Mörikes Kegelbahn

Mörikes Kegelbahn

Die Tübinger Königsgesellschaft Roigel ist eine 1838 gegründete Studentenverbindung an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Der Name „Königsgesellschaft“ leitet sich von dem Gründungslokal ab, dem „Gasthaus zum König“. Aus der satirisch gebrauchten französischen Bezeichnung „Société Royale“ entstand schließlich der schwäbische Spitzname „Roigel“, der in den 1840er Jahren als Bestandteil des Namens angenommen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Couleur

Der Roigel trägt die burschenschaftlichen Farben „schwarz-gold-rot“. Sowohl Burschen als auch vorläufig aufgenomme Mitglieder tragen dasselbe Band, die Fuxenfarben „rot-gold-rot“ werden seit der Abschaffung des Fuxenstatus 1969 nicht mehr getragen.

Geschichte

1816 bis 1838

In Anlehnung an die Gründung der Urburschenschaft würde in Tübingen 1816 der „Allgemeine Burschenverein Arminia“ gegründet, dem auch zahlreiche Studenten des Tübinger Stifts angehörten. Die Stiftsstudenten konnten wegen der für sie geltenden strengen Stiftsregeln nur eingeschränkt am Verbindungsleben teilnehmen. Sie nahmen deshalb eine Sonderstellung ein, unter anderem war ihnen das akademische Fechten untersagt.

Nach der Ermordung von August von Kotzebue wurden die Burschenschaften 1819 mit den Karlsbader Beschlüssen verboten. Die burschenschaftliche Bewegung bestand jedoch mit stillschweigender Duldung der Universität fort im sogenannten „Burschenverein“, dem zu einem Drittel Stiftsstudenten angehörten.

Der Streit um die germanische oder arminische Ausrichtung der Burschenschaft führte jedoch zum Austritt vieler arminisch gesinnter Stiftsstudenten. Die Aufnahme eines Paukverhältnisses mit den Tübinger Corps 1832 führte dann zum Austritt fast aller übrigen Stiftler aus der Tübinger Burschenschaft.

Infolge des Frankfurter Wachensturms 1833 wurden die Burschenschaften erneut verboten. Die ausgetretenen Stiftsstudenden wurden von diesen Repressionen jedoch verschont und gründeten im Herbst 1833 eine burschenschaftlich gesinnte Kneipgesellschaft mit dem Namen „Die Patrioten“. Diese verstanden sich als Platzhalter der Burschenschaft in Tübingen und trugen die Farben „schwarz-gold-rot“. Später nannten sie sich nach ihrem neuen Kneiplokal „Schmidteigesellschaft“.

1838 traten Franz Friedrich Majer, Ludwig Osiander und Gustav Palm aus der Gesellschaft aus und gründeten zusammen mit 23 weiteren Stiftsstudenten die Königsgesellschaft Roigel. Aus den Resten der Schmidtteigesellschaft ging später die Normannia Tübingen hervor.

1838 bis 1914

Die Königsgesellschaft sollte nach Willen ihrer Gründer zunächst so lange bestehen, bis die Studenten des Stifts Mitglied der Burschenschaft werden konnten.

Um 1844/45 wandelte sich das Verhältnis zur Burschenschaft jedoch zunehmend in ein interkorporatives. Der Roigel entwickelte ein neues Selbstverständnis als eigenständige, burschenschaftlich-arminisch gesinnte Stiftsverbindung. Ab 1852 konnten folglich auch jene Studenten, die nicht im Stift studierten, Mitglieder des Roigel werden.

Mit der Aufnahme von Nicht-Stiftstudenten, sogenannten Stadtstudenten, stellte sich allerdings die Fechtfrage neu. Im Gegensatz zu den Stiftstudenten war den Stadtstudenten das Schlagen von Mensuren erlaubt. Der nichtschlagende Roigel vertrat daher ab den 1860er Jahren den Standpunkt der bedingten Satisfaktion. Bei einer vorliegenden Ehrverletzung entschied der Convent darüber, ob auf Contrahage angetreten werden durfte oder nicht. Ab 1880 jedoch unterlagen die Nicht-Theologen des Roigels der unbedingten Satisfaktion.

1914 bis 1945

Der Erste Weltkrieg brachte eine Einschränkung und teilweise Einstellung des Universitätsbetriebs und auch des Verbindungslebens mit sich. Ende 1918 wurde der Aktivenbetrieb des Roigels wieder aufgenommen, Anfang 1919 nahm die Universität ihren Vorlesungsbetrieb wieder auf.

Im Zuge des Spartakusaufstandes kam es auch in Stuttgart 1919 zu einem Putschversuch. Um dieser Bedrohung zu begegnen, rief die Landesregierung unter anderem die Studentenschaft zur Hilfe. Die Tübinger Verbindungen bildeten daraufhin ein Studentenbatallion, dem auch Aktive des Roigels angehörten. Dieses Studentenbatallion war zunächst in Stuttgart eingesetzt, später auch an der Niederschlagung der Räterepublik in München beteiligt.

Programmatisch vollzog sich in von 1925 bis 1930 eine Radikalisierung des Bundes, die Dolchstoßlegende wurde intensiv rezipiert und die Weimarer Republik war umstritten. Ab 1924 gab der Roigel als Bund unbedingte Satisfaktion, für die Aktiven galt weiterhin die bedingte Satisfaktion. Bestimmungsmensuren wurden nicht gefochten. 1932 wurde die Satzung dahingehend geändert, dass die Aktiven unbedingte Satisfaktion zu geben hätten.

