Nikolaus Alexandrowitsch Romanow

Nikolaus Alexandrowitsch Romanow
Nikolaus II. auf einem Gemälde von Earnest Lipgart.

Nikolaus II. (russisch Николай II; gebürtig Nikolaj Alexandrowitsch Romanow, russisch Николай Александрович Романов; * 6. Maijul./ 18. Mai 1868greg. in Zarskoje Selo; † in der Nacht auf den 17. Juli 1918 in Jekaterinburg) war von 1894 bis 1917 Zar des Russischen Reiches.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Frühe Jahre

Nikolaus II. mit seiner Mutter (um 1870)

Der 1868 geborene Nikolaus wurde von seinem Vater nur unzureichend auf die Rolle als künftiger Zar vorbereitet. Bei Hofe galt er als naiv. Sein Vater nannte ihn einen „Dummkopf“. Doch die Einschätzung seines Umfeldes gilt aus heutiger Sicht zumindest teilweise als Fehlurteil.

Nikolaus sprach fließend französisch, englisch und deutsch. In St. Petersburg absolvierte er ein Jura-Studium und genoss eine profunde geschichtliche und militärische Ausbildung durch ranghohe Minister und Generäle seines Vaters. Kurz nach dessen Tod heiratete er am 26. November 1894 Alix von Hessen-Darmstadt (nach ihrer Konversion zum orthodoxen Glauben Alexandra Fjodorowna), die Tochter des Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein. Sie übte einen starken Einfluss auf ihn aus und bestärkte ihn in dem Glauben an seine Alleinherrschaft.

Krönung zum Zaren

Zar Nikolaus II. und Zarin Alexandra Feodorowna im Festornat zur Krönung am 14. Mai 1896

Nach dem Tod seines Vaters wurde Nikolaus am 1. November 1894 zum Zaren ernannt. Seine Krönung wurde jedoch erst im Mai 1896 gefeiert, da die Vorbereitungen mehr als 17 Monate dauerten. Am 18. Mai um 6:00 Uhr morgens wurde die Feier in Russland jedoch von einer Massenpanik auf dem Chodynkafeld überschattet, die 1.389 Menschenleben forderte. Das Chodynkafeld diente damals der Moskauer Garnison als Truppenübungsplatz. Millionen Menschen warteten dort darauf, einen Emaillebecher mit Zarensiegel und Nahrungsmittel als Geschenk zu erhalten. 400.000 Geschenke standen zur Verfügung.

Nikolaus’ Herrschaft war von politischen Fehlern gekennzeichnet. Er wollte keine Macht aus den Händen geben und spielte seine Minister gegeneinander aus. Dadurch verlor er letztlich die Gewalt über sein Reich, das bereits nach kurzer Zeit nur noch von Bürokraten, Geheimpolizei und der Armee zusammengehalten wurde.

Probleme der Innen- und Außenpolitik

Zar Nikolas II. in schottischer Uniform, Fotografie um 1890

Ab 1894 wurde das Land von zahlreichen Problemen erschüttert. Russland intervenierte zunehmend in Korea und geriet damit in Konflikt mit Japan. Nikolaus selbst war als Jugendlicher nach Japan gereist und dort von einem Attentäter im Gesicht verletzt worden. Am 11. Mai 1891 war der Zarewitsch von einem Polizisten seiner japanischen Eskorte nach einem Tagesausflug zum Biwa-See mit einem Säbel in Ōtsu angegriffen worden. Einem zweiten Hieb des Attentäters entging er, weil sein ihn begleitender Cousin geistesgegenwärtig den Hieb mit seinem Stock parierte. Zwei Rikschafahrer warfen den Polizisten zu Boden, als er flüchten wollte. Nikolaus erlitt bei diesem Zwischenfall eine 9 Zentimeter lange Schnittwunde. Seit dieser Zeit verachtete er die Japaner als "gelbe Affen". Um seine Macht in Asien auszuweiten, nahm er einen kurzen Krieg in Kauf. Der Russisch-Japanische Krieg wurde aber zum Debakel für Russland. Nach der Niederlage im Fernen Osten kam es zum Generalstreik. Am Petersburger Blutsonntag endete eine friedliche Demonstration durch das gewaltsame Eingreifen der Geheimpolizei und des Militärs im Blutbad. Schließlich musste Nikolaus doch eine Wahl zur Duma zulassen. Dies wird auch als Vorspiel von 1917 angesehen.

