Neidsteuer

Neidsteuer
Grenzsteuersätze der Einkommensteuertarife 2004–2007, „Reichensteuer“ seit 2007 (blau)

Der Begriff Reichensteuer (auch Millionärssteuer[1] oder Neidsteuer[2]) ist eine in der nach der Bundestagswahl 2005 geführten Reformdiskussion um das deutsche Steuerrecht bekannt gewordene, häufig auch populistisch verwendete Wortschöpfung.

Die als „Reichensteuer“ bezeichnete Erhöhung der Einkommensteuer für besonders hohe Einkommen wurde im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart.[3] Am 29. Juni 2006 beschloss der Bundestag ihre Einführung mit den Stimmen der SPD und CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP, der Grünen und der Linkspartei.PDS.[4]
Sie wurde mit dem „Steueränderungsgesetz 2007“ vom 19. Juli 2006 eingeführt und gilt seit dem 1. Januar 2007.[5]

Inhaltsverzeichnis

Ausgestaltung

Ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.001 für Ledige bzw. 500.002 Euro für Verheiratete beträgt der Spitzensteuersatz 45 %. Dieser Steuersatz gilt im Veranlagungszeitraum 2007 allerdings nicht für die Gewinneinkünfte. Diese Regelung wurde damit begründet, dass zum 1. Januar 2008 eine Unternehmenssteuerreform in Kraft treten soll.

Erzielt ein Steuerpflichtiger nur Überschusseinkünfte, so ergibt sich obiger Verlauf des Grenzsteuersatzes; werden sowohl Gewinn- als auch Überschusseinkünfte erzielt, so hängt der Grenzsteuersatz vom Verhältnis dieser beiden Größen ab.

Politische Diskussion

Die Einführung der „Reichensteuer“ löste – auch wegen des populistischen Begriffs – eine erhebliche politische Diskussion aus, die allerdings innerhalb der Regierungskoalition auf beiden Seiten vor allem „ideologisch motiviert“ sei.[6]

Hauptsächlich wurde kritisiert, dass es sich – so Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung – lediglich um „symbolische Politik“[7] handle, die letztlich nur geringe Auswirkungen habe und „niemandem hilft“.[8] Entsprechend konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, dass die Reichensteuer einen reinen Placebo-Effekt habe, „eine generelle, aber zeitlich begrenzte Erhöhung des Steuerspitzensatzes auf 45 Prozent wäre effektiver gewesen.“[9] Die Linke lehnt die „Reichensteuer“ ebenfalls ab, sie sieht ihre Wirkung im Vergleich zu den in den vorigen Jahren erfolgten Senkungen des Spitzensteuersatzes als unzureichend an.[10]

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, bezeichnete die „Reichensteuer“ als „ökonomisch unsinnige Neidsteuer“.[11] Ähnlich argumentierte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, der bei der Umsetzung der Reichensteuer erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken sieht.[12]

Vizekanzler Franz Müntefering befürwortete dagegen für weite Teile seiner Partei die „Reichensteuer“, es sei gut zu vertreten, dass diejenigen, „die ganz oben sind, ein Stückchen mehr an Steuern bezahlen müssen.“[13] Der stellvertretende Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Gerald Weiß, sagte, dass Belastungsgerechtigkeit gebraucht werde: „Jeder soll tragen müssen, was er tragen kann.“[14]

Einen offenen Brief – initiiert durch den Reeder Peter Krämer – versahen prominente Unterzeichner mit der Überschrift „Die Reichensteuer ist lächerlich“ und forderten eine konsequente Besteuerung der Reichen.[15]

Neben der politischen Diskussion über den Zweck der Reichensteuer wurde zudem aus ökonomischer Sicht untersucht, inwieweit das geforderte politische Ziel, eine differenzierte Behandlung der Gewinn- und Überschusseinkünfte, überhaupt erreicht werden konnte. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Gesetzesänderungen um „kein stimmiges Modell“ handle, das „ungewollte Effekte“ hervorrufe.[16]

Parallele Diskussion in Österreich

Auch in Österreich gab es eine öffentliche Debatte um eine vergleichbare Regelung. SPÖ, Grüne und FPÖ ließen Sympathien für eine „Reichensteuer“ erkennen,[17] Finanzminister Grasser wies die Vorschläge allerdings als „für Österreich bedeutungslos“ zurück.[18]

Siehe auch

Quellen

  1. Vgl. Millionärssteuer ist "reiner Wahlkampf", in: sueddeutsche.de vom 22. Juni 2005.
  2. Vgl. Rüttgers mahnt Merkel, in: welt.de vom 9. November 2005.
  3. Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005, in: bundesregierung.de, S. 68.
  4. Vgl. Steueränderungsgesetz 2007 verabschiedet, in: bundestag.de.
  5. Vgl. Jahressteuergesetz 2007.
  6. Vgl. Schuler, Katharina: Streit um ein Symbol, in: zeit.de vom 26. April 2006.
  7. Vgl. Merz mosert über Merkel, in: zdf.de vom 13. November 2005.
  8. Vgl. Otto, Wolfgang: Kommentar Reichensteuer: Symbol-Politik, die keinem hilft, in: tagesschau.de vom 2. Mai 2006.
  9. Vgl. Wirtschaftsweise warnen, in: n-tv.de vom 13. November 2005.
  10. Vgl. Die Botschaft hör ich wohl ..., Pressemitteilung der Linkspartei.PDS vom 5. Juli 2005.
  11. Vgl. Verfassungskonformität der Reichensteuer allgemein bezweifelt, in: faz.net vom 3. Mai 2006.
  12. Vgl. Verfassungsklage gegen Reichensteuer?, in: heute.de vom 7. Mai 2006.
  13. Vgl. Reichensteuer bringt weniger Geld als erhofft, in: sueddeutsche.de vom 7. Mai 2006.
  14. Vgl. Ran an die Reichen, in: faz.net vom 7. November 2005.
  15. Die Reichensteuer ist lächerlich, Volltext.
  16. Vgl. Reichensteuer trifft die Falschen, in: ftd.de vom 21. September 2006.
  17. Vgl. Aktion 50 plus, in: orf.at vom 14. November 2005.
  18. Vgl. Grasser: Keine "Reichensteuer" in Österreich, in: oe1.orf.at vom 14. November 2005.

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