Mittelalterliche Universitäten

Mittelalterliche Universitäten
Karte mittelalterlicher Universitäten

Die mittelalterliche Universität ist eine Einrichtung der höheren Bildung, die in der Periode der Gotik eingerichtet wurde.

Die ersten Einrichtungen im Europa des Mittelalters, die den Titel einer Universität trugen, wurden in Italien, Frankreich und England im späten 11. und im 12. Jahrhundert eingerichtet. Ihr Ziel war die Vermittlung der Künste, des Rechts, der Medizin und der Theologie. Diese Universitäten entwickelten sich aus wesentlich älteren Schulen und Klöstern. Es ist schwer zu sagen, wann sie zu echten Universitäten wurden, obwohl die Liste der Studia Generalia einen hilfreichen Ansatzpunkt darstellen.

„Das Wort universitas wurde ursprünglich nur auf die scholastische Gilde innerhalb eines studium angewandt - das bedeutet, auf die Gemeinschaft der Studierenden und Magister - und es wurde immer ergänzt wie in universitas magistrorum, universitas scholarium oder universitas magistrorum et scholarium. Im Laufe der Zeit jedoch, vielleicht gegen Ende des 14. Jahrhunderts, begann man, den Begriff eigenständig zu verwenden. Es wurde darunter ausschließlich eine sich selbst verwaltende Gemeinschaft von Lehreren und Scholaren verstanden, deren Körperschaft von den weltlichen bzw. geistlichen Autoritäten anerkannt wurde.“[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge

Obwohl sich einige Einrichtungen höherer Bildung wie die Nalanda-Universität oder die Universität von Konstantinopel darauf berufen, die ältesten Universitäten zu sein, waren in der westlichen Welt die ältesten Universitäten im modernen Sinne (Einrichtungen höherer Bildung, die akademische Grade verliehen konnten) die Universität Al-Qarawiyyin (gegründet 859)[2] und die Al-Azhar-Universität (gegründet 975).[3] Ein anderer Fall ist die Universität von Konstantinopel, welche im neunten Jahrhundert als weltliches Institut der höheren Bildung gegründet wurde um die Staatsverwaltung zu unterstützen. In China und übriger östlicher Welt gab es im Mittelalter bereits viele Einrichtungen höherer Bildung, deren Tradition bis auf antike Zeiten zurückgeht. Ein Beispiel dafür ist die Schule Shang Hsiang.

Die erste Universität im mittelalterlichen Europa, die Bildungsabschlüsse verliehen, waren die Universität Bologna (gegründet 1088). Die ersten Universitäten in Europa wurden in vielerlei Hinsicht durch die Madrasas im Islamischen Spanien und dem Emirat von Sizilien sowie während der Zeit der Kreuzzüge durch den Mittleren Osten beeinflusst.[4]

Universitäten des Mittelalters wurden auch durch den Ethos der Gothik beeinflusst: Sie hatten das Ziel, mittelalterliche Gemeinschaften (Städte) oder Gilden aufzubauen. Mit der anwachsenden Arbeitsteilung der Gesellschaften des 12. und 13. Jahrhunderts ergab sich auch ein verstärkter Bedarf an Klerikern. Vor dem 12. Jahrhundert hatte das intellektuelle Leben Europas an den Klöstern stattgefunden, die sich im Wesentlichen mit den Studien der Liturgie und des Gebetes befassten. Nur wenige Klöster konnten echte Intellektuelle hervorbringen. Nachdem die Gregorianischen Reformen verstärktes Augenmerk auf das Kanonische Recht sowie des Sakraments legten, gründeten Bischöfe Domschulen um die Geistlichen in Kanonischem Recht, aber auch in säkularen Aspekten der Kirchenverwaltung, wie der Logik, der Rhetorik und der Buchhaltung zu trainieren, welches der Predigt und der theologischen Diksussion, aber auch einer effektiven Finanzverwaltung zugute kommen sollte. Lernen wurde zu einem entscheidenen Element, um in der Kirchenhierarchie nach oben zu gelangen, und Lehrer gewannen gleichermaßen an Ansehen. Allerdings überstieg die Nachfrage schon bald die Kapazitäten der Kathedral-Schulen, welche im Wesentlichen von einem Lehrer geführt worden waren. Zusätzlich begannen sich zwischen den Studenten der Kathedrals-Schulen und der Bürgern kleinerer Städte Spannungen zu entwickeln, was zu ihrer Verlagerund in größere Städte wie Paris und Bologna führte.

