Kusakabe Kimbei

Kusakabe Kimbei

Kusakabe Kimbei (jap. 日下部 金幣) bzw. Kusakabe Kimbē (日下部 金兵衛) (* 1841 in Kōfu; † 1932 in Ashiya) war ein japanischer Fotograf. Er gilt als einer der bedeutendsten Produzenten von Souvenirfotografien im Japan des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Eine Fotografie des Fotostudios von Kimbei
Außenaufnahme des Fotostudios K. Kimbei
Eine Fotografie, die von Felice Beato aufgenommen wurde und Sänftenträger zeigt
Kango Bearers, in offener Landschaft fotografiert von Felice Beato circa 1868; drei Männer transportieren eine Frau in einer kago (Sänfte)
Eine Fotografie, die von Kimbei aufgenommen wurde und ebenfalls Sänftenträger zeigt. Sie orientiert sich kompositorisch an der Aufnahme Beatos.
49. Kago, Travelling Chair, im Studio fotografiert von Kusakabe in den 1880ern; zwei Männer transportieren eine Frau in einer kago

Kusakabe wuchs in seiner Geburtstadt Kōfu auf. Seine Familie trug den Namen Matsuya und war im Tuchhandel tätig. Als Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger – der Fotohistoriker Terry Bennett meint als Achtzehnjähriger[1] – ging er nach Yokohama, das sich zu diesem Zeitpunkt zu einer bedeutenden Hafenstadt mit internationalem Fremdenverkehr und zum Zentrum der japanischen Fotografie entwickelte. In den 1860ern und zu Beginn der 1870er arbeitete er zunächst als Colorist und wurde dann Assistent des Fotografen Felice Beato. Dieser setzte stilistische Standards in der Souvenirfotografie Yokohamas. Anschließend hat Kusakabe womöglich Raimund von Stillfried assistiert.[2] Von 1880 bis 1914 führte er schließlich sein eigenes Fotostudio namens K. Kimbei. Weshalb er das Studio unter seinem Vornamen führte ist unbekannt, jedoch wird von modernen Fotohistorikern vermutet, dass er im Umgang mit Ausländern bemerkte, dass diese seinen Vornamen besser aussprechen und sich einprägen konnten als seinen Nachnamen.[3] In seinem Angebot von Souvenirfotografien fanden sich neben eigenen Werken auch Erzeugnisse anderer Fotografen. So führten Kusakabe wie auch Stillfried und Adolfo Farsari trotz der 1876 erfolgten Einführung eines japanischen Urheberschutzgesetzes (shashin jōrei) Bilder aus dem Katalog Beatos. Sowohl der Weiterverkauf der Bilder als auch deren stilistische Imitation können aber als Hommage oder intellektuelle Herausforderung für den Betrachter gedeutet werden und zeugen von deren kommerziellen Erfolg.[4] Eine weitere Erklärung für die nicht von ihm aufgenommenen Landschaften in seinem Katalog könnte laut Bennett sein, dass Kimbei zunächst Zeit benötigte, seine eigenen Aufnahmen anzufertigen und die Bilder anderer Fotografen ihm als Übergangslösung dienten, um der Käuferschaft ein reichhaltiges Portfolio offerieren zu können.[5]

Terry Bennett zufolge gibt es Hinweise darauf, dass Kimbei nicht von Anfang an gleich ein Studio besaß, sondern zunächst einen Laden für Fotografien betrieb. Es existiert eine 1883 im Japan Directory veröffentlichte Werbeanzeige, in der es keinen Hinweis auf das 1880 in der Nr. 3 eröffnete Fotostudio gab und K. Kimbei sich nun in der Nr. 36 der benten-dōri befand. Ab 1887 geben die Werbeannoncen die Adressen Nr. 36 sowie Nr. 27 an, in letzterer schienen Fotografien nur verkauft worden zu sein. Ein weiteres Geschäft wurde in der Nr. 4 angepriesen, wo nach fotografischen Motiven seidene kakemono erhältlich waren. Spätestens ab 1890 war sein Studio dann in Nummer 7 Honchō-dōri (本町通) in unmittelbarer Nähe zum Rathaus zu finden.

