Notre-Dame de Bayeux

Notre-Dame de Bayeux

Die Kathedrale Notre Dame de Bayeux ist der Sitz des Bischofs von Bayeux-Lisieux und eines der bedeutendsten sakralen Baudenkmäler der Normandie. Ursprünglich im normannisch-frühromanischen Stil erbaut, präsentiert sie sich heute weitgehend gotisch.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ostansicht

Am Standort der heutigen Kathedrale, dem vermuteten Forum des römischen Augustodurum, befand sich bereits im frühen Mittelalter ein karolingischer Vorgängerbau, der 911 von Wikingern angegriffen und 1046 in einem Brand vernichtet wurde. Der Überlieferung zufolge hatte hier bereits eine Kirche gestanden, die angeblich zur Gründungszeit des Bistums auf Weisung des Heiligen Exupère (Exuperius; † ca. 410) im 4. Jahrhundert ein gallisches Heiligtum ersetzt hatte.

Die Weihe der ab 1047 unter Bischof Hugo III. errichteten neuen Bischofskirche fand am 14. Juli 1077 durch Odo von Bayeux († 1097) statt, einen Halbbruder Wilhelms des Eroberers. Gleichzeitig war auch der berühmte Teppich von Bayeux fertiggestellt, der bis 1793 hier verwahrt und zur Erinnerung an die normannische Unterwerfung Englands jährlich öffentlich ausgestellt wurde.

Bereits 1105 während des Feldzugs Heinrichs I. gegen Robert Curthose und kurz nach der Erweiterung der Choranlage nochmals 1160 verheerten Feuer das Bauwerk, das so über lange Zeit einer ausgedehnten Baustelle geglichen haben mag.

Hinzu kommt, dass ab etwa 1180 Bischof und Kapitel eine neue Kathedrale im damals neuartigen gotischen Stil verlangten, der gerade in der Île-de-France geprägt worden war. Anders als im nahen Lisieux, damals noch eigenständiges Bistum mit der Kathedrale Saint-Pierre, wurde Notre-Dame zwar nie vollständig durch einen Neubau ersetzt, doch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts Bau gotisiert. Hauptsächlich die Krypta und die Basen der Türme des Westquerhauses vermitteln heute noch einen Blick in die Zeit davor, während viele alte Strukturen seither im gotischen Gewand verborgen liegen.

Westfassade

Der Ausbruch des Hundertjährigen Krieges verzögerte allerdings die Bauarbeiten. Die Kirche diente in dieser Zeit als Festung mit Garnison im Kampf gegen die Engländer. 1562/63 erlitt das Gotteshaus eine Plünderung durch hugenottische Truppen unter dem Landadligen François de Bricqueville. Dabei gingen Reliquiare, Fenster, Orgel und viele Sakralgegenstände verloren. Ein weiterer Kirchenbrand zerstörte 1676 den Dachstuhl, der bis ins nächste Jahrhundert hinein nicht wieder aufgebaut wurde. Die im 18. Jahrhundert errichtete Kuppel war ein stilistischer Fremdkörper, sie wurde bereits im nächsten Jahrhundert wieder abgenommen.

Mit der Revolution folgten 1790 neuerliche Plünderungen. Da Religion offiziell als rückständig galt, wurde das Gebäude 1793 zeitweise zu einem „Tempel der Vernunft und des höchsten Wesens“ erklärt. Ein so genannter Freiheitsbaum in der Nähe der Kirche, der seitdem freilich mehrmals neu gepflanzt werden musste, erinnert noch an diese Zeit.

Die für die normannische Gotik typische Vierungslaterne stellte auch hier eine besondere statische Belastung der tragenden Pfeiler dar, an denen 1850 Risse festgestellt wurden. Der drohenden Gefahr wurde mit dem Vermauern der Vierungslaterne in Höhe des Mittelschiffs begegnet. Eine Radikallösung durch Abriss des Vierungsturms, wie sie Viollet-le-Duc vorschlug, konnte sich nicht durchsetzen.

Ebenfalls in der Mitte des 19. Jahrhunderts zog sich die Renovierung der alten Orgel von 1597 in einem von Rückschlägen gekennzeichneten Prozess über Jahrzehnte hin, woran Kirche, Politik und diverse Orgelbauer ihren Anteil hatten. 1862 endlich erneuert von Aristide Cavaillé-Coll und davor und danach vielfach renoviert, wurden die Orgel und der Orgelprospekt in den 1970ern offiziell zu historischen Landmarken erklärt.

