- Neu-Frankreich
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Neufrankreich (franz. la Nouvelle-France) bezeichnete ursprünglich allgemein das in Nordamerika durch Frankreich zwischen 1534 und 1763 in Besitz genommene und teilweise kolonialisierte Territorium. 1608 wurde der Name Neufrankreich auch zur offiziell gewählten Bezeichnung der nun zu einer französischen Kolonie zusammengefassten französischen Gebiete. Die Kernlande umfassten neben dem Gebiet um den Sankt-Lorenz-Strom auch das Mississippi-Tal (Louisiana) und Akadien. Auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung im Jahre 1712 und vor dem Vertrag von Utrecht erstreckte sich das Territorium Neufrankreichs von Neufundland zu den Großen Seen und von der Hudson Bay bis zum Golf von Mexiko. Das Gesamtgebiet gliederte sich verwaltungstechnisch in die fünf Kolonien Kanada, Akadien, Hudson Bay, Neufundland und Louisiana. Mit dem Pariser Frieden von 1763 verlor Frankreich seine nordamerikanischen Gebiete an den kolonialen Rivalen Großbritannien.
1534-1600: Die französische Landnahme beginnt - Jacques Cartier
siehe auch: Französische Kolonialherrschaft in Kanada
Im Jahre 1524 unternahm der Italiener Giovanni da Verrazano im Auftrag der französischen Krone unter Franz I. eine erste Forschungsexpedition an die Ostküste Nordamerikas. Verranzo besegelte die amerikanische Ostküste zwischen den heutigen Bundesstaaten North Carolina und South Carolina und der Kap-Breton-Insel. Die französische Landnahme auf dem nordamerikanischen Kontinent begann aber erst zehn Jahre später mit dem französischen Seefahrer, Händler und Forscher Jacques Cartier. Dieser erreichte 1534 das Gebiet um die Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms in den Atlantik und nahm es für Frankreich in Besitz. Cartiers Expedition, die ebenfalls von der französischen Krone unterstützt wurde, hatte den Auftrag, eine schiffbare Nord-West-Passage nach China zu finden. Franz I. nahm die Inbesitznahme überseeischen Gebietes zwar wohlwollend zur Kenntnis, war aber nicht an einer Kolonialisierung interessiert. Diese Haltung entsprach einer generellen Sichtweise, die sich erst umkehrte als man allmählich die potenzielle wirtschaftliche und machtpolitische Bedeutung nordamerikanischer Besitzungen wahrzunehmen begann. In den Jahren 1535 und 1536 unternahm Cartier eine weitere Expedition, die ihn den Sankt-Lorenz-Strom aufwärts zu den indianischen Siedlungen Stadacona, nahe dem heutigen Quebec City, und Hochelaga führte, welches nahe der heutigen Stadt Montréal gelegen war.
Der Versuch Cartiers, am Sankt-Lorenz-Strom zu überwintern, endete mit schweren Verlusten unter den französischen Siedlern und verhinderte frühe dauerhafte Besiedlungsversuche. In der Folgezeit waren es vor allem wirtschaftliche Hintergründe, die für eine nahezu permanente französische Präsenz in Nordamerika sorgten und so die Basis für die Jahrzehnte später einsetzende Kolonialisierungspolitik bildeten. Französische Fischer schätzten die reichen Fischgründe an der Atlantikküste und in der Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms. Es kam zu ersten friedlichen Kontakten mit indianischen Ureinwohnern - ein Umstand, der für die später einsetzende rasche Landnahme Frankreichs auf dem nordamerikanischen Kontinent in den Augen der Historiker eine große Rolle spielte.
Es war schließlich erneut die wirtschaftliche Situation in Europa, die die neue Welt verstärkt in den Blickpunkt der Franzosen rückte. Nach der nahezu vollständigen Ausrottung des europäischen Bibers entdeckten französische Händler den Reichtum der Region an Pelztieren. Bereits um 1580 bestanden regelmäßige Handelsbeziehungen zwischen französischen Handelsgesellschaften, die Schiffe in die als Kanada und Akadien bezeichneten Gebiete schickten, und den dort nomadisch lebenden Stämmen der Huronen und Irokesen. In der Folge und bis 1663 unterstanden die französischen Territorien der französischen Handelsgesellschaft "Compagnie de la France Nouvelle" und nicht direkt der Krone Frankreichs.
1600: Anfänge aktiver Kolonialisierungspolitik - Erste Besiedlungen
Um die Jahrhundertwende setzte in Frankreich ein allmähliches Umdenken hinsichtlich der Zukunft und Bedeutung der eher zufällig durch französische Seefahrer für Frankreich in Besitz genommenen nordamerikanischen Gebiete ein. Das vorrangige Interesse in dieser Zeit hatte vor allem darin bestanden, eine für denkbar gehaltene direkte Seeroute nach Asien und China zu finden, von der man sich ein Aufblühen der Handelsgeschäfte versprach. Wirtschaftliche Krisensituationen in den europäischen Monarchien setzten jedoch einen Umdenkungsprozess in Gang. Einerseits erkannte man die stetig wachsende wirtschaftliche Bedeutung des nordamerikanischen Gebiets für die eigenen Fischereiflotten und den lukrative Handel mit Biberpelzen. Der Hauptfokus dieser Betrachtung lag im potenziellen Wohlstand, den diese nordamerikanischen Regionen für das europäische Frankreich bedeuteten. Noch immer ging es nicht um wirkliche und dauerhafte Kolonialisierung der überseeischen Besitzungen. Vielmehr sollten permanent besetzte Handelsstützpunkte den Warenverkehr in die europäischen Mutterländer besser gewährleisten. Erst allmählich entfaltete dieser Prozess eine Wettbewerbsdynamik zwischen Portugal, Spanien, England und Frankreich, den führenden Seefahrernationen Europas. Die steigende wirtschaftliche Bedeutung Nordamerikas verlangte nicht mehr nur, durch permanente Besiedlung den nicht wirklich gesicherten Anspruch auf die Neubesitzungen zu garantieren. Stattdessen verdeutlichte sich auch, dass ein Wettlauf um die noch unerforschten und besitzlosen Restgebiete beginnen würde. Feste Siedlungen an den Küsten gewannen damit eine neue Bedeutung. Sie dienten nicht mehr nur als Basen für den Export der im Hinterland erjagten oder erhandelten Pelze. Vielmehr sah man in ihnen nun zunehmend auch logistisch bedeutende Ausgangspunkte geografisch weiter ausgreifender Entdeckungen und der damit verbundenen Landnahme. Ein imperialer Wettlauf setzte ein. An Frankreichs Hof begann man wahrzunehmen, mit welcher Intensität der europäische Rivale Großbritannien seine überseeischen Besitzungen vergrößerte. Es war hierbei der als enger Ratgeber und strategische Vordenker des französischen Hofs wiederholt in Erscheinung tretende einflussreiche Kardinal Richelieu, der seinen König Heinrich IV. zur aktiven Besiedlung der durch Frankreich beanspruchten überseeischen Gebiete drängte.
Frühe Versuche permanenter französischer Besiedlung schlugen jedoch allesamt fehl. Im Gebiet Akadiens, etwa dem heutigen Nova Scotia entsprechend, scheiterte 1598 die Einrichtung eines Handelspostens auf Sable Island. Im Jahre 1600 endete der Plan, eine Handelsstation bei Tadoussac am Sankt-Lorenz-Strom zu etablieren, ebenfalls im Desaster. Nur fünf Siedler überlebten den harten Winter.
Samuel de Champlain
Lange Zeit hatte das vorrangige Interesse des französischen Hofs darin bestanden, eine für denkbar gehaltene direkte Seeroute nach Asien und China zu finden, von der man sich ein Aufblühen der Handelsgeschäfte versprach. Dies änderte sich um die Jahrhundertwende. Zwar begründete auch der französische König Heinrich IV. die finanzielle Unterstützung der geplanten Schiffsexpeditionen des Samuel de Champlain mit dem ersehnten Auffinden einer schiffbaren Nord-West-Passage durch die Festlandsmasse Amerikas nach Asien. Darüber hinaus autorisierte der französische Monarch Champlain aber auch, den Versuch einer Siedlungsgründung zu unternehmen.
Champlain war Abenteurer, Händler und Forschungsreisender zugleich. Auch sein Vater war zur See gefahren und hatte - dies ist Inhalt einer nicht nachprüfbaren, aber gerne erzählten Geschichte - dem Sohn von gewaltigen Indianerstädten im Inneren Amerikas erzählt, die ihrer Entdeckung harren würden. Zwischen 1603 und 1633 stach Champlain insgesamt zwölfmal in See, ergründete die nordamerikanische Atlantikküste sowie das dortige Festland, aber die Suche nach dem ersehnten und direkten Seeweg blieb erfolglos.
1604 erreichten Samuel de Champlain und Pierre Dugua de Monts, auch Sieur de Monts genannt, die kleine Insel Ile-Sainte-Croix. Das damals im so genannten Akadien gelegene und nur 26.000 Quadratmeter große Eiland liegt nach heutiger Grenzziehung zwischen dem US-Bundesstaat Maine und dem kanadischen New Brunswick. Die Ankunft der Franzosen, deren näherkommendes Schiff mit seinen weißgeblähten Segeln einem mythischen Riesenvogel glich, wurde von den dort beheimateten Passamaquoddy beobachtet und ist bis heute Bestandteil der mündlichen geschichtlichen Überlieferung des Stammes. Der erste Kontakt der Franzosen mit den Passamaquoddy war freundlich und von gegenseitigem Respekt geprägt - eine möglicherweise wegweisende Erfahrung für den Umgang der Neuankömmlinge und der Ureinwohner im Gebiet Akadiens. Die Hoffnung, hier möglicherweise einen geeigneten Platz für einen dauerhaften Siedlungsversuch gefunden zu haben, zerschlug sich erneut im harten kanadischen Winter. Dreißig Siedler starben. Die Überlebenden hatten dies vor allem der Unterstützung der Einheimischen zu verdanken, die sich ihnen helfend zur Seite stellten. Champlain beschloss, den Siedlungsort aufzugeben. Die Siedler setzten im Frühjahr des Jahres 1605 über den Gulf of Fundy und verlegten die Kolonie an den Ort des heutigen Port-Royal. Nur drei Jahre später scheiterte auch dieses Projekt. 1610 wurde erneut ein Siedlungsversuch an gleicher Stelle unternommen, der 1613 nach der kompletten Zerstörung durch Indianer aufgegeben werden musste.
