Naviglio

Naviglio

Navigli (bzw. im Singular Naviglio) heißen die bis ins 20. Jahrhundert typischen Kanäle in und um Mailand, deren Nutzung als Verkehrswege schon in der Antike zum Wohlstand des alten Mediolanum beitrug.

Der in der Spätantike zur Metropole aufgestiegene Ort verdankte den Wiederaufstieg im frühen Mittelalter nicht zuletzt der um 1000 n. Chr. beginnenden Wiederinstandsetzung seines uralten Kanalsystems.

Der älteste der Mailänder Kanäle hieß Vettabia (von lateinisch vectabilis, schiffbar) und stammt aus der Zeit Kaiser Hadrians (dürfte aber älteren Ursprungs sein). Um das Jahr 1100 beginnt die Stadt den Bau. Im Laufe der Jahrhunderte und infolge der Verbesserung der Technik, Schleusen zu bauen wurde er zum Zentrum und Verteilerkreis eines enormen Netzes an Kanälen, dessen heute abgeschnittene Hauptachsen der Naviglio Grande, der Naviglio Pavese und der Naviglio della Martesana waren und sind. Der Naviglio Grande bringt Wasser aus dem Ticino-Fluss, die Martesana kommt von der Adda, und der Naviglio Pavese zielt auf Pavia und den Zusammenfluss des Ticino mit dem Po (Letztere Schiffahrtsverbindung zur Adria wird schon im 15. Jahrhundert geplant, aber erst unter der Herrschaft Napoleons beendet.

Zu den Zeiten, da die Straßentransport langsam und beschwerlich war, bedeuteten solche Kanalverbindungen in der fruchtbaren Ebene enorme wirtschaftliche Vorteile. Dazu kam noch die infolge der Verbreitung der Wassermühle im frühen Mittelalter große energetische Bedeutung der wasserreichen Alpenflüsse.

Der Mailänder Dom wurde mit Marmor aus den Alpen errichtet, der über Navigli praktisch bis an den Bauplatz gebracht wurde: Gian Galeazzo Visconti ließ zu Ende des 14. Jahrhunderts einen Stichkanal errichten, der bis 250 Meter an die Dombaustelle heranführte.

Mit dem Bau der der modernen Artillerietechnik entsprechenden neuen Renaissance-Befestigungsanlagen, wanderte der innere Verteilerkreis des Mailänder Kanalsystems hinter den Ring der Bastionen.

Der so genannte "Künstlerplan" der Stadtgestaltung Mailands in der Epoche Napoleons (1807) ließ das System der Navigli noch unangetastet, ab der Gründerzeit begann allerdings der Niedergang der Mailänder Kanäle. Der Domhafen war schon 1857 zugeschüttet worden, 1877 wurde mit der Überwölbung des inneren Kanalrings begonnen und in der Epoche Mussolinis 1929 bis 1934 mit Rücksicht auf den wachsenden Individualverkehr die Hauptarbeit geleistet. 1969 wurde schließlich das Flussbett des Ringkanals endgültig mit Zement aufgefüllt. Große Kritik gab es dabei unter anderem an der Zerstörung des "Vicolo dei Lavandei", des Wäscherwinkels. Immerhin waren die Proteste insoweit erfolgreich, als wenigstens einige periphere Abschnitte des Naviglio Grande und Navigllio Pavese sowie das Hafenbecken der Darsena erhalten blieben. Heute wird das fast völlige Verschwinden der Mailänder Navigli im Allgemeinen beklagt; es muss aber zugegeben werden, dass sie ihre Transportfunktion mit dem Aufkommen der Bahn und des modernen öffentlichen und individuellen Verkehrs verloren haben und im Sommer wohl auch zuweilen durch unangenehmen Geruch aufgefallen sind.

Literatur

  • Luciano Zeppegno: Milano Sparita. Newton Compton, Rom 1983.
  • Robert Schediwy: Städtebilder. Reflexionen zum Wandel in Architektur und Urbanistik. 2. Auflage. LIT, Wien 2005, ISBN 3-8258-7755-8 (speziell S. 137 ff).

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