Niccoló Machiavelli

Niccoló Machiavelli
Niccolò Machiavelli

Niccolò Machiavelli [makja'vɛlli], eigentlich Niccolò di Bernardo dei Machiavelli, (* 3. Mai 1469 in San Casciano in Val di Pesa; † 21. Juni 1527 in Florenz) war ein italienischer Politiker, Philosoph, Geschichtsschreiber und Dichter. Sein Name wird heute vor allem mit rücksichtsloser Machtpolitik unter Ausnutzung aller (rechtmäßigen) Mittel verbunden. Der später geprägte Begriff Machiavellismus wird daher oft als Schimpfwort für ein politisches Verhalten gebraucht, das raffiniert, aber ohne jeglichen Einfluss von Moral und Sittlichkeit die eigene Macht und das eigene Wohl steigern will. Vor allem aufgrund seines Werks Il Principe („Der Fürst“) gilt er als einer der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit. Sein politisches Hauptwerk Discorsi ist darüber in den Hintergrund getreten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Niccolò Machiavelli wurde am 3. Mai 1469 geboren und entstammte einer angesehenen, jedoch verarmten Familie. Er wuchs zusammen mit seinen drei Geschwistern, Primavera, Margherita und Totto, bei seinen Eltern, Bernardo di Niccolò Machiavelli und dessen Frau Bartolomea, im Florentiner Stadtviertel Santo Spirito südlich des Arno auf. Der Vater arbeitete hauptsächlich als Anwalt. Mit seinem geringen Gehalt unterhielt er eine kleine Bibliothek und ermöglichte seinem Sohn Niccolò eine umfassende humanistische Bildung. So lernte Machiavelli schon früh die Werke antiker Klassiker kennen. Er unterschrieb in seinen Briefen seinen Namen mit unterschiedlichen Varianten wie «Niccolò», «Nicolò», «Nicholò», und «Machiavelli», «Macchiavelli», «Machiavegli», «Macchiavegli».

Grab Niccolò Machiavellis in der Kirche Santa Croce

Machiavelli war von 1498 bis 1512 Staatssekretär der Zweiten Kanzlei des Rats der „Dieci di pace e di libertà“ (Rat der Zehn, wörtlich: „Zehn von Frieden und Freiheit“) der Republik Florenz und als solcher für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Er wurde unter anderem deshalb eingesetzt, weil er weder den vertriebenen Medici noch dem wenige Tage vor Machiavellis Amtseinführung hingerichteten Girolamo Savonarola nahe stand. In diplomatischen Aufträgen traf er am 22. Juni 1502 in Urbino Cesare Borgia erstmals persönlich. Diese Begegnung beeindruckte Machiavelli tief. 1506 kam der Diplomat nach Rom zu Papst Julius II., 1504 und nochmals 1510 bis 1511 nach Frankreich zu Ludwig XII. und außerdem machte er 1507 bis 1508 die Bekanntschaft mit Kaiser Maximilian I. Zudem setzte er sich ab 1504 lebhaft für die Errichtung einer Miliz aus den Bürgern von Florenz ein, die jedoch nur teilweise realisiert wurde. Seit ihrer Gründung gehörte Machiavelli auch zum Rat der „Neun von der Miliz“. Mit Hilfe dieser Truppe wurde 1509 die Stadt Pisa zur Kapitulation gezwungen. In dieser Zeit entstanden auch erste Denkschriften und Theaterstücke.