Die ersten Universitäten in Europa (Universität Bologna (1088), Universität von Paris (1160), Universität Oxford (1167), Universität Cambridge (1209), Universität Palencia (1212), Universität von Salamanca (1218), Universität Montpellier (1220), Universität Padua (1222), Universität Toulouse (1229) und die Universität Orleans (1235)) begannen als private Unternehmungen von Lehrern und ihrer Schüler. Diese ersuchten die Machthaber um Privilegien, und diese Verfahrensweise breitete sich aus. Kaiser Friedrich I. Barbarossa gab in Authentica Habita (1158) die ersten Privilegien an Studenten in Bologna. In einem weiteren Schritt verbot Papst Alexander III. 1179 den Meistern der Kirchenschulen, Gebühren für die Lizenz zu Lehren (licentia docendi) zu verlangen und sie zu verpflichten, diese Lizenz an qualifizierte Lehrer auszugeben."[5]

Lehre in Paris des späten 14. Jahrhunderts. Grandes Chroniques de France: Die Studenten mit Tonsur sitzen am Boden

Etablierung

Die Universität in Paris gilt als Vorgänger der modernen Universität, insbesondere unter der Leitung von Petrus Abaelardus, dem Autor von Sic et Non („Ja und Nein“), ein Buch, in welchem er Texte für Universitäre Studien sammelte. Von den Spannungen zwischen Bürgern und Studenten und von der Zensur durch die Kirche frustriert, gestalteten Abelard und andere die Universitas nach dem Modell der mittelalterlichen [Gilde] als selbstverwaltete, ständige Einrichtung der höheren Bildung. Die Universität Paris wurde zu einer der ersten eingerichteten Universitäten, als Papst Gregor IX. die Bulle Parens Scientiarium verkündete (1231). [5]

Der revolutionäre Schritt bestand darin, dass neben den bestehenden studium generale und der universitas (der Gemeinschaft aus Studenten und Lehrern) nun die Autonomie hinzutrat. „Die päpstliche Bulle von 1233, in der verkündet wurde, dass jeder, der als Lehrer in Toulouse arbeiten durfte, auch anderswo ohne weitere Prüfungen (ius ubique docendi) lehren durfte, verwandelte dieses Privileg in das wichtigste Charakteristikum der Universität und machte es zum Symbol seiner institutionellen Autonomie . . . Bis zum Jahr 1292 fühlten sich sogar die zwei ältesten Universitäten, Bologna und Paris, gedrängt, ähnliche Bullen von Papst Nikolaus IV. zu ersuchen.“[5]

Im 13. Jahrhundert wurden bereits die Hälfte der höchsten Kirchenämter durch Magister belegt (Äbte, Erzbischöfe, Kardinäle), und über ein Drittel der zweithöchsten Ämter. Einige der größten Theologen des Hochmittelalters, Thomas von Aquin und Robert Grosseteste hatten die mittelalterlive Universität durchlaufen.

Die Entwicklung der mittelalterlichen Universität ging mit der verbreiteten Wiedereinführung der Lehren des Aristoteles durch byzantinische und arabische Gelehrte einher, sowie mit dem Niedergang der Lehren des Platonismus und Neoplatonismus. Es wurde wurde durch den Humanismus und seiner akademischen Lehren abgelöst.

Charakteristika

Seminar in einer mittelalterlichen Universität, bebildertes Manuskript aus dem 13. Jahrhundert.

Ursprünglich hatten mittelalterliche Universitäten keinen Campus. Seminare fanden statt, wo Platz verfügbar war, wie etwa in Kirchen oder Privathäusern. Eine Universität war nicht der physische Ort, sondern die Gemeinschaft der Individuen, die sich als universitas verbunden hatten. Bald jedoch begannen einige Universitäten (wie etwa die Universität Cambdridge), Räumlichkeiten speziell für die Lehre zu kaufen oder zu mieten.

Universitäten waren in drei Typen gegliedert, je nachdem, wer die Lehrenden bezahlte. Der erste Typus war der der Universität Bologna, bei der Studenten die Lehrer bezahlten. Der zweite Typus ist der der Universität Paris, bei der Lehrer durch die Kirche finanziert wurden. Oxford und Cambridge wurden vor allem durch die Krone und den Staat bezahlt, was ihnen ermöglichte, die Auflösung der Klöster und der darauf folgenden Auflösung aller weiterer katholischer Einrichtungen in England ab dem Jahre 1538 zu überstehen.

Diese strukturellen Unterschiede brachten weitere Charakteristika hervor. In Bologna bestimmten Studenten den Lauf der Dinge -- eine Tatsache, die die Lehrenden großen Druck und Nachteile brachte. in Paris wurde die Schule von Lehrern geführt, wodurch es zum Anziehungspunkt für Lehrende aus ganz Europa wurde. In Paris war zudem Theologie das Hauptfach, also lag die Kontrolle der vergebenen Abschlüsse in der Hand einer externen Autorität, dem Kanzler der Diözese. In Bologna, wo Studenten weltliche Studienfächer wählten, war Jura das Hauptfach.

Bis zu einem Bakkalaureat musste sechs Jahre lang studiert werden. Bis zu 12 weitere waren für die Erreichung eines Magister oder Doktorats-Abschlusses notwendig. Die ersten sechs Jahre wurden durch die Fakultät der Künste organisiert. Hier wurden die sieben freien Künste gelehrt: Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musiktheorie, Grammatik, Logik und Rhetorik. Das Hauptaugenmerk lag auf der Logik.

