Anselm Kiefer

Anselm Kiefer

Anselm Kiefer (* 8. März 1945 in Donaueschingen) ist ein deutscher Maler und Bildhauer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Anselm Kiefer wurde kurz vor Kriegsende in einem Luftschutzbunker geboren[1] und lebte zunächst in Rastatt. Er studierte Bildende Kunst bei Peter Dreher in Freiburg im Breisgau, in Karlsruhe bei Horst Antes sowie in Düsseldorf bei Joseph Beuys. 1969 präsentierte er seine erste Einzelausstellung mit der Bilderserie „Besetzungen“ in Karlsruhe.

Kiefer zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten, aber auch umstrittensten deutschen Künstlern nach dem Zweiten Weltkrieg. Bekannt wurde er vor allem durch seine Materialbilder. In seinem gesamten Schaffen setzt sich Kiefer mit der Vergangenheit auseinander und berührt Tabu- und Reizthemen der jüngeren Geschichte. So wird insbesondere das Thema der NS-Herrschaft in seinen Werken reflektiert; für das Bild Margarethe (Ölfarben und Stroh auf Leinwand) etwa ließ er sich von Paul Celans wohl bekanntestem Gedicht Todesfuge inspirieren. Jahrzehntelang gepflegte kontroverse Diskussionen in den Medien über den Wert seines künstlerischen Schaffens waren die Folge.

In seiner Düsseldorfer Zeit orientierte sich Kiefer stilistisch an Georg Baselitz. Dick aufgetragene Farbschichten bearbeitete er mit Feuer oder Äxten und kombinierte sie mit Glas, Holz und Pflanzenteilen. In den 1970er-Jahren beschäftigte er sich insbesondere mit deutscher Mythologie (siehe auch: Jonathan Meese), und im folgenden Jahrzehnt setzte er sich mit der jüdischen Mystik, der Kabbala, auseinander. Auf ausgedehnten Reisen durch Europa, die USA und den Mittleren Osten wurde er mit weiteren Einflüssen konfrontiert, unter denen beeindruckende Kunstwerke entstanden. Neben Gemälden schuf Kiefer Aquarelle, Holzschnitte, übermalte Fotos und Bücher, außerdem Skulpturen, in denen Kiefer vielfach Blei einsetzt. Bekannt sind unter anderem seine Flugzeuge und Raketen aus Blei sowie eine Bibliothek aus überdimensionalen aus Blei gegossener Folianten (Werktitel: „60 Millionen Erbsen“).

Die Werke seiner deutschen Phase zeichnen sich durch einen dumpfen, fast schon depressiv wirkenden, zerstörerischen Duktus aus. In den meisten seiner Arbeiten verwendet Kiefer eine Fotografie als Ausgangsfläche, um sie dann mit Erde und anderen Rohmaterialien der Natur zu 'bearbeiten'. Gleichfalls charakteristisch für ihn ist es, dass man in (fast) allen seinen Gemälden Schriftzüge bzw. Namen von Menschen, Sagengestalten oder geschichtsträchtigen Orten findet. All dies sind verschlüsselte Siglen, durch die Kiefer die Vergangenheit aufzuarbeiten sucht. Daher wird er oft auch mit einer als Neuer Symbolismus bezeichneten Stilrichtung in Verbindung gebracht. Mit seinem Umzug nach Frankreich um 1993 löste er sich von deutscher Vergangenheitsbewältigung, seine Palette wurde lichter, seine Themen weiteten sich ins Kosmische, er wandte sich neuen Materialien zu, insbesondere Beton.

1982 war er bei Zeitgeist, 1984 auf der Gruppenausstellung Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf vertreten. 1983 erhielt er den Hans-Thoma-Preis, 1990 den Wolf-Preis. 1999 wurde Anselm Kiefer der Praemium Imperiale der Japan Art Association für sein Lebenswerk verliehen. In der Begründung der Preisvergabe heißt es:

„Eine komplexe kritische Beschäftigung mit der Geschichte durchzieht Anselm Kiefers Arbeit. Seine Bilder sowie die Skulpturen von Georg Baselitz verursachten bei der Biennale von Venedig im Jahre 1980 einen Aufruhr: die Betrachter mußten entscheiden, ob die scheinbar nationalsozialistischen Motive ironisch gemeint waren oder ob damit faschistoide Ideen transportiert werden sollten. Kiefer arbeitete in der Überzeugung, dass die Kunst einer traumatisierten Nation und einer irritierten, geteilten Welt Heilung bringen könnte. Auf riesigen Leinwänden erschuf er epische Bilder, die die Geschichte der deutschen Kultur mit Hilfe von Darstellungen von Figuren wie Richard Wagner oder Goethe aufriefen, und setzte so die Tradition der Geschichtsmalerei als Mittel zur Ansprache an die Welt fort. Nur wenige zeitgenössische Künstler haben einen so ausgeprägten Sinn für die Verpflichtung der Kunst zur Beschäftigung mit der Vergangenheit und ethischen Fragen der Gegenwart, und sind in der Lage die Möglichkeit auszudrücken, Schuld durch menschliche Anstrengung zu tilgen.“

Der Bauunternehmer und Kunstmäzen Hans Grothe will in einem noch zu errichtenden Anselm-Kiefer-Museum nahe dem Berliner Kurfürstendamm 30 bis 50 Werke des von 1993 bis 2008 in Barjac in den Cevennen lebenden Künstlers präsentieren. Seit 2008 lebt Kiefer in der Nähe von Paris.