Nach Rückkehr der Medici verlor er am 7. November 1512 seine Ämter (Jahresgehalt 200 Florin). Als er kurz darauf in den Verdacht geriet, an einer Verschwörung beteiligt zu sein, wurde er verhaftet und gefoltert. Da allerdings keine Beweise gegen ihn gefunden wurden, ließ man ihn frei. In den folgenden Jahren wurde er mit seiner Frau und den sechs Kindern auf sein kleines Landgut in dem Dorf Sant’Andrea in Percussina 15 Kilometer südwestlich von Florenz verbannt. Innerhalb eines halben Jahres nach seiner Folter schrieb er Il Principe. Später konnte er jedoch nach Florenz zurückkehren. Er widmete sich nun einer umfassenderen schriftstellerischen Tätigkeit und seiner politischen Rehabilitierung. In dieser Zeit entstanden seine Hauptwerke. Ab 1524 wurde er vermehrt wieder mit politischen Aufgaben betraut, auch wenn er die früheren Ämter nicht mehr erreichte. Er starb schließlich im Alter von 58 Jahren am 21. Juni 1527. Sein Grabmal befindet sich in der Kirche Santa Croce in Florenz. Es trägt die Inschrift: TANTO NOMINI NULLUM PAR ELOGIUM — 'Solchem Namen ist kein Lobesspruch ebenbürtig' bzw. 'Der Größe dieses Namens wird kein Lob gerecht', darunter den Namen und das Sterbedatum in der Form: OBIT AN. A. P. V. M D X X V I I - OBIIT Anno A Partu Virginis MDXXVII - ist gestorben im Jahre nach der jungfräulichen Geburt (= Anno Domini) 1527.

Werk

Machiavellis politisches Vermächtnis findet sich in seinen vier Hauptwerken. Das wichtigste sind dabei die Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius), die er von 1513 bis 1517 schrieb. Dieses 1531 posthum veröffentlichte Werk wurde jedoch bis heute durch das bekanntere 1532 veröffentlichte Buch Il Principe (Der Fürst) von 1513 verdrängt. Des Weiteren verfasste er die Istorie fiorentine (Geschichte von Florenz) (1521) und Dell’Arte della guerra (Von der Kriegskunst) (1521).

Es gibt scheinbar große Widersprüche zwischen den einzelnen Werken Machiavellis. So handeln die Discorsi eher vom Aufbau und den Vorteilen einer republikanischen Verfassung, während Il Principe sich mit Alleinherrschaft und den damit verbundenen machtpolitischen Überlegungen beschäftigt. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass Machiavelli seine Werke wenig einheitlich gestaltete und systematisierte. Diese Widersprüche lösen sich jedoch auf, wenn man seine Werke in ihrer Gesamtheit betrachtet.

Machiavellis Menschenbild

Niccolò Machiavelli ersetzte in seinen Schriften das tradierte Bild des humanistischen Menschen. Er individualisierte die Menschen, indem er feststellte, dass jeder Mensch spezielle Bedürfnisse und Verlangen (ambizione) hat. Schlecht sind die Menschen deshalb nicht von Natur aus, sondern durch die Art und Weise, wie sie ihre Ambitionen verfolgen. In erster Linie sind die Menschen undankbar selbst gegen ihre Wohltäter, und nur ein gewisses Ehrgefühl hält sie oft davon ab, ihren Wohltätern zu schaden. So sind die Menschen nie wirklich gut und nie wirklich böse, doch in jedem Fall muss man ihnen misstrauen. Die Gesetze sind nach Machiavelli geschaffen, um die Bürger vor dem Undank ihrer Mitmenschen zu schützen.

Dieser Interpretation, die den Denker in die traditionellen Kategorien einordnet, steht eine andere gegenüber, welche die besondere Eigenart Machiavellis in seinem Konzept des „principe nuovo“ untersucht. Der Fürst, den Machiavelli beschreibt, darf in der Tat keine Eigenschaften, sondern nur Fertigkeiten des Machterhalts besitzen. Diese Fertigkeiten soll er je nach den Umständen nutzen. Jede Entwicklung von Gewohnheiten ist für die Erhaltung der Herrschaft schädlich. Der Fürst ist gleichsam kein unmoralisches, sondern ein „transmoralisches“ Wesen (Sternberger), das sich an jede Situation anpasst. Noch weiter als Sternberger geht – im Gefolge von Leo Strauss – der neo-konservative Harvey C. Mansfield, der in Machiavelli den Stifter einer Religion der reinen Innerweltlichkeit und des puren Strebens nach Macht, die damit das oberste Ziel menschlicher Existenz sei, sieht.

