Königlich Preußische Kriegsakademie

Königlich Preußische Kriegsakademie
Fassade Unter den Linden 74, erbaut von Karl Friedrich Schinkel als Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule
Fassade des Lehrgebäudes an der Dorotheenstraße 58/59, entworfen von Franz Schwechten (1883)
Lageplan der Kriegsakademie mit dem Lehrgebäude an der Dorotheenstraße und dem aufgrund der vornehmen Lage 1878/79 zu Dienstwohnungen umgebauten Teil Unter den Linden

Die Preußische Kriegsakademie wurde in Berlin von Gerhard von Scharnhorst am 15. Oktober 1810 als Allgemeine Kriegsschule für den preußischen Staat gegründet. Sie war eine militärische Hochschule zur Ausbildung von Stabsoffizieren und bestand in ihrer ursprünglichen Form bis 1914. Die Preußische Kriegsakademie ist zu unterscheiden von den Militärfachschulen (Waffenschulen), welche waffengattungsspezifische Fertigkeiten vermittelten und von den Kriegsschulen, die Offiziersanwärter auf die Offiziersprüfung (Leutnantspatent) vorbereiteten.

Inhaltsverzeichnis

Vorläufer der Akademie bis 1810

Bereits 1653 gründete der Große Kurfürst durch den Grafen Bogislaw von Schwerin in Kolberg eine Ritterakademie. Man wollte durch die Schaffung dieser Einrichtung der mangelhaften Erziehung des Adels abhelfen, denn die Ritterordnung klagte, „das die jungen Edelleute gar zu zeitig der Schulen und der Studien überdrüssig wurden, dass auch diejenigen, welche in den Krieg zögen, über der Noth und den Beschwerden gar zu leicht ermüdeten und heimkehrten.“ König Friedrich I. verlegte die Kolberger Schule nach Berlin und stellte mehrere ausgezeichnete Lehrer an. Dennoch wurde die Einrichtung nach wenigen Jahren wieder geschlossen.

Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) stand König Friedrich II. vor der Aufgabe, die Armee zu reorganisieren und aufzufrischen. Im Krieg war es in allen europäischen Staaten offensichtlich geworden, dass die Bildung der Offiziere mangelhaft war. Man hatte geglaubt, dass die Erfahrung des Krieges alles lehre, was nötig war. Nach dem Krieg wurde die Bedeutung von wissenschaftlicher Bildung erkannt und in allen europäischen Staaten wurden neue Bildungseinrichtungen aufgebaut.

In Preußen errichtete Friedrich II. im Jahre 1765 in Berlin die „Académie des nobles“ (auch „Académie militaire“ genannt). Dort sollten junge Adlige zum Militär- und Staatsdienst erzogen werden. Der Unterricht bezog sich auf Geschichte, Geographie, Philosophie, Rhetorik, Geometrie, Fortifikation, Grammatik, Französisch, Exerzieren, Tanzen und Reiten. Die Schüler kamen entweder direkt zu dieser Akademie oder von den Kadettenanstalten. Die zwölf besten Absolventen holte Friedrich II. nach Potsdam, um sie persönlich in der höheren Kriegskunst auszubilden. Diese Offiziere bildeten den Kader für Generalstabsoffiziere.

Nachdem der König im Jahre 1786 verstorben war, setze man diese Tradition des weiterführenden Unterrichts erst ab 1801 wieder fort. Aus selektierten Teilnehmern wurde die „Akademie für junge Offiziere der Infanterie und Kavallerie“ formiert, die jedoch erst nach Abschluss des ersten Jahrgangs am 21. Juni 1804 eine feste Organisation als Institution erhielt. Die Ausbildung bestand aus einem dreijährigen Kurs. Vom 1. September bis zum 31. März wurde gelehrt, den Rest des Jahres taten die Offiziere in ihren Truppenteilen Dienst. Die Oberleitung der Schule oblag dem Generalquartiermeister (Vorläufer des Generalstabschef) der Armee, während die direkte Leitung ein höherer Offizier ausübte. Als Teilnehmer kamen besonders fähige junge Offiziere der Berlinischen Inspektion sowie 20 auswärtige Offiziere in Frage (für den ersten Jahrgang konnten 36 Offiziere namentlich ermittelt werden), die in sämtlichen Fachwissenschaften, Logik und Mathematik ausgebildet wurden. Diese Akademie wurde jedoch bereits beim Ausbruch des Vierten Koalitionskrieges (1806) geschlossen und als Folge der Niederlage nicht wieder eröffnet.