Wie Cartier Jahrzehnte zuvor, stieß Champlain per Schiff in den gewaltigen Sankt-Lorenz-Strom vor, der damals als "Rivière du Canada" bezeichnet wurde. Er fuhr flussaufwärts, passierte die irokesische Siedlung Stadacona und erreichte das damalige Hochelaga, welches an der Stelle der heutigen Stadt Montréal lag. Mit an Bord war auch Francis Gravé, Sieur du Pont (Pontgravé), ein Kaufmann, Fellhändler und Bürger von St. Malo, der die Perspektive der bereisten Region, die reich an Felltieren war, schnell erkannte.
1608: Die Gründung Québecs
Autorisiert durch die französische Krone und zusammen mit sechs Siedlerfamilien von insgesamt 31 Personen legte Samuel de Champlain im Jahre 1608 den Grundstein für Québec, die heutige Hauptstadt der frankophonen gleichnamigen kanadischen Provinz. Dieser erneute Besiedlungsversuch, der nun nicht etwa im Gebiet Akadiens und dem ersten Landungsplatz französischer Seeleute, stattfand, sondern am Eingang des Sankt-Lorenz-Stroms, erwies sich als der erste erfolgreiche und dauerhafte. Die koloniale Siedlung Québec wurde zur Hauptstadt der nun offiziell als französische Kolonie Neufrankreich bezeichneten überseeischen Besitzungen erklärt. Champlain wurde im Jahre 1627 zu ihrem ersten Generalgouverneur ernannt.
Mit diesem Schritt begann die planvolle und systematische Erschließung des französischen Überseebesitzes in Nordamerika, das man schwärmerisch "La Nouvelle France" nannte. Die Phase einer nun aktiv betriebenen Kolonialisierungs- und Erweiterungspolitik setzte ein, welche in einer schnellen und stetigen Vergrößerung des nordamerikanischen Territoriums ihren Ausdruck fand. Das am Sankt-Laurenz-Strom gelegene Québec diente nicht nur als Basis und Umschlagsplatz des weiter im Landesinneren stattfindenden Fellhandels, den einzelgängerische Trapper in Schwung hielten, indem sie die Häute selbst erjagten oder mit den dortigen Indianerstämmen handelten. Die Stadt am Fluss war auch verkehrstechnisch ein hervorragender Ausgangspunkt für tiefere Vorstöße ins „wilde“ Landesinnere und somit Ausgangspunkt für neue Kolonisation und ehrgeizig vorangetriebene Inbesitznahme der neuen Welt.
Champlains Bevölkerungs- und Bündnispolitik als Generalgouverneur Neufrankreichs
Angesichts der schwierigen klimatischen Bedingungen des nordamerikanischen Winters und zahlreicher Epidemien erwies sich der Aufbau der Siedlung Québec anfangs als mühsam. Von 32 Siedlern überlebten nur neun den Winter. Zwar trafen im Frühjahr neue Einwanderer in Québec ein, aber es zeigte sich frühzeitig eines der zukünftigen Hauptprobleme der französischen Kolonie: Die klimatischen Bedingungen in diesen nördlicher als die englischen Siedlungspunkte gelegenen Kolonien erwiesen sich für die Neusiedler als deutlich ungünstiger. Die Bedingungen für Landwirtschaft, den Kernsektor kolonialen Siedlungsgeschehens, waren schlecht. Dies hatte Folgen für den Zuzug von Immigranten, die ihr Glück bevorzugt in südlicheren Kolonien suchten. Dazu kam, dass die Siedler am Sankt-Lorenz-Strom in der Regel nicht sehr alt wurden. 1630 hatte sich ihre Zahl auf 100 erhöht. Zehn Jahre später waren 359 Bewohner für Québec verzeichnet.
In dieser Zeit und aus dieser Situation entwickelte sich ein anderes für das Gebiet Frankreichs charakteristisches Merkmal. Samuel Champlain, der erste Gouverneur, erkannte die Dringlichkeit, sich in dieser klimatisch und wirtschaftlich schwierigen Situation mit den indianischen Ureinwohnern gut zu stellen und sich soweit wie möglich mit ihnen zu arrangieren – ganz anders etwa, als es der Kolonialpolitik des Konkurrenten England entsprach. Eine nicht geringe Zahl von Historikern gibt zu bedenken, dass für Champlain faktisch keine andere Möglichkeit bestand, als mit den zahlenmäßig weit überlegenen Indianerstämmen ein freundschaftliches Einvernehmen herzustellen - im Gegensatz zu den englischen Kolonien, denen sich auf Grund ihrer bereits dichten Bevölkerung ganz andere strategische Möglichkeiten eröffneten.
Unter Champlains Führung begannen die französischen Neusiedler mit den so genannten „Autochtonen“, den Ureinwohnern der Region, den Stämmen der Algonquin und Montagnais, den Aufbau freundschaftlicher Beziehungen. Dies ging sogar soweit, junge französische Männer der Kolonie mit den indianischen Stämmen aufwachsen zu lassen. Ziel war es nicht nur, deren Sprache und Gebräuche zu erlernen, sondern auch deren Verhaltensweise in den schwierigen und lebensbedrohlichen Klimabedingungen. Mit Hilfe dieser indianisch aufgewachsenen Männer französischer Abstammung, die im Volksmund „Coureurs des bois“ (Waldläufer) genannt wurden, gelang es, den französischen Einfluss süd- und westwärts bis zu den Großen Seen auszudehnen, ein Gebiet, das hauptsächlich von Stämmen der Huronen kontrolliert und besiedelt wurde. Diese Stämme entwickelten sich in der Folgezeit zu den einflussreichsten Verbündeten der Franzosen. Im Jahre 1609 etablierte Champlain freundschaftliche Bande zu den Stämmen der Huronen, denen er mit seinen Männern gegen die Irokesen beistand. Dieses Eingreifen hatte aber einen hohen Preis: Champlain zog sich die 150 Jahre währende Feindschaft der Irokesen zu, die sich schon bald an die Seite der Engländer stellten, um die französischen Siedler und ihre Siedlungen zu bekämpfen. Die Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Huronen auf der einen und den von den Engländern unterstützten Irokesen auf der anderen Seite bestanden bis zur endgültigen Niederlage Frankreichs im Jahre 1759. In diesem Zeitraum griffen die Irokesen mehrmals auch die großen Siedlungen Québec und Montréal an, wobei insbesondere Montréal mehrmals kurz vor der völligen Zerstörung stand.
Im Vergleich zu den südlicher gelegenen Kolonialsiedlungen der Engländer entwickelten sich die französischen Siedlungsprojekte demographisch und wirtschaftlich nur äußerst spärlich und langsam. Grund hierfür waren nicht nur die meist widrigeren klimatischen Bedingungen. Die Hauptursache lag in der unterschiedlichen Gewichtung, die Frankreich und England ihren überseeischen Besitzungen zumaßen. England erkannte schneller, welche ökonomische und strategische Bedeutung den überseeischen Neuerwerbungen für den eigenen weltpolitischen Status zukam. Entschlossen stellte man finanzielle Unterstützung für den Aufbau neuer Siedlungen bereit und unterstützte den Zustrom durch englische und nicht-englische Immigranten. Permanent angelieferte Waren und Güter ermöglichten regen Handel mit den einheimischen Stämmen.
In Frankreich hingegen blieb man bezüglich der Zukunft der neuen Ländereien übermäßig lange unentschlossen und zögerlich. Dies lag auch daran, dass Frankreich durch eine Vielzahl europäischer Konflikte militärisch viel stärker an den Kontinent gebunden war als England. Die Vielzahl und die Intensität dieser Konflikte führten faktisch zur Erschöpfung der finanziellen und menschlichen Ressourcen.
Es war Champlain, der schon bald erkannte, dass Neufrankreich ohne eine deutliche Intensivierung seiner Kolonialisierungsbemühungen langfristig keine Chance haben würde, gegen Englands weitaus intensiver betriebene Ausdehnung seines Kolonialreiches zu bestehen. Mit Tadoussac und Québec wies Neufrankreich nur zwei feste Handelsposten auf. Um sich Gehör zu verschaffen, reiste Champlain im Jahre 1627 nach Frankreich und traf mit dem damaligen Premierminister, Kardinal Richelieu, zusammen, den er überzeugen konnte. Champlain argumentierte, dass Neufrankreich über eine Vielzahl wirtschaftlich verwertbarer Naturressourcen (Gold, Mineralien, Felle, Fischbestände) verfügte, die es nur zu erschließen galt. Hierfür sei es aber notwendig, unerforschte Gebiete durch Siedlungsstützpunkte zu erschließen. Der Kardinal drängte schließlich König Ludwig XIII., Neufrankreich nach englischem Vorbild entschlossen zu kolonialisieren. Richelieu selbst rief die „Companie de la Nouvelle France“ (auch als „Gesellschaft der 100 Assoziierten“ bekannt) ins Leben, deren Ziel es war, mit Hilfe von zu versprechenden Landparzellen französische Landsleute in großer Zahl zur Auswanderung nach Québec und in die anderen französischen Territorien zu bewegen und so Investoren für dieses Projekt zu gewinnen. Faktisch kam dies der Einführung eines halbfeudalistischen Wirtschaftssystems gleich. Das System der „seigneurales“ basierte auf dem Prinzip der Landzuweisung durch die Krone an einzelne Landesherren, die ihr Territorium parzellierten und an pacht- und dienstpflichtige Siedler verteilten. Richelieus Einfluss führte auch zur verstärkten Entsendung von Missionaren wie den Rekollekten (Récollets) und den Jesuiten.
Im Zuge dieser Planungen wurde Samuel de Champlain, der Gründer der Stadt Québec, zum Gouverneur Neufrankreichs ernannt – ein Zeichen der französischen Krone, nun endlich planvolle und zentrale Verwaltungsstrukturen in den nordamerikanischen Kolonialgebieten zu schaffen. Trotz seiner im Sinne der imperialen Interessen Frankreichs weitsichtigen Analyse entwickelte sich ein persönliches und wenig weitsichtiges Anliegen Richelieus zu einem schweren Hindernis einer erfolgreicheren Kolonialpolitik der Zukunft: Gemäß Richelieus Wünschen wurden sowohl die Immigration als auch der Aufenthalt nicht römisch-katholischer Siedler in Neufrankreich unter striktes Verbot gestellt. Protestanten hatten entweder zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren oder die Kolonie zu verlassen. Viele der bereits in Neufrankreich niedergelassenen französischen und europäischen Immigranten gingen stattdessen in die prosperierenden englischen Siedlungen, in denen die Konfessionszugehörigkeit keine Rolle spielte. Potenzielle Zuzügler Neufrankreichs wurden nun Untertanen der englischen Krone.
