Krähenberg (Meteorit)

Krähenberg (Meteorit)
Der Krähenberg-Meteorit

Der Krähenberg-Meteorit, auch Krähenberger Meteorit oder kurz „der Krähenberger“ genannt, ging 1869 in der Feldgemarkung der Ortsgemeinde Krähenberg auf der Sickinger Höhe im heutigen Landkreis Südwestpfalz (Rheinland-Pfalz) nieder. Nach Untersuchungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts handelt es sich um einen 4,7 Milliarden Jahre alten[1] Steinmeteoriten, der wegen der eingeschlossenen Silikat-Schmelzkügelchen, den Chondren, zu den Chondriten gerechnet wird. Nach dem Eisengehalt im Olivin und nach seiner Textur wird er als LL5-Chondrit klassifiziert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Meteorit schlug unter lautem Getöse am 5. Mai 1869 etwa um 18:32 Uhr in eine Wiese bei Krähenberg ein. Am Himmel soll das Objekt als sogenannte Feuerkugel in einem äußerst brillanten Weiß geleuchtet haben.

Von Zeitzeugen liegen mehrere Beobachtungen des Meteoritenabsturzes vor.[2] Nach Angaben des Landwirts Heinrich Lauer, der sich zusammen mit einem weiteren Mann und einem kleinen Mädchen auf einem Acker in der Nähe der Einschlagstelle aufgehalten hatte, war der Meteorit zwei Fuß (etwa 60 cm) tief in den Boden eingedrungen. Das noch warme Objekt wurde von Lauer und seinem Begleiter ausgegraben. Der aus der Pfalz stammende Naturforscher Georg von Neumayer notierte, das Ereignis sei so laut gewesen, dass in der näheren Umgebung die Vermutung aufgekommen sei, „die Eisenbahn sei bei Homburg[3] in die Luft gesprungen und käme Dampf auslassend von oben herab.“[4] Der Einschlag war angeblich nicht nur in der Westpfalz (z. B. in Kusel[2], 23 km entfernt) zu hören, sondern auch bis in die Vorder- und Südpfalz; genannt werden Gleisweiler (45 km, in der Nähe von Landau) und Speyer (70 km).[1] Sogar in Wiesbaden[2] (100 km) wurde das Ereignis registriert.

Etwa zehn Tage lang war der Meteorit im Schulhaus von Krähenberg ausgestellt. Dann wurde er ins Historische Museum der Pfalz in Speyer gebracht, das ihn noch im Sommer 1869 kaufte; Gemeinde und Grundstückseigentümerin erhielten je 100 Gulden. Mehr als zwanzig Jahre hindurch versuchte die damals zuständige königlich-bayerische Staatsregierung immer wieder, das Fundstück der Mineralogischen Staatssammlung in München einzuverleiben; am 18. November 1891 jedoch lehnte der pfälzische Landrath, dessen Nachfolgegremium der Bezirksverband Pfalz ist, das Ansinnen endgültig ab.[1] Heute befindet sich der Stein im Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim.[5] Kleine Stücke – Gesamtgewicht unter 40 Gramm – wurden zwischen 1899 und 1906 für wissenschaftliche Zwecke an Institute und Museen in München, London und Wien abgegeben, daher ist das Objekt geringfügig leichter als anfänglich. Ein gefärbtes Replikat aus Gips von der Größe des Originals ist im Krähenberger Dorfgemeinschaftshaus ausgestellt.[2]

Am Absturzort bei Krähenberg, wo ein Gedenkstein mit Informationstafel an das Ereignis erinnert[2][4], führt seit 2009 der Meteoriten-Wanderweg (Winterbach–Krähenberg–KleinbundenbachGroßbundenbachZweibrücken)[6] vorbei. In wenigen Kilometern Entfernung verlaufen zwei weitere Touristenwege: östlich seit 1978 der Mühlenweg im Wallhalbtal, westlich die Nordroute des historischen Pfälzischen Jakobsweges.

Beschaffenheit

Der Krähenberg-Meteorit hatte ursprünglich „31½ Pfund“[1] (15,75 Kilogramm[7]) Gewicht. Er besitzt das Aussehen und die Ausmaße eines flachen Brotlaibs, dessen größter Durchmesser etwa 30 cm beträgt, während die Dicke bei 18 cm liegt.[8] Er ist einer der seltenen „orientierten“ Meteorite; diese nehmen beim Flug durch die Erdatmosphäre eine stabile Lage ein. Die auf der Abbildung sichtbare gewölbte „Brustseite“, beim Flug die Vorderseite des Meteoriten, ist infolge der Erhitzung bei der raschen Durchquerung der Erdatmosphäre deutlich aufgeschmolzen und zeigt radiale Fließstrukturen, die anschließend wieder erstarrt sind.

Bald nach dem Fall des Meteoriten begannen wissenschaftliche Untersuchungen. „Analysen besagen, der Meteorit habe zu 3,5 % aus metallischen und zu 96,5 % aus steinigen Gemengteilen bestanden.“[8] „Spuren von Kieselerde, Bittererde, Mangan, Oxydul, Eisenoxydul, Eisen, Schwefel, Nickel, Phosphor, Chromoxyd, Tonerde, Kalk, Kali, Natron und Zinnoxyd“ seien festgestellt worden.[9] Die ersten umfassenden Ergebnisse von chemischen und petrographischen Untersuchungen veröffentlichte 1870 der in Bonn habilitierte Mineraloge und Geologe Gerhard vom Rath.[1] Seine ein Jahrhundert lang umstrittene Feststellung, der Kaliumanteil des Meteoriten habe – bei einem Steinmeteoriten noch nie beobachtet – den Natriumanteil überstiegen, wurde erst 1969 bestätigt.[10] Das Kalium ist allerdings nicht gleichmäßig verteilt, sondern in cm-großen, auf Schnittflächen deutlich sichtbaren, dunklen Einschlüssen als kaliumreiches Glas enthalten.[11]

