Necrotisierende Enterocolitis

Necrotisierende Enterocolitis
Klassifikation nach ICD-10
P77 Enterocolitis necroticans beim Feten und Neugeborenen
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die nekrotisierende Enterokolitis (Abkürzung NEC oder NEK) ist eine Erkrankung des Darmes, die als Komplikation bei der Behandlung von sehr kleinen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm gefürchtet ist und in dieser Patientengruppe die häufigste akute Erkrankung des Magen-Darm-Traktes überhaupt darstellt. Trotz verbesserter Behandlungsmethoden in der Neugeborenenmedizin (Neonatologie) ist die Häufigkeit in den letzten zehn Jahren nicht gesunken. Eine eindeutige Ursache ist nicht bekannt. Es wurden verschiedene Risikofaktoren identifiziert, von denen aber jedem einzelnen keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Behandlung besteht konservativ aus einer Nahrungspause und der Gabe von Antibiotika oder bei Komplikationen operativ in der Entfernung der befallenen Darmabschnitte. Somit stellt die nekrotisierende Enterokolitis eine häufige Ursache für ein Kurzdarmsyndrom im Kindesalter dar. Je nach Schweregrad beträgt die Sterblichkeit (Mortalität) 10-50 %.

Inhaltsverzeichnis

Häufigkeit

Von allen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1 500 g ist etwa jedes zehnte von einer nekrotisierenden Enterokolitis betroffen. In den letzten zehn Jahren hat sich an der Häufigkeit des Auftretens trotz verschiedener Fortschritte in der Behandlung von Frühgeborenen nichts geändert.[1] Ungefähr 10 % aller Fälle treten bei reifgeborenen Kindern auf. Auf alle Neugeborenen bezogen beträgt die Häufigkeit 0,3-2,4 Fälle pro 1 000 Lebendgeborene mit Schwankungen von Jahr zu Jahr und von Behandlungszentrum zu Behandlungszentrum.[2]

Ursache

Die Entstehung einer nekrotisierenden Enterokolitis ist immer noch nicht eindeutig geklärt. Erniedrigung des Blutdrucks, Atemnotsyndrom, Unterkühlung, Einlegen eines Katheters in die Nabelschnurgefäße, ein persistierender Ductus Botalli, verschiedene Infektionen und die Gabe von hochkonzentrierten (hyperosmolaren) Nährlösungen und Medikamenten sind als Risikofaktoren benannt worden. Keinem dieser bekannten Risikofaktoren kommt jedoch einzeln eine besondere Bedeutung zu. Möglicherweise sind sie nur Ausdruck einer allgemeinen Hochrisikogruppe für Komplikationen. [2] Lange Zeit umstritten war die Frage, ob eine frühzeitige enterale (über den Magen-Darm-Trakt) Ernährung aufgrund der Unreife des Darmes einen Risikofaktor für die Entwicklung einer NEC darstellt. Nachdem ältere Studien dies nahe legten, konnte dies in neueren Studien widerlegt werden. [1]

Pathologie

In einem komplexen Zusammenspiel aus Schädigung der Darmwand durch verminderte Durchblutung (Minderperfusion) und Infektion kommt es zu einem Gewebsuntergang (Nekrose) in der Darmwand mit Einlagerung von Fäulnisgasen in die Darmwand (Pneumatosis intestinalis). Schreitet die Schädigung voran kann die Darmwand auch perforieren und es entsteht durch austretenden Darminhalt eine Entzündung der Bauchhöhle, speziell des Bauchfells (Peritonitis).

Symptome

Die Kinder fallen mit allgemeinen Krankheitszeichen wie bei einer Sepsis auf. Dazu gehören eine schmutzig-graue Hautfarbe, eine eingeschränkte Durchblutung in der Haut, Atem- und Kreislaufstörungen. Die Bauchdecken sind gebläht und die Darmschlingen, die aufhören, sich zu bewegen, können darunter sichtbar werden (Darmsteifungen). Die Nahrung wird nicht mehr vertragen, so dass die Kinder vor der neuen noch unverdaute Reste der letzten Mahlzeit im Magen haben. Der Stuhlgang kann dünnflüssig werden und sich grünlich verfärben, was beim Neugeborenen Zeichen einer Diarrhoe sind. Auch Blutbeimeingungen können auftreten. Möglicherweise setzen die Kinder aber auch gar keinen Stuhl mehr ab. Die Bauchdecken sind druckschmerzhaft und die Muskeln der Bauchdecke deswegen angespannt (Abwehrspannung). Eine Rötung der Flanken stellt schon ein spätes Zeichen einer Bauchfellentzündung dar. [2]