Für Neufrankreich führte diese Entwicklung zu einer charakteristischen Besonderheit: Die römisch-katholische Kirche wurde zu einem immer stärker bestimmenden Faktor und nach dem Tod Champlains im Jahre 1634 zur nahezu allein bestimmenden gesellschaftlichen Kraft. Ein Zustrom französischer Missionare, und insbesondere von Récollets und Jesuiten setzte ein, die daraufhin in die hauptsächlich von irokesischen Stämmen bevölkerten, nicht kolonialisierten Gebiete der Großen Seen vorstießen und Missionsstationen gründeten - ein Umstand, der nicht zur Verbesserung des bereits feindlichen Verhältnisses zwischen Irokesen und Franzosen führte.
Mit der Neuausrichtung der französischen Kolonialpolitik war - auch dies ein Hindernis besserer Entwicklung - die Einführung des so genannten „seigneural système“, einem in Teilen dem feudalen Lehnswesen ähnelnden System verbunden, das bis ins 19. Jahrhundert ein charakteristisches Organisationsmerkmal des Sankt-Lorenz-Gebietes blieb und die Anziehungskraft Neufrankreichs für potenzielle europäische Auswanderer sicher nicht erhöhte.
1629: Wachsende Spannungen zwischen aufstrebenden Kolonialmächten: Erste militärische Auseinandersetzungen zwischen Neuengland und Neufrankreich
In dieser Zeit und unter den oben genannten speziellen Bedingungen verschärfte sich auch der Wettlauf zwischen dem in immer stärkerer Ausdehnung begriffenen und nach neuen Siedlungsflächen strebenden Neuengland und dem gerade erst zur aktiven Sicherung seiner eigenen Ansprüche sich entschließenden Frankreich.
Hierbei kulminierten zwei unterschiedliche Entwicklungen: Zum einen ergab sich mehr und mehr eine natürliche Dynamik beständig wachsender Siedlungen nach neuen potenziellen Siedlungsflächen. Aber auch innereuropäisch-imperiale Spannungen warfen ihre ersten Schatten im Kampf um die Vorherrschaft in der neuen Welt voraus, die wenige Jahrzehnte später in offene Kriege mündeten. Hierbei zeigte sich schnell, dass der rein verbal artikulierte Anspruch auf ein Gebiet durch ein europäisches Mutterland das individuelle Vordringen einzelner Siedlergruppen faktisch nicht verhindern konnte. So hatten sich beispielsweise schon um 1628 schottische Siedler, angezogen von den reichen Fischgründen, im französisch beanspruchten Gebiet Akadiens, dem heutigen New Brunswick, niedergelassen. Um 1630 entstanden englische Fischer-Kolonien auch im Gebiet Neufundlands und im heutigen US-Bundesstaat Maine. Die südlicheren englischen Kolonien in Massachusetts, Boston, New York und Philadelphia prosperierten, hatten bereits mehrere tausend Einwohner. Als Folge drängten englische und schottische Kolonisten nun von beiden Seiten auch in die zwar von Frankreich beanspruchten, aber spärlich bevölkerten Gebiete Canadas um Akadien und das fruchtbare Sankt-Lorenz-Tal. Diese Entwicklungen ließen die Spannungen bis zur ersten tatsächlichen militärischen Konfrontation wachsen. 1629 eroberten britische Truppen Québec und hielten die Stadt immerhin bis 1632. Gouverneur Champlain sah sich gezwungen, bis zur Rückeroberung Québecs die Kolonie in Richtung Frankreich zu verlassen. Es war in dieser Zeit als er seinen Landsmann Sieur de Laviolette 1634 beauftragte, den Handelsposten Trois-Rivières zu gründen.
1630-1701: Parallelkonflikt: Französische Siedler und die Irokesen
Jenseits des fortwährend schwelenden Konflikts zwischen englischen und französischen Kolonialisten um Siedlungsflächen sowie des Wettbewerbs ihrer europäischen Mutterländer um Nordamerika bestimmte eine dritte Konfliktlinie Nordamerikas Kolonialisierung: das Verhältnis zu den verschiedenen indianischen Ureinwohnerstämmen.
Um 1630 verstärkte sich eine für die französischen Kolonialisten schwierige Entwicklung, die eine lange Vorgeschichte hatte. Durch ihre guten Beziehungen zu den indianischen Stämmen der Huronen, Algonquins und Montagnais gerieten die Franzosen in immer stärkeren Konflikt mit den Irokesen, die mit Frankreichs Verbündeten wohl schon Jahrzehnte in Feindschaft standen und die sich nun an die Seite Englands stellten, um die französischen Eindringlinge zu vertreiben. Dies galt im Besonderen für das durch Siedler zu erschließende Gebiet der Großen Seen, das im speziellen für die Requirierung von Fellen wichtig war. Und es galt auch für Montréal, das sich, den Sankt Lorenz abwärts gelegen, zu einem wichtigen Hafen und Handelsknoten für die Weiterverschiffung der flussaufwärts erworbenen Güter entwickelt hatte.
Der Konflikt mit den Irokesen hatte schon im Zeitalter Cartiers begonnen, der 1534 als erster die spätere "Île de Montréal", jene Insel, auf der das heutige Montreal errichtet wurde, gesehen und betreten hatte. Irokesen hatten dort die Siedlungen Hochelaga und Stadacona errichtet, die aber zum Erstaunen der Franzosen der Champlain-Expeditionen einige Zeit später vollständig verschwunden waren. Im Gebiet Montréals lebten zu dieser Zeit vor allem Stämme der Huronen, während das Ursprungsgebiet der irokesischen Stämme einen Raum südlich des heutigen New York und des Lake Ontario umfasste und sich bis zum Hudson River ausdehnte. Als Champlain 1601 bei Tadoussac am St. Lorenz an Land ging, wurden er und seine Begleiter von den huronischen Stämmen um Unterstützung gegen die Irokesen gebeten, die die Abenteurer gewährten. Der Anfang einer Freundschaft, aber auch einer Feindschaft war gemacht.
Aus bis heute nicht vollständig geklärten Gründen begannen die irokesischen Stämme, nach Norden zum St. Lorenz zu drängen und kamen so mehr und mehr in Konflikt mit den dort beheimateten Stämmen der Huronen, Algonquois und Montagnais. Eine Theorie für diese Ausdehnungsbestrebungen nimmt auf die starke Dezimierung des Bibers in den irokesischen Heimatgebieten durch die Möglichkeit der Jagd mit Schusswaffen Bezug.
Um 1630 verschärfte sich der Konflikt innerhalb der indianischen Ureinwohnerstämme, da die Irokesen nun selbst durch Handelsbeziehungen mit holländischen Kolonialisten Schusswaffen bezogen. Die Holländer hatten seit 1620 Handelsposten am Hudson errichtet.
Um 1640 erfuhren die Irokesen, deren Stämme seit dem Verschwinden des Bibers in ihren Territorien die Basis zum Handel verloren hatten, wie lukrativ sich der Fellhandel auch jenseits der irokesischen Stammgebiete entwickelt hatte. Da die Felle im Falle des französischen Handels hauptsächlich im Gebiet der Großen Seen requiriert wurden und Montréal flussabwärts der Handels- und Umschiffplatz für den Weiterverkauf- und Transport des Fellgeschäfts war, führte die Route der französischen Fellhändler notwendigerweise durch das Gebiet der Irokesen. Diese versuchten nun, alleinige Zwischenhändler zwischen europäischen Händlern und indianischen Stämmen zu werden.
Da sich die Franzosen früh an die Seite der irokesischen Gegner gestellt hatten, ergab sich nun eine Frontstellung, die bis zur Übernahme Neufrankreichs durch England im Jahre 1763 andauerte: Franzosen und Huronen standen gegen Engländer und Irokesen. Beide Stämme ließen sich in europäische Kolonialkonflikte hineinziehen.
In den frühen 1640er Jahren attackierten Irokesen mit Wyandot erstmals eine französische Siedlung im Grenzgebiet Neufrankreichs. 1649 fand ein erneuter, blutiger Angriff auf die Region statt, bei dem einige Siedlungen komplett zerstört und hunderte Siedler getötet wurden. Die Überlebenden schlossen Allianzen mit kleineren Stämmen aus dem Bereich der Großen Seen. Der Konflikte weitete sich immer stärker aus. Auseinandersetzungen fanden vor allem unter den indianischen Stämmen statt, aber ihre Auswirkungen waren auch für die Siedler folgenschwer.
Friedensverhandlungen zwischen Franzosen und den Irokesenstämmen in den 1650er Jahren scheiterten am Widerstand des mächtigsten irokesischen Stammes, den „Mohikanern“. In der Folge kam es zu schweren Angriffen auf Neufrankreich und Montréal und zu einer gewaltigen Ausdehnung des irokesischen Gebietes, das nun von Virginia bis an den St. Lorenz reichte.
Mitte der 1660er Jahre entschloss sich Frankreich, das Regiment Carignant-Salières nach Übersee zu schicken, welches in irokesisches Stammgebiet eindrang, deren Häuptling gefangennahm und die fluchtartig verlassenen Dörfer zerstörte. Die Irokesen suchten daraufhin Frieden, der für eine Generation anhalten sollte. Als das französische Regiment 1667 Neufrankreich verließ, hatte sich als Resultat dieses Vorgangs die Pflicht der männlichen Kolonisten zum Wehrdienst entwickelt.
In einer nur kurzen Friedenszeit von ca. 20 Jahren konnten der bei den Huronen aufgewachsene Pierre-Esprit Radisson und sein Schwager Médard des Groseilliers bis zum Mississippi vordringen. Sie ermöglichten Frankreich damit die Erschließung von Handelswegen außerhalb der Territorien der ihnen feindlich gesinnten Irokesen. Ein Umstand, der nicht nur den Handel behindert hatte, sondern auch immer wieder zu schweren Verlusten unter den Händlern geführt hatte.
1683 wallten die Kämpfe zwischen Franzosen und Irokesen erneut auf, als sich Generalgouverneur Frontenac entschloss, den Fellhandel an den Irokesen vorbei stärker unter Kontrolle zu bringen und diesen damit eine wichtige Lebensgrundlage entzog. Wiederum kam es zu schweren Angriffen auf französische Siedlungen.
