Novatron

Novatron

Das Mellotron (aus rechtlichen Gründen später Novatron genannt) ist ein elektromechanisches Tasteninstrument, das um 1960 erfunden wurde. Es ist die Urform des Samplers und arbeitet mit Tonbändern. Jeder Taste ist dazu ein eigener Tonbandstreifen zugeordnet, der beim Druck auf die Taste über einen Tonkopf abgespielt wird. Wird die Taste losgelassen, wird das Tonband schnell über eine Feder in seine Ausgangsposition zurückgezogen.

Inhaltsverzeichnis

Funktion

Mellotron - Funktionsprinzip bei freier Taste
Mellotron - Funktionsprinzip bei gehaltener Taste

Ein Mellotron (bzw. Novatron) kann auf Magnetband aufgezeichnete Klänge spielbar auf einer Klaviatur wiedergeben. Typische, vom Hersteller auf den „Bandrahmen“ mitgelieferte Klänge waren Flöten, Violinen, Bläser und Chöre. Man konnte aber auch Klangaufzeichnungen nach eigenen Wünschen anfertigen lassen.

Auf jedem Bandstreifen liegen drei Tonspuren nebeneinander, die durch Verschiebung des Tonkopfes ausgewählt werden können. Zwischen drei Klängen kann daher während des Spielens schnell gewechselt werden. Bei manchen Modellen ist außerdem jedes Tonband in sechs Abschnitte geteilt, die über einen Motor angefahren werden können. Insgesamt stehen so 18 „Instrumente“ pro Band zur Verfügung. Das Mellotron-Mark II hatte sogar zwei Tastaturen mit jeweils 35 Tasten, die verschiedene Klänge enthalten konnten. Es enthielt 1260 Samples (zwei Tastaturen à 35 Tasten bzw. Bänder, sechs Abschnitte pro Band mit je drei Samples).

Um zu gewährleisten, dass der Klangverlauf einer Aufzeichnung (also vom Toneinsatz bis zum Ausklingen) mit jedem Tastendruck wieder erneut exakt von vorn einsetzt, wurden als Bänder keine Endlosschleifen eingesetzt (bis auf einige Ausnahmen von Eigenbaugeräten und dem Birotron), sondern Bandstreifen in einem Rahmen, die beim Loslassen der Taste durch einen ausgeklügelten Federn- und Rollenmechanismus wieder in ihre Ausgangsposition zurückschnappten. Ein Dauerton war somit nicht möglich (max. ca. acht Sekunden), dafür aber perkussive Klänge, Bläser, Klaviere, Gitarren usw., also die jeweiligen Anblas-, Zupf- und Anschlagcharakteristika der aufgezeichneten Instrumente.

Nutzung

Das Mellotron hat einen charakteristischen warmen, meist etwas wimmernden Klang, der zum Beispiel im Beatles-Song Strawberry Fields Forever zu hören ist. Es ist ein charakteristisches Instrument des Progressive Rock der 1970er Jahre. Zu den bekanntesten Nutzern des Mellotron in diesem Genre gehören King Crimson, Genesis (Watcher of the Skies) und Yes. Weitere nennenswerte Beispiele von Mellotron-Einsätzen sind auf den Stücken Immediate Curtain (1972) von Matching Mole und Fauni Gena (1973) von Tangerine Dream zu hören. Letztere nutzten das Mellotron in beinahe allen ihrer Songs der 70er Jahre massiv für die charakteristischen Streicher-, Chor- und Flötenklänge, insbesondere auch im Intro des Songs Cherokee Lane (1977). Ansonsten setzten Pink Floyd, Elton John, Camel, Pavlov’s Dog, Moody Blues (z. B. in Nights in White Satin), Caravan, Klaus Schulze, Barclay James Harvest, Roxy Music, Led Zeppelin, Orchestral Manoeuvres in the Dark sowie 10cc das Mellotron gelegentlich in ihren Studioproduktionen ein. Der Keyboarder Eddie Jobson, bekannt von U.K. und Roxy Music, präparierte in den frühen siebziger Jahren ein Mellotron mit Sounds von einem Mini-Moog-Synthesizer, um damit polyphone Klänge zu erzielen, die mit der damaligen Technologie noch nicht möglich waren.

Ende der 70er Jahre wurden die Standardsounds des Mellotrons (Streicher, Chor, Bläser) immer mehr durch elektronische Imitate verdrängt. Gelegentlich findet sich daher die Bezeichnung "Mellotron" auf LP-Covern für Instrumente wieder, die gar keines sind. Typisch für streicherähnliche Arrangements waren elektronische Streicherkeyboards (z. B. ELKA Rhapsody, Hohner String-Melody und ARP Solina String Ensemble).

In den 1980er Jahren wurde das Mellotron größtenteils von elektronischen Samplern und Synthesizern abgelöst. In den 1990er Jahren wurden digitale Samples der Mellotron-Klänge gerne für Techno-Produktionen eingesetzt. Dennoch wurde das eigentliche Instrument von einigen Bands weiterhin benutzt, so zum Beispiel von Motorpsycho, zu hören auf Timothy’s Monster, den Smashing Pumpkins, vor allem auf deren 1995er Album Mellon Collie & The Infinite Sadness, Porcupine Tree (Mellotron Scratch, 2005) und Opeth (Damnation, 2003).

Nachteile

Die Nutzung des Mellotrons ist mit einigen entscheidenden Nachteilen verbunden. Die komplizierte Mechanik ist sehr störanfällig. Aufgrund der kurzen Bänder können Töne höchstens acht Sekunden (modellabhängig) gehalten werden. Außerdem sprechen die Bänder erst leicht verzögert auf den Tastendruck an, weswegen ein Mellotron kaum für schnellere Läufe geeignet ist. Zudem ist es wegen seiner Größe und Masse für Live-Auftritte wenig geeignet. Eine Entwicklung aus den späten 70er Jahren, das Birotron, versuchte diese Probleme mithilfe von Endlosbändern (8-Spur-Kassetten) zu umgehen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Außerdem sprechen finanzielle Aspekte gegen die Nutzung des Mellotrons. Es ist in der Anschaffung sehr teuer, da es nur in sehr geringen Stückzahlen produziert wurde. Daher greifen Bands heute nur noch sehr selten auf das originale Mellotron zurück.

Alternativen

Inzwischen gibt es verschiedene Software-Emulationen von Mellotrons, die dem Klangbild der Originale sehr nahe kommen (als VST-Plugins, wie z. B. Mellowsound, Nanotron, Tapeworm, SoniVox, M-Tron). Als Hardware-Alternative ohne Ersatzteilprobleme und Bandsalat entwickelte die kleine Firma Manikin Elektronic (Thorsten Feuerherdt & Markus Horn GbR) 2005/2006 das Memotron. Von der Optik her ist es nahe am Original; technisch ist es ein Preset-Sampler mit CD-Rom-Laufwerk und optionaler Flash-Card. Der Instrumentenhersteller Nord hat mit seinem 2007 erschienen Nordwave-Synthesizer die originalen Mellotron-Klänge integriert. Diese sind auch auf ihrer Website zum Runterladen abrufbar.

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