Ludwig Berger (Komponist)

Ludwig Berger (Komponist)
Ludwig Berger

Carl Ludwig Heinrich Berger (* 18. April 1777 in Berlin; † 16. Februar 1839 ebenda) war ein deutscher Komponist, Pianist und Klavierpädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine Kindheit verlebte Berger zunächst in Templin (Uckermark), später in Frankfurt (Oder), wo er das Gymnasium und ab 1795 die Universität besuchte. Ab 1799 erhielt er eine musikalische Ausbildung bei dem Kontrabassisten und späteren königlichen Kapellmeister Joseph Augustin Gürrlich (1761–1817) in Berlin. 1801 reiste Berger nach Dresden, um seine musikalischen Studien bei dem damals berühmten Johann Gottlieb Naumann fortzusetzen, der aber kurz vor seiner Ankunft verstorben war. In Dresden verband Berger eine enge Freundschaft mit dem Maler Philipp Otto Runge. 1803 kehrte Berger nach Berlin zurück, wo er sich als Klavierlehrer niederließ.

1804 kam Muzio Clementi mit seinem Schüler August Alexander Klengel in Berlin an. Clementi, der seit 1786 nicht mehr öffentlich auftrat, wurde auf seinen Reisen öfter von jungen Pianisten begleitet, die seine Klavierwerke in seinem Sinne öffentlich aufführten. Noch 1804 reiste Clementi nach Italien weiter, während sich Berger und Klengel in Berlin auf eine Konzertreise gemeinsam mit Clementi vorbereiteten, die im September 1805 begann und nach Sankt Petersburg führte. Bis 1812 wirkte Berger dort erfolgreich als Pianist und Klavierpädagoge. In wirtschaftlich gesicherter Lage konnte er 1808 endlich daran denken, seine langjährige Berliner Verlobte Wilhelmina Karges zu heiraten. Er reiste ihr von Petersburg aus bis nach Kurland entgegen, wo die Hochzeit stattfand. Bereits zehn Monate später verlor er seine junge Frau im Kindbett. In diesem Schicksalsschlag wird gelegentlich die Ursache für seine spätere Melancholie und Hypochondrie gesehen. Er hat nicht wieder geheiratet, allerdings viel später in Berlin noch einmal den Versuch unternommen, eine Familie zu gründen: 1817 ließ er durch einen Freund Luise Hensel einen Heiratsantrag überbringen, wurde jedoch wie auch andere Bewerber abgewiesen. Die hochgebildete und attraktive Luise Hensel hat nie geheiratet, sie hat ihr weiteres Leben religiösen Idealen im Rahmen pädagogischer und vor allem karitativer Aufgaben im Schoße der katholischen Kirche gewidmet. Im Jahre 1812 hat sich Berger der großen Fluchtbewegung vor den heranrückenden Truppen Napoleons angeschlossen. Über Stockholm, wo er erfolgreich konzertierte, gelangte er nach London, wo sich inzwischen Clementi niedergelassen hatte und sich seiner annahm. Nach zwei erfolgreichen Jahren als Pianist und Klavierlehrer in London kehrte er 1814 (nicht 1815, wie oft fälschlich angegeben) nach Berlin zurück, wo er am 20. November 1814 zum letzten Male öffentlich auftrat. Berger war sein eigener Veranstalter, wohl um sich in Berlin bekannt zu machen. Er wohnte zu dieser Zeit noch im Hotel de Brandenbourg (wo man in der Nr. 10 bei ihm die Konzertkarten für 1 Thlr. erwerben konnte). Das Konzert ist in den Berlinischen Nachrichten, der Spenerschen Zeitung, am 19. November 1814 angekündigt: "Vocal- und Instrumental-Concert im Saale des Königl. Schauspielhauses gegeben von Hrn. Ludwig Berger". Er spielte auf einem "aus London mitgebrachten Flügel-Fortepiano" eine Ouvertüre, seine Klaviervariationen "Ah vous dirai-je" und sein "Concert fürs Fortepiano". Außerdem erklangen Werke von Paer, Simon Mayr und Mattäi, für die er Gesangs- und Instrumentalsolisten der Stadt engagiert hatte. Die Kritik in der AmZ ("Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung"), Jg. 16, Sp. 881 lobt sein "fertiges, sicheres Spiel Clementischer Schule...Herrliche, leichte Manier der Berührung der Tasten, treffliche Applicatur...Große Fertigkeit der linken Hand".