Machiavellis Geschichtsbild

Das Geschichtsbild Machiavellis bietet den Schlüssel zu seinem komplexen Denken. In seiner Auffassung verläuft die Geschichte zyklisch. Zunächst befindet sich eine Gesellschaft in Anarchie oder einer tiefen Krise. Diese wird durch die Herrschaftserrichtung eines Anführers (uomo virtuoso) überwunden, welcher dann feste Institutionen schafft. In einem weiteren Schritt konsolidiert er dieses politische Gebilde, doch um ihm Festigkeit zu verleihen, muss es in eine republikanische Form gebracht werden. Sobald sich die Bürger auch mit diesem Gemeinwesen identifizieren, ist der Zenit der Entwicklung erreicht: der Abstieg muss früher oder später beginnen. Dieser setzt durch den Verfall der Sitten ein (beginnend bei den herrschenden Schichten) und setzt sich mit dem Verfall der Institutionen fort. Diese Entwicklung endet wiederum in einer tiefen Krise oder in Anarchie.

Virtù und Fortuna

Unter dem Begriff virtù versteht Machiavelli die politische Energie bzw. den Tatendrang, um die eigene politische Macht zu nutzen. Sowohl einzelne Menschen als auch ganze Völker können Träger dieser Kraft sein. Diese virtù ist nie gleich verteilt. Wo sie allerdings war, führte sie zu großen Reichen. So hatte das Römische Reich eine so große Macht erreicht, weil seine Anführer und sein Volk von viel virtù beseelt waren. Folglich kann man diese metaphysische Kraft nicht erzwingen, aber man kann günstige Voraussetzungen für sie schaffen, z. B. in der Struktur der Verfassung.

Gegenspieler der virtù ist die fortuna. Sie steht für das Schicksal, den Zufall, aber auch für die Gelegenheit. Sie ist der unberechenbare Faktor in der politischen Rechnung. Machiavelli sieht den Herrscher immer in einem Kampf gegen fortuna. Allerdings macht diese nur etwa die Hälfte des Erfolges aus; die andere Hälfte ist bestimmt durch Willenskraft (virtù) und praktische Vorbereitung. Für letzteres stellt ein großer Teil von Machiavellis Werk einen praktischen Handlungsratgeber dar.

Übertragen auf das Geschichtsbild Machiavellis lässt sich feststellen, dass der Aufstieg eines politischen Gebildes bis zur Republik ein Übergewicht der virtù kennzeichnet. Geht diese dann allerdings verloren, so geht das Übergewicht auf fortuna über und das Gemeinwesen muss früher oder später zerfallen.

Der Fürst als Herrscher

In seinem berühmtesten Werk Il Principe beschreibt Machiavelli, wie ein Herrscher politische Macht gewinnen und bewahren kann. Dieses Werk wird oft als Verteidigung des Despotismus und der Tyrannei solcher machtbewussten Herrscher wie Cesare Borgia verstanden. Es beruht auf der Überzeugung Machiavellis, dass ein Herrscher nicht an die überlieferten ethischen Normen gebunden zu sein braucht. Hierbei orientiert er sich am Vorbild der katholischen Kirche seiner Zeit. Alexander VI. tat und sann nichts anderes als die Menschen zu hintergehen, und er fand auch immer Objekte, die sich hintergehen ließen. Es gab noch nie einen Menschen, der seine Beteuerungen wirkungsvoller vorgebracht, seine Versprechungen feierlicher beschworen und weniger gehalten hätte. Trotzdem gelangen ihm seine Betrügereien stets nach Wunsch; so gut kannte er die schwache Seite der Menschen.“

Nach Machiavellis Auffassung kann sich ein Volk nie selbst aus einer Krise befreien. Dazu benötigt es einen von der virtù beseelten Menschen (uomo virtuoso), der es anführt und die Fundamente einer staatlichen Struktur schafft und diese konsolidiert. Seine Herrschaft garantiert eine politische Ordnung, von der Machiavelli annimmt, dass sie Voraussetzung für die Moral der Menschen sei. Aber aus der Moral entspringt die Sittlichkeit und aus dieser wiederum kann virtù erst wirken. Um die Menschen eines Volkes in die Lage zu versetzen die eigene virtù z. B. in einer Republik zu nutzen, bedarf es zunächst des Aufbaus einer politischen Ordnung, garantiert durch einen Fürsten.

