- Arthritis dysenterica
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Klassifikation nach ICD-10 M02 Reaktive Arthritiden M02.3 Reiter-Krankheit ICD-10 online (WHO-Version 2006) Morbus Reiter oder Reiter-Krankheit ist eine reaktive entzündliche Systemerkrankung. Hierbei handelt es sich um eine seronegative Spondylarthropathie (Gelenkserkrankung), die besonders bei HLA-B27 positiven Personen durch eine Darm- oder Harnwegserkrankung mit Bakterien (meistens Chlamydien) ausgelöst wird und die sich als Arthritis, Bindehautentzündung des Auges, Urethritis und teils mit typischen Hautveränderungen äußern kann.
Andere Bezeichnungen lauten deshalb Reiter-Syndrom, Urethro-okulo-synoviales Syndrom, Arthritis dysenterica', postenteritisch reaktive Arthritis, Sexually acquired reactive arthritis (SARA) oder undifferenzierte Oligoarthritis.
Als Morbus Reiter wurde sie nach dem Berliner Arzt Hans Reiter (1881-1969) benannt, der die Krankheit 1916 erstmals beschrieb. 1977 starteten einige Ärzte aufgrund von Reiters NS-Vergangenheit eine Kampagne, den Begriff „Reiter-Syndrom“ zu eliminieren und durch die Bezeichnung Reaktive Arthritis zu ersetzen.
In der aktuellen (2006) internationalen Klassifizierung von Krankheiten (ICD) wird unter dem Oberbegriff Reaktive Arthritis (M02) allerdings die Reiter-Krankheit (M02.3) weiterhin als Sonderform unter diesem Namen aufgeführt.
Die Erkrankung ist ein Hauptvertreter der postinfektiösen Gelenkserkrankungen. Dabei können in dem betroffenen Gelenk/den betroffenen Gelenken selbst keine Keime, wohl aber entsprechende Antigene oder deren DNA nachgewiesen werden. Ein Nachweis von bakterieller RNA spricht allerdings für das Vorhandensein zumindest einzelner lebender Organismen.
Die Erkrankung gehört zur Gruppe der Autoimmunerkrankungen, die nach einer Infektion ausgelöst werden können. Dabei wird eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen, die sich gegen den eigenen Körper richtet. Es ist noch nicht geklärt, weshalb diese Reaktion ausgelöst wird.
Bei 70 bis 80 % der erkrankten Personen, wird das HLA-B27-Zellenmerkmal (HLA-Klasse I) im Blut nachgewiesen. Dieses Merkmal besagt indes nicht zwangsläufig, dass die entsprechende Person an einer Autoimmun-Krankheit leiden muss oder später leiden wird: Das relative Risiko liegt bei rund 40 %. Es wurde sogar nachgewiesen, dass dieser Personenkreis gegenüber bestimmten Grippe-Viren resistenter ist.
Inhaltsverzeichnis
Epidemiologie
Hauptsächlich betroffen sind junge weiße Männer (Geschlechterverhältnis 20:1) mit einem Altersgipfel von 20 bis 30 (bis 45) Jahren, bei denen es sich gleichzeitig um die häufigste Ursache einer Arthritis handelt. Die Inzidenz dieser weltweit auftretenden Erkrankung liegt bei 3,5 pro 100.000 Männern unter 50 Jahren, in westlichen Ländern bei etwa 4-5 pro 100.000 .
Da die Keime in den meisten Fällen über die Harnwege oder mit der Nahrung (über den Darm) in den Körper gelangen, kann die Erkrankung dementsprechend in einen „postvenerischen Typ“ oder „postdysenterischen Typ“ eingeteilt werden, wobei diese Einteilung mehr über evtl. mögliche prophylaktische Maßnahmen, als über den späteren Verlauf selbst aussagt.
Für den postvenerischen Typ ist Chlamydia trachomatis als hauptverantwortlich zu bezeichnen, für den postdysenterischen Typ kommen unter anderem Salmonella enteritidis, Salmonella typhimurium, Shigella flexneri, Shigella dysenteriae, Yersinia enterocolitica, Campylobacter fetus, Clostridium difficile und Mykoplasmen in Frage.
Da die Symptome der Vorerkrankung Urethritis oder Enteritis oft schwach ausgeprägt und flüchtig sind, kann nur geschätzt werden, dass etwa 3 % aller Chlamydieninfektionen und etwa 37 % der typischen Chlamydien-Urethritiden ein Reiter-Syndrom nach sich ziehen.
Symptome
Die Symptome des Morbus Reiter treten meist ein bis sechs Wochen nach der vom Patienten oft nicht bemerkten Infektion auf. Zu den anfänglichen Hauptsymptomen gehören neben möglichem Fieber und Abgeschlagenheit.
- Urethritis (Harnröhrenentzündung; unspezifisch, nicht-gonorrhoisch) oder Zervizitis mit schleimigem oder eitrigem Ausfluss
- Seltener verbunden mit einer Prostatitis (Prostataentzündung) oder Zystitis (Harnblasenentzündung).
- Entzündung der Augenbindehaut , (serös oder purulent) mit entsprechenden Beschwerden;
- Als Komplikation kann eine Iridozyklitis auftreten und zu bleibenden Schäden führen
- Arthritis: Rötung und Erwärmung eines oder weniger Gelenke (Monarthritis oder Oliogoarthritis, meist asymmetrisch) hauptsächlich der großen Gelenke der Beine (Kniegelenk, Sprunggelenk), oft verbunden mit ausgeprägten Gelenkergüssen, die den Patienten ans Bett fesseln können.