1933 trat der Roigel der Deutschen Burschenschaft bei, änderte seinen Namen in "Burschenschaft Roigel" und wurde pflichtschlagend. Wegen der Verpflichtung zur Einführung des Führerprinzips und der Bestrebungen alle Verbindungen gleichzuschalten trat der Roigel im November 1934 aus der Deutschen Burschenschaft aus.

Anfang 1935 trat der Roigel der Alten Burschenschaft bei, in Hoffnung in diesem Dachverband die Eigenständigkeit des Bundes wahren zu können. Der verstärkte Druck auf die Studentenverbindungen infolge der „Spargelaffäre“ führte jedoch dazu, dass die Altenversammlung des Roigels am 26. Oktober 1935 beschloss, den Aktivenbetrieb einzustellen.

Der Altenverein des Roigel unterstützte ab 1937 die "Kameradschaft Ludwig Uhland", der ehemalige Aktive der Burschenschaft Germania Tübingen und ehemalige Aktive des Roigel angehörten. Die Kameradschaft galt innerhalb des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes als politisch unzuverlässig. Unter dem Deckmantel der Kameradschaft wurde bis zur Auflösung nach Kriegsende weiterhin korporatives Brauchtum gepflegt.

1949 bis heute

1949 bildete sich aus Resten der "Kameradschaft Ludwig Uhland" zuerst die neue Aktivitas der Germania und wenig später die neue Aktivitas des Roigel. Einige ehemalige Aktive der "Kameradschaft Ludwig Uhland" wurden Doppelmitglieder in Roigel und Germania.

Bei der Wiedergründung hat man eine umfangreiche Reform des Roigel durchgeführt, u.a. wird der Biercomment weitgehend abgeschafft, die Mütze und der Chargenwichs abgeschafft und das akademische Fechten zur Privatsache erklärt.

In den späten Sechziger Jahren wird der Einfluß der Studentenbewegung im Roigel spürbar. Der Fuxenstatus wird abgeschafft, ebenso die letzten Reste des Biercomments. Zeitweise engagiert sich die Aktivitas hochschulpolitsch.

Nach ein paar Jahren personeller Stagnation kam es in den Neunziger Jahren zu einer Wiederbelebung korporativer Traditionen und Symbole im Roigel, z.B. wurde 1995 die Mütze auf fakultativer Basis eingeführt.

Gazettenwesen

Eine einzigartige Besonderheit der Königsgesellschaft Roigel ist das Gazettenwesen. Die Wurzeln dieser Tradition liegen im Tübinger Stift. Oft satirische Zeichnungen, Gedichte und Texte wurden in Form einer Zeitung von Stiftsstube zu Stiftsstube weitergegeben und später als sogenannte Kneipzeitungen in dem Kneiplokalen herumgereicht.

Anfang des 20. Jahrhunderts wandelte sich die Gazette von einer mehrseitigen Zeitung mehr und mehr zu einem Gedicht oder Prosawerk, welches auf der Roigelkneipe vorgetragen wurde. In dieser Form wird das Gazettenwesen auch heute weiter gepflegt.

Die Roigelgazetten werden durch den „Gazettier du Roi“ (G.d.R.) gesammelt und in Gazettenbänden archiviert. Das Archiv der Gazetten ist eine einzigartige Sammlung studentischer Kultur von 1838 bis in die Gegenwart. Die Sammlung steht deshalb unter Denkmalschutz und wurde bereits mehrfach als historische Quelle herangezogen.

Roigelhaus

Das Roigelhaus wurde 1904 auf den Grundmauern der alten Tübinger Schlossküferei errichtet. Die Architekten Paul Schmohl und Georg Staehelin orientierten sich in ihrem Entwurf zum einen am Fachwerkstil der alten Küferei, zu anderen integrierten sie zahlreiche Jugendstilelemente, angelehnt an den Stil von Theodor Fischer. Das Gebäude ist mit dieser Kombination als Verbindungshaus einzigartig, insbesondere im Vergleich zu den übrigen Verbindungshäusern der damaligen Zeit, die vornehmlich dem Geschmack der Gründerzeit entsprechen.

Im Garten des Hauses, direkt an der Mauer des Schlosses Hohentübingen gelegen, befindet sich als weitere Besonderheit eine Kegelbahn. Bei dieser handelt es sich laut dem Landesdenkmalamt Baden-Württemberg um die einzige im süddeutschen Raum erhaltene Freiluftkegelbahn von vor 1800. Vereinzelt wird die Kegelbahn auch als „Mörike-Kegelbahn“ betitelt, zum einen, weil Eduard Mörike während seines Studiums im Tübinger Stift oft mit Kommilitonen dort gewesen ist, zum anderen, weil seine Ballade „Des Schloßküpers Geister zu Tübingen“ von und auf dieser Kegelbahn handelt. Mörikes Kegelbahn wurde von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg zum Denkmal des Monats Juli 2004“ ernannt.

Berühmte Mitglieder

Siehe auch

Literatur

  • Tübinger Königsgesellschaft Roigel, Kompendium der Geschichte und Tradition, Hans-Jörg Dietsche, Tübingen 1999
  • Geschichte des Roigels 1838/1938 1. Teil, Max Fischer, Urach 1938
  • Die Tübinger Königsgesellschaft Roigel in der Weimarer Republik, Annette Roth, Tübingen 1990

Weblinks


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