Dieser Fürst muss seine Aufgabe zum Wohle des Gemeinwesens (Staatsräson) um jeden Preis erfüllen. Da er von Menschen umgeben ist, die unmoralisch und schlecht sind, darf er sich nicht durch moralische Aspekte in der Ausübung seiner Rolle einschränken lassen. Der Gebrauch von Gewalt ist nach Machiavelli gerechtfertigt, sogar zwingend notwendig, insofern sie dem Aufbau und Erhalt des Gemeinwesens dient. Wenn der Fürst die Wahl hat, von seinem Volk geliebt oder gefürchtet zu werden, so sei die Furcht vorzuziehen, denn sie sei ein verlässlicher Faktor. „Ist es besser, geliebt zu werden als gefürchtet, oder verhält es sich umgekehrt? Die Antwort lautet, dass beides erstrebenswert ist; da man jedoch beides nur schwerlich miteinander verbinden kann, ist es viel sicherer, dass ein Fürst gefürchtet wird, als dass er geliebt wird, wenn er schon nicht beides zugleich erreichen kann.“ Im Idealfall wird der Herrscher zugleich geliebt und gefürchtet. Allerdings sollte der Fürst nichts tun, um gehasst zu werden, denn dies würde seinen Rückhalt im Volk zerstören – so rät Machiavelli klar davon ab, das Eigentum der Untertanen zu berühren. Notwendige Grausamkeiten müssen kurz und heftig sein, damit sie bald vergessen werden, aber Wohltaten sollten in kleinen Mengen erfolgen, damit die Erinnerung an sie lange hält. Der Fürst muss sich nur dann an ein gegebenes Wort halten, wenn es ihm Vorteile bringt. Schadet es dem Gemeinwohl, so muss er es brechen.

Dieses scheinbar unethische Verhalten darf jedoch auf keinen Fall das Ergebnis eigennütziger Intentionen sein, sondern ist lediglich als Mittel zum Erreichen eines höheren Ziels, nämlich zur Erhaltung des Gemeinwohls, einzusetzen. Machiavelli ist in seiner Formulierung hier recht eindeutig – die Verhaltensweisen des Fürsten bezeichnet er als Verbrechen, zu denen dieser zur Erfüllung seiner (im Endeffekt moralischen) Aufgabe gezwungen ist. Der Fürst sollte moralisch handeln, solange die Notwendigkeit seiner Aufgabe es zulässt, und sich auch ständig den Anschein eines moralischen Menschen geben, jedoch keine Scheu haben, augenblicklich von diesem Weg abzuweichen, sobald es im Namen des Gemeinwohls notwendig wird. Ob allerdings das Gemeinwohl im Denken M. etwas anderes ist als Stabilität und Erhaltung der eigenen Macht des Fürsten wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

Die Stadt-Republik Florenz um 1500

Der Republikaner

Nach Machiavelli ist die Verfassung gut, die dem Staat erlaubt, seine geschichtlichen Aufgaben zu erfüllen. Dennoch war Machiavelli zeitlebens ein überzeugter Republikaner. Die Alleinherrschaft eines Fürsten sollte schließlich nur eine Übergangsphase sein. Republiken handeln eher im Sinne des Gemeinwohls als ein Alleinherrscher, der auch dynastische und egoistische Interessen besitzt. Sie beteiligen eine große Menge an Menschen an dem politischen Prozess, was deren virtù fördert und sie in den Dienst des Staates stellt. Somit ist das politische Gebilde einer Republik stabiler, widerstandsfähiger und kraftvoller, weil es auf die virtù und das Potential von vielen Bürgern zurückgreifen kann anstatt auf das eine des Fürsten. Als Beispiel nennt Machiavelli Rom, welches als Republik stark war und erst unter den Caesaren zugrunde ging.