Frontenacs Vorgehen führte auch zum Zerwürfnis mit den irokesisch erzogenen Entdeckern des Mississippi- und Ohio-Gebietes. Die als "Coureur de bois" bezeichneten indianisch erzogenen Franzosen traten in englische Dienste und gründeten - eine für Neufrankreich folgenschwere Entwicklung, wie sich zeigen sollte - die Hudson's Bay Company, die es England ermöglichte, die Kontrolle über die Atlantikverschiffung sämtlicher Felle zu gewinnen.
1698 ersuchten die Irokesen um den so genannten Großen Frieden, der 1701 zustande kam. Die Franzosen stimmten zu, ermöglichte ihnen diese Entwicklung doch auch, die Irokesen als Puffer zwischen ihren und den englischen Gebieten sehen zu können.
Im Franzosen- und Indianerkrieg von 1756 bis 1763 flackerte die alte Frontstellung jedoch wieder auf. Die Irokesen stellten sich erneut an die Seite Englands und halfen als Verbündete bei der Eroberung Montréals und Québecs, die letztlich zum Ende Neufrankreichs führte.
Insgesamt und im Rückblick ist festzuhalten, dass dieses Muster, in dem sich einheimische Stämme als Verbündete an kriegerischen Konflikten zwischen europäischen Mächten beteiligten oder beteiligt wurden, in keiner Weise für die einstigen Besitzer Nordamerikas auszeichnete: Diese frühen Bündnisse und Allianzen änderten nichts an dem Umstand, dass, war der Machtkampf um die Vorherrschaft europäischer Mächte erst einmal entschieden, man sich nun der ehemaligen Verbündeten entledigte, ihre Lebensräume zurückdrängte, sie entrechtete, enteignete und dezimierte.
1635: Der Aufstieg der katholischen Kirche zur bestimmenden Kraft und die Gründung Montréals
Im Jahre 1635 starb Samuel de Champlain, Entdecker der Region um Montréal, Gründer der Stadt Québec und erster Gouverneur Neufrankreichs. War die Position der katholischen Kirche durch Richelieus Einflussnahme schon zuvor gesellschaftspolitisch einflussreich gewesen, so entwickelte sie sich nun für eine Zeitlang zur alles bestimmenden gesellschaftlichen Kraft. Dieser Bedeutugszuwachs hatte vor allem mit der Schwäche und Mehrdeutigkeit der staatlichen Organisationsstrukturen zu tun. Seit den Anfängen der Kolonisation im Jahre 1629 lag die administrative Zuständigkeit für die Siedlungen in der Verantwortung der „Gesellschaft der 100 Assoziierten“, die sich zwar um Zuweisung von Land und die wirtschaftliche Entwicklung kümmerte, aber keine planvollen Verwaltungsstrukturen schuf. So hing die Entwicklung der Kolonie ausschließlich an der persönlichen Autorität und am Geschick des von der französischen Krone eingesetzten Gouverneurs. Die Kirche hingegen war straff und streng hierarchisch organisiert, als moralische Autorität anerkannt und stand als vertrauenswürdige Institution im Zentrum des alltäglichen Lebens der katholischen Siedler. Mit dem Tod Champlains erwuchs ein Vakuum, das die katholische Kirche Québecs zu nutzen verstand.
Der mächtige Bischof von Québec veranlasste im Jahre 1642 eine Gruppe von Siedlern unter der Führung von Paul Chomedey de Maisonneuve, dem Sankt-Lorenz-Strom landeinwärts folgend, ein idealistisch-utopisches christliches Siedlungsprojekt ins Leben zu rufen. Die entstehende Gemeinde Ville-Marie bildete den Grundstein der heutigen Metropole Montréal.
Neben Trappern und Waldläufern waren es katholische Missionare, die immer tiefer in Richtung der Großen Seen den Sankt-Lorenz-Strom flussaufwärts vorstiessen und Missionsstationen errichteten. Sie begannen mit der Missionierung der mit den Franzosen verbündeten Wyandot, versuchten aber auch die dort beheimateten Irokesen zu bekehren. Dieses Verhalten der katholischen Missionare verstärkte die bereits schwelenden Konflikte der irokesischen Ureinwohner mit den Franzosen. Die Irokesenstämme drängten in dieser Zeit ostwärts in Richtung der Siedlung Montréal, wo sie versuchten, die dort beheimateten Algonkin zu verdrängen und deren zentrale Stellung im Pelzhandel mit den Franzosen zu übernehmen. Mehrere Angriffe auf Montréal erfolgten und führten 1649 zur nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt. Im Zuge der wachsenden Spannungen zwischen den europäischen Kolonialmächten England und Frankreich verstanden es die Engländer, sich die den französischen Bestrebungen feindlich gesinnten Irokesen zu Verbündeten zu machen.
Mitte des 17. Jahrhunderts umfasste die Siedlung Montréal noch immer nur einige Dutzend Siedler. Einem bis zum heutigen Tage verbreiteten Mythos zur Folge war es der Siedler Adam Dollard des Ormeaux, dem es schließlich mit einem bewusst symbolisch gesetzten, selbstmörderischen Akt gelang, den drohenden Untergang Montréals abzuwenden. Wissend um die Unmöglichkeit, die zahlenmäßig weit überlegenen Irokesen zu besiegen, soll Dollard mit einigen französischen Siedlern und verbündeten Wyandot einen blutigen märtyrerhaften Angriff auf die Irokesen ausgeführt haben. Der Sage nach überlebte kein französischen Angreifer. Doch die Verluste auf Seiten der Irokesen sollen so hoch gewesen sein, dass sie fortan von Angriffen auf Montréal abließen, was der Stadt das Überleben gesichert haben soll.
1663: Kolonialpolitik unter Ludwig XIV.: "Nouvelle France" wird Teil des französischen Staatsgebietes
1663 beschloss Ludwig XIV. die Kolonie Neufrankreich militärisch besser abzusichern, die Kolonialisierung voranzutreiben und die wirtschaftliche Entwicklung auf eine bessere Grundlage zu stellen. Seit Anbeginn der französischen Landnahme hatte die "Compagnie de la France Nouvelle" mit nur mäßigem Erfolg über die Geschicke des Territoriums bestimmt. Nun erklärte Ludwig XIV. die Kolonie zur Provinz Frankreichs und unterstellte sie somit direkt der französischen Krone. Die neue französische Provinz erhielt ein neues Regierungs- und Verwaltungssystem, welches bis zum Ende Neufrankreichs im Jahre 1760 seine Gültigkeit behielt. Die Verwaltung Québecs wurde nach dem Vorbild Frankreichs umgeformt.Es wurde ein oberstes Verwaltungsgremium geschaffen, welches direkt der französischen Krone (dem französischen Seefahrtsminister) unterstand. Mitglieder dieses Gremiums waren ein Gouverneur, ein Superintendant sowie das Oberhaupt der katholischen Kirche Neufrankreichs, der Bischof von Québec. Dem Gouverneur oblagen die militärischen und außenpolitischen Angelegenheiten der Kolonie. Der Superintendant war Kopf der kolonialen Administration und entschied über Siedlungsangelegenheiten, Landvergabe, gesetzliche Bestimmungen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Bischof von Québec konnte seinen Einfluss auf soziale und juristische Entscheidungen geltend machen.
Trotz der administrativen Neugliederung der Kolonie spielten besonders persönliche Faktoren eine wesentliche Rolle für die weitere Entwicklung. Machtkämpfe zwischen Chevalier de Mercy, Québecs erstem Superintendanten, und Bischof Francois de Laval hemmten die Wirksamkeit der eingeleiteten strukturellen Reformen. Dies änderte sich mit der Ernennung von Jean-Baptiste Talon, dem Superintendanten von 1665 und 1672, der die nur mäßig prosperierende Kolonie in entscheidender Weise auf einen lang anhaltenden Wachstumspfad brachte.
Entscheidenden Anteil an der nun einsetzenden positiven wirtschaftlichen Entwicklung hatte die Verstärkung der französischen Truppenpräsenz im Jahre 1665, als Ludwig XIV. die französische Garnison Carignan-Saliere zur Sicherung Québecs nach Übersee entsandte. Der mehr als 1000 Soldaten umfassenden Truppe gelang es, die ständigen Angriffe der Irokesen auf die Stadt zu beenden. Darüber hinaus führte das Konzept, den Krieg der Indianer in deren eigenes Territorium außerhalb der Siedlungen zu tragen, zum Ende der Blockade des Fellhandels. Im Jahre 1667 ersuchten die fünf Stämme der Irokesen um Frieden mit den Franzosen. Zwar sollte sich erweisen, dass hiermit kein endgültiger Friede erreicht war, jedoch führte das vorläufige Ende dieses permanenten Konflikts zum Aufblühen des Handels in der Kolonie.
Ein neuer Strom von Immigranten aus Frankreich führte zu weiteren Siedlungsgründungen. Auf Talons Initiative hin wurden den Neuankömmlingen Zuchttiere und Saatgut zur Verfügung gestellt. Den Soldaten der Garnison Carignan-Saliere wurde angeboten, nach Beendigung ihres Militärdienstes als Siedler auf eigenem Boden in Québec zu bleiben. Die Siedlungen ehemaliger Truppen bei Richileu bildete somit auch ein Bollwerk gegen potenzielle irokesische Angriffe vom Süden her.
Eine durch den französischen Bevollmächtigen Jean Talon im Jahre 1666 in Auftrag gegebene statistische Untersuchung der Verhältnisse stellte eine Bevölkerungsgröße von 3215 Bewohnern in der Kolonie fest. Der Zuwachs zeigt, dass die neue Kolonialpolitik Frankreichs zu greifen begann. Die Studie erwies aber auch einen überproportionalen Überschuss an männlichen Kolonisten. 2034 Männer standen nur 1181 Frauen gegenüber. Auf Empfehlung Talons entschied sich Ludwig XIV. 1663, über 1200 Frauen zwischen 15 und 30 Jahren nach Neufrankreich zu senden. Sie blieben unter der Bezeichnung „filles du roi“, Mädchen des Königs, im kollektiven Gedächtnis der heutigen frankophonen Kanadier Québecs. Willens, die demographische Entwicklung der Kolonie zu stärken, band Talon Jagd- und Fellhandelsrechte an Verheiratung und garantierte jungen verheirateten Männern und Vätern großzügige finanzielle staatliche Unterstützung. Dies führte zu einem drastischen Anstieg der Geburtenzahlen. 1671 konnte Talon bereits über 700 Neugeborene nach Frankreich melden. Im ersten Jahrzehnt nach der Unterstellung der Kolonie unter die französische Krone wuchs die Zahl der Einwohner um über 9000.
