Lernen aus Fehlern

Lernen aus Fehlern

Lernen aus Fehlern ist als ein Spezialfall des erfahrungsbasierten Lernens anzusehen. Damit sind Handlungen gemeint, die als Folge eines Fehlerereignisses ausgeführt werden, z. B. Fehleranalyse, Ursachenforschung oder auch Suche nach Möglichkeiten zur Fehlerkorrektur. Lernen aus Fehlern wird aus der Annahme heraus wissenschaftlich untersucht, dass dadurch der Wiederholung von Fehlern vorgebeugt werden kann, bzw. dass durch die Beschäftigung mit dem Falschen das Wissen um das Richtige sowie die Fähigkeiten zum richtigen Handeln verbessert werden.

Lernen aus Fehlern wird von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen untersucht. So beschäftigen sich die Pädagogik und Psychologie mit fehlerbezogenen Lernprozessen in schulischen, aber auch in beruflichen Kontexten. Die Disziplinen der Medizin und Pflegewissenschaften analysieren, u. A. unter dem Stichwort der Patientensicherheit, Möglichkeiten der Fehlerprävention und des Lernens aus Fehlern in klinischen Kontexten. Eine ebenfalls verwandte Forschungsrichtung ist die des Fehlermanagement im Bereich der Betriebswirtschaftslehre.

Inhaltsverzeichnis

Arten von Fehlern

Mit der Unterscheidung verschiedener Fehlertypen ist die Annahme verbunden, das diese auch unterschiedliche Lernpotenziale besitzen. Eine diesbezüglich viel zitierte Klassifikation stammt von James Reason, der slips and lapses von knowledge and rule based errors unterscheidet. Erstere sind Leichtsinnsfehler, bei denen der Akteur eigentlich das nötige Wissen und die nötigen Fähigkeiten besitzt um ein Problem richtig zu lösen. Es passiert jedoch ein Fehler bei der Ausführung einer Handlung, z. B. durch Unaufmerksamkeit oder Hektik. Wissens- oder regelbasierte Fehler dagegen entstehen, weil ein Akteur von falschen Annahmen ausgeht oder einer Handlung falsche Ursache-Wirkungs Erwägungen zugrunde legt. Aus pädagogischer Sicht interessanter sind wissens- und regelbasierte Fehler, da sie einem Akteur Einsichten in Defizite und Schwächen seines Wissens oder seiner Vorgehensweisen in bestimmten Situationen ermöglichen.

Fehlerkultur und Lernen aus Fehlern

Als für Lernen aus Fehlern relevante Größe gilt die Fehlerkultur des jeweiligen Kontextes. Damit wird die Art und Weise beschrieben, wie soziale Systeme mit Fehlern, Fehlerrisiken und Fehlerfolgen umgehen. Es wird davon ausgegangen, dass die in einem sozialen System bestehenden Einstellungen und Verfahrensweisen im Umgang mit Fehlern großen Einfluss darauf ausüben, wie jeder einzelne Mitarbeiter mit Fehlern umgeht. Haben, z. B. die Mitarbeiter eines Betriebes, Angst vor negativen Konsequenzen, wenn sie einen Fehler machen, werden sie eher dazu neigen den Fehler zu vertuschen. Dadurch kann informelles Lernen nur sehr schlecht stattfinden. Aus pädagogischer Sicht wünschenswert ist eine Fehlerkultur in der es möglich ist Fehler zuzugeben und offen zu diskutieren sowie Arbeitsabläufe zu verbessern um Fehlern vorzubeugen.

Lernen aus Fehlern und negatives Wissen

Negatives Wissen, eine spezielle Form des Erfahrungswissens, ist Wissen darüber was falsch ist oder wie ein bestimmte Probleme nicht gelöst werden können. Dabei wird angenommen dass Lernen aus Fehlern häufig mit Einsichten in die Falschheit eigener Annahmen oder Handlungsmuster verbunden ist, die in negativem Wissen zum Ausdruck kommen. Negatives Wissen, stellt somit ein „Produkt“ des Lernens aus Fehlern dar, das in verschiedener Hinsicht wertvolle Funktionen erfüllt: Mithilfe des negativen Wissens kann der oben beschriebene „negative Wiederholungseffekt“ des Lernens aus Fehlern erklärt werden: Wer genau weiß was man in einer bestimmten Situation nicht tun darf, kann gezielt bestimmte Fehlern vermeiden. Typischerweise bezieht sich negatives Wissen auf typische sowie auf sehr schwerwiegende Fehler.

Literatur

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