Nikita Sergeyevich Khrushchev

Nikita Sergeyevich Khrushchev
Nikita Chruschtschow

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow (russisch Никита Сергеевич Хрущёв [nʲɪˈkʲitə sʲɪˈrgʲejɪvʲɪtʲɕ xruˈɕɕof]  anhören?/i, wiss. Transliteration Nikita Sergeevič Chruščëv, engl. Transkription Nikita Khrushchev; * 17. April 1894 in Kalinowka, Rajon Dmitrijew, Oblast Kursk, Russland; † 11. September 1971 in Moskau, Russische SFSR) war ein sowjetischer Politiker. Von 1953 bis 1964 war er Parteichef der KPdSU, von 1958 bis 1964 außerdem Regierungschef.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Nikita Chruschtschow stammte aus einer westrussischen Bauernfamilie, die 1908 in das Donezbecken, das wichtigste ukrainische Industriegebiet, übersiedelte. Er absolvierte eine Lehre zum Maschinenschlosser und arbeitete dann im selben Bergwerk wie sein Vater. Er schloss sich der Gewerkschaft der Bergleute an. In der Bergbaustadt Jusowka lernte er bereits Lasar Kaganowitsch kennen, der ihn in späteren Jahren förderte und mit dem er im Politbüro lange Jahre zusammenarbeitete, bevor beide Männer zu innerparteilichen Gegnern wurden. Er trat 1918 in die Kommunistische Partei sowie in die Rote Armee ein und nahm als Freiwilliger am Bürgerkrieg teil.

Am Ende des Bürgerkriegs 1921 fiel seine erste Frau Galina Chruschtschowa der Hungersnot in Sowjetrussland zum Opfer. Der junge Witwer musste fortan allein zwei Kinder versorgen (Sohn Leonid, Tochter Julia).

Chruschtschow absolvierte ab 1922 eine Ausbildung an der Arbeiterfakultät von Jusowka und leistete Parteiarbeit unter den Studenten. Hier lernte er auch Nina Petrowna Kuchartschuk kennen, die er 1924 heiratete.

Aufstieg

1925 ernannte man ihn zum Parteisekretär des Bezirks Petrowo-Marinsk im Gebiet Stalino (zuvor: Jusowka) in der Ukrainischen SSR. 1925 nahm er am XIV. Parteitag der KPdSU teil, wo er erstmals persönlich Stalin zu Gesicht bekam. Auf dem XV. Parteitag 1927 erlebte er die Niederlage der linken Opposition (Leo Trotzki, Sinowjew u. a.). Er machte sich als Stalin-Anhänger bemerkbar. Als solcher wurde Chruschtschow in den Parteiapparat der Ukraine befördert, in die damalige Hauptstadt Charkow, später nach Kiew. 1929 nutzte er eine Chance zur Weiterbildung und besuchte die Industrieakademie in Moskau, zu der pro Jahr nur wenige hundert Parteifunktionäre auf Empfehlung zugelassen wurden. Auch hier übernahm er wieder Parteiarbeit. Außerdem lernte er Stalins Frau Nadeschda Allilujewa kennen († 1932). Dadurch wurde auch Stalin auf ihn aufmerksam. Nadeschda, die sich sehr gut mit Chruschtschow verstand, hat ihn Stalin gegenüber jahrelang immer wieder positiv erwähnt. Dies wurde Chruschtschow bewusst, als er in späteren Jahren oft zu Gast am Tisch Stalins war. Er nannte Nadeschda sein „Lotterielos“, denn ihretwegen habe Stalin ihm vertraut.

Nicht zuletzt durch dessen Wohlwollen wurde er 1931 Parteichef des Industriebezirks Krasnaja Presnja, eines der wichtigsten Parteibezirke Moskaus. Sein Aufstieg in Moskau erfolgte schnell. Schon 1932 wurde er Zweiter Sekretär des Stadtparteikomitees, 1933 Chef des Moskauer Gebietsparteikomitees.