Gleichzeitig - und dies war eine erstaunliche Komponente französischer Kolonialpolitik – wurden Heiraten zwischen französischen Kolonisten und indianischen Ureinwohnern unterstützt und gefördert. Mit den Kindern aus diesen Beziehungen entstand eine neue, als niederer stehend betrachtete Klasse, deren Mitglieder „engages“ genannt wurden. Trotzdem waren sie als legitimer Teil der französischen Kolonialgesellschaften anerkannt. Unter ihren heutigen Nachkommen befindet sich kein Geringerer als der später ungemein populäre Premierminister Kanadas, Pierre Elliott Trudeau.
Als Folge dieser neu ausgerichteten Bevölkerungspolitik wurden nun mehr als 90 Prozent der Koloniebewohner auf nordamerikanischem Boden geboren und nur etwa 10 Prozent erreichten die Siedlungen als Immigranten aus Europa.
Andere Umstände aber hemmten eine noch bessere Entwicklung. Der Versuch, das ungerechte und entwürdigende halbfeudale Bewirtschaftungssystem der „seigneuries“ abzuschaffen und den Landerwerb der bereits etablierten Landeigner zu Gunsten von Neu-Immigranten zu begrenzen, scheiterte. Dieses halbfeudale System der Landverteilung hatte man aus Frankreich übernommen. Die französische Krone garantierte ausgewählten Herren großflächigen kolonialen Landbesitz. Im Gegenzug erwuchsen hieraus Verpflichtungen zum Aufbau und der Versorgung neuer Siedlungen durch die Landherren. Diese vergaben kleinere Parzellen ihres Besitzes an Einwohner und Neuimmigranten, welche zu Pachtzahlungen und zur Ableistung verschiedener Diensten verpflichtet waren. Ein solches Seigneural-System unterstützte zwar einerseits eine schnell ausgreifende Landnahme. Neuankömmlinge wurden schon bei ihrer Ankunft umworben. In kürzester Zeit breiteten sich Höfe auf beiden Seiten des Sankt Lorenz westlich und östlich Québecs aus. Andererseits aber gestaltete sich der Erwerb eigenen Farmlandes in den südlicher gelegenen englischen Kolonien viel einfacher und sorgte dort für einen massenhaften Zustrom von Auswanderern. Nicht nur infolge dessen blieb auch weiterhin der Zustrom französischer Immigranten in Französisch-Übersee im Verhältnis zu jenem in die englischen Kolonien, relativ gering. Die wiederholten Versuche Talons, andere Wirtschaftszweige als Landwirtschaft und den Fellhandel wie Holzwirtschaft, Berg- und Schiffbau fest zu etablieren, schlugen aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung Frankreichs und den knappen menschlichen Ressourcen fehl. Schließlich führte die neuerliche Verwicklung des Mutterlandes Frankreich in europäisches Kriegsgeschehen zum Abbruch staatlicher Unterstützung für potenzielle Neuankömmlinge.
1670-1683: Französisches Fellhandelsmonopol und territoriale Expansion bis zu den Großen Seen
Zwar hatte sich unter der Politik des neuen Superintendanten Jean Talon die Lage in den französischen Kolonialgebieten in drastischer Weise gebessert - trotzdem geriet Neufrankreich im Vergleich mit den englischen Kolonien Nordamerikas mehr und mehr ins Hintertreffen. Denn im Gegensatz zu den dünn besiedelten Territorien Neufrankreichs prosperierten die klimatisch günstiger gelegenen und nicht unter feudalen Wirtschaftsformen und Religionsbeschränkung stehenden Siedlungen Neuenglands.
Seit dem Frieden zwischen Irokesen und Franzosen im Jahre 1670 war es französischen Händlern möglich gewesen, unbehelligt den Ottawa-Fluss und den Oberlauf des St. Lorenz bis in die Wildnis der Großen Seen zu befahren. Diese Entwicklung wurde nach Kräften von Compte de Frontenac, dem französischen Superintendenten seit 1672, unterstützt. 1672 ließ Frontenac an der Mündung des Sankt Lorenz mit dem Ontario-See Fort Frontenac (heute: Kingston) errichten. Frontenacs Schützling, LaSalle, ein geschäftstüchtiger Pelzgroßhändler, nutzte diese Bedingungen für weitere Vorstöße ins Herz des Kontinents. Er errichtete nicht nur um 1678 den Handelsposten Niagara, sondern stieß per Schiff erstmals zu den Oberen Großen Seen vor, entdeckte Illinois und befuhr den Mississippi flussabwärts bis zum Golf von Mexiko. Währenddessen hatte der französische Waldläufer Daniel Greysolon du Lhut 1679 das hinter den Großen Seen liegende Dakota erreicht.
Um 1680 hatten die Franzosen ihr Territorium für Pelzhandel über den halben nordamerikanischen Kontinent ausgedehnt - zum Nutzen Montréals, welches sich zum Hauptumschlagsplatz für Pelze entwickelt hatte und der Stadt Québec, dem französischen Seehafen und Regierungszentrums Neufrankreichs.
Dieses Quasimonopol führte von 1683 an zu einem Wiederaufflammen irokesischer Angriffe und Feindseligkeiten. Die Irokesen, die ehemaligen Zwischenhändler, sahen sich durch Frontenacs Politik ihrer Existenzgrundlage beraubt.
Strategischer Durchbruch Englands: Die Gründung der Hudson Bay Company
Die Politik des französischen Gouverneurs Louis de Buade de Frontenac, durch die Errichtung von Forts in der Wildnis der Großen Seen die französischen Fellhändler zu schützen und somit ein Quasimonopol auf deren Erträge und sprudelnde staatliche Einnahmen durchzusetzen, führte nicht nur auf Seiten der ehemaligen irokesischen Zwischenhändler zu Wut und Zorn. In zunehmenden Maße wurde der Fellhandel im Bereich der Großen Seen über die immer besser gesicherte französische Sankt-Lorenz-Route abgewickelt und nicht mehr über irokesische Zwischenhändler und ihre englischen Alliierten entlang des Hudson. In der Folge kam es nach fast zwei friedlichen Jahrzehnten wiederum zu schweren indianischen Angriffen auf französische Siedlungen. Im Jahre 1687 überfielen irokesische Stämme die Fellhandelsmetropole Montréal.
Je stärker die französische Kontrolle auf den lukrativen Fellhandel griff, um so schwieriger wurde es aber auch für englische Händler, Felle zu den europäischen Schiffen an den Küsten zu bringen. Parallel zum Aufblühen des französischen Fellhandels hatte auch für englische Siedler die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs stetig zugenommen. Dies galt zum einen vor allem für die südlicher gelegenen englischen Kolonien, die direkt am Atlantik lagen. Im Besonderen aber galt dies für die Kolonisten entlang des Hudson, wo England im Jahre 1664 die holländische Kolonie (von diesem Zeitpunkt an: New York) übernommen hatte. Englische Fellhändler nutzten hierbei ihre guten Kontakte zu den mit Frankreich verfeindeten Stämmen der Irokesen. Auf Grund dieser schwierigen Bedingungen konnten sich die englischen Erträge nicht mit den der französischen Fellhändler messen. Diese verfügten mit der Kontrolle des Sankt-Laurenz-Tals über eine fest etablierte, sichere Flusshandelsroute von der Wildnis der Großen Seen über den Zwischenhandelsplatz Montréal bis zum Verschiffungspunkt Québec. Auf diese Weise waren englische Trapper den Abgaben unterworfen, die Neufrankreich erhob.
Dies änderte sich mit der Entdeckung des Biberreichtums im Gebiet um die Hudson Bay durch die irokesisch erzogenen Entdeckern des Mississippi- und Ohio-Gebietes, Pierre-Esprit Radisson und Medard des Groiseilliers. Die als "Coureur de bois", Waldläufer, bezeichneten Franzosen hatten 1660 im Gebiet der heutigen Hudson Bay hochwertige Biberpelze entdeckt und dies nach Québec gemeldet. Frontenacs neue Politik, die staatlichen Einnahmen zu stärken, indem man strenge staatliche Lizenzierung durchsetzte, führte nun dazu, dass Québec hohe Strafzahlungen an Radisson und des Groiseilliers durchsetzte. Aus behördlicher Sicht hatten diese ihre Felle ohne Lizenz requiriert. Den Waldläufern blieb nur, in Frankreich gegen diese behördliche Anordnung zu klagen. Erfolglos, wie sich zeigen sollte. Nun entschieden beide, ihre Entdeckung nach London zu melden. Sie beantragten, die von Henry Hudson entdeckte und für England beanspruchte Route für die Verschiffung ihrer Felle nutzen zu dürfen. Wie so oft in diesen Tagen schneller Landnahme waren die jeweiligen Ansprüche nicht unumstritten. Zwar hatte ein Franzose die als Zugang zum Festland strategisch immens wichtige Bucht für die französische Krone in Besitz genommen. Trotzdem beanspruchte der Brite Henry Hudson die später nach ihm benannte Bucht sowie die umliegenden Gebiete für England. Ein erster, im Jahre 1668 stattfindender Versuch Londons, eine Schiffshandelsroute über die Hudson Bay einzurichten, erwies sich als so erfolgreich, dass schon zwei Jahre später die "Company of Gentlemen of Adventurers trading into Hudson's Bay" gegründet wurde. König Charles II. versah die französischen Waldläufer mit exklusiven Rechten für Pelzhandel, Landverteilung sowie aller administrativen Aufgaben im Gebiet der Hudson Bay. Die Größe des betroffenen, aber noch nicht kolonialisierten Gebietes reichte vom nördlichen Quebec und dem westlichen Ontario über die Prärien der Rocky Mountains bis in die Arktis.
Dieses küstennahe Gebiet erwies sich nicht nur als reichhaltig an hochwertigsten Biberfellen, sondern eröffnete den Engländern den lange ersehnten eigenen Handelsweg vom Inneren des Kontinents an die Atlantikküste - eine für Neufrankreich folgenschwere Entwicklung, wie sich zeigen sollte; die Hudson Bay Company ermöglichte es den Engländern nun, die Kontrolle über die Atlantikverschiffung sämtlicher Felle zu gewinnen und das bisherig faktisch französische Monopol auf diesen Hauptwirtschaftszweig zu beenden. Von hier aus, dieser Eindruck drängt sich auf, trieb die der eigenen Stärke wohlbewusste europäische Inselmacht England aktiv die Ausdehnung des eigenen Territoriums in Richtung des heute nördlichen Kanadas und der französisch beherrschten Gebiete voran.