2005 erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.

Ende Oktober 2007 enthüllte Kiefer im Pariser Louvre ein von ihm erstelltes Auftragswerk. Das 14 × 4 Meter große Gemälde zeigt einen auf dem Boden liegenden nackten Mann (Kiefer), der – laut Kiefer – mit dem Universum verbunden sei. Dies war das erste Auftragswerk des Museums seit dem Jahr 1953. Seit August 2008 werden Werke Kiefers aus der Sammlung Großhaus im Kreuzstall von Schloss Gottorf ausgestellt, insbesondere sein Buch „for Robert Fludd – the secret life of plants“, mit 18 bleiernen Doppelseiten, mit Acryl auf Fotografie in Mischtechnik gestaltet.

Am 19. Oktober 2008 wurde Anselm Kiefer der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.[2][3]

Im Winter 2010/2011 war Kiefer dazu eingeladen, am Collège de France Vorlesungen zu seinem Kunstverständnis zu halten.[4] Aufmerksamkeit und Kritik in den Medien erregte er, als er die Bilder von Jean Genet mit den Medien-Bildern vom Terroranschlag vom 11. September 2001 verglich, und sie als „das perfekteste Bild [...], das wir seit den Schritten des ersten Mannes auf dem Mond gesehen haben“ bezeichnete, da sie alle Parameter der Kunst erfüllen würden.[5].

Ausstellungen

Auswahl der Einzelausstellungen:

  • 1979 Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven, Niederlande.
  • 1980 Verbrennen, verholzen, versenken, versanden. Deutscher Pavillon auf der 39. Biennale von Venedig,
  • 1982 Documenta 7, Kassel
  • 1986 Stedelijk Museum Amsterdam;
  • 1987 Anselm Kiefer in den Museen für moderne Kunst in Chicago, Philadelphia, Los Angeles und im MoMA in New York.
  • 1993 Melancholia, Wanderausstellung in Japan (Tokio, Kyoto, Hiroshima).
  • 1999 Anselm Kiefer - Works on Paper, Metropolitan Museum of Art, New York
  • 2000 Hôpital de la Salpêtrière, Chapelle, Paris
  • 2001 Die Himmelspaläste, Fondation Beyeler, Basel
  • 2005 Lasst tausend Blumen blühen, Kunsthalle Würth
  • 2005 Die Frauen, Villa Medici, Rom
  • 2005/06 Himmel und Erde, Museum of Modern Art, San Francisco
  • 2007 Guggenheim Museum, Bilbao
  • 2007 Chute d’étoiles, Monumenta, Grand Palais, Paris
  • 2008 „Mao“ Triennale Milano Bovisa
  • 2008/09 Anselm Kiefer. Aus der Sammlung Großhaus. Schloss Gottorf, Schleswig
  • 2010 Next year in Jerusalem ( Gagosian Gallery New York )
  • 2010/11 Louisiana Museum für Moderne Kunst, Humlebæk
  • 2011 Europa, Villa Schöningen, Potsdam
  • 2011 Il sale de la terra/ Salt on Earth, Fondazione Emilio e Annabianca Vedova, Venedig
  • 2011 Anselm Kiefer dans la Collection Würth, Au Museé Würth France, Erstein, Bas Rhin, Elsass: 28.Januar - 25.September 2011
  • 2011 Anselm Kiefer. Alkahest, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg
  • 2011 Anselm Kiefer. Ausgewählte Arbeiten aus der Sammlung Grothe, Museum Frieder Burda, Baden-Baden: 7. Oktober 2011 - 15. Januar 2012

