Mariko Hashioka

Mariko Hashioka

Natsuo Kirino (jap. 桐野 夏生 Kirino Natsuo; * 7. Oktober 1951 in Kanazawa, Präfektur Ishikawa als Mariko Hashioka (橋岡 まり子, Hashioka Mariko)) ist eine japanische Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Seikei-Universität nahm sie in den 1970er Jahren verschiedene Stellen an und machte negative Erfahrungen als Frau am Arbeitsplatz. Mit 24 heiratete sie, im Alter von 30 wurde ihre Tochter geboren. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann sie mit dem Besuch einer scenario writer school. Ab Mitte der 1980er Jahre publizierte sie als Kirino Natsuo (seit 1989 auch unter dem Pseudonym Noemi Nobara (野原 野枝実, Nobara Noemi)) zunächst Jugendbücher und Liebesromane (1984, Sanrio-Romance-Preis für Ai no yukue), dann wechselt sie zum hardboiled-Genre. 1993 erhält Kirino für Kao ni furikakaru ame den Edogawa-Rampo-Preis für Kriminalliteratur. Ihren literarischen Durchbruch hat die Autorin 1997 mit dem Roman OUT (dt. Die Umarmung des Todes), für den sie den Mystery Writers of Japan Award erhielt. 1999 wird sie für Yawarakana hoho mit dem Naoki-Preis ausgezeichnet, 2004 mit OUT – in Übersetzung – für den amerikanischen Edgar Allan Poe Award nominiert. Zu ihren prämierten Arbeiten zählen Gurotesuku (2003, Grotesk, Izumi-Kyōka-Preis), Zangyakuki (2004, dt. Notizen der Grausamkeit, Shibata-Renzaburō-Preis) sowie Tamamoe! (2005, Glühe, Seele, brenne!, Fujin-kōron-Literaturpreis). Ihr letztes, im Mai 2007 erschienenes Werk, ist der Roman Metabola.

Literarisches Werk

Kirino ist Vertreterin einer japanischen Literatur, die sich jenseits des japanbezogenen und von Männern dominierten alten Establishments der 1960er bis 1980er Jahre sowie jenseits der Kategorie japanische Frauenliteratur (joryū bungaku) mit Blick auf das internationale Geschehen neu positioniert.

Die Autorin, deren Werke oft als „problematisch“ (mondaisaku) bezeichnet werden, erweist sich derzeit als Pionier und Trendsetterin der zeitgenössischen Literaturszene. Ist Murano Miro aus dem mit dem Edogawa-Ranpo-Preis prämierten Text Kao ni furikakaru ame (1993, dt. Regen im Gesicht) die erste weibliche Privatdetektivin der japanischen Gegenwartsliteratur [1] erhebt Kirino in OUT (1997) die durchschnittliche japanische Hausfrau in die Position der Heldin.

Kirinos Freeter-Epos Metabola bietet eine Selbstmord (jibun koroshi)-Variante der gängigen Glücksratgeber und Selbstfindungsanleitungen des japanischen Literaturmarkts. Metabola kann als ein der Autorin gemäß dunkel gefärbter Ratgeber (ikikata no hon) zum Totalausstieg aus der japanischen Gesellschaft gelesen werden.

Der Text dokumentiert den Weg zweier Jugendlicher, Ginji/Yūta aus Tōkyō und Akimitsu aus Miyako, die sich auf der Reise begegnen, Freunde werden und sich anlässlich ihrer wiederholten Zusammentreffen einander anvertrauen. Der sechsundzwanzigjährige Ginji hat durch ein traumatisches Erlebnis, dessen geheimnisvolle Hintergründe sich erst spät offenbaren, sein Gedächtnis verloren. Während Ginji nach und nach die Erinnerung an seine Vergangenheit zurückgewinnt, kann der Leser Ginjis und Akimitsus Weg nach unten mitverfolgen. Über verschiedene Situationen und Milieus eines prekären Japan erreichen die beiden ihre jeweilige Endstation, von der zu vermuten ist, dass hinter ihr das Jenseits wartet. Eine mögliche Lesart des Romans wäre, dass der Text die letzten Gedanken Ginjis überliefert, dessen Leben noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passiert – bevor er gemeinsam mit drei Begleitern, die sich im Internet zum Selbstmord verabredeten, stirbt.

Innerhalb der zeitgenössischen japanischen Literatur nehmen Kirinos Texte hinsichtlich ihrer Originalität und ihres exquisiten anarchischen Impetus eine Sonderstellung ein. Die japanische Kritik, vor allem die von männlicher Seite, gibt sich zuweilen regelrecht erbost über Kirinos neue Interpretationen altbekannter Genres wie des hardboiled-Romans. So löst die Prämierung von Kao ni furikakaru ame mit dem Edogawa-Ranpo-Preis für Kriminalliteratur Empörung aufseiten eines Kritikers aus, der Kirino vorwirft, das Genre verfehlt zu haben. Die Auszeichnung mit dem Naoki-Preis für Yawarakana hoho ruft den Widerspruch eines Anonymus mit dem Decknamen Bart hervor. Er unterstellt Kirino, auf dem Level einer zweitklassigen Schriftstellerin (niryū sakka) zu bleiben, der es aufgrund ihrer Vergangenheit als Verfasserin von Junior-Romanen oder Ladycomics wohl nie gelingen würde, zur tonangebenden Schule (honryū) zu gehören. Man solle ihr, so der „Bart“, deshalb das Lob auf ihre Leistungen, das Kirino stolz machen könne, nicht gönnen. Kirino weist die spöttisch-überhebliche Kritik, die sehr einseitig von männlicher Warte aus abgefeuert wurde, mit Nachdruck zurück. Man kennt sie seither als Kenka Kirino (dt. Streitlustige Kirino).

Kirinos Hinwendung zum sogenannten Unterschichtsmilieu, ihre Vorlieben für die Schattenseiten der Gesellschaft, lässt sich nicht als die verlautbarte Wiederkehr einer proletarischen Literatur im herkömmlichen Verständnis interpretieren. Eher manifestiert sich in Kirinos Texten eine Attitüde, die man parallel zur „white trash“-Kunstbewegung „yellow trash“ titulieren könnte. Kirinos parodistischer, zuweilen böser „yellow trash“ mit seinen diversen Tabuthemen und seinem subversiven Potential attackiert nicht zuletzt die konservative Literaturwelt Japans.

Literatur

  • Rebecca Copeland: Woman Uncovered: Pornography and Power in the Detective Fiction of Kirino Natsuo. In: Japan Forum. 16, 2004, S. 249-269. 
  • Lisette Gebhardt: Der dunkle Weg der Kirino Natsuo. Unrechtserfahrungen als Thema japanischer Gegenwartsliteratur. In: Susanne Opfermann (Hrsg.): Unrechtserfahrungen. Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2007, S. 137-157. 
  • Lisette Gebhardt: Überlegungen zur zeitgenössischen japanischen Literatur. In: Harald Meyer (Hrsg.): Wege der Japanologie. Festschrift für Eduard Klopfenstein. LIT Verlag, Münster etc. 2008 (erscheint 2008). 

Einzelnachweise

  1. Bungei Bessatsu J-Bungaku 1998: 30

Weblinks


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