Aus der Sicht Frankreichs hatten englische Siedler unter dem Schutz der englischen Krone französisches Territorium okkupiert. In der Folge versuchte man einerseits, sich mit der Inbesitznahme neuer Territorien in südlicher Richtung des Mississippi und des Ohio schadlos zu halten. Die Eröffnung einer eigenen englischen Handelsroute in kanadische (französische) Gebiete war aber strategisch und wirtschaftlich zu bedeutend, als dass man zur Tagesordnung übergehen konnte. 1682 blies Frankreich zum Gegenangriff. Es gründete eine französische Hudson Bay Company und errichtete eigene Handelsposten an der Hudson Bay.
Diese, vitale koloniale Interessen berührende Gemengelage sollte schon bald in einen offenen Krieg münden, in dem sich die irokesischen Stämme auf Seite der Engländer stellten. Was als Wettlauf einzelner Fellhändler um wirtschaftlich nutzbare Territorien begann, entwickelte sich zum kriegerischen Konflikt zwischen Neuengland und Neufrankreich und deren Mutterländer.
Ausweichversuch nach Süden: Die Gründung Louisianas
Mit der Inbesitznahme der Hudson Bay durch England, sahen sich die Franzosen vor ein ernsthaftes Problem gestellt. Die Engländer hatten das quasi Monopol Neufrankreichs gebrochen, einen eigenen Zugang zu den ertragreichen Gebieten der Großen Seen hergestellt und einen eigenen direkten Verschiffungsplatz am Atlantik errichtet. Zudem, so die französische Sichtweise, beuteten englische Händler französische Gebiete aus, ohne dass Neufrankreich von diesem Handel profitierte. Die einfachere Handelsroute über die Hudson Bay führte schlagartig zum Bedeutungsverlust der Linie über den Sankt-Lorenz-Strom.
Die Franzosen versuchten sich nun mit einer Ausdehnung ihrer Kolonie in westlicher Richtung hin zu den englischen (heute: amerikanischen) Siedlungsgebieten schadlos zu halten, da die ihnen die englische Hudson Bay eine Ausdehnung in nördlicher Richtung unmöglich machte. Gleichzeitig erhofften sie, durch die Entdeckung anderer schiffbarer Flüsse einen anderen Zugang zur See ausfindig zu machen, der die Auswirkungen des Verlusts der Hudson Bay kompensieren konnte. 1673 beauftragte der Intendant der französischen Krone in Neufrankreich, Jean Talon, die beiden Jesuitenpater Louis Joliet und Jacques Marquette mit der Erforschung des Mississippi, des Missouri und des Ohio. Tatsächlich erreichten Joliet und Marquette als erste Europäer den Mississippi, befuhren ihn bis zur Mündung des Arkansas und beanspruchten dieses Gebiet für Frankreich. Beide legten auch den Grundstein für mehrere Missionsstationen an den Großen Seen, wie zum Beispiel Sault Ste. Marie.
1682 setzte Robert Cavelier de La Salle die Erforschung des Flusses fort und erreichte dessen Mündung in den Golf von Mexiko. Er stieß im weiteren Verlauf seiner Entdeckungsreise schließlich bis ins Flusstal des Ohio vor und beanspruchte das gesamte riesige Territorium in südlicher Richtung bis zum Golf von Mexiko für Frankreich. Um den französischen König Ludwig XIV. zu ehren, gab er der gesamten Region, die das heutige gleichnamige Gebiet flächenmäßig weit übertraf, den Namen Louisiana. Dieser neue Anspruch eröffnete den Franzosen vor allem bezüglich der beiden großen Flüsse die dringend benötigten neuen potenziellen Versorgungs- und Handelswege in ihr Territorium. Die neuen Wasserstraßen erlaubten es ihnen einerseits, das durch von ihnen feindlich gesinnten Irokesen bevölkerte Sankt-Lorenz-Flusstal zwischen den Großen Seen und Montreal zu meiden. Wichtiger aber war die Perspektive, der Kontrolle des französischen Handels durch die britische Hudson’s Bay Company an der Atlantikmündung des Sankt Lorenz auszuweichen.
Immer neue Gebietsbeanspruchungen hatten den Raum der kolonialen territorialen Ausdehnungen immer enger werden lassen. Raum und Wildnis wurden knapper. Die verschiedenen Kolonialmächte rückten mehr und mehr aufeinander zu. Von den südlicher gelegenen britischen und spanischen Kolonien her hatte nun auch ein Wettlauf um jene Region eingesetzt, die sich als noch nicht beanspruchte Wildnis zwischen den stetig wachsenden Territorien der drei europäischen Mächte England, Spanien und Frankreich erstreckte. Dies verschärfte den Wettlauf um die Kolonialisierung Nordamerikas. Spannungen und Unstimmigkeiten über Besitzansprüche führten immer stärker zu Konflikten, die vitale nationale Interessen berührten.
Aus französischer Sicht galt es vor allem, das Mississippi-Tal in Besitz zu nehmen und so nicht nur die eigenen Territorien zu verbinden, sondern auch den englischen Bestrebungen vom deren südlichen Kolonien einen Zugang zum Atlantik zu eröffnen, buchstäblich einen Riegel vorzuschieben.
Diese geostrategischen Erwägungen führten auch zu einem Wandel hinsichtlich der internen Kolonialisierungspolitik. Es hatte sich erwiesen, dass Gebietsansprüche allein nichts galten, sofern diese Ansprüche nicht faktisch gesichert werden konnten. Ein Umdenken setzte ein: Man entschloss sich, den theoretischen Anspruch durch die Schaffung von militärisch gesicherter Besiedlung sicherzustellen. Unter der Führung des nun auch zum Gouverneur Lousianas ernannten Frontenac wurden eine Reihe militärisch besetzter Forts zur Absicherung der Ansprüche errichtet. Dies war eine neue Strategie, der man nun auch in all jenen Gebieten folgte, die zwar theoretisch im Besitz Neufrankreichs waren, die aber mangels menschlicher Ressourcen nicht besiedelt werden konnten.
Das generelle Problem französischer Überseeherrschaft – der Mangel an finanziellen sowie menschlichen Ressourcen – holte die Franzosen auch hier wieder ein. Angesichts schwierigster klimatischer Bedingungen im Sumpfland des Mississippi-Tals, grassierenden Epidemien, ausbleibender Zuwanderung und hohen Sterberaten drohte die Kolonie schon bald zu verkümmern. Als Ausweg entdeckte man die Möglichkeit, von der französischen Gesellschaft nicht akzeptierte oder ausgestoßene Menschen gewaltsam nach Louisiana zu schiffen. Die Anfänge der Kolonie zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden von Klein- und Schwerstkriminellen, Pariser Clochards, Prostituierten, Glücksrittern und einigen wenigen Soldaten gemacht. Um 1719 trafen die ersten Transporte mit afrikanischen Sklaven ein, die den chronischen Mangel an Arbeitskräften beheben sollten. Hinzu kamen versklavte, feindlichen Ureinwohnerstämmen angehörige Indianer. Eine einzigartige Kolonie entstand, in der sich europäische, französische, indianische und afrikanische Einflüsse mischten – fernab und außerhalb jeglicher Kontrolle des für die Entwicklung der Kolonie administrativ zuständigen Québec. Dieser Umstand brachte der französischen Herrschaft in der heutigen Betrachtung das Attribut der chaotischen Herrschaft ein. Das Überleben der Kolonie wurde in der Folge durch Gouverneure wie Jean-Baptiste Le Moyne de Bienville gesichert, die sich in der Regel weder um die Anweisungen Québecs noch um französische Gesetze kümmerten und dafür mehr um die Bereicherung der eigenen Taschen.
1689-1712: King William’s War und Queen Anne’s War: der Verlust Akadiens
Nachdem es in den Jahren zuvor immer wieder unbedeutendere koloniale Konflikte um den rechtmäßigen Besitz, reguläre Grenzziehungen und Fellhandelsrouten zwischen Engländern und Franzosen gegeben hatte, mündeten diese Spannungen nun in imperiale Konflikte. Der Wettlauf um die Kolonialisierung der nordamerikanischen Wildnis hatte angesichts der immer geringer werdenden freien Flächen zu einer Intensivierung der Auseinandersetzungen geführt. Man war buchstäblich auf Tuchfühlung mit dem kolonialen Rivalen gekommen. Verlust von Territorium hatte – wie im Falle der englischen Inbesitznahme der Hudson Bay oder der französischen Inbesitznahme Louisianas - gravierende geostrategische und handelspolitische Folgen für die kolonialen Projekte der europäischen Kolonialmächte. Längst waren die nordamerikanischen Besitztümer zu bedeutenden Faktoren europäisch-imperialer Machtpolitik geworden.
Kriegerische Konflikte in Europa boten nun den Anlass und die Gelegenheit, nordamerikanische Kolonialkonflikte gewaltsam auszutragen. Austragungsorte dieser bewaffneten Auseinandersetzungen waren Akadien, das Gebiet um den Sankt-Lorenz-Strom, die Hudson Bay, sowie die Grenzlande Neufrankreichs und Neuenglands und der Kolonie New York.
Die Eskalation dieser Konflikte führte zwischen 1689 und 1697 zu einem offenen militärischen Schlagabtausch, der unter dem Namen King William’s War in die Geschichte einging. 1690 eroberten englische Schiffe Port Royal, die Hauptstadt des französischen Akadiens. Die Provinz – ältester Siedlungspunkt der Franzosen in Nordamerika – fiel damit bis zum Ende des Krieges im Jahre 1697 unter englische Herrschaft. 1696 verwüsteten französische Schiffe in Neufundland abgelegen liegende englische Fischersiedlungen und Handelsposten. Im selben Jahr eroberten französische Matrosen St. Johns, die bedeutendste englische Hafenstadt.
Das Gebiet Akadiens war die Wiege der ersten französischen Besiedlungsversuche gewesen und, wie sich später erweisen sollte, nicht nur ein landwirtschaftlich hervorragender Siedlungsplatz. Es war auch die Heimat einer sich mit den widrigen Machtverhältnissen wechselnder britischer und französischer Herrschaft auf ihre Weise arrangierenden Kolonialistengemeinschaft, deren Nachkommen sich bis heute und auch noch 240 Jahre nach ihrer Deportation als ein eigenes Volk, die Akadier, empfinden. Von größerer Bedeutung hinsichtlich des geostrategischen Machtkampfes um die Vorherrschaft in Nordamerika war aber, dass das akadische Gebiet auch den militär- und handelsstrategisch wichtigen Zugang zum Sankt-Lorenz-Strom beinhaltete und die französische Besiedlung insofern auch Überleben der Sankt-Lorenz-Region und das der Hauptstadt Québec gewährleistete.