Dabei meint Machiavelli, dass die Verfassung der Republik nicht auf Harmonie ausgelegt sein sollte. Es sollte immer ein Konfliktpotenzial bestehen (z. B. zwischen Adel und Bürgertum), weil dieser Zustand die politische Aktivität (und damit die virtù) der Bürger wachhalten würde. Der Verfall einer Republik hingegen wird unter anderem dadurch eingeleitet, dass Parteibildung und Korruption ein Handeln für das Allgemeinwohl verhinderten. Hinzu kommt dann der Verfall der Sitten.

Machiavelli und die Religion

Die Jesuiten und der Papst führten als erste eine Initiative zum Verbot von Machiavellis Schriften an. Dies war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Machiavelli die Kirche stark kritisiert hatte. Dabei wandte er sich nicht allgemein gegen Religionen, denn er war der Ansicht, dass die Religion wichtig sei, weil sie Moral vermittle und somit die Voraussetzung für die Sittlichkeit wäre (und aus der Sittlichkeit kann virtù entspringen). Gleichzeitig vermittle sie auch Kraft, was bei dem Aufbau eines Staates ungemein wichtig wäre. Doch das Christentum in Form der katholischen Lehre lehnte Machiavelli ab. Er meinte, dass das Christentum zu Demut und Zurückhalten erziehe. Außerdem würde es den Menschen vermitteln, dass es nicht lohne, im Diesseits etwas zu tun, wenn doch das Leben erst im Jenseits wirklich lohnend wäre. Damit untergrabe, so Machiavelli, das Christentum die Entwicklung von virtù in den Menschen, denen es daher nicht gelinge, sich selbst zu befreien. Auch wandte sich Machiavelli gegen die Institution der Kirche, die er für den Sittenverfall in Italien verantwortlich machte.

Das Kriegswesen

Die wichtigste Machtstütze des Fürsten ist ein eigenes stehendes Heer. Nur darauf kann er seine Macht aufbauen, da es sowohl vor inneren als auch vor äußeren Feinden schützt. Dieses Heer muss er selbst anführen, denn das Kommando einem Feldherrn zu übertragen, untergräbt die eigene Autorität und macht den Fürsten angreifbar. Aus demselben Grund darf er auch keine Söldner anwerben, weil diese unzuverlässig wären, was der fortuna in die Hände spielen würde.

Eine Republik muss hingegen ein Volksheer unterhalten, wie es auch Rom getan hat. In ihm kann man wiederum die virtù des Volkes nutzen und sie überhaupt erst begründen. Denn diese kommt dadurch zum Tragen, dass sich das Volk für das Gemeinwohl engagiert und somit die ganze Kraft des Staates Verwendung findet. Mit Söldnerheeren ist das nicht möglich, weil diese eigene Interessen verfolgen und im Falle einer Niederlage sogar ganz wegfallen.

Machiavelli als Satiriker

Neben politischen und philosophischen Schriften verfasste er drei Komödien. Andria ist eine Übersetzung der gleichnamigen Terenz-Komödie. Die Mandragola ist eine eigenständige Komödie, die bis heute aufgeführt wird. Sie handelt von einem Jüngling, der sich in die Frau eines einflussreichen Florentiner Arztes verliebt und diese mit Raffinesse und Intrige erobert. Diese Komödie wurde vielfach als politische Allegorie gelesen. Ihr Entstehungsdatum (vermutlich 1518) ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Ihr folgt die 1525 uraufgeführte Komödie Clizia, eine Auftragsarbeit, die das Niveau der Mandragola nicht ganz erreicht. Clizia ist stofflich an die Asina von Plautus angelehnt, aber keine direkte Übersetzung mehr. Handlungsort und -zeit wurden vom antiken Griechenland ins zeitgenössische Florenz verlegt.