Diagnose und Differenzialdiagnose

Neben der wiederholten körperlichen Untersuchung kommen verschiedene apparative Untersuchungsverfahren zum Einsatz. Im Röntgenbild des Bauchraumes stellen sich die Darmwände verdickt dar und man kann bei einer Pneumatosis gegebenenfalls die Gasbläschen in der Darmwand und den Darmvenen, die in die Leberpforte ziehen (Portalvenen), als Aufhellungspunkte sehen. Bei einer schon eingetretenen Perforation ist auch freie Luft in der Bauchhöhle zu erkennen. Auch im Ultraschall stellen sich die Darmwände verdickt dar und Luftbläschen in der Darmwand sind erkennbar. Eine mögliche mitverursachende Infektion kann durch eine Blutkultur und entsprechende Stuhluntersuchungen nachgewiesen werden. [2]

Die nekrotisierende Enterokolitis muss bei entsprechender Symptomatik gegen einen Mekoniumpropf, angeborene Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes und Darmperforationen anderer Ursache, auch solcher, die durch ärztliche Maßnahmen (iatrogen) entstanden sind, abgegrenzt werden. [2]

Therapie

Bei sicherer Diagnose muss die Ernährung über den Magen-Darm-Trakt für bis zu zehn Tage eingestellt und vollständig über Infusionen gewährleistet werden (totale parenterale Ernährung). Eine Behandlung mit Antibiotika erfolgt wie auch sonst bei einer Sepsis im Neugeborenenalter. Der Kreislauf soll zur Verbesserung der Durchblutung der Darmwand durch Volumengaben und möglicherweise auch das Katecholamin Dopamin in niedriger Dosierung unterstützt werden. [2] Der Nahrungsaufbau kann ganz vorsichtig erfolgen, wenn der Bauch klinisch wieder unauffällig ist. Bei einer Perforation oder einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) ist eine operative Therapie durch Kinderchirurgen erforderlich. Die soll besser frühzeitig erfolgen, damit dabei möglichst wenig betroffene Darmanteile entfernt werden müssen. Es wird vorübergehend ein künstlicher Darmausgang (Enterostoma) angelegt. 8-10 Tage nach der Operation kann begonnen werden den zum After führenden Schenkel des Anus praeter mit Traubenzuckerlösung und später auch Milchnahrung oder besser noch Stuhl aus dem zuführenden Schenkel zu spülen. [2]

Prophylaxe

Als vorbeugende Maßnahmen hat man versucht, Frühgeborenen Antikörper von Blutspendern (Immunglobuline) entweder über die Vene oder auch oral zu verabreichen. Die vorbeugende Wirkung ist jedoch nicht ausreichend gesichert. Eine vorbeugende Behandlung mit oralen Antibiotika verringert das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis, wird aber wegen der Erzeugung von Resistenzen nicht routinemäßig angewendet. Die Gabe von Erythropoetin soll der NEC wegen der Verbesserung der Sauerstoffversorgung und eines Zelluntergangsschutzes (Apoptose) vorbeugen können. Muttermilch enthält verschiedene Faktoren, die vor einer NEC schützen können, wobei man beachten muss, dass diese Faktoren wahrscheinlich durch Pasteurisierung zerstört werden. [2] Möglicherweise sind Medikamente, die bestimmte natürliche Darmbakterien (Probiotika) oder Substanzen, die das Wachstum dieser Bakterien gezielt fördern (Präbiotika) durch die Förderung einer natürlichen Besiedlung des Darmes von Frühgeborenen in der Lage, die Häufigkeit einer NEC zu reduzieren. Dies ist Gegenstand gegenwärtiger Studien. [1]

Quellen

  1. a b c W. A.Mihatsch et. al: Frühzeitige enterale Ernährung bei sehr kleinen Frühgeborenen ist nicht mit nekrotisierender Enterokolitis assoziiert. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2002; 150:724-733
  2. a b c d e f g h R. Roos et al.: Checkliste Neonatologie. Das Neo-ABC. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2001. ISBN 3-13-125051-8
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