Das Geistesleben Berlins blühte in dieser Zeit vor allem in den bürgerlichen Salons der Stadt, zu denen Berger als musikalische Autorität schnell Zugang fand. So spielte er bereits in der Silvesternacht 1814/1815 im Salon von Kriminalrat Julius Eduard Hitzig, wo ihn E. T. A. Hoffmann hörte (Schilderung von Hoffmann in: Die Abenteuer der Silvester-Nacht, 1. Die Geliebte, aus: Phantasiestücke in Callots Manier; hier ist er noch „ein fremder Virtuose, namens Berger“). In einem dieser Salons, bei dem Staatsrat Friedrich August von Staegemann, lernte Berger den jungen Dichter Wilhelm Müller kennen. Neben Berger und Müller waren u.a. Luise Hensel und deren Bruder, der Maler Wilhelm Hensel (der spätere Schwager von Felix Mendelssohn Bartholdy), Clemens Brentano und Graf Neithardt von Gneisenau Gäste dieses Salons. Im Rahmen eines der in diesen Salons üblichen literarischen Spiele mit dem Motto „Rose, die Müllerin“ entstanden 1816 die ersten Gedichte des späteren Zyklus’ „Die schöne Müllerin“ von Wilhelm Müller, zu denen Berger die Musik beisteuerte, lange bevor Müllers Gedichtsammlung ihre endgültige Form fand, die dann 1823 von Franz Schubert vertont wurde. Bergers Zyklus, veröffentlicht 1819 als op. 11 unter dem Titel Gesänge aus einem gesellschaftlichen Liederspiele 'Die schöne Müllerin', besteht aus zehn Liedern, von denen nur fünf auf Texten Müllers in der Rolle des Müllerburschen basieren. Die übrigen stammen von anderen Gästen des Salons in folgenden Rollen: Rose, die Müllerin (Hedwig von Staegemann), Jäger (Wilhelm Hensel), Gärtnerbursche (Luise Hensel), Junker (Friedrich Förster). Außerdem gab es noch weitere Gedichte von Verehrern der Müllerin, darunter ein Fischer, die Berger nicht berücksichtigt hat. Wilhelm Müller hat die Verkettung seiner Gedichte mit denen der anderen Mitglieder des Kreises schon vor seiner Abreise nach Italien im August 1817 gelöst und gab eine erste Fassung des Zyklus' mit 15 Gedichten zur Veröffentlichung. Die endgültige Form mit 25 Liedern, die auch Schubert als Vorlage diente, der für seinen Müllerin-Zyklus 20 Gedichte auswählte, erschien als 1. Teil der Sammlung "77 Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten" im Jahre 1821.

Berger wurde in dieser Zeit zum gesuchtesten Klavierpädagogen seiner Zeit. Sein Ruf verbreitete sich weit über die Grenzen der Stadt Berlin hinaus. Sein prominentester Klavierschüler war der junge Felix Mendelssohn Bartholdy, der als Komponist ein Schüler von Carl Friedrich Zelter (1758–1832) war, dem Gewährsmann Goethes in Sachen Musik. Zelter hatte in Berlin 1808 eine sog. „Liedertafel“ gegründet, einen Männerchor, der sich so elitäre Aufnahmeregeln gegeben hatte, dass sich Berger vergebens um Aufnahme bemüht hatte. In Reaktion darauf gründete Berger gemeinsam mit Bernhard Klein, Ludwig Rellstab und Gustav Reichardt 1819 die „Jüngere Liedertafel zu Berlin“, die sich nach außen stärker öffnete und so wichtige Impulse gab für die große Männerchorbewegung des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1822 trat Berger in Zelters Sing-Akademie zu Berlin ein, was ein Zeichen dafür ist, dass es zwischen ihm und Zelter wegen der Liedertafel-Problematik zu keinen Konflikten gekommen ist. Vielmehr wurde Zelter im Herbst 1819 als Ehrenmitglied in die Jüngere Liedertafel aufgenommen. In einem Brief an Goethe vom März 1830 heißt es: „Es giebt jetzt hier in Berlin wenigstens vier Liedertafeln, von denen die meinige nicht die beste ist... Dagegen ist die zweyte Liedertafel in der That die beste; sie besteht aus jungen Leuten mit guten Stimmen: Lieder machen sie sich dazu und an ältern guten Liedern ist kein Mangel. Ich gestehe aufrichtig, daß ich lieber hier bin als bey uns.“