- Sind die oberen Extremitäten (die Arme) betroffen, werden eher die kleinen Gelenke befallen.
- Auch Arthritiden des Achsenskeletts (Entzündungen der Wirbelsäulengelenke sowie eine Sakroileitis) sind möglich.
- Häufig ist wiederum eine Entzündung der Achillessehne oder der Plantarfaszie am Fersenbein.
- Vielgestaltige Hautveränderungen, die in ihrer Gesamtheit die Diagnose am schnellsten ermöglichen.
- Beginn meist mit in Gruppen auftretenden sterilen Pusteln auf erythematösem Grund an Handflächen und Fußsohlen ([1]), wobei die Bläschen bald platzen und sich ein sog. Keratoderma blenorrhagicum bildet.
- psoriasisähnliche Herde, die besonders über den Gelenken entstehen (damit Differentialdiagnose: Psoriasis arthropathica), prinzipiell aber überall auftreten können ([2])
- Oberflächliche Ulcera der Mundschleimhaut
- Veränderungen ähnlich einer Lingua geographica (Landkartenzunge)
- Balanitis circinata an Glans penis (Eichel) und Vorhaut ([3])
- Selten entsteht auch ein Erythema nodosum
- Nagelveränderungen wie subunguale Keratosen, Onycholyse und Onychodystrophie sind möglich.
Arthritis, Konjunktivitis/Iritis und Urethritis werden als so genannte Reiter-Trias bezeichnet. Kommt eine Reiter-Dermatose hinzu, spricht man von einer Reiter-Tetrade.
Nach 3-12 Monaten (Wochen bis Jahren) kann es bei bis zu 15 % der Patienten zu Rezidiven kommen. Ebenfalls in 15 % kann die Erkrankung einen chronischen Verlauf nehmen und zur Gelenkszerstörung führen.
Diagnose
- Anamnese eines vorangegangenen Infekts (oft nicht zielführend)
- Die Laboruntersuchung des Blutes zeigt unspezifische Veränderungen: Entzündungszeichen; antinukleärer Antikörper und Rheumafaktoren fehlen. Sie dient somit in erster Linie der Verdachtserhärtung durch Ausschluss anderer Ursachen.
- Der Nachweis von HLA-B27 erhärtet die Verdachtsdiagnose weiter, ist aber im Einzelfall keineswegs beweisend, da auch etwa 8 % der gesunden Bevölkerung dieses Merkmal tragen.
- Ein Urethralabstrich oder Zervixabstrich mit Untersuchung auf Chlamydien und Mykoplasmen soll auch bei diesbezüglich beschwerdefreien Patienten durchgeführt werden. Der entsprechende Nachweis erfolgt mittels Erregerkultur oder PCR. Nicht zielführnend ist eine alleinige Chlamydien-Serologie. Dagegen ist eine Titerbestimmung der Salmonellen-, Campylobacter und Yersinien-Antikörper in allen Fällen angezeigt.
- Röntgen und MRI der betroffenen Gelenke
Bei HLA-B27-positiven Patienten sollen Erkrankungen wie ein Morbus Bechterew, Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa ausgeschlossen werden, da auch dort dieses Gen vermehrt ausgeprägt ist.
Differentialdiagnose
Neben der bereits erwähnten Psoriasis arthropathica auch andere Erscheinungsformen der Psoriasis wie
- Psoriasis vulgaris sowohl in der vorwiegend großfleckigen wie auch vorwiegend kleinfleckigen Form, Psoriasis pustulosa Typ Barber-Königsbeck, isolierte Psoriasis palmaris et plantaris sowie die Psoriasis inversa
- Sexuell übertragbare Krankheiten wie Sekundäre Lues, Gonorrhoe, Arthritis gonorrhoica, Chlamydien-Urethritis
- Chronische Polyarthritis, Rezidivierende Polychondritis
- Pilzerkrankungen (Tinea manus, Tinea pedis)
- Morbus Behçet, Balanitis erosiva circinata
- Acrodermatitis continua suppurativa Hallopeau
Behandlung
Zur schnellen Linderung der entzündlichen Gelenksbeschwerden empfiehlt sich die symptomatische Gabe von NSAR nebst lokalen entzündungshemmenden Maßnahmen (wie Kälteanwendungen). Zu dem ist die Beseitigung der verursachenden Infektion durch eine angemessene antibiotische Therapie wünschenswert, allerdings wurde nur bei der urogenitalen Form (Infektion mit Chlamydia trachomatis) ein Nutzen nachgewiesen. Antibiotika werden somit selten eingesetzt - da meist auch keine Erreger nachweisbar sind. Werden sie allerdings nachgewiesen, ist auch eine Behandlung des Sexualpartners (der Sexualpartner) notwendig.
Bei schwerem Krankheitsverlauf und Beteiligung mehrerer Gelenke, vor allem bei Auftreten einer Iridozyklitis müssen Kortikosteroide eingesetzt werden, um bleibende Veränderungen zu vermeiden.
Nur bei chronischen Verläufen werden Immunsuppresiva wie Methotrexat und Salazopyrin eingesetzt.
Weblinks
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