Mykonos-Attentat

Mykonos-Attentat
Gedenktafel für die Opfer des Berliner Mykonos-Attentats

Das Mykonos-Attentat fand am 17. September 1992 in einem griechischen Restaurant in der Prager Straße[1] in Berlin-Wilmersdorf statt. Dort wurden vier kurdische Exilpolitiker im Auftrag des iranischen Geheimdienstes VEVAK erschossen. Der Wirt und ein weiterer Gast wurden schwer verletzt.

Inhaltsverzeichnis

Opfer

Bei den Opfern handelte es sich um den Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK-I), Sadegh Scharafkandi, den Repräsentanten der als sozialdemokratisch eingestuften Partei in Frankreich, Fattah Abdoli, den Repräsentanten der Partei in Deutschland, Homayoun Ardalan, und den Dolmetscher Nouri Dehkordi. Sie waren als Gäste eines Kongresses der Sozialistischen Internationale auf Einladung von Björn Engholm zu Besuch in Berlin.

Täter

Drahtzieher des Attentats war der seit Beginn der 1980er Jahre in Deutschland lebende Iraner Kazem Darabi. Er spähte Gegner des Teheraner Regimes in Deutschland aus und leitete die Berliner Filiale der Hisbollah. Die Mörder trafen sich zu Absprachen in einer Moschee in Berlin-Kreuzberg und in Darabis Wohnung in der Detmolder Straße. Die Bekämpfung der Opfer war von dem damaligen Minister für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten der Islamischen Republik Iran, Ali Fallahian angekündigt worden, nachdem schon der Vorgänger im Amt des Vorsitz der Demokratische Partei Kurdistan-Iran, Dr. Abdul Rahman Ghassemlou 1989 in Wien ermordet worden war. Gegen den von Interpol gesuchten Ali Fallahian bestehen Haftbefehle Deutschlands, der Schweiz und Argentiniens wegen mutmaßlichen Mordes.

Prozess

Nach dreieinhalbjährigem Prozess verurteilte das Berliner Kammergericht unter Vorsitz von Frithjof Kubsch[2] im April 1997 Darabi und den Libanesen Abbas Rhayel wegen Mordes mit besonderer Schwere der Schuld zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Die Libanesen Youssef Amin und Mohamed Atris wurden wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Die wichtigste Person und Leiter der Operation war der Iraner Abdol-Raham Bani-Hashemi der den Beteiligten nur unter dem Pseudonym Sharif bekannt wurde. Er flüchtete unmittelbar nach der Tat über die Türkei in den Iran und konnte daher bisher nicht gefasst werden. Die Urteile stellten klar, dass der Mordauftrag von staatlichen Stellen des Iran erteilt worden war und der oberste Rechtsgelehrte Seyyed Alī Chāmene'ī sowie der ehemalige Staatspräsident Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī über das Attentat vorab informiert waren (Aktenzeichen: [1] 2 StE 2/93 [19/93]).

Der Prozess lotete die Einflusssphären von Exekutive und Jurisdiktion in der Bundesrepublik aus, da – so Norbert Siegmund – die bundesdeutsche Regierung – insbesondere der damalige Staatsminister im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer – Iran aus politisch-ökonomischen Gründen anfangs ganz aus dem Prozess heraushalten wollte und deswegen beweiskräftige Informationen zurückhielt[3]. Gericht und Bundesanwaltschaft konnten zum Teil nur mit Kunstgriffen – so Norbert Siegmund – vorliegende, aber nicht verwertbare Informationen als Beweise für Staatsterrorismus in den Prozess einführen. Der damalige Generalbundesanwalt sah in dem Prozess die Initialzündung für seine spätere Entlassung. Erstmalig wurde in der bundesdeutschen Justizgeschichte eine Anklageerhebung des Generalbundesanwalts vor der Unterschrift an verschiedene Ministerien geschickt.

Untersuchungsausschuss

Im Frühjahr 1993 wurde ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum Mykonos-Attentat ins Leben gerufen, der fast zweieinhalb Jahre lang zu klären versuchte, warum der spätere Hauptangeklagte Kazem Darabi vom Berliner Verfassungsschutz vor dem blutigen Anschlag nicht überwacht worden war.

Gedenktafel

Seit dem 20. April 2004 erinnert eine Gedenktafel am Anschlagsort an die Opfer, was im Vorfeld zu Protesten aus dem Iran führte. So schrieb der damalige Bürgermeister Teherans und spätere Präsident des Irans Mahmud Ahmadinedschad 2004 an seinen Berliner Amtskollegen Klaus Wowereit einen Brief, in dem er die Gedenktafel als Beleidigung Irans bezeichnete.

Am 11. Oktober 2007 entschied der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vollstreckungsbehörde nach § 456a StPO, dass der zu lebenslanger Haft verurteilte Attentäter und Hauptdrahtzieher Kasem Darabi im Dezember 2007 nach 15 Jahren Haft freigelassen wird.[4] Die Abschiebung Darabis erfolgte am 10. Dezember 2007. Am Tag danach beteuerte er in Teheran erneut seine Unschuld.[5]

siehe auch

  • AMIA-Attentat in Buenos Aires (Argentinien), bei dem 1994 85 Personen starben[6].

Literatur

  • Norbert Siegmund: Der Mykonos-Prozess. Ein Terroristen-Prozess unter dem Einfluss von Außenpolitik und Geheimdiensten. Deutschlands unkritischer Dialog mit dem Iran. LIT, Münster 2001, ISBN 3-8258-6135-X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article394351/Aerger_um_Mykonos_Gedenktafel.html
  2. Mykonos: Großer Tag für den sanften Richter. Berliner Zeitung (10. April 1997). Abgerufen am 1. Dezember 2009.
  3. Norbert Siegmund: Der Mykonos-Prozess. Ein Terroristen-Prozess unter dem Einfluss von Außenpolitik und Geheimdiensten. Deutschlands unkritischer Dialog mit dem Iran. LIT, Münster 2001, ISBN 3-8258-6135-X. Der Inhalt der Veröffentlichung war als Dissertation unter dem Titel Der Mykonos-Prozeß im Schatten der Deutschen Iranpolitik am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität Berlin Gegenstand der Disputation am 20. Oktober 2000. Der 175-seitige Anhang enthält zahlreiche Originaldokumente als Faksimele
  4. Süddeutsche Zeitung: Mykonos-Attentäter Darabi kommt frei 11. Oktober 2007
  5. Agence France-Presse: „Mykonos”-Attentäter will mit Buch seine Unschuld beweisen 11. Dezember 2007
  6. TAZ-Online-Ausgabe, 18. Juli 2009: "Es ist eine offene Schuld". Vor fünfzehn Jahren wurde ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires Ziel eines Anschlags.
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