Zu Leitern der „Akademie für junge Offiziere“ wurden Oberst Gerhard von Scharnhorst und Oberst Levin von Geusau gewählt. Scharnhorst übte maßgeblichen und fortschrittlichen Einfluss auf die Offiziere des ersten Jahrgangs aus. Zu diesen gehörten unter anderem Carl von Clausewitz und weitere Offiziere, die später zum Kreis der Heeresreformer gehörten. Scharnhorst selbst und fast die Hälfte der Offiziere dieses Jahrganges gehörten auch der Militärischen Gesellschaft an, einer nicht-staatlichen Vereinigung zur Diskussion über die neuesten Kriegserfahrungen.

Reorganisation der Akademie 1810 bis 1816

Nach dem Krieg von 1806/07 begann in Preußen die Reform des Militärwesens. Durch eine Kabinettsorder vom 3. Mai 1810 wurden neben den Kadettenanstalten drei Kriegsschulen (Berlin, Königsberg, Breslau) eingerichtet, um Offiziere auszubilden. Die Kriegsschule in Berlin war des Weiteren für die Fortbildung von Offizieren zuständig. Diese Abteilung bot einen dreijährigen Kurs von jeweils neun Monaten Unterricht an, während die anderen drei Monate dem Dienst in der Truppe oder praktischen Übungen gewidmet waren. Die Ausbildung umfasste die militärischen Wissenschaften, Mathematik, Chemie, Physik und Sprachen. Die Zulassung zum Kurs wurde von einer Prüfung und später auch von einer vorherigen dreijährigen Dienstzeit abhängig gemacht. Die Teilnehmerzahl wurde jedoch auf 55 beschränkt.

Während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 blieb die Kriegsschule geschlossen, doch bereits 1816 wurde sie als „Allgemeine Kriegsschule“ wieder eröffnet. Sie war nun vollständig von niederen Bildungseinrichtungen getrennt (diese hießen nun Brigadeschulen, später Divisionsschulen) und erhielt den Status einer Universität. Seit dem 1. Oktober 1859 nannte sie sich, durch eine Kabinettsorder vom 19. August 1858, offiziell „Königlich Preußische Kriegsakademie“.

Die Kriegsakademie im Preußisch-Deutschen Heer bis 1914

Die Kriegsakademie wechselte innerhalb Berlins mehrmals ihren Standort. Zunächst war sie in einem Gebäude in der Burgstraße untergebracht. Dann bezog sie einen Schinkelbau an der Straße Unter den Linden in Höhe des Reiterstandbildes Friedrichs des Großen, später ein Gebäude in der Dorotheenstraße. Dieser 1879–1883 errichtete vierstöckige Backsteinbau bestand aus Vorderhaus und einem Querflügel. In dem Gebäude befanden sich Hörsäle, Büros, ein Raum für Kriegsspiele, eine Bibliothek und Stallungen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde dort Unterricht gegeben. 1935 bis 1939 wurde die Akademie an anderer Stelle, in der Kruppstraße, wieder eröffnet.