Die Eroberung Port Royals eröffnete der englischen Flotte unter Sir William Phips, in den Sankt-Lorenz-Strom vorzustoßen. Ziel war die Einnahme Québecs, Hauptstadt Neufrankreichs. Hier zeigte sich, dass unter den gegebenen Umständen eine Einnahme der hoch über dem Fluss liegenden und stark befestigten Stadt nicht zu leisten war. Unter Leitung Frontenacs wurden die Engländer unter Beschuss genommen und mussten abziehen. In der Folge verwüsteten französische Truppen Gebiete der mit den Engländern verbündeten Irokesen und fielen in die Grenzgebiete um New York ein.
Erfolgreicher für Frankreich war der Verlauf des Konfliktes im Gebiet der Hudson Bay. Der in Montréal geborene Pierre Le Moyne d’Iberville nahm als Kommandant einiger Schiffe 1690 Fort Severn ein, eroberte 1694 York Factory, das neue englische Hauptquartier an der Mündung des Nelson-Flusses und schlug eine überlegene englische Flotte in der Hudson Bay. Im gleichen Jahr nahm d’Iberville Kurs auf Akadien und eroberte das wichtigste englische Fort Pemaquid am Engang zum Mündungsdelta des Sankt Lorenz. D’Iberville setzte seinen Siegeszug entlang der englisch besiedelten Avalon-Halbinsel in Neufundland fort und nahm 1696 St. Johns ein.
Insgesamt gesehen hatte dieser Konflikt keinen wirklichen Sieger erbracht, was sich im Friedensvertrag von 1697 zwischen Frankreich und England ausdrückte. Die Regelungen erneuerten den französischen Anspruch auf Akadien. York Factory wurde an England rückübertragen. Währenddessen dauerte der Krieg zwischen Franzosen und Irokesen an, die sich nun – ohne Hilfe ihres traditionellen Verbündeten England – einer massiven französischen Überlegenheit ausgesetzt sahen. Die Zahl irokesischer Stammeszugehöriger war im Zuge der Kriege und in Folge epidemischer Schwächung auf geschätzte 1300 Personen gefallen, während die französische Population auf in etwa 13.000 angewachsen war. Dieser Umstand führte dazu, dass die fünf Nationen der Irokesen 1701 um den „Großen Frieden“ ersuchten.
Nach nur fünf Jahren friedlicher Beziehungen zwischen Engländern und Franzosen fanden die militärischen Auseinandersetzungen bereits 1702 unter dem Namen Queen Anne’s War ihre Fortsetzung. Wiederum bot ein europäischer Kriegszug den Anlass, koloniale Spannungen mit Waffengewalt offen auszutragen – dieses Mal ohne Beteiligung der Irokesen. Auf dem alten Kontinent begann der Krieg um die Erbfolge auf Spaniens Thron. Englische Siedlungen in Neufundland wurden 1705 von französischen Truppen eingenommen. St. John’s wurde 1709 von kanadischen Freiwilligen und verbündeten Mi'kmaq-Indianern für Frankreich eingenommen. Die Engländer eroberten 1710 wiederum Port Royal, die Hauptstadt Akadiens. 1711 scheiterte erneut ein englischer Flottenangriff auf Neufrankreichs Hauptstadt Québec. Tatsächlich aber war es der Ausgang des Waffenganges in Europa, der das strategisch immens bedeutende Resultat des Krieges in Nordamerika bestimmte. Das Frankreich Ludwigs XIV. wurde vernichtend geschlagen. Dies wirkte sich 1713 in den Regelungen des Vertrags von Utrecht für die Verhältnisse in Nordamerika aus. Neufundland und die Hudson Bay wurden nun durch Frankreich als englischer Besitz anerkannt. Auch verlor Frankreich mit Ausnahme zweier kleiner Inseln im Mündungsdelta des Sankt-Lorenz-Stroms sein gesamtes akadisches Gebiet. Am Ende blieb den Franzosen nur die den Flusseingang absichernde, und ab dem Jahr 1720 unter immensen Kosten errichtete Seefestung Louisbourg.
Ein zusätzlicher Faktor stärkte Englands Position: 1707 waren England und Schottland dem Vereinigten Königreich Großbritannien beigetreten, so dass nun englische und schottische Machtinteressen gebündelt wurden.
Diese neue geostrategische Konstellation war von allergrößter Wichtigkeit für den zukünftigen Wettlauf Englands und Frankreichs um Nordamerika. Denn nun rückte ein Zugriff Englands auf das gesamte Sankt-Lorenz-Delta erstmals in den Bereich des Möglichen. Mit der nun möglichen vollständigen Eroberung des Mündungsdeltas, hatte England die Möglichkeit, die Lebensader Neufrankreichs, die Québec und Montréal mit dem Atlantik verband, zu durchtrennen und somit das Herzstück Neufrankreichs vom Mutterland abzuschneiden.
1713-1744: Trügerische goldene Jahre
Frankreich blieben in der strategisch wichtigen Grenzregion Akadien, die am Zugang des Sankt-Lorenz-Strom zum Atlantik lag und in der die beiden Kolonialimperien zusammenstießen, nur die Kontrolle über die Île Royale (heute: Kap-Breton-Insel), die Île Saint-Jean (heute: Prince Edward Island) und im Besonderen Fort Louisbourg. Louisburg stellte insofern die letzte verbliebene Möglichkeit dar, den Eingang zur Lebensader Neufrankreichs, dem Sankt-Lorenz-Strom, abzusichern. Folgerichtig wurde Louisburg zur militärischen Feste, zur mächtigsten Zitadelle Nordamerikas ausgebaut. Um 1740 hatte das Fort in etwa 2000 Einwohner - eine Zahl, die sich in den nächsten Jahren schon verdoppelte. Louisburg wurde eine militärische Festung, aber auch einer der wichtigsten Handelshäfen für britische Schiffe von den westindischen Inseln und Neuengland, aber ebenso für jene aus Québec und Frankreich.
In der kommenden langen Friedensperiode, die von 1713 bis ins Jahr 1744 anhielt, begann Neufrankreich wirtschaftlich erstmals verstärkt zu prosperieren. Der französische Fellhandel hatte zwar nun mit der englischen Hudson Bay Company starke Konkurrenz bekommen, trotzdem florierte auch der Warenaustausch auf der längeren, mühsameren und kostenintensiveren Sankt-Lorenz-Route. Indianische Stämme begaben sich nun oft selbst zur Hudson Bay, um ihre Felle zu handeln und sich im Gegenzug direkt dort mit Gütern zu versorgen. Dies ging auf Kosten der Wirtschaft Neufrankreichs, das sich gezwungen sah, mit den indianischen Völkern ins Geschäft zu kommen, bevor diese mit den Engländern handelten. Franzosen errichteten entlang der als indianische Transportrouten genutzten kleinen Flüsse deshalb neue Handelsposten westlich der Bay.
Fischerei und Landwirtschaft, aber auch der Schiffbau entwickelten sich als tragende Wirtschaftszweige Neufrankreichs. Der Bau einer königlichen Straße, der "Chemin du Roi" zwischen Montréal und Québec verbesserte die infrastrukturelle Verknüpfung der wichtigen Städte und ermöglichten intensiveren Warentausch und schnellere Abwicklung des Handels. Neue Häfen wurden errichtet und ältere ausgebaut. Die Anzahl der Neukolonisten wuchs stark an und Québec wurde 1722 zu einer eigenständigen Kolonie innerhalb Neufrankreichs mit 24.594 Einwohnern. Diese Jahre des Friedens zwischen 1713 und 1744 werden oft auch als das goldene Zeitalter Neufrankreichs bezeichnet – wenn es auch, dies darf nicht ungesagt bleiben, für die Indianer ein Zeitalter fortschreitender Dezimierung ihrer Stämme gewesen ist.
1745-1760: Das Ende Neufrankreichs
Die goldenen Jahre Neufrankreichs dauerten bis zum Juni des Jahres 1745, als William Shirley, der Gouverneur des britischen Massachusetts, das strategisch wichtige Fort Louisbourg im Bereich des früher komplett französischen Akadien angriff. Wiederum bot ein europäischer Krieg den Anlass, die Verhältnisse in Nordamerika in Frage zu stellen. Seit 1744 standen sich Frankreich und Großbritannien im Kampf um die habsburgische Thronfolge auf den Schlachtfeldern Europas gegenüber. Großbritannien sah seine Chance gekommen, nun auch in Nordamerika klare Verhältnisse zu schaffen. Unter dem Ansturm der Truppen Neuenglands und der britischen Marine fiel die Festung Louisburg am Eingang des Sankt-Lorenz-Golfs. Ein Rückeroberungsversuch im Jahre 1746 scheiterte.
Zwar bestimmte der Friede von Aachen im Jahre 1748 die Rückgabe der Festung an Neufrankreich, gleichzeitig aber hatte es sich gezeigt, dass Neufrankreichs Existenz auf tönernen Füßen stand. Trotz des Friedens in Europa schwelten die Spannungen um die Vorherrschaft in Nordamerika weiter - mit klar verteilten Rollen: Nur wenige Schritte trennten Großbritannien und seine Kolonie vom endgültigen Triumph, während man sich in Neufrankreich dem Untergang entgegenstemmte.
Der seit 1747 eingesetzte neue Generalgouverneur Comte de La Galissoniere meldete seine Einschätzung über die Brisanz der Lage nach Paris: Zwar habe der in Europa erreichte Friede die Eifersucht der Briten auf die Franzosen auf dem alten Kontinent vorerst eingeschläfert, hier aber brodelten die sich in Gewalt entladenden Spannungen ungebremst weiter. Wenn auch im Moment die Grenzen faktisch nicht angetastet würden, so sei doch zu befürchten, dass die englische Nation Nordamerikas sich schon bald in eine Stimmung bringe, die unweigerlich mit der Invasion in die französischen Gebiete ende.