Ursprung

Komet oben links im Wappen von Krähenberg

Das Wappen der Gemeinde, 1979 geschaffen, symbolisiert im oberen linken Geviert den Meteoriteneinschlag durch die Abbildung eines Kometen. Dabei handelt es sich dem Wortlaut der Blasonierung nach („fallender goldener Komet“[12]) offensichtlich um eine Verwechselung zwischen Meteorit und Komet und nicht um eine Anspielung auf den mutmaßlichen Ursprung des Meteoriten. Hierüber gibt es unterschiedliche Theorien:

Dass der Meteorit von einem Kometen stammen müsse, postulierte 1871 Georg von Neumayer.[13] Angesichts des Datums kommt vor allem der Halleysche Komet in Frage, dessen bei Perihel-Durchläufen verlorenes Material sich längs seiner Bahn verteilt hat. Jedes Jahr kreuzt die Erde diese Bahn zweimal, dabei macht sich die Kometenmaterie in Form von Sternschnuppen bemerkbar. Die Erscheinungen, die um den 6. Mai auftreten und denen sich der Krähenberg-Meteorit zeitlich zuordnen lässt, werden nach ihrem scheinbaren Ausgangspunkt im Sternbild Wassermann Eta-Aquariden genannt. Der zweite auf Halley zurückgehende Meteorstrom sind die Orioniden, die ihr Maximum alljährlich am 19./20. Oktober erreichen. Ein weiterer Hinweis auf den Halleyschen Kometen, der wegen seines geringen Reflexionsvermögens den P-Asteroiden zugerechnet wird, ist die vergleichbar dunkle Farbe des Krähenberg-Meteoriten.

Heute neigt die Wissenschaft zu der Annahme, dass Steinmeteoriten nicht von Kometen stammen. Die Meteoritenfälle verteilen sich statistisch gleichmäßig über das ganze Jahr, und eine Beziehung zu den Kometendurchgängen und ihren Sternschnuppen besteht nicht.[14] Außerdem besteht der Kometenkern aus lockerem, gasreichem Material und enthält keine größeren Gesteinsbrocken. So dürfte auch der Krähenberg-Meteorit wie die anderen LL-Chondriten von einem Asteroiden stammen.

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Georg von Neumayer: Der Meteorit von Krähenberg. In: XXVIII. & XXIX. Jahresbericht der Pollichia. Bad Dürkheim 1871, abgerufen am 4. März 2010.
  • W. Kempe und O. Müller: The Stony Meteorite Krähenberg. Its Chemical Composition and the Rb-Sr Age of the Light and Dark Portions. In: P. M. Millman (Hrsg.): Meteorite Research, Proceedings of a Symposium held in Vienna, Austria, August 7–13, 1968. Astrophysics and Space Science Library. Band 12, Reidel Publishing Co., Dordrecht 1969, S. 418–428 (englisch).

Film

  • Auf dem Internationalen Naturfilmfestival Naturale 2006/2007 stellte Ewald Knoll aus Knopp-Labach den 2006 gedrehten Dokumentarfilm Der Krähenberger vor. Der 16-Minuten-Film, der auf DVD verfügbar ist, berichtet über den Meteoriteneinschlag und das spätere Schicksal des Objekts.[15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Wilfried Briegel: Der Himmelsstein von Krähenberg. In: Meteor – Zeitschrift für Meteoritenkunde. Lüdenscheid, Nr. 3/1988, abgerufen am 3. März 2010.
  2. a b c d e Pfälzischer Merkur: Der große Knall bleibt unvergessen. Zweibrücken, 20. Juli 2009, abgerufen am 2. März 2010.
  3. Anmerkung: Die Bahnlinie Homburg–Kaiserslautern ist 7 Kilometer (Luftlinie) entfernt.
  4. a b Die Rheinpfalz am Sonntag: Der Knall aus dem All. Ludwigshafen, 28. Februar 2010.
  5. Landkreis Bad Dürkheim, Pfalzmuseum für Naturkunde Bad Dürkheim: Original-Meteorit. Abgerufen am 2. März 2010.
  6. Landkreis Südwestpfalz, ILE: Teilprojekt Wander- und Radwanderland Sickinger Höhe. Wallhalben, Januar 2009, abgerufen am 2. März 2010.
  7. Anmerkung: Infolge eines Umrechnungsfehlers wird in der Literatur oft 16,5 Kilogramm angegeben.
  8. a b Mannheimer Morgen: Zeitungsartikel mit unbekannter Überschrift (Quelle, Abschnitt „Wissenschaftliche Analysen“). Mannheim, 4. Mai 1949, abgerufen am 3. März 2010.
  9. Palatina: Zeitschriftenartikel mit unbekannter Überschrift (Quelle, Abschnitt „Wissenschaftliche Analysen“). 3. Juli 1869, abgerufen am 5. März 2010.
  10. W. Kempe und O. Müller (s. Literatur).
  11. Wlotzka, Palme, Spettel, Wänke, Fredriksson und Noonan: Krähenberg und Bhola, LL-chondrites with differentiated K-rich inclusions. Meteoritics 14 (1979) 566.
  12. Karl Heinz Debus: Das große Wappenbuch der Pfalz. Neustadt an der Weinstraße 1988. ISBN 3-9801574-2-3.
  13. Georg von Neumayer (s. Literatur).
  14. F. Heide, F. Wlotzka: Kleine Meteoritenkunde. 3. Auflage, Springer-Verlag 1988.
  15. Festivalkatalog Amateure 2006/2007. Internationales Naturfilmfestival Naturale, abgerufen am 4. März 2010.
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