Die Kriegsakademie war durch die Militärreformen ursprünglich als eine Art Universität zur Förderung einer höheren allgemeinen und militärischen Bildung in der Armee konzipiert worden. In späterer Zeit verengte sich ihr Lehrplan zu Lasten der allgemeinbildenden Fächer immer mehr auf die Militärwissenschaften. Die Akademie stand grundsätzlich jedem Offizier offen, da die Teilnahme auf freiwilliger Meldung beruhte. Aufnahmebedingungen waren ein dreijähriger vorhergehender Dienst, gute Gesundheit, neben wissenschaftlichen Streben besondere Anlagen und Befähigungen und das Bestehen der Aufnahmeprüfung. Bevor der Bewerber die erforderliche Aufnahmeprüfung ablegen konnte, musste der Regimentskommandeur die charakterliche und fachliche Eignung des Aspiranten bestätigen. Dieses Instrument wurde aber auch oft zur sozialen Selektion genutzt (guter altpreußischer Ersatz, erwünschte Kreise). Im Regiment wurden die Vorbereitungen auf die Prüfung geleistet; die Aufnahmeprüfung fand aber zentral in Form schriftlicher Klausuren statt. In der Regel wurden nur Absolventen der Akademie in den Generalstab übernommen oder konnten selbst das Lehramt ausüben. Der Kursus war dreijährig und bestand aus zwei Parallelklassen. Anfangs war es noch möglich, die Vorlesungen nur ein oder zwei Jahre zur allgemeinen Weiterbildung zu besuchen. Artillerie- und Pionieroffiziere mussten jedoch den vollen Zyklus absolvieren. Lehrfächer waren alle Kriegswissenschaften, Sprachen sowie allgemeine historische und mathematische Wissenschaften. Die nichtmilitärischen Fächer waren nur zum Teil verbindlich.

Die Selektion vor, während und nach der Ausbildung auf der Akademie war hoch. Nur knapp ein Fünftel aller Bewerber bestanden die Aufnahmeprüfung. Durch die mündlichen und schriftlichen Leistungen während des Lehrgangs, der schriftlichen Abschlussprüfung in einigen Fächern und der praktischen Abschlussprüfung im Rahmen einer Übung, bestanden nur ca. 30% aller Lehrgangsteilnehmer das Studium an der Kriegsakademie. Nach dem bestandenen Lehrgang erfolgte eine zweijährige Dienstzeit im Generalstab auf Probe, in der die Eignung des Offiziers für den Generalstabsdienst festgestellt werden sollte. Rund die Hälfte schloss diese Verwendung auf Probe erfolgreich ab, so dass nur 15% der Lehrgangsteilnehmer und nur 3% der Bewerber für die Kriegsakademie auch später als Offizier im Generalstabsdienst verwandt wurden.

Lehrer waren Offiziere des Generalstabs und Professoren der Berliner Universität. Die Kriegsakademie arbeitete außerdem eng mit dem Seminar für Orientalische Sprachen zusammen. Unterstellt war die preußische Kriegsakademie dem Generalinspekteur des Militärerziehungs- und -bildungswesens, seit 1872 dem Chef des Generalstabs der Armee. Die Leitung übernahm ein General als Direktor. Außerdem bestand eine Studienkommission zur Überwachung und Förderung der wissenschaftlichen Leistungen.

Die Zahl der Absolventen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchschnittlich 100 bis 120 Offiziere betrug (etwa 30 bis 40 pro Lehrgang bzw. Lehrgruppe), stieg ab 1871 in Zusammenhang mit den laufenden Heeresverstärkungen und der Zunahme der Generalstabsstellen ständig. 1897 waren es 400 (rund 130 je Lehrgang) und 1909 bereits 480 (etwa 160 je Lehrgang). Die von Generalstabsoffizieren geleiteten Lehrgruppen unterteilten sich weiter in Hörsäle (anfangs bis zu 50, später 25 bis 30 Offiziere). An der Spitze stand ein Taktiklehrer.