1934 (bis 1966) wurde er auf dem XVII. Parteitag ins Zentralkomitee (ZK) der KPdSU gewählt. Ab 1935 war er für die Neubauten in Moskau verantwortlich, darunter auch für den Bau der Moskauer Metro, wofür er seinen ersten Leninorden erhielt.

Parteiführer der KPdSU

Im Politbüro

Von 1938 bis 1939 wurde Chrustschow an Stelle von Pawel Postyschew (1939 erschossen) Kandidat des Politbüros der KPdSU. 1939 stieg er auf in das höchste politische Gremium der UdSSR, er wurde Vollmitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und zwar in der Zeit vom 22. März 1939 bis zum 14. Oktober 1964.

In der Ukraine löste er Stanislaw Kossior (1939 erschossen) als Parteichef ab. Mit knapp einjähriger Unterbrechung (1947) leitete Chrustschow von 1938 bis 1949 als Erster Sekretär die ukrainische Parteiorganisation. Er unterstützte sowohl als Moskauer wie als ukrainischer Parteichef, so wie alle überlebenden Politbüromitglieder, die stalinschen Säuberungen. 1939/40 überwachte er die Eingliederung der West-Ukraine in die UdSSR, nachdem die Rote Armee gemäß den Abmachungen des Hitler-Stalin-Pakts im September 1939 die sowjetisch-polnische Grenze überschritten hatte.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Im Zweiten Weltkrieg war Chruschtschow im Rang eines Generalleutnants aktiv, zunächst als höchster Politoffizier bei Marschall Budjonny und danach bei Marschall Timoschenko an der ukrainischen Front. Hier musste er die verheerenden Niederlagen gegenüber Stalin vertreten. Verantwortlich war er außerdem für den Abtransport des industriellen und landwirtschaftlichen Maschinenparks der Ukraine und für die Organisation des Partisanenkampfs in der Ukraine. Ansonsten war er Bindeglied zwischen dem Politbüro und verschiedenen Fronten im Südwesten. Als Frontkommissar war er bei den Stalingradkämpfen 1942 und 1943 bei Generaloberst Jerjomenko und sodann erfolgreich an der Schlacht bei Kursk (unter Marschall Rokossowski) tätig. Sein Sohn Leonid wurde in dieser Zeit als Flieger abgeschossen.

Nach Kriegsende trug Chruschtschow die politische Verantwortung für den Wiederaufbau der Ukraine, die Bekämpfung des Hungers und den fortdauernden Kampf gegen ukrainische Partisanen. Die Zuspitzung der Hungersnot führte 1947 zur Schwächung von Chruschtschows politischer Position, so dass Lasar Kaganowitsch ihn vorübergehend als Ersten Sekretär des ZK der Ukraine verdrängte (bis Jahresende 1947).

Vom 16. Dezember 1949 bis zum 7. September 1953 war Chruschtschow Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU und führte dort ab 1950 das Landwirtschaftsressort. Seine Wahlrede vom 7. März 1950 leitete eine großangelegte Kampagne zur Zusammenlegung der Kolchosen ein. Von 1949 bis 1953 war er auch Erster Sekretär (Obkomsekretär) der Parteiorganisation des Gebietes von Moskau. Auf dem XIX. Parteitag der KPdSU 1952 spielte er auf Geheiß Stalins eine prominente Rolle: Er hielt das Referat über die bedeutsamen Abänderungen am Parteistatut.