Während Kimbei 1901 noch behaupten konnte, dass sein Studio das größte in Japan sei, ging spätestens ab 1907 der Verkauf von Souvenirfotografien drastisch zurück. Dank technischer Neuerungen, wie zum Beispiel Eastman-Kodak-Apparaten und -filmen, war es nun auch für Laien möglich, ihre Reise fotografisch zu dokumentieren. Neben dem Aufkommen der Ansichtskarten ließ dies den Markt für die ehemals sehr begehrten professionellen Fotografien einbrechen. Kimbei legte nun den Fokus seines Geschäfts darauf, dieses Laien-Klientel zu bedienen. Mittlerweile hatte er auch eine Filiale in der Nr. 22, Ginza Sanchome in Tokio eröffnet.[6]

1885 nahm Kimbei den christlichen Glauben an und wurde in der kaigan-Kirche in Yokohama getauft. Er hatte mindestens zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Aufgrund von Desinteresse Seiten des Sohnes übernahm der Schwiegersohn das Geschäft, verstarb jedoch vor Kimbei. Im Alter widmete sich Kimbei vor allem der Malerei und zog 1930 nach Ashiya zu seiner Enkeltochter, damit diese ihn pflegen konnte.[7]

Werk

 Ein Holzschnitt von Taiso Yoshitoshi zeigt eine schöne Japanerin während einer Aufnahme in einem Yokohamer Fotostudio
Holzschnitt von Taiso Yoshitoshi, um 1880 – Eine bijin posiert in einem Studio in Yokohama
 Eine Anzeige für Kimbeis Fotostudio auf Englisch aus einem Touristenführer von 1893
Eine Anzeige für das Fotostudio K. Kimbei von 1893

Die Zuordnung von Fotografien zu Kusakabe, der sein Studio K. Kimbei (金幣写真館, Kimbei shashinkan, dt. „Fotostudio Kimbei“) nannte, erweist sich als schwierig. Das liegt zum einen an der oben beschriebenen Praktik und zum anderen daran, dass Käufer von Souvenirfotografien diese oft aus verschiedenen Studios bezogen und dann in ein Album klebten. Da es um 1880 eine Wende in der japanischen Fotografie gegeben hatte und nun vermehrt japanische Fotografen tätig waren, finden sich neben den Fotografien bereits genannter Fotografen u. a. auch die von Ogawa Kazumasa (小川 一眞; 1860–1929), Suzuki Shin’ichi (鈴木 真一; 1835–1918) und Tamamura Kozaburō (玉村 康三郎; 1856–1923?) in den Alben.

Von den über zweitausend Motiven, die der Katalog des Fotostudios K. Kimbei bot, zeigte die überwiegende Mehrheit Ansichten von beliebten Reisezielen. 416 Motive des Katalogs Photographic Studio K. Kimbei: No. 7 Honcho Dori, Yokohama. Coloured Photographs, Views & Costumes of Japan. Beautfully Colored Transparencis, Magic Lantern Slides von 1893 zeigen die Bräuche Japans. Hiervon bildete die absolute Mehrheit ausschließlich Frauen bei unterschiedlichen Tätigkeiten ab, was in der Souvenirfotografie üblich war.

Die kommerzielle Beliebtheit von Frauen-Portraits stellte die Fotografen jedoch vor das Problem, dass „anständige“ Frauen es zumeist ablehnten, fotografiert zu werden. Die zwei Hauptgründe dafür waren zum einen die realitätsnahe Abbildung, die als zu sinnlich galt und den Körper der Frau für den Kunden verfügbar machte, was als unschicklich bewertet wurde. Zum anderen gab es diverse abergläubische Überzeugungen bei den japanischen Zeitgenossen über die Auswirkungen des Fotografiert-Werdens. Dieses sauge den Lebenssaft aus dem Portraitierten und schwäche dessen Schatten. So wurden oft weibliche Familienangehörige oder die in der ukiyo-e-Tradition der Meiji-Zeit als bijin (schöne Frauen) angesehene kurōto von den Fotografen als Modelle verwandt. Dies waren in der Öffentlichkeit arbeitende Frauen wie yūjo (Kurtisanen), Geishas, rashamen (Prostituierte) und Mädchen, die in Teehäusern beschäftigt wurden. Jene Frauen setzten bereits ihr Aussehen zum besseren Verkauf ihrer Dienstleistungen ein und stockten mit der Arbeit als Foto-Modelle ihr Gehalt auf. Yūjos und Geishas ließen sich zudem bereits für ihre Cartes-de-visite ablichten. Es gab auch Geschäfte in den Großstädten namens shashimpo, die sich auf den Handel mit Geisha-Fotografien spezialisierten.[8]

Auffällig ist Wakita Mio zufolge, dass nur wenige Fotografien Kusakabes – im Katalog werden fünf respektive zwei genannt – rashamen oder Kurtisanen abbildeten. Stattdessen konnten von den mehr als zehn beschäftigten Studio-Modellen sechs als berühmte Geishas aus Tokio identifiziert werden. Seine Modelle inszenierte Kusakabe als Frauen verschiedener sozialer Herkunft.[9]

Eine Studioaufnahme, die von Kimbei gemacht wurde und eine Japanerin mit Schirm zeigt, die sich damit vermeintlich gegen den Wind schützt. Ihr Unterrock wird mithilfe von Drähten freigelegt, sodass der Eindruck, es sei windig, verstärkt wird.
Girl in Heavy Storm, eine Geisha schützt sich beim Voranschreiten mit einem Schirm gegen den Wind.