1906/07 besuchte der Schriftsteller Marcel Proust, ein Kenner und Bewunderer der regionalen Sakralarchitektur, auch die Kathedrale Notre-Dame. Die nur wenige Kilometer entfernt einsetzende Invasion der Alliierten im Juni 1944 überstanden Bayeux und seine Kathedrale im Gegensatz zu den meisten anderen Städten des Gebiets ohne Bombardement.

Abmessungen

Grundriss
  • Hauptschiff: Höhe 23 m, Breite 10 m, Länge 96 m
  • Seitenschiffe: Breite 6 m
  • Seitenkapellen: Breite 5 m
  • Querschiff: Breite 10 m, Länge 37 m
Turmhöhen
  • Westtürme: 70 m
  • Vierungsturm: ca. 95 m

Architektur

Die Kathedrale Notre-Dame präsentiert sich heute als dreischiffige Kreuzbasilika von 96 m Länge. Auf den Besuchereindrucksvollem Westwerk, darin ein Hauptportal sowie zwei Nebenportale, abschließend zwei wuchtige Türme von 75 m Höhe.

Aus der gotischen Fassade (Weltgericht-Tympanon von 1427) springt eine Empore hervor, über der sich ein vierbahniges Maßwerkfenster wölbt. Darüber blickt eine Reihe von zehn Gewändefiguren zwischen den mächtigen Türmen herab.

Das Querschiff ist mit einem Massiv gekrönt, das eine quadratische, von zwölf Chimärenfiguren bewachte Plattform in 10 m Höhe über der Vierung trägt. Darauf erhebt sich ein oktogonaler, hochgotischer Vierungsturm, der eine ehemals vorhandene Kuppel ersetzte. Hauptschiff und Chor stützt ein umfangreiches Strebewerk aus rundumlaufenden, freistehenden Strebepfeilern.

Der Innenraum ist geprägt von ornamentalen Mustern wie Zickzackbändern und steinernem Geflecht bei gleichzeitiger Bescheidenheit, was figürliche Darstellungen anbelangt. Ein Vergleich der Flachreliefs mit Gegenstücken im Süden Englands drängt sich dem Betrachter auf. Einige der Figuren, die sich dennoch finden, erscheinen grotesk und rätselhaft in ihrem ikonographischen Bezug.

Hauptschiff
Krypta

Dem Eintretenden eröffnet sich nach Osten hin das Hauptschiff, dessen symmetrischer Aufriss dreizonig in die Höhe strebt. Das sechsjochige Kreuzrippengewölbe über Obergaden und Triforium ragt 23 m in die Höhe (25 m über der Vierung) und überspannt eine Breite von 10 m. Durch Arkaden können die Seitenschiffe (6 m Breite) betreten werden. Den Abschluss bilden den Kirchenraum flankierende Seitenkapellen, für deren Errichtung am Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts die Seitenwände aus romanischer Zeit durchbrochen wurden.

Das Querschiff, bereits früh vorhanden und in gotischer Zeit umgestaltet, öffnet den Raum auf eine Breite von 37 m, an seinem Nordende fällt das Licht durch Fenster aus dem 14. Jahrhundert. In der Südwand des Querschiffs befindet sich ein ebenfalls gotisches Seitenportal, das portail du doyen mit dem Thomas-Becket-Tympanon, das den Lebensweg des Heiligen nachzeichnet.

Im von einem Kapellenkranz umgebenen Chor mit seinen charakteristisch spitzen Bögen, durchbrochenen Rosetten und Medaillons entfaltet sich die Überfülle gotischer Sakralarchitektur der Normandie.

Die Krypta war im Mittelalter vermauert und vergessen. Sie wurde erst im 15. Jahrhundert wiederentdeckt. Dieser Umstand trug zweifellos zur Erhaltung ihrer ursprünglichen Ausgestaltung bei. Über zwei Säulenreihen mit vereinfachten korinthischen Kapitellen spannt sich hier ein Kreuzgewölbe, das teilweise mit Fresken ausgemalt ist.

An das Kathedralengebäude schließt sich die nordseitig eine Bibliothek an. Der ebenfalls benachbarte Kapitelsaal weist ein sehenswertes Mosaik auf. Beide Räumlichkeiten sind der Öffentlichkeit nur beschränkt zugänglich.

Weblinks

49.275420861111-0.703425408333357Koordinaten: 49° 16′ 31,52″ N, 0° 42′ 12,33″ W


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