Stalins Tod – Chruschtschow Erster Sekretär

24 Stunden nach dem Tod Stalins am 5. März 1953 wurde kurzerhand eine Reihe von Veränderungen bekanntgegeben: Das seit 1952 „Präsidium“ genannte Politbüro wurde von 25 auf 10 Vollmitglieder und die Anzahl der Kandidaten von 11 auf 4 reduziert. Damit hatte die Führung den alten Zustand vor der Aufblähung des Gremiums durch Stalin wieder hergestellt und potenzielle Nachrücker kaltgestellt. Die Rangliste führte Georgi Malenkow an (Chruschtschow Nr. 5), der damit als Erster Parteisekretär kurzzeitig Parteichef war und gleichzeitig Stalin im Amt des Ministerpräsidenten (Erster Stellvertreter: Lawrenti Beria) beerbte. Das Sekretariat des ZK wurde von sechs auf drei Mitglieder verkleinert, bestehend aus Chruschtschow, Michael Suslow und Pjotr Pospelow. Am 26. Juni 1953 wurde der von allen Politbüromitgliedern gefürchtete Innenminister und Geheimdienstchef Lawrenti Beria kurzerhand verhaftet (Chruschtschow hatte zuvor geschickt gegen Beria intrigiert) und noch 1953 zusammen mit anderen Geheimdienstlern erschossen. Chruschtschow, nunmehr dienstältester Sekretär, erreichte im Rahmen einer von den Politgrößen angestrebten „kollektiven Führung“, dass die führenden Ämter Erster Sekretär und Regierungschef getrennt wurden (und damit Malenkow ein wenig Macht abgeben musste). Er wurde am 7. September 1953 offiziell zum neuen Ersten Sekretär des ZK gewählt; Malenkow blieb Ministerpräsident. Bis zur scharfen Kritik an Malenkow auf einem ZK-Plenum 1955 wetteiferten Malenkow und Chruschtschow in der Folgezeit – allen Beteuerungen über den Wert einer „kollektiven Führung“ zum Trotz – miteinander um die Spitzenposition unter den sowjetischen Politikern.

Entstalinisierung

Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 kritisierte Chruschtschow in der "Geheimrede" den Personenkult um Stalin und die damit verbundenen Verbrechen (siehe Entstalinisierung). Die sowjetische Führung leitete in der Folge eine grundlegende Wende in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ein. Es entwickelte sich die sogenannte Tauwetter-Periode: sowohl innen- als auch außenpolitisch kehrte eine gewisse Entspannung ein. Chruschtschow ließ zahlreiche Straflager (GULag) öffnen und unschuldig Inhaftierte befreien. Ganze Bevölkerungsteile wurden rehabilitiert. Allerdings setzte die Entstalinisierung auch politische Entwicklungen in Gang, wie sie der sowjetischen Führung nicht lieb sein konnten. In Polen und Ungarn wurden die altstalinistischen Parteiführer gestürzt. In Ungarn kam bereits 1953 der liberale Imre Nagy an die Macht, in Polen 1956 Wladyslaw Gomulka. Nagy wurde 1955 wieder fallen gelassen und sein Vorgänger Rákosi erneut ins Amt gehoben. Den Volksaufstand, der 1956 mehr Freiheiten einforderte und Nagy zum Ministerpräsidenten erklärte, ließ Chruschtschow niederschlagen. Nagy wurde 1958 hingerichtet. Die zunehmende Liberalisierung in einigen Ostblock-Staaten versetzte die Konservativen in der sowjetischen Führung zunehmend in Sorge, dass die Entstalinisierung außer Kontrolle geraten könnte.

1957 versuchte eine deutliche Mehrheit (sieben zu vier) der Politbüromitglieder mit Malenkow, Molotow, Woroschilow, Kaganowitsch, Saburow, Perwuchin und Bulganin, Chruschtschow zu stürzen. Von Chruschtschow wurde jedoch eiligst mit Hilfe des ihn unterstützenden Militärs (Marschall Schukow) das Zentralkomitee der Partei einberufen. Eine Mehrheit im Zentralkomitee unterstützte Chruschtschow. Malenkow, Molotow, Kaganowitsch und Saburow wurden aus dem Politbüro abgewählt, Perwuchin zum Kandidaten des Politbüros zurückgestuft. Malenkow wurde Leiter eines Kraftwerks in Kasachstan und Molotow Botschafter in der Mongolei. Bulganin blieb noch ein Jahr lang Ministerpräsident, bis 1958 Chruschtschow auch diesen Posten übernahm. Woroschilow blieb bis 1960 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (Staatsoberhaupt). Die Stellung des Zentralkomitees als kontrollierendes und oberstes Parteigremium zwischen Parteitagen hatte sich durch diesen Vorgang für einige Jahre gefestigt.