Werke

Bergers kompositorisches Schaffen konzentrierte sich im Wesentlichen auf drei Gattungen: Lied, Männerchor und Klaviermusik. Von den Zeitgenossen wurde er besonders als Liederkomponist geschätzt. Hier hat er die strenge Strophenform der sog. 2. Berliner Liederschule des 18. Jahrhunderts aufgebrochen zugunsten einer gesteigerten Expressivität, indem die Klavierbegleitung in den Melodiefluss integriert und mit Hilfe der Harmonik als Stimmungsträger die Textausdeutung intensiviert wurde. In der Klaviermusik dominieren die kleinen Formen, die er nur einmal überzeugend verlassen hat, nämlich mit seiner von Beethoven inspirierten Sonate pathetique op 1. Neben Variationenwerken waren vor allem seine beiden Etüdensammlungen op. 12 und op. 22 sehr verbreitet. Die Etüden op. 12 wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder aufgelegt. Sie sind durch ihren poetischen Charakter lyrische Klavierstücke und, wie schon Robert Schumann hervorhob, eigentlich „Lieder ohne Worte“, die Mendelssohn Bartholdy zu seinen gleichnamigen Kompositionen den Weg wiesen. Berger hat sich auch an großen Formen versucht (z. B. Klavierkonzert), aber mit wenig Glück. Er war ein Meister der kleinen Formen und herausragender Repräsentant des Berliner Biedermeier an der Schwelle zur norddeutschen Romantik.

Zuordnung

Ludwig Berger hatte einen gleichnamigen Zeitgenossen, der auch als Ludwig K. Berger oder Ludwig Berger (Sänger) (1774(?)–1828) veröffentlichte. Er lebte zuletzt in Karlsruhe und schrieb vor allem Lieder mit Gitarrenbegleitung. In manchen Veröffentlichungen werden die Werke beider falsch zugeordnet. (vgl. hierzu Dieter Siebenkäs: Zweimal Ludwig Berger, in: Die Musikforschung, XVIII. Jahrgang 1965, Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel, S. 185-187)

Literatur

chronologisch

  • Ludwig Rellstab: Ludwig Berger, ein Denkmal. Berlin 1846.
  • Carl Freiherr von Ledebur: Tonkünstler-Lexicon Berlin's von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Berlin 1861, S. 48 - 51: Berger, (Ludwig)
  • Arrey von DommerBerger, Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 380 f.
  • Dieter Siebenkäs: Ludwig Berger, sein Leben und seine Werke. Berlin 1963 (dort das vollst. Werkverzeichnis der gedruckten sowie der ungedruckten Werke aus dem Nachlass der Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden).
  • Dieter Siebenkäs: in: Musik in Geschichte und Gegenwart. 2., neubearbeitete Auflage, Band 2, 1999, Sp. 1258–1261 (mit Porträt Bergers).
  • Ludwig Berger: Die schöne Müllerin. Gesänge aus einem gesellschaftlichen Liederspiel op. 11. mit Einführung und ausführlichen Biografien der Beteiligten am Liederspiel von 1816 (Ludwig Berger, Wilhelm Müller, Luise Hensel, Wilhelm Hensel, Hedwig von Staegemann). Neuerscheinung als Liederspiel für 4 einzelne Rollen/Singstimmen,einen Sprecher und Klavier; Pasticcio-Verlag, Gauting 2009.
  • U. Wollny: Die schöne Müllerin in der Berliner Jägerstraße, in: Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 41, 1992, S. 48 - 52

Weblinks


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