Zu Machiavellis satirischen Werken zählt neben frühen Spott- und Karnevalsliedern auch die Novelle mit dem umfangreichen Titel:

  • Der Erzteufel Belfagor wird von Pluto auf die Erde gesandt, mit der Verpflichtung, eine Frau zu nehmen. Er kommt, nimmt eine Frau, und unvermögend ihren Hochmut zu ertragen, kehrt er lieber in die Hölle zurück, als sich wieder mit ihr zu vereinigen.

Der permanente Zynismus in Machiavellis Werken ist nicht zu unterschätzen. Von ihm selbst kann aus einem Brief an Francesco Guicciardini zitiert werden: „Ich sage nie mehr, was ich glaube, und glaube nie mehr, was ich sage, und wenn mir doch einmal ein wahres Wort entschlüpft, verstecke ich es gleich hinter soviel Lügen, dass es nicht wieder zu finden ist.“

Machiavelli als Literat

Machiavellis dramatisches Schaffen umfasste sechs Werke, von denen nur die drei oben erwähnten erhalten sind. Im Zuge des Rinascimento und der Besinnung auf die alten Meister der Antike begannen um 1500 verstärkt Übersetzungstätigkeiten, die eng mit dem Prinzip der „imitatio“ verbunden waren. Neben der Dramengattung Tragödie erhielt die im Mittelalter gering geschätzte Komödie unter Berufung auf Terenz und Plautus einen höheren Stellenwert. Durch das die imitatio ergänzende Prinzip der aemulatio entstehen aus Machiavellis Feder das verloren gegangene Stück Le Maschere nach Aristophanes, von dessen Existenz wir durch Machiavellis Neffen Giuliano de’ Ricci wissen.

Rezeption

Niccolò Macchiavelli (Statue bei den Uffizien in Florenz)

Machiavellis Werk erfuhr eine Reihe von Deutungen, die von der reinen Lehre der Technik der Macht bis zum Aufruf zur Befreiung und Einigung Italiens reichten. Er entdeckte im Prinzip der Staatsräson das Grundgesetz der modernen europäischen Staatenwelt. Erst seit dem 19. Jahrhundert, im Zuge des aufkommenden Nationalismus und insbesondere des Risorgimento, kam man allmählich dazu, seine übrigen Werke, vor allem die Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius (1513), die Geschichte von Florenz (1521), und Von der Kriegskunst (1521) bei der Bewertung seiner Gedanken mit heranzuziehen.

Die Auseinandersetzungen um Machiavelli begleiten die ganze moderne Ideengeschichte bis hin zur Faschismustheorie und dem Begriff des Totalitarismus. Schon früh bildete sich die gegen die Machiavellianischen Anschauungen gerichtete Strömung des Antimachiavellismus, der zur Hauptsache Kleriker, Adelige, humanistische Philosophen, Freigeister, Aufklärer und Ethiker anhingen. Sie brandmarkten Machiavelli als Menschenfeind. Ihre berühmteste Schrift ist wohl der Antimachiavell Friedrichs des Großen, ein scharfer Angriff auf die im Fürsten vorgeschlagenen Wege, wenngleich Friedrich selbst diese Mittel einzusetzen verstand. Diese Deutung erklärt sich jedoch daraus, dass Il Principe einzeln betrachtet wurde, ohne dieses Buch in der Gesamtheit der Werke Machiavellis einzuordnen.