Auf dem Gipfel der Macht

Chruschtschow auf dem V. Parteitag der SED in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin, 1958
Auf der Rückreise vom VI. Parteitag der SED im Januar 1961 im polnischen Grenzbahnhof Kunowice

1958 wurde Chruschtschow als Nachfolger von Bulganin Ministerpräsident der UdSSR und vereinte damit wieder (wie zur Stalinzeit von 1941 bis 1953) das höchste Parteiamt und das Amt des Regierungschefs in einer Person. Im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten vertrat er das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ der Systeme und verkündete das Ziel, den Kapitalismus vor allem auf wirtschaftlicher Ebene zu besiegen („einholen und überholen“, Systemkonkurrenz). Solche Ankündigungen erregten im Westen viel Aufmerksamkeit, zumal die Sowjetunion Ende der 1950er Jahre hervorragende Ernte-Ergebnisse melden konnte und bereits 1957 den ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen hatte (Sputnik).

Chruschtschow initiierte eine bis dahin beispiellose Zahl an Reformen in der Sowjetunion, u.a. in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, in Bildung und Kultur und wurde damit zu einem frühen Vorläufer von Gorbatschow. Allerdings glaubte er fest an die Überlegenheit des sowjetischen Systems und achtete strikt darauf, dass seine Reformmaßnahmen die sowjetische Grundordnung nicht antasteten. Zudem agierte er häufig mit großer Ungeduld, wartete die Wirkung seiner Reformen nicht ab und änderte bereits getroffene Maßnahmen, wenn sie nicht den gewünschten schnellen Erfolg brachten. Auf lange Sicht erzeugte er damit Unruhe und Unzufriedenheit in der Partei bis hin zu Reformüberdruss.

Vom 15. bis zum 27. September 1959 besuchte Chruschtschow auf Einladung Eisenhowers als erster sowjetischer Regierungschef die USA (vorausgegangen war die sogenannte Küchendebatte mit dem Vizepräsidenten Richard Nixon).

Nach dem Abschuss eines US-Spionageflugzeugs vom Typ Lockheed U-2 über sowjetischem Territorium und der Gefangennahme des Piloten im Mai 1960, versuchte Chruschtschow auf der 15. Generalversammlung der UNO-Vollversammlung im September desselben Jahres vergeblich, eine Debatte über die amerikanischen Spionageflüge anzustoßen. Im Verlauf seiner erregten Rede bekam er einen legendären Wutanfall, wobei er mit seinem Schuh auf den Tisch hämmerte (bis heute ist ungeklärt, ob er den Schuh nicht nur auf den Tisch stellte).[1] Während in der Sowjetunion die führenden Kreise beschämt waren, wurde das Geschehene im Westen als origineller Auftritt belächelt. Billy Wilder persiflierte Chruschtschows Verhalten 1961 in seinem Film One, Two, Three.

Bereits im November 1958 strapazierte Chruschtschow die Beziehungen zu den Westmächten mit dem Berlin-Ultimatum. Die sowjetischen Forderungen erzielten jedoch keine Wirkung, so dass die Sowjetunion in der Folge auf eine internationale Lösung der Berlin-Frage verzichtete und 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer die Politik der Isolierung West-Berlins forcierte.

Unter Chruschtschows und Kennedys Führung kam es 1962 zur Kuba-Krise mit den USA, die zu einem Dritten Weltkrieg hätte führen können. Die beiden Staatsführer konnten sich im letzten Moment einigen, die Krise friedlich beizulegen; Chruschtschow zeigte dabei, dass er zwar lautstark mit dem Säbel rasseln konnte, aber im Ernstfall und unter Druck eine friedliche Lösung bevorzugte. Wegen Chruschtschows Kurs der „friedlichen Koexistenz“ und seiner versuchten Annäherung an den jugoslawischen Staatschef Tito distanzierte sich die Volksrepublik China von der Sowjetunion. Diese Spaltung des Welt-Kommunismus blieb bis zum Untergang der Sowjetunion bestehen.