Nach dem Erreichen des Baccalaureus Artium konnte der Student die Universität verlassen oder weitere Studien in einer der folgenden Fakultäten fortführen: Jura, Medizin oder Theologie, und darin einen Magister oder den Doktorgrad erlangen. Theologie hatte dabei das größte Ansehen und war das schwierigste dieser Fächer.

Kurse wurden dabei nicht nach Thema, sondern nach Buchinhalten organisiert. Zum Beispiel könnte ein Kurs sich mit einem Buch von Aristoteles befassen oder einem Buch der Bibel. Kurse waren außerdem nicht wählbar. Das Kursangebot war gegeben, und jeder Student musste dieselben Kurse besuchen. Es gab allerdings beizeiten die Möglichkeit, den Lehrer auszuwählen.

Universitäts-Kurs (1350er Jahre).

Studenten begannen mit etwa 14 oder 15 Jahren an der Universität zu studieren. Die Klassen begannen üblicherweise um 05:00 oder 06:00 morgens. Studenten standen unter dem gesetzlichen Schutz der Geistlichkeit, was bedeutete, dass ihnen kein physisches Leid zugetan werden durfte. Sie mussten sich nur vor einem Kirchengericht verantworten und waren daher immun gegenüber der Körperstrafe. Dies gab der Studentenschaft die Freiheit, in städtischer Umgebung ungestraft Gesetze zu brechen - eine Tatsache, die vielerlei Misbrauch hervorrief: Diebstahl, Vergewaltigung und Mord waren unter Studenten, die keine ernsthaften Konsequenzen zu tragen hatten, nicht ungewöhnlich. Dies führte zu Spannungen mit weltlichen Autoritäten. Die Studentenschaft führte auch manchmal „Streiks“, bei denen sie die Stadt für Jahre verließen. So geschehen im Jahr 1229 im Universitäts-Streik von Paris, als nach einem von Studenten ausgelösten Aufruhr mehrere Studenten starben. Die Universität trat in Streik und kehrte erst zwei Jahre später zurück.

Nachdem Studenten den rechtlichen Status von Mönchen hatten, welche nach kanonischem Recht nicht weiblich sein durften, waren Frauen an den Universitäten nicht zugelassen.

Ein verbreitetes Lehrbuch war das der Sentenzen (Libri Quattuor Sententiarum) von Peter Lombard. Theologiestudenten und -magister mussten als Teil ihres Curriculums ausschweifend Kommentare über diesen Text verfassen. Mittelalterliches Gedankengut in Philosophie und Theologie kann in den scholastischen Kommentierungen gefunden werden, da die Scholastik eine weit verbreitete Lehrmethode darstellte.

Die meisten Universitäten von internationaler Bedeutung in Europa waren als Studium Generale beim Heiligen Römischen Reich vermerkt. Teilnehmerorganisationen wurden aufgefordert, ihr Wissen in Europa an verschiedenen Studium Generale zu verbreiten.

Anmerkungen

  1. Encyclopaedia Britannica: History of Education. The development of the universities.
  2. The Guinness Book Of Records. 1998, S. 242, ISBN 0-553-57895-2
  3. Syed Farid Alatas: From Jami`ah to University. Multiculturalism and Christian–Muslim Dialogue. In: Current Sociology. Band 54, Nr. 1, S. 112–132
  4. George Makdisi: Scholasticism and Humanism in Classical Islam and the Christian West. In: Journal of the American Oriental Society. Band 109, Nr. 2, April–June 1989, S. 175−182 [175−177]
  5. a b c Kemal Gürüz: Quality Assurance in a Globalized Higher Education Environment: An Historical Perspective. Istanbul 2007, S. 5

Referenzen

  • Alan B. Cobban: English University Life in the Middle Ages. Ohio State University Press, Columbus 1999, ISBN 0-8142-0826-6
  • Stephen Ferruolo: The Origins of the University. The Schools of Paris and their Critics, 1100–1215. Stanford University Press, Stanford 1998, ISBN 0-8047-1266-2
  • Charles Homer Haskins: The Rise of Universities. Cornell University Press, Ithaca, New York 1972, ISBN 0-87968-379-1
  • Hastings Rashdall, F. M. Powicke und A. B. Emden: The Universities of Europe in the Middle Ages. 3 Bände, Clarendon Press, Oxford 1987, ISBN 0-19-821431-6
  • Robert S. Rait: Life in the Medieval University. Cambridge University Press, Cambridge 1931, ISBN 0-527-73650-3
  • Robert Francis Seybolt (Übersetzer): The Manuale Scholarium. An Original Account of Life in the Mediaeval University. Harvard University Press, Cambridge 1921.
  • Lynn Thorndike (Übersetzer und Herausgeber): University Records and Life in the Middle Ages. Columbia University Press, New York 1975, ISBN 0-393-09216-X

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