Dennoch gab es im Zeitalter der Aufklärung auch bedeutende Denker wie Diderot oder Rousseau, die im Fürsten einen versteckten Angriff auf die Gewissenlosigkeit und Selbstsucht der Despoten sahen. So steht in der Ausgabe des Gesellschaftsvertrages von 1782:

Unter dem Vorwand, die Könige zu unterweisen, hat er die Völker gründlich belehrt. Der Fürst von Machiavelli ist das Buch der Republikaner. (Machiavelli war ein ehrenwerter Mann und guter Bürger; da er jedoch an das Haus der Medici gebunden war, war er bei der Unterdrückung seines Vaterlandes gezwungen, seine Freiheitsliebe zu tarnen. Allein die Wahl seines abscheulichen Helden macht seine geheime Absicht deutlich, und wenn man die Grundsätze seines Buches Der Fürst denen seiner Abhandlung über Titus Livius und seiner Geschichte von Florenz gegenüberstellt, wird deutlich, dass dieser tiefgründige Politiker bis heute nur oberflächliche oder verderbte Leser gefunden hat. Der römische Hof hat sein Buch streng verboten, das will ich gern glauben; er nämlich wird am deutlichsten geschildert.)
Gedenktafel am Ort seines Geburtshauses (Via Guiccardini, Florenz)

Später, im Jahre 1807, griff Johann Gottlieb Fichte Machiavellis Theorien erneut auf. Er erblickte in ihnen brauchbare Ideen für den aufkommenden Nationalismus in Deutschland, weil die Situation in Italien zur Zeit Machiavellis mit derjenigen Deutschlands am Anfang des 19. Jahrhunderts vergleichbar erschien. Auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel versuchte Machiavelli in dieser Weise zu aktualisieren. Johann Gottfried Herder und Friedrich Nietzsche befassten sich ebenfalls mit Machiavelli.

Hannah Arendt greift immer wieder auf Machiavelli zurück. Sie schreibt, „daß Machiavelli als erster […] die Heraufkunft oder die Wiederkehr eines rein weltlichen Bereichs antizipierte, dessen Prinzipien und Verhaltensregeln sich von den Geboten der Kirche emanzipierte und dessen moralische Wertsetzungen von keiner Transzendenz mehr gegründet und begründet sein würden. Dies ist der eigentliche Sinn seiner vielfach missverstandenen Lehre, dass es in der Politik darum gehe, zu lernen, »nicht gut zu sein«, nämlich nicht im Sinne christlicher Moralvorstellungen zu handeln.“ [1] Nach Arendt machte Machiavelli somit eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche und er konnte somit sagen: „Erscheine, wie du sein möchtest, und meinte damit: Wie du in Wahrheit bist, hat für diese Welt und ihre Politik keine Bedeutung; sie besteht ohnehin nur aus Erscheinung, und das wahre Sein spielt in ihr keine Rolle …“ [2]

In seiner Vorlesung Die „Gouvernementalität“ bezieht sich Michel Foucault auf Machiavelli (vor allem auf Il Principe) und auch auf Anti-Machiavelli-Literatur (z. B. Thomas Elyot oder Guillaume de La Perrière) um das Konzept der Gouvernementalität zu entwickeln.[3]

Einer der ersten Machiavelli-Biographen, der Italiener Pasquale Villari, lieferte eine interessante Personenbeschreibung ab:

„(…) von mittlerer Größe, mager, mit sehr lebhaften Augen, einen etwas kleinen Kopf, einer leicht gebogenen Nase, einem stets zusammengepressten Mund: Alles hatte bei ihm den Eindruck eines sehr gewandten Beobachters und eines Denkers, doch nicht eines achtungsgebietenden und auf andere einwirkenden Mannes. Er konnte sich nicht leicht von seinem Sarkasmus frei machen, der immerfort um seine Lippen spielte, aus seinen Augen sprühte und ihm den Anschein eines berechnenden und nüchternen Kopfes gab.“

Literatur

In deutscher Übersetzung:

  • Der Fürst, Insel-Verlag, Frankfurt a.M., ISBN 3-458-32907-2.
  • Discorsi, Insel-Verlag, Frankfurt a.M., ISBN 3-458-34251-6.
  • Discorsi (Gedanken über Politik und Staatsführung), Alfred-Kroener-Verlag, ISBN 3-520-37702-0.
  • Das Leben des Castruccio Castracani von Lucca, übersetzt und mit einem Essay zur Ästhetik der Macht hrsg. v. Dirk Hoeges, C. H. Beck, ISBN 3-406-43357-X.
  • La Mandragola, Frankfurt (Verlag der Autoren) 2000.
  • Niccolò Machiavelli – Mandragola, Italienisch/Deutsch; übersetzt von Helmut Endrulat, illustriert von Joachim John, hrsg. von Gero Alfred Schwalb und Hans-Peter Klaus; edition schapeti, Langenhagen 1996.
  • Dirk Hoeges, Niccolò Machiavelli. Dichter-Poeta. Mit sämtlichen Gedichten, deutsch/italienisch. Con tutte le poesie, tedesco/italiano, Reihe: Dialoghi/Dialogues: Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, Band 10, Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. u. a. 2006, ISBN 3-631-54669-6.
  • Gesammelte Werke in einem Band, hrsg. v. Alexander Ulfig, Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 2006, ISBN 978-3-86150-774-1
  • Geschichte von Florenz(mit einem Nachwort von Kurt Kluxen) Zürich, o.J.Manesse Bibliothek der Weltgeschichte
  • Von der Regierungskunst eines Fürsten und Anti-Machiavel oder Versuch einer Kritik (anonym von Friedrich II von Preußen) mit einem Nachwort von Heiner Höfener, Harenberg, Dortmund 1978, ISBN 3-921846-50-1
  • Der Fürst, vocalbar-Verlag, Berlin Januar 2008, ISBN 3-939696-04-8. Auswahl der wichtigsten Kapitel und mit einem Nachwort versehen von Dr. Jörg Lehmann. Laufzeit: 76 Minuten.

Sekundärliteratur

  • Frank Deppe: Niccolo Machiavelli. Zur Kritik der reinen Politik Köln 1987
  • Michel-Pierre Edmond : Machiavel ou l’usage intelligent du vice Magazine littéraire, n° 183, April 1982.
  • Dirk Hoeges: Niccolò Machiavelli. Die Macht und der Schein C.H. Beck, München 2000 ISBN 3-406-45864-5
  • Ralf Jeremias: Vernunft und Charisma. Die Begründung der Politischen Theorie bei Dante und Machiavelli - im Blick Max Webers, Konstanz 2005
  • Wolfgang Kersting: Niccoló Machiavelli 3. Auflage, München 2006 ISBN 3-406-54128-3
  • Josef Lehmkuhl: Erasmus – Machiavelli, Zweieinig gegen die Dummheit Königshausen & Neumann, Würzburg 2008 ISBN 978-3-8260-3889-1
  • Harvey C. Mansfield Machiavelli’s Virtue Chicago & London 1996, ISBN 0-226-50368-2
  • Karl Mittermaier: Machiavelli. Moral und Politik zu Beginn der Neuzeit Casimir Katz, 2005, ISBN 3-938047-07-0
  • Herfried Münkler: Machiavelli Frankfurt 2004 ISBN 3-596-16178-9
  • Carlo Schmid Machiavelli Fischer, Frankfurt 1956
  • Peter Schroeder: Niccoló Machiavelli Campus Einführungen, Frankfurt 2004 ISBN 3-593-37571-0
  • Quentin Skinner: Machiavelli zur Einführung 4. Auflage, Junius, Hamburg 2004 ISBN 3-88506-350-6.
  • Dolf Sternberger: Drei Wurzeln der Politik Suhrkamp, Frankfurt 1978
  • Bernhard H. F. Taureck: Macchiavelli-ABC Reclam, Leipzig 2002
  • Maurizio Viroli: Das Lächeln des Niccolò Rowohlt, Reinbek 2001 ISBN 3-499-61307-7

Weblinks

Anmerkungen

  1. Hannah Arendt: Über die Revolution 1965; Piper, 4. Aufl. München 1994, S. 43
  2. ebenda, S. 129
  3. vgl. Foucault, Michel: Die "Gouvernementalität. In: Bröckling, Ulrich / Krasmann, Susanne/ Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen.


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