Den Rat seines früheren Finanzministers Sergei Juljewitsch Witte, der ihm schnelle und umfassende Reformen empfahl, ignorierte Nikolaus weitgehend. Außerdem brach er mehrfach willkürlich die Verfassung. Dies verschlechterte sein Ansehen auch im Ausland, v.a. bei der noch jungen sozialistischen Bewegung. So kam es bei einem Stockholm-Besuch des Zaren 1909 zu einem Attentat durch Hjalmar Vång, der sein Ziel allerdings verfehlte und statt des Zaren einen schwedischen General erschoss. Der Beginn des Ersten Weltkrieges bedeutete dann den Anfang vom Ende seiner Herrschaft. Die häufigen Niederlagen, Hungersnöte und die katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung führten letztlich zur Revolution.

Die letzten Jahre

Grab von Nikolaus II. und seiner Familie in der Peter-Pauls-Kathedrale, Sankt Petersburg

Unter dem Druck der Februarrevolution von 1917 musste Nikolaus II. abdanken. Am 17. Juli 1918 wurden er und seine Familie, etwa ein halbes Jahr nach der Oktoberrevolution von 1917, mit Billigung der Partei- und Staatsführung von den ihn bewachenden Truppen in der Verbannung bei Jekaterinburg im Ural erschossen. Jekaterinburg war von den weißen Truppen eingeschlossen und wurde eine Woche später von ihnen eingenommen. Es steht fest, dass Wladimir Iljitsch Lenin als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare (Regierungschef) sowie der damalige Partei- und Staatschef Swerdlow, Vorsitzender des Sekretariats des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) und Vorsitzender des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees (GZEK), sowie weitere Mitglieder der Partei- und Staatsführung der Erschießung vorab zugestimmt haben und sie alle anschließend billigten.

Am 18. Juli 1918 teilte Swerdlow dem Präsidium des GZEK mit, dass sich konterrevolutionäre Bürgerkriegstruppen im Anmarsch auf die Stadt Jekaterinburg befunden hatten; es sei zu befürchten gewesen, dass die dort gefangen gehaltene frühere Zarenfamilie befreit und als lebendiges Symbol des Kampfes der ausländischen Interventions- und der Bürgerkriegstruppen gegen die Sowjetmacht benutzt werden könnte. Der Sowjet des Gebiets Ural habe daher den Befehl zur Erschießung der ehemaligen Zarenfamilie gegeben, der in der Nacht zum 17. Juli ausgeführt wurde. Das Präsidium des GZEK billigte die Entscheidung des Gebietssowjets.

Die Gebeine der Familie wurden 1979 im Waldstück Vier Brüder nahe Jekaterinburg entdeckt. Zu Zeiten der Sowjetunion konnte diese Entdeckung jedoch nicht öffentlich gemacht werden. Am 13. Juli 1991 wurden die Leichname geborgen und ein Jahr später einwandfrei identifiziert. Auf den Tag genau 80 Jahre nach der Erschießung wurden die sterblichen Überreste Nikolaus' und seiner Familie in St. Petersburg beigesetzt.

Familie

Nikolaus II. mit seiner Gattin Alexandra und den fünf gemeinsamen Kindern (1910)

Nikolaus II. stammte aus der Romanow-Dynastie (Haus Romanow-Holstein-Gottorp) und war der älteste Sohn von Zar Alexander III. und Zarin Marja Fjodorowna.

Durch seine Heirat mit Alix von Hessen-Darmstadt war er ein Cousin ersten Grades von Georg V., König von Großbritannien und Wilhelm II., deutscher Kaiser und König von Preußen (gleichzeitig aber auch – durch seine Abstammung von Charlotte von Preußen, der Ehefrau seines Urgroßvaters Nikolaus I. – Wilhelms Neffe dritten Grades).

Der Ehe mit Alexandra entstammten fünf Kinder, die alle zusammen mit den Eltern erschossen wurden:

Bedeutung

Nikolaus II. regierte Russland wie seine Vorgänger als unumschränkter Alleinherrscher (Autokratie). Er gilt aus heutiger Sicht nicht als besonders fähiger Herrscher. In seiner Amtszeit galt er als leicht beeinflussbar, unter anderem durch Grigori Rasputin, einen angeblichen Geistheiler.