Die preußische Kriegsakademie erwarb sich in Folge der in kurzer Zeit errungenen Siege in den Einigungskriegen und der guten Arbeit des Generalstabs, einen nahezu legendären Ruf. Die Kriegsakademie war Vorbild für viele weitere, neu entstandene Einrichtung dieser Art weltweit. Wohl sämtliche höheren militärischen Führer Preußens und des Deutschen Reiches sowie unzählige Gast-Offiziere aus aller Welt sind dort herangebildet worden. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde die preußische Kriegsakademie zur zentralen militärischen Ausbildungsstätte der deutschen Landstreitkräfte. Die seit 1867 in München bestehende Bayerische Kriegsakademie war wesentlich kleiner als die preußische und bildete nur für das bayerische Heer aus. Ihren wesentlichen Ausbildungsinhalten nach entsprach sie jedoch der preußischen Kriegsakademie.

Nachfolgeeinrichtungen der Akademie

Gebäude der Kriegsakademie, auf dem Dach die Reichskriegsflagge (1938)

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Kriegsakademie geschlossen und bis Kriegsende nicht wieder eröffnet. Die Reichswehr umging das vom Versailler Vertrag festgelegte Verbot der Kriegsakademie mit der Einrichtung der Führergehilfenausbildung. Mit Beginn der Kriegsvorbereitungen eröffnete die Wehrmacht 1935 die Kriegsakademie erneut, zunächst mit einer zweijährigen Ausbildung und einer Teilnehmerzahl von 100 bis 150 Offizieren. Die Ausbildung reichte bis zur Ebene der Armeekorps. Im Mittelpunkt stand dabei der Erwerb militär-fachlicher Kenntnisse. Doch bereits 1939, mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, wurde die Ausbildung eingestellt und durch Generalstabslehrgänge ersetzt. Im März 1943 erfolgte die Wiedereröffnung der Akademie, an die fast 200 Offiziere einberufen wurden. Sie wurde nach Hirschberg/Riesengeb. verlegt und befand sich am Kriegsende in Bad Kissingen. Schwerpunkt war die Ausbildung von Generalstabsoffizieren für die Divisions-Ebene. Unterrichtet wurde außer in den Hauptfächern Operationstaktik und Kriegsgeschichte auch in Spezialfächern und Sondergebieten wie Versorgung, Transport- und Kraftfahrwesen sowie über spezielle Waffengattungen und Fragen der Technik. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde auch die Akademie endgültig geschlossen.

Die preußische Kriegsakademie ist die einzige namhafte Institution der alten preußischen Armee, die ohne geistigen Substanzverlust – mit Unterbrechungen und zeitgemäßen Umwandlungen – bis zum heutigen Tag mit der gleichen Zielsetzung existiert. Diese lautet, nach einer Denkschrift aus dem Jahr 1867: „Die Kriegsakademie, welche den Charakter einer militärischen Universität trägt, soll […] den wissenschaftlichen Geist in der Armee heben, […] soll die befähigteren Offiziere aller Waffen […] zu höheren Führern, zu Generalstabsoffizieren […] ausbilden.“ Ihr heutiger geistiger Traditionsträger ist die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese.

Siehe auch

Literatur

  • von Scharfenort: Die Königlich Preußische Kriegsakademie 1810 - 1910. Berlin 1910
  • Karl Demeter: Das Deutsche Offizierskorps in Gesellschaft und Staat 1650-1945. Bernhard & Graefe, Frankfurt/Main 1963.
  • Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Deutsche Militärgeschichte 1648-1939 (6 Bde.). München 1983; ISBN 3881991123.
  • Bernhard von Poten (Hrsg.): Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften (9 Bde.). Velhagen und Klasing, Leipzig 1877-1880.
  • Bernhard Schwertfeger: Die großen Erzieher des deutschen Heeres. Aus der Geschichte der Kriegsakademie. Akademische Verlagsgesellschaft, Potsdam 1936.
  • Olaf Jessen: „Preußens Napoleon“? Ernst von Rüchel. Krieg im Zeitalter der Vernunft 1754-1823, Schöningh, Paderborn 2007. ISBN 978-3-506-75699-2

52.51759722222213.3812583333337Koordinaten: 52° 31′ 3″ N, 13° 22′ 53″ O


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