Der Einsatz von Geishas und die Orientierung an bereits etablierten Ausdrucksformen der bijinga (dt. Bilder von schönen Frauen) erklärt die im Gegensatz zu Bildern Felice Beatos stark ästhetisierte Darstellung der Frauen bei den verschiedenen Handlungen. Ihre Handlungen orientierten sich an den kinkishoga (琴棋書画), die ursprünglich ein Ideal für männliche Literaten darstellten. kin stand für Musik oder das Spiel des koto; ki für das Go-Spiel, sho für die Kalligraphie und ga für die Malerei. Weitere zur Stilisierung von Geishas gehörende Beschäftigungen waren Positionen, in welchen sie einen Fächer hielten oder ein Buch lasen. Eine Fotografie sei Wakita zufolge beispielhaft dafür, dass Kusakabe auch die Inszenierung von Erotik aus den bijinga, oder genauer aus deren Spielart des abuna-e, übernahm. Auf dem Bild mit der Katalog-Nummer 16 mit dem Titel Wind Costume oder Girl in Heavy Storm deckt der „Wind“, also dünne Drähte, die unterste Lage des Kimonos auf, die später in einem kräftigen Rot koloriert wurde. Zudem werden die bestrumpften Füße des Mädchens freigelegt.[10]

Obgleich Geishas dafür bekannt waren, immer die neuesten Trends aufzugreifen, werden sie in Kusakabes Werk sehr konservativ dargestellt. So tragen sie nicht die damals beliebte, von westlichen Moden inspirierte sokuhatsu-Frisur (束髪)[11] sondern vornehmlich die althergebrachte shimada-Frisur (島田).[12] Und dies in einer Zeit, in der eine fundamentale Veränderung des japanischen Körperbildes stattfand, die mit dem Bann des Schwarzfärbens der Zähne und des Rasierens der Augenbrauen bei beiden Geschlechtern des Adels eingeleitet wurde. Zudem sei es laut Wakita bemerkenswert, dass die wahrscheinlich von Stillfried in die japanische Fotografie eingeführte Pose des europäischen Romantizismus nur in einem Bild von Kusakabe Verwendung findet: die Handhaltung mit verschränkten Fingern. Andere japanische Fotografen griffen auf sie zurück, so beispielsweise Tamamura.[13]

Seine durch das nasse Kollodium-Verfahren angefertigten Fotografien wurden auf Albuminpapier kopiert und, wenn gewollt, per Hand von Mitarbeitern koloriert. Viele weisen einen in das Negativ einbelichteten englischsprachigen Titel mit Katalognummer auf. Die von K. Kimbei angebotenen Formate reichten von Carte de visite bis zu 32 mal 24 inches. Ersteres kostete im Dutzend uncoloriert zwischen zwei (1892) und zweieinhalb (1894) Dollar, letztgenanntes, das zusammengesetzt war und von dem der Recherche Bennetts folgend kein Exemplar überliefert worden ist, drei Dollar das Stück.[14]


Yokohama in den 1880ern, Panorama bestehend aus vier Platten, die 2010 nachträglich zusammengesetzt wurden
Yokohama in den 1880ern, Panorama bestehend aus vier Platten, die 2010 nachträglich zusammengesetzt wurden

Literatur

  • Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, doi:10.1080/03087290902768149.
  • Nakamura Hirotoshi (中村 啓信): 日下部金兵衛 明治時代カラー写真の巨人 (Kusakabe Kinbē: Meiji jidai karā shashin no kyojin). Kokusho Kankōkai, Tokio 2006, ISBN 978-4-336-04772-4

Weblinks

 Commons: Kusakabe Kimbei – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 205. ISBN 978-0-80483633-3
  2. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 211.
  3. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 205. ISBN 978-0-80483633-3
  4. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 211.
  5. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 205. ISBN 978-0-80483633-3
  6. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 204. ISBN 978-0-80483633-3
  7. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 206. ISBN 978-0-80483633-3
  8. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 218 f.
  9. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 221.
  10. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 214.
  11. Eine Frau mit einer sokuhatsu-Frisur aus einem Japan Magazine von 1913.
  12. Eine Frau mit einer shimada-Frisur aus einem Japan Magazine von 1913.
  13. Mio Wakita: Selling Japan. Kusakabe Kimbei’s Image of Japanese Women. In: History of Photography. Mai 2009, ISSN 0308-7298, S. 209–223, S. 217.
  14. Terry Bennett, Photography in Japan 1853–1912, Tokio 2006, S. 204 f. ISBN 978-0-80483633-3
Japanische Namensreihenfolge Japanischer Name: Wie in Japan üblich, steht in diesem Artikel der Familienname vor dem Vornamen. Somit ist Kusakabe der Familienname, Kimbei bzw. Kimbē der Vorname.

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