Endphase der Herrschaft und Sturz

Das Grab von Chruschtschow auf dem Friedhof des Neujungfrauen-Klosters in Moskau

Seit etwa 1960 begann Chruschtschows Ansehen in der sowjetischen Führung allmählich schwächer zu werden, nachdem sich seine großspurigen Versprechungen von Rekordernten in der Landwirtschaft nicht mehr einhalten ließen. Zunächst verloren im Mai 1960 die Mitglieder des Politbüros (damals Präsidium genannt, s.o.) und Chruschtschow-Anhänger Nikolai Beljajew und Alexei Kiritschenko im Mai 1960 ihre Mandate; an ihrer Stelle stiegen Nikolai Podgorny sowie Dmitri Poljanski ins Politbüro auf. Allerdings blieb unter westlichen Beobachtern umstritten, ob Chruschtschows Günstlinge auf Druck der innerparteilichen Opposition weichen mussten oder ob Chruschtschow selbst aus einer Position der Stärke heraus seine eigenen Leute feuerte, weil er mit ihren Leistungen nicht zufrieden war. Politbüromitglied Frol Koslow stärkte jedenfalls seinen Einfluss und war seit 1961 nach Chruschtschow der zweite Mann in der Partei; praktisch sein potenzieller Nachfolger. 1961 ließ Chruschtschow das Parteistatut durch Koslow so verändern, dass ein Viertel der führenden Funktionsträger in den kommenden Jahren nicht mehr wiedergewählt werden konnte. Chruschtschow wollte damit verhindern, dass hohe Funktionäre im Amt träge wurden und nur noch an ihren Sesseln klebten. Doch in der Partei erregte diese Maßnahme Unmut. Chruschtschow-Freunde wie Nikolai Ignatow, Jekaterina Furzewa, Awerki Aristow, Nuritdin Muchitdinow verloren im Oktober 1961 ihre Vollmitgliedschaft im Politbüro, hingegen stiegen Gennadi Woronow und Andrei Kirilenko zugleich in das Politbüro auf. Die Entstalinisierung wurde zwar noch in symbolischen Gesten allgemein mitgetragen (so wurde Stalins Leichnam im Oktober 1961 über Nacht aus dem Lenin-Mausoleum entfernt und an der Kreml-Mauer unter Beton vergraben), aber vorsichtig wurde nunmehr kritisiert: die Politik der Liberalisierung (Stichwort: Tauwetter-Periode), die gestörten Beziehungen zu China und zu Albanien, der neue Personenkult um Chruschtschow, die Kuba Krise, seine Reformbemühungen, die zunehmend Verwirrung stifteten, und die scheinbar zu geringe Unterstützung der Schwer- und Rüstungsindustrie.

Auch im Zentralkomitee, seiner eigentlichen Machtbasis, verlor Chruschtschow langsam aber sicher Anhänger. Vor allem mit seiner Parteireform 1962 hatte er die breite Masse der Funktionäre verprellt, indem er ihnen viele Privilegien genommen und ein Zuständigkeitschaos angerichtet hatte. 1964 erkrankte Koslow schwer und Leonid Breschnew rückte nunmehr zur Nummer Zwei in der Führung auf, ursprünglich ein Zögling Chruschtschows. Letzte Anlässe für den Sturz Chruschtschows waren seine Annäherungspolitik an die Bundesrepublik Deutschland unter Umgehung des Politbüros und seine Eigenmächtigkeiten gegenüber der staatlichen Planung (Gosplan) mit dem Ziel, die Landwirtschaft wieder einmal umzuorganisieren und zu stärken. Michail Suslow und Breschnew, aber auch Alexei Kossygin, Anastas Mikojan und Poljanski führten am 14. Oktober 1964 u.a. mit der Kritik an der Parteireform, dem veränderten Parteistatut und der Landwirtschaftspolitik mit Billigung des Zentralkomitees seinen Sturz als Parteichef und als Ministerpräsident herbei. Breschnew wurde sein Nachfolger als Erster Sekretär, Kossygin als Ministerpräsident. Mikojan wurde Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (faktisch Staatspräsident). Bei aller Enttäuschung über seine kalte Abservierung deutete Chruschtschow es dennoch als Sieg der Partei und Zeichen für den inneren Wandel in der Sowjetunion seit 1953, dass er einfach in Rente geschickt und nicht verhaftet oder gar liquidiert worden war, wie es unter Stalin geschehen wäre.