Galissoniere sah angesichts der aussichtslosen geostrategischen und machtpolitischen Lage nur die Chance, die Verbindung zwischen den Kernlanden Neufrankreichs und Louisiana unbedingt anzusichern und militärisch zu stärken. Dies betraf vor allem das Gebiet des Ohio, welches wie eine Pufferzone zwischen den britischen Seekolonien und den französischen Kolonialgebieten im Herzen des Kontinents lag. Sollte es, so die Vorhersage Galissonieres, britischen Truppen je gelingen, westwärts nach Kanada vorzustoßen, so müssten die Ohio-Gebiete als eine Barriere genutzt werden, um wenigstens die flächenmäßig enormen Kolonialgebiete im Inneren des Kontinents zu halten. Wenn es aber den Engländern gelingen sollte, diesen Riegel nach innen zu durchbrechen, so würde die Zukunft Nordamerikas allein den Briten gehören. Dieses strategische Kalkül Galissonieres beinhalte erstmals offen die potenziell nun in den Bereich des Möglichen gerückte endgültige Aufgabe der französischen Ursiedlungen in Akadien und am Sankt-Lorenz-Strom.
Nun, in der Endphase des Wettlaufs um die Neue Welt, rächten sich die eklatanten Versäumnisse französischer Kolonialisierungspolitik: Mangelnde finanzielle Unterstützung durch das in Europa gebundene Mutterland sowie eine engstirnige, auf Katholisierung ausgerichtete Einwanderungspolitik hatten die wirtschaftliche und demographische Entwicklung Neufrankreichs schwer behindert. Neufrankreich hatte nun immerhin in etwa 50.000 Einwohner, was einen massiven Anstieg im Vergleich zum vorigen Jahrhundert bedeutete; die nordamerikanischen englischen Kolonien aber waren weitaus besser bevölkert und entwickelt. In den flächenmäßig viel kleineren 13 Territorien lebten bereits etwa eine Million Menschen. Unter diesen befanden sich eine stattliche Anzahl französischer Hugenotten, die, nicht römisch-katholischen Glaubens, stetig die Kolonien des imperialen Konkurrenten verstärkt hatten. Während die englischen Kolonien zur Zulaufstätte all derer wurden, die den engen und stickigen europäischen Verhältnissen entflohen und auf ein religiös freies Leben, eigenen Landbesitz und eine bessere soziale Zukunft hofften, blieben die französischen römisch-katholisch beherrschten Siedlungen Anlaufstationen einer kleinen, eng regulierten Gruppe katholischer Franzosen. Wirtschaftliche und ideologisch begründete Motive hatten einer potenziell besseren Entwicklung im Wege gestanden. Diese Entwicklung hatte sich langfristig nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der imperialen Konkurrenten ausgewirkt. Nicht nur die geostrategische Lage mit dem Verlust Akadiens und der Unterstützung des Mutterlands über den Seeweg hatte Neufrankreich an den Rande des Untergangs gebracht; vielmehr sah man sich auch - einmal abgeschnitten von der Unterstützung Frankreichs auf dem Seewege - einer überwältigenden zahlenmäßigen Übermacht anglophoner Siedler gegenüber, die eine viel stärkere Basis an militärischem Truppenpotenzial bildeten.
Galissonieres Überlegungen wurden in Paris ernst genommen. In den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts begann Frankreich mit dem Bau einer Kette neuer Forts entlang des Ohio. Längst aber war auch das zu Neufrankreich gehörende Gebiet des Ohio in den Fokus britischer Siedler und englischer Expansionspolitik geraten. Deren Kolonien bevölkerten sich so schnell, dass man in die unbesiedelten Gebiete um Virginia und den Ohio expandierte. 1749 wurde die britische Ohio Company gegründet, deren Ziel es war, Kolonisten zielgerichtet im Ohio Tal anzusiedeln. Dies führte unweigerlich zu neuen Spannungen. 1753 sandte Virginias britischer Gouverneur eine Abordnung zu den französischen Truppen ins Ohio-Gebiet, um gegen die militärische Okkupation britischen Territoriums zu protestieren. Der Konflikt weitete sich zum offenen militärischen Schlagabtausch aus, für den neuerlich ein Konflikt auf europäischer Bühne den Anlass lieferte.
Als Vorbote europäischer Spannungen, die Jahre später im Siebenjährigen Krieg auch in der Alten Welt offen ausbrachen, hatte bereits im Jahre 1746 der sogenannte "French and Indian War", der Franzosen- und Indianerkrieg begonnen. Siedler aus Virginia unternahmen den Versuch, an der Stelle des heutigen Pittsburgh ein Fort zu errichten. Französische Truppen zerschlugen dieses Projekt und errichteten Fort Duquesne. In der Folgezeit, im Mai des Jahres 1754, unterlag ein gewisser Colonel George Washington als Anführer einer im englischen Auftrag gebildeten Milizengruppe aus Virginia französischen Truppen im Tal des Ohio. Dieser bewaffnete Angriff britischer Siedler kam einer offenen Kriegserklärung gleich. Frankreich und Britannien rüsteten ihre Kontingente (Truppen und Schiffe) auf. Britische Truppen nahmen Fort Duquesne, scheiterten aber mit der beabsichtigten Eroberung Ohios gegen französische Truppen und indianische Stämme, die sich auf Seiten Frankreichs gestellt hatten.
1755 aber gelang dem New Yorker Colonel William Johnson mit englischen Miliztruppen und irokesischen Kämpfern am Lake Champlain ein Durchbruch ins innere Kanada. Der wichtigste strategische Vorstoß gelang den Engländern im selben Jahr aber im Gebiet New Brunswicks, an der Mündung des Sankt Laurenz in den Atlantik. An dieser, für Neufrankreichs Herz Québec strategisch überlebenswichtigen Stelle nahmen britische Truppen und Kräfte Neuenglands Fort Beauséjour, einen der letzten verbliebenen militärischen Stützpunkte im seit 1713 an England verlorenen Gebiet. Mit der Feste Louisburg fiel 1758 auch Frankreichs letzter Trumpf. Dies bedeutete faktisch, dass Québec und Montréal von französischer Hilfe logistisch endgültig abgeschnitten waren und nur noch auf eigene Truppen zur Verteidigung bauen konnten. In der Eroberung Louisbourgs und der britischen Kontrolle über den Sankt-Lorenz-Strom lag Schlüssel zum endgültigen Sieg Englands über Frankreich. Zahlenmäßig unterlegene Kontingente Neufrankreichs standen nun gegen eine vielfache Mehrzahl britischer und neuenglischer Truppen. Der Fall von "Nouvelle France" war so nur noch eine Frage der Zeit.
Folgerichtig gelang es 1759 britischen Truppen, die Hauptstadt Québec zu erobern. England sandte Schiffe über den Sankt Lorenz und griff gleichzeitig unter Colonel James Wolfe auch von der Landseite aus an. Die französische Garnison kapitulierte am 18. September. Im Laufe des kommenden Jahres wurde das gesamte Rest-Territorium der „Nouvelle France“ durch englische Truppen erobert. Der letzte französische Generalgouverneur, Pierre Francois de Rigaud, Marquis de Vaudreuil-Cavagnal, ergab sich am 8. September 1760 seinem britischen Gegenspieler, General Jeffrey Amherst. Das formale Ende Neufrankreichs wurde durch den Pariser Frieden am 10. Februar 1763 vollzogen. Das geographisch neugefasste und um wesentliche Gebiete verkleinerte Quebec wurde Kolonie der britischen Krone und hatte zu diesem Zeitpunkt 54 000 Einwohner.
Trotz des Endes französischer Träume von einem überseeischen Imperium in Nordamerika blieben französische Sprache und Kultur und der römisch-katholische Glaube vorerst die bestimmenden gesellschaftlichen Kräfte in jenem Territorium, das einmal Neufrankreich hieß. In großen Teilen des eroberten Gebietes gelang es England, durch die massive Ansiedlung englischer protestantischer Auswanderer, die zur Gründung der Provinzen Oberkanada (heute: Ontario) und New Brunswick führten, diese französischen Spuren zu tilgen. Im ehemaligen Akadien begannen die Engländer in den späten fünfziger Jahren und bis zum Jahre 1763 mit der gewaltsamen Deportation der französisch geprägten Akadier. Diese wurden auf unterschiedliche britische Kolonien in Nordamerika verteilt, kehrten nach Frankreich zurück, oder siedelten sich später in der damaligen spanischen Kolonie Louisiana an, wo sich ihre Spuren noch heute in der ethnischen Gruppe der Cajuns finden lassen.
Das französische Territorium Louisiana fiel nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs an Spanien. Ein spanisch-französisches Abkommen im Jahre 1801 führte zwar zur Rückgabe Louisianas an Frankreich. Doch schon 1803 entschloss sich Napoleon Bonaparte zum Verkauf an die Vereinigten Staaten von Amerika. Dieser Verkauf markierte das endgültige Ende des französischen Kolonialreiches in Nordamerika. Es war das Ende eines Imperiums, das in Zeiten größter Ausdehnung im Jahre 1712 von Neufundland bis zur Hudson Bay und vom Golf von Mexiko bis zu den Großen Seen reichte. Nur die kleinen Inseln St. Pierre und Miquelon stehen bis heute unter französischer Verwaltung. Alle Versuche der englischen Krone, durch unterschiedliche Maßnahmen die Assimilation der französischstämmigen Kanadier zu erreichen, scheiterten. Das Bewusstsein, erobert und ungewollt imperialer britischer Herrschaft unterworfen worden zu sein, führt bis heute zu Spannungslinien innerhalb Kanadas. Der Bundesstaat Québec nimmt eine Sonderstellung im kanadischen Verfassungsgefüge ein. Nicht nur die französische Sprache, das an Frankreichs Tradition orientierte besondere Rechtssystem und Referenden über Unabhängigkeitsbestrebungen unterstreichen die von vielen Quebecern empfundene Unterschiedlichkeit. 2006 gestand Kanadas Premierminister Stephen Harper den französischstämmigen Kanadiern zu, eine eigene Nation in Kanada zu sein. Insofern zeugt die frankophone Region Québec mit ihren Städten Québec und Montréal bis heute vom 1763 untergegangenen französischen Traum, in der neuentdeckten Welt ein „Nouvelle France“ zu errichten.
Siehe auch
Quellen und Referenzen
Careless, J.M.S. : Canada: A Celebration of Our Heritage. Heritage Publishing House 1997. ( Auch online verfügbar unter www.canadianheritage.com/books/canada.htm ).
Havard, Gilles und Cécile Vidal: Histoire de l'Amerique Francaise. Éditions Flammarion 2003.
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