mit der ersten Erweiterung den Grundstein für den steilen Aufstieg des Unternehmens. Ab 1867/1868 wurden Unterwasser-Minen produziert, außerdem Gasbeleuchtung für Eisenbahnen und Lokomotiven, Dampfheizungsanlagen für Eisenbahnwaggons und – einzig in Europa Gasglühlichtbrenner. Um die zunehmende Zahl von Großaufträgen bewältigen zu können, wurde in der Andreasstraße das Nachbargrundstück und die daneben liegenden Stadtbahnbögen mit einbezogen[1] und schließlich 1872 ein Zweigwerk in Fürstenwalde erbaut. 1890 wurde dies um die Glühlampenfabrik Gebrüder Pintsch erweitert; 1884 kam dann noch eine Filialfabrik in Frankfurt am Main hinzu.

Ein weiterer wichtiger Produktionszweig waren mit Gaslicht beleuchtete Bojen. 1877 wurde die erste Pintsch-Leuchtboje in der Kronstädter Bucht ausgelegt. Im Jahr 1908 gab es 2396 sogenannte „Pintsch-Bojen“ an den Küsten und Wasserstraßen aller Weltmeere. Auch der Suezkanal wurde erstmalig mit 105 Pintsch-Bojen gesichert, sodass die Durchfahrt auch nachts möglich war.

Ein Pintsch-Werk in Österreich produzierte sogar Flugzeuge. Die bekannteste Maschine war die „Julius Pintsch A.G. Wien SCHWALBE II“; sie flog in der Zwischenkriegszeit bei den österreichischen Luftstreitkräften mit der Kennung „OE-TAA“.

Julius Pintschs Söhne Richard (1840–1919), Oskar (1844–1912), Julius (1847–1912) und Albert führten den Familienbetrieb nach seinem Tode fort. Das Privatunternehmen überstand die Börsenkrise der Rezessionsjahre 1873 bis 1895 unbeschadet, und 1907 wurden die Firmen in Berlin, Fürstenwalde und Frankfurt in eine Aktiengesellschaft, die Julius Pintsch AG, mit einem Stammkapital von 18 Millionen Mark umgewandelt.

Familie

Julius Pintschs Sohn Oskar und dessen Ehefrau Helene Pintsch (1857–1923) stifteten 1905 den Krüppelkinder-Heil- und Fürsorge-Verein für Berlin-Brandenburg, der 1914 in Berlin-Zehlendorf das Oskar-Helene-Heim für Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder eröffnete. Bis zu dessen Zusammenlegung mit dem Behring-Krankenhaus hat es fast 100 Jahre als Krankenhaus gedient.

Die Familie Pintsch hat auf dem St.-Georgenfriedhof an der Greifswalder Straße im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg einen imposanten dorischen Tempel als Grabmal errichten lassen.

Literatur

  • Paul Lindenberg: Julius Pintsch: Blätter d. Erinnerung; 1914.
  • Arno Boetticher: Julius Pintsch (Berlin 1815-1884), seine berlinisch-lausitzischen Vorfahren und seine Abkömmlinge: Eine Familien- und Fabrikgeschichte; 1908.
  • Ingrid Bauert-Keetman: Deutsche Industriepioniere. Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins, Tübingen 1966, S. 76.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Ralf Schmiedecke: Berlin-Friedrichshain. Die Reihe Archivbilder. Sutton Verlag Erfurt, ISB 3-86680-038-X; S. 60

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