Nikolai Lusin

Nikolai Lusin
Nikolai Nikolajewitsch Lusin

Nikolai Nikolajewitsch Lusin (russisch Никола́й Никола́евич Лу́зин; * 9. Dezember 1883, Irkutsk; † 28. Januar 1950, Moskau), war ein sowjetischer/russischer Mathematiker. Er wurde für seine Arbeit in der beschreibenden Mengenlehre und den Aspekten der mathematischen Analysis mit starken Verbindungen zur Topologie berühmt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lusin war der Sohn eines Beamten und begann sein Mathematikstudium im Jahr 1901 an der Moskauer Universität bei Dmitri Fjodorowitsch Jegorow. 1905/06 (als die Universität in Moskau wegen der Revolution geschlossen war) war er zu einem Studienaufenthalt in Paris, wo er bei Émile Borel hörte und Jacques Hadamard, Henri Poincaré traf. 1910 machte er sein Diplom. Von 1910 bis 1914 studierte er mit einem Reisestipendium, das ihm Jegorow verschaffte, drei Jahre in Göttingen, wo er unter Einfluss Edmund Landaus stand, und in Paris. 1912 veröffentlichte er den später als Satz von Lusin benannten Satz. Er kehrte dann nach Moskau zurück, wo er ab 1914 Vorlesungen hielt. Er reichte 1915 die Monographie Integral und trigonometrische Reihe (russisch Интеграл и тригонометрический ряд) als Kandidatenarbeit ein. Auf Empfehlung der Gutachter wurde diese Arbeit als Dissertation (russischer Doktortitel, entsprechend einer Habilitation) angenommen. 1917 wurde er Professor.

Während des russischen Bürgerkriegs (1918–1920) verließ Lusin Moskau und ging an das Polytechnische Institut Iwanowo-Wosnessensk (heute: Ivanovo Staatsuniversität der Chemie und Technologie). 1920 kehrte er nach Moskau zurück.

In den 1920er Jahren organisierte Lusin ein berühmtes Forschungsseminar an der Moskauer Universität. Unter seinen Doktorstudenten waren einige der später bekanntesten sowjetischen Mathematiker: Pawel Alexandrow, Nina Bari, Alexander Chintschin, Andrei Kolmogorow, Alexander Kronrod, Michail Lawrentjew, Lasar Ljusternik, Pjotr Sergejewitsch Nowikow, Lew Schnirelmann und Pawel Urysohn.

1929 wurde er Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Ab 1930 war er am Steklow-Institut der sowjetischen Akademie.

Affäre Lusin

Von Juli bis August 1936 wurde Lusin in der Prawda in einer Reihe von Artikeln kritisiert. Lusin wurde vor eine Kommission der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zitiert, die ihn als Feind des Volkes verurteilte. Schon vor den Prawda-Artikeln wurde diese Methode gegen eine Reihe alter Moskauer Professoren angewandt. Am 21. November 1930 behauptete eine Gruppe der Moskauer Mathematischen Gesellschaft, dass es aktive Konterrevolutionäre unter den Mathematikern gebe. Zu dieser Gruppe zählten auch ehemalige Schüler Lusins wie Ljusternik, Schnirelman, Alexander Ossipowitsch Gelfond und Lew Semjonowitsch Pontrjagin. Auf einige wurde direkt verwiesen, wie auf seinen Mentor Jegorow, der bereits verhaftet worden war und 1931 starb.

Betrieben wurde die politische Offensive gegen Lusin nicht nur durch die stalinistischen Behörden, sondern auch von einer Gruppe von Lusins Studenten, angeführt von Pawel Alexandrow. Obwohl von der Kommission verurteilt, wurde Lusin weder aus der Akademie ausgeschlossen, noch verhaftet, aber auch nach dem Tode Stalins nicht rehabilitiert. Es gab Spekulationen, warum er nicht wie andere im Gulag verschwand, aber das konnte nie wirklich aufgeklärt werden. Die Anklagepunkt gegen Lusin wurden, wie die Akten des Falls zeigen, vom Kreml abgemildert. Der Fall von Lusin war der Anfang der Jahre von politischen Angriffen auf die Genetik, Relativitätstheorie und andere Teile des freien wissenschaftlichen Denkens.

1946 kam es noch einmal zu einem Zusammenstoß zwischen Kolmogorov als einem Vertreter der in der Lusin-Affäre siegreichen jüngeren Mathematiker und Lusin. Dieser hatte in den Wahlen zur Akademie der Wissenschaften gegen Pawel Alexandrow gestimmt, weswegen er von Kolmogorov auf dem Flur der Akademie öffentlich geohrfeigt wurde. Kolmogorov verlor darauf alle administrativen Positionen.

Lusitania

Lusin war der Namensgeber von „Lusitania“, einer losen Gruppierung von jungen Moskauer Mathematikern in der ersten Hälfte der 1920er Jahre. Sie übernahmen Lusins mengentheoretischen Ansatz und begannen ihn auf andere Gebiete der Mathematik anzuwenden.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nikolai Lusin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolai Nikolajewitsch Lusin — (russisch Николай Николаевич Лузин; * 27. Novemberjul./ 9. Dezember 1883greg. Irkutsk; † 28. Januar 1950 …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolai Luzin — Born 9 December 1883(1883 12 09) Irkutsk, Russian Empire …   Wikipedia

  • Nikolaï Nikolaïevitch Lusin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Lusin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolai Luzin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolai Nikolaevich Luzin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolai Nikolaievitch Luzin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolaï Luzin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

  • Nikolaï Nikolaevich Luzin — Nikolaï Louzine Photo d archive de Nikolaï N. Louzine. Nikolaï Nikolaïevitch Louzine (en russe : Николай Николаевич Лузин, autres orthographes : Lusin ou Luzin), né le 9 décembre 1883 à Irkoutsk et mort le 28 janvier 1950 à …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”