1966 verlor Chruschtschow schließlich auch formell seinen Sitz im ZK der KPdSU. Seit seinem Sturz lebte er in seiner Datscha bei Moskau. Dort starb er am 11. September 1971 im Alter von 77 Jahren an Herzversagen. Sein Grab auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof wurde auf seinen eigenen Wunsch hin von Ernst Neiswestny gestaltet, den Chruschtschow in einer Ausstellung 1962 noch als „degenerierten Künstler“ bezeichnet hatte.

Im Jahre 1970 erschienen seine Memoiren Khrushchev Remembers (Chruschtschow erinnert sich) in englischer Sprache, deren Autorschaft er jedoch – aus Rücksicht aufs Politbüro – stets leugnete. Seine Stimme auf den Tonbändern, auf denen er die Aufzeichnungen als Rentner in seiner Datscha diktiert hatte, ist aber eindeutig identifiziert worden.

Veröffentlichungen

  • Chruschtschow erinnert sich. (hrsg. von Strobe Talbott; eingel. u. kommentiert von Edward Crankshaw) Rowohlt, Reinbek 1971, ISBN 3-498-00834-X
  • Nikita Sergejewitsch Chruschtschow. Skizzen zur Biographie. Dietz, Berlin 1990, ISBN 3-320-01570-2
  • In der Datenbank RussGUS werden über 280 Publikationen nachgewiesen (dort Suche – Einfache Suche: chruscev,* OR chruschtschow,*)

Ehrungen und Auszeichnungen

Chruschtschow ist Ehrenbürger von Stettin[2] und Träger des Leninordens.

Fußnoten

  1. William Taubman: Did he bang it?: Nikita Khrushchev and the shoe. In: International Herald Tribune. 26. Juli 2003. Abgerufen am 15. Dezember 2008.
  2. Ehrenbürgerschaft

Literatur

  • Wolfgang Leonhard: Chruschtschows große Säuberung. In: Die Welt, 24. Februar 1961, reproduziert in den Open Society Archives
  • Merle Fainsod: Wie Russland regiert wird. Kiepenheuer & Witsch, Köln/Berlin 1965
  • Edward Crankshaw: Der Rote Zar – Nikita Chruschtschow. S. Fischer Verlag, 1966 (dt. 1967)
  • Michel Tatu: Macht und Ohnmacht im Kreml – Von Chruschtschow zur kollektiven Führung. Ullstein, Berlin/Frankfurt/Wien 1967
  • Reinhold Neumann-Hoditz: Nikita S. Chruschtschow – In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-499-50289-5
  • Roy Medwedew: Chruschtschow. Eine politische Biographie. Seewald, Stuttgart/Herford 1984, ISBN 3-512-00703-1
  • Lothar Kölm (Hrsg.): Kremlchefs – Politisch-biographische Skizzen von Lenin bis Gorbatschow. Dietz, Berlin 1991, ISBN 3-320-01697-0.
  • William J. Tompson: Khrushchev: A Political Life. St. Martin's Press, New York 1995
  • Martin McCauley: The Khrushchev Era 1953-1964. London, New York 1995
  • Wladislaw Subok & Konstantin Pleschakow: Der Kreml im Kalten Krieg – Von 1945 bis zur Kubakrise. Claassen, Hildesheim 1997, ISBN 3-546-00126-5
  • Dmitri Wolkogonow: Die Sieben Führer. Societäts-Verlag, Frankfurt 2001, ISBN 3-7973-0774-8

Weblinks


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