Preise und Auszeichnungen

Werke

  • 1974: Malerei der verbrannten Erde
  • 1976: Wege der Weltweisheit: Hermannsschlacht, Sammlung der Deutschen Bank, Frankfurt a.M.
  • 1980-85: Midgard, 360 cm × 605 cm, Öl, Acrylfarbe auf Leinwand, The Carnegie Museum of Art, PA
  • 1980: Wege der Weltweisheit: Die Hermanns-Schlacht, Sammlung Marx
  • 1981: Dein goldenes Haar, Margarete, 130 cm × 170 cm, Öl, Acryl, Emulsion, Kohle, Stroh auf Rupfen
  • 1982: Wölundlied (mit Flügel), Emulsion und Stroh auf Fotografie mit Blei auf Leinwand montiert, 280 cm × 380 cm, London, Saatchi Collection
  • 1982: Märkischer Sand, Ölfarbe, Sand auf Leinwand, Stedelijk Museum, Amsterdam
  • 1983: The Supreme Being, Musée National d'Art Moderne, Paris
  • 1984-85: Die Ordnung der Engel, 330 cm × 535 cm, Emulsion, Öl, Schellack, Acryl auf Leinwand, Stahldraht, übermalte Postkarten, Bleiobjekte, Fundació Caixa de Pensions, Barcelona
  • 1985-87: Die Milchstrasse, Emulsion, Öl, Acrylfarbe, Schellack auf Leinwand, Draht und Blei; Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, USA
  • 1986: Jerusalem, 380 cm × 560 cm, Emulsion, Acrylfarbe, Schellack, Goldfolien, zwei stählerne Skis, Blei
  • 1989: Zweistromland
  • 1986: Die Frauen der Revolution, 280 cm × 1986 cm, Kreide, Blei auf Holzplanken, mit Maiglöckchen und Rosen hinter Glas mit Bleirahmen, Setzholz (übermalt),
  • 1992: Öko-Nischen (Museum Ludwig, Köln)
  • 1996: Böhmen liegt am Meer, 191,1 cm × 561,3 cm, Metropolitan Museum of Art, New York
  • 2001-02: La vie secrète des plantes, Musée National d'Art Moderne, Paris
  • 2003, Bühnenbild und Kostüme für Ödipus in Kolonos von Sophokles am Wiener Burgtheater (Regie Klaus Michael Grüber)
  • 2003, Bühnenbild und Kostüme für Elektra von Richard Strauss am Teatro San Carlo in Neapel (Regie Grüber)
  • 2004 - 2008: Die Freimaurer - Logenbild
  • 2007: Athanor, Louvre, Paris; im Treppenhaus der Architekten Percie und Fontain am nördlichen Ende der Colonnade Perrault
  • 2011: purificatio dissolutio coagulato, 2,8 x 3,8 m, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Ausstellungshalle

Literatur

  • Cordula Meier: Anselm Kiefer. Die Rückkehr des Mythos in der Kunst. Dissertation Essen, Essen 1992.
  • Daniel Arcas: Anselm Kiefer, Éditions du Regard, Paris 1996
  • Sabine Schütz: Geschichte als Material. Arbeiten 1969–1983. Dissertation Aachen 1998, Köln 1999.
  • Christina Fenne: Anselm Kiefer. Historienmalerei nach Auschwitz. Dissertation Witten/Herdecke 1999.
  • Albert Kiefer: In Kriegs- und Friedenszeiten. Ästhetische Erziehung als Lebensaufgabe. Mit der erstmaligen Veröffentlichung der bildnerischen Entwicklung in Kindheit und Jugend des Sohnes Anselm Kiefer. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2003, ISBN 978-3-8300-0900-9.
  • Christoph Ransmayr: Der Ungeborene oder Die Himmelsareale des Anselm Kiefer. Frankfurt a.M. 2001. ISBN 3-10-062925-6.
  • Werner Spies, Anselm Kiefer · Lasst tausend Blumen blühen, Katalogbuch deut./engl./franz., Künzelsau 2004, ISBN 978-3-89929-029-5.

Kiefer-Museum in Mannheim

Nach einem Beschluss des Kulturausschusses der Stadt Mannheim soll auf dem Gelände der ehemaligen Schildkrötfabrik ein Museum mit Werken Kiefers aus der weltweit größten Privatsammlung des Heidelberger Kiefer- und Gesichtschirurgen Joachim Mühling entstehen. Die Trägerschaft übernimmt zunächst für 10 Jahre die Stiftung für Kunst und Kultur Bonn, die Stadt Mannheim gewährt einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 80.000 Euro, der Sponsor MVV Energie AG beteiligt sich mit einem fünfstelligen Betrag. Die Museumseröffnung war geplant für Herbst 2009, musste jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Sammlung soll an 5 Tagen in der Woche für mindestens 900 Stunden pro Jahr zugänglich sein.[6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Catrin Lorch: Auch mal ohne Blei. In: Süddeutsche Zeitung vom 20./21. August 2011, S. 17.
  2. Anselm Kiefer erhält Friedenspreis. In: Spiegel Online – Kultur, 4. Juni 2008
  3. Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2008 an Anselm Kiefer
  4. FAZ vom 2. Februar 2011, Seite N3: Sein Geschmack
  5. "Anselm Kiefer am Collège de France – Bin Ladin - eine Kunst-Performance?", FAZ, 3. Februar 2011
  6. Rhein-Neckar-Zeitung, 6. März 2009

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