Novemberpogrome

Novemberpogrome
Die brennende Synagoge in der Berliner Fasanenstraße am 9. November 1938

Die Novemberpogrome 1938 – bezogen auf die Nacht vom 9. auf den 10. November auch Reichspogromnacht oder (Reichs-) Kristallnacht genannt – waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen jüdischer Bürger im gesamten Deutschen Reich.

Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben.[1] Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört.[2] Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, von denen nochmals Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben.

Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust an den europäischen Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten mündete.[3]

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Die Novemberpogrome 1938 steigerten den staatlichen Antisemitismus zur Existenzbedrohung für die Juden im ganzen Deutschen Reich. Entgegen der NS-Propaganda waren sie keine Reaktion des „spontanen Volkszorns” auf die Ermordung eines deutschen Diplomaten durch einen Juden. Sie sollten vielmehr die seit Frühjahr 1938 begonnene gesetzliche „Arisierung”, also die Zwangsenteignung jüdischen Besitzes und jüdischer Unternehmen planmäßig beschleunigen, mit der auch die deutsche Aufrüstung finanziert werden sollte. Der Zeitpunkt der Pogrome hing eng mit Hitlers Kriegskurs zusammen (siehe dazu: Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland).

Die Juden- und Kriegspolitik des NS-Regimes

Berliner SA-Männer beim Anbringen von Plakaten, die zum Boykott jüdischer Geschäfte aufrufen am 1. April 1933

Die deutschen Juden waren schon seit der Reichstagswahl 1933 diskriminiert und aus dem Öffentlichen Dienst ausgeschlossen worden. Seit dem Judenboykott des 1. April 1933 mussten zudem viele jüdische Freiberufler – beispielsweise Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Richter – ihren Beruf aufgeben. Damit wurden 1933 etwa 37.000 Juden aus Deutschland vertrieben.

Danach flaute die Verfolgung zunächst ab. Jüdische Unternehmen wurden zeitweise ausdrücklich nicht benachteiligt, um sensible Wirtschaftszweige nicht zu schädigen.[4] Im März 1935 leitete Julius Streicher jedoch eine weitere Hetzkampagne gegen Juden ein, um die Bevölkerung auf strikte „Rassentrennung” einzustimmen. Die Nürnberger Gesetze legalisierten diese im September. Zwar stieg die Zahl jüdischer Ausreiseanträge danach nicht wieder an; aber viele jüdische Unternehmer gaben dem Druck nach und verkauften ihre Firmen weit unter Wert oder schieden aus deren Leitung aus. Davon profitierten vor allem Warenhauskonzerne wie Horten sowie Finanzinstitute wie die Deutsche Bank und die Dresdner Bank.

1937 zeichnete sich ein Kurswechsel von der schleichenden Verdrängung der Juden aus der deutschen Privatwirtschaft zu ihrer schnellen Zwangsenteignung durch den Staat ab. Im Januar forderte der „Reichsführer-SSHeinrich Himmler erstmals öffentlich die „Entjudung Deutschlands”, die das 25-Punkte-Programm der NSDAP 1920 als Ziel benannt hatte. Sie könne am besten durch Mobilisieren des „Volkszorns” und Ausschreitungen erreicht werden.[5] Im Oktober wies das „Kampfblatt” der SS, Das Schwarze Korps, auf angeblich ungeschmälerte Macht der Juden in Handel und Industrie hin. Diese sei nicht länger zu dulden: Heute brauchen wir keine jüdischen Betriebe mehr.[6]

Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht hatte wiederholt gegen Streichers Boykottkampagnen protestiert, weil sie den Handel störten, Preis- und Währungsstabilität, Deviseneinnahmen und damit die deutsche Wiederaufrüstung gefährdeten.[7] Er wurde am 27. November 1937 abgelöst. Kurz darauf organisierte Streicher einen Weihnachtsboykott gegen jüdische Geschäfte, und Schachts Übergangsnachfolger Hermann Göring wandelte das Wirtschaftsministerium in ein „Exekutivorgan zur Durchführung des Vierjahresplans” zur Aufrüstung um.[8]

Zum Jahresbeginn 1938 lag das offizielle staatliche Haushaltsdefizit bei zwei Milliarden Reichsmark. Die Schuldenaufnahme stieß an ihre Grenzen. Walther Bayrhoffer vom Reichsfinanzministerium fürchtete, das Reich würde zahlungsunfähig, da die Mefo-Wechsel zur Aufrüstung 1938 fällig wurden. Das hätte die Kriegsvorbereitung gefährdet, die nun verstärkt wurde: Hitler enthob Reichskriegsminister Werner von Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, am 4. Februar 1938 ihrer Ämter und übernahm selbst das Oberkommando der Wehrmacht. Am 12. März ließ er diese in Österreich einrücken.

Razzia bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, März 1938

Mit dem sogenannten Anschluss Österreichs kamen 192.000 Juden zu den noch 350.000 Juden im "Altreich" hinzu, so dass nun 540.000 Juden im „Großdeutschen Reich” lebten. Vor allem in Wien mit neun Prozent jüdischem Bevölkerungsanteil kam es nun zu wochenlangen Ausschreitungen. Schlägertrupps der SA prügelten tausende jüdische Geschäftsinhaber aus ihren Läden, Betrieben und Wohnungen. Mittelständische NSDAP-Mitglieder ergriffen als „Kommissare” die Leitung geraubter Geschäfte. Sie sahen dies als „Wiedergutmachung” für Nachteile vor der „Reichseinung” und versuchten auch, Aufkäufen jüdischer Firmen durch kapitalkräftige deutsche Großkonzerne zuvorzukommen. Um die „wilden Enteignungen“ zu stoppen, erklärte „Reichskommissar” Josef Bürckel die „Kommissare” am 13. April per Gesetz zu neuen Eigentümern, die nun ihr Betriebsvermögen anmelden mussten.[9]

Am 26. April erließ Göring ein Gesetz, das alle Juden des Reiches zwang, bis zum 31. Juli ihr gesamtes Vermögen über 5.000 Reichsmark detailliert beim Finanzamt offen zu legen. Man schätzte ihr Gesamtvermögen auf 8,5 Milliarden, den Anteil an liquiden Wertpapieren auf 4,8 Milliarden Reichsmark. Das NS-Regime plante deren Zwangsumtausch in deutsche Staatsanleihen, um diese gegen Devisen im Ausland zu verkaufen. So sollte das Haushaltsdefizit verringert und die Vertreibung der Beraubten ins Ausland finanziert werden.[10]

Die europäischen Nachbarstaaten versuchten, eine befürchtete Flüchtlingsflut abzuwenden. Bei einer internationalen