Er war selber Augenzeuge, wie sein Großvater Zar Alexander II. durch eine Bombe mit Dynamit von der Untergrundorganisation Narodnaja Wolja (Volkswille) getötet wurde. Historikern nach habe der damals zukünftige Zarewitsch weiterhin nicht begriffen, dass Russland weitreichende Reformen gebraucht hätte, damit das Zarenreich fortbestehen sollte.

Seine Frau Alexandra und er ignorierten die Probleme, die über Russland hereinbrachen. Er bekämpfte die Modernisierung seines Reiches und hielt an den überkommenen halbfeudalen Verhältnissen fest, statt das Land auf den Weg der Entwicklung zu führen. Seine Regierung glitt von einer Krise zur nächsten: von Arbeiter- und Bauernaufständen während der Revolution von 1905 über den Krieg mit Japan bis hin zum Ersten Weltkrieg.

Für die russisch-orthodoxe Auslandskirche gilt Nikolaus II. wegen seines Märtyrertods als Heiliger. Im August 2000 wurde Nikolaus II. auch von der Russisch-Orthodoxen Kirche heilig gesprochen. Ikonen mit seiner Darstellung sowie mit der Darstellung seiner getöteten Familie hängen seitdem in jeder russisch-orthodoxen Kirche, sowohl in Russland als auch im Ausland.

Literatur

  • Edith M. Almedingen: Die Romanows. Die Geschichte einer Dynastie. Russland 1613–1917. Ullstein, Frankfurt/M. 1995, ISBN 3-548-34952-8.
  • Juri Buranow, Wladimir Chrustaljow: Die Zarenmörder. Vernichtung einer Dynastie. 2. Auflage. Aufbau-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-7466-8011-5.
  • Hélène Carrère d'Encausse: Das Drama des letzten Zaren. Piper, München 2000, ISBN 3-492-23001-6.
  • Elisabeth Heresch: Nikolaus II. Feigheit, Lüge und Verrat; Leben und Ende des letzten russischen Zaren. Langen Müller, München 1992, ISBN 3-7844-2404-X.
  • Larissa Jermilowa: Der letzte Zar. Parkstone Press, Bournemouth 1997, ISBN 1-85995-209-7.
  • Greg King: The court of the last tsar. Pomp, power and pageantry in the reign of Nicholas II. Wiley, Hoboken 2006, ISBN 0-471-72763-6.
  • Robert K. Massie, Alexis Gregory (Hrsg.): Der letzte Zar. Das Familienalbum der Romanows. Orell Füssli, Zürich 1983, ISBN 3-280-01420-4.
  • Robert K. Massie: Nicholas and Alexandra. Gollancz, London 1992, ISBN 0-575-05437-9.
  • Robert K. Massie: Die Romanows - Das letzte Kapitel. Berlin Verlag 1995, ISBN 3-8270-0070-X.
  • Edvard Radzinsky: The last tsar. The life and death of Nicholas II. Doubleday, New York 1992, ISBN 0-385-42371-3.
  • Roman P. Romanow: Am Hof des letzten Zaren. Die glanzvolle Welt des alten Rußland. Piper, München 2005, ISBN 3-492-24389-4.
  • Henri Troyat: Nikolaus II. Der letzte Zar. Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1992, ISBN 3-7973-0513-3.
  • Eberhard Straub, Drei letzte Kaiser, Berlin 1998.
  • Helga Threi letzoma: Vom Thron zum Schafott - das blutige Ende gekrönter Häupter. Piper 2000
  • Michael von Griechenland: Nikolaus und Alexandra. Die letzte Zarenfamilie - ganz privat. Knaur, München 1992, ISBN 3-426-19297-7.
  • Alexander Bokhanov/Dr. Manfred Knodt/Lyudmila Xenofontova: The Romanovs - Love, power and tragedy. Leppi, London 1993. ISBN 0-9521644-0-X.
  • Charlotte Zeepvat: The Camera And The Tsars. A Romanov Family Album. Sutton 2004, ISBN 0-7509-3049-7.
  • Hartwig A. Vogelsberger: Die letzten Zaren. Rußland auf dem Weg zur Revolution. Bechtle, München 1998, ISBN 3-7628-0551-2.
  • Olga Barkowez/Fjodor Fedorow/Alexander Krylow: Geliebter Nicky ... Der letzte russische Zar Nikolaus II. und seine Familie. edition q, Berlin 2002, ISBN 3-86124-548-5.
  • Richard S. Wortmann: "Scenarios of Power" Myth and Ceremony in Russian Monarchy, Princeton University 2000, ISBN 0-691-02947-4, 0-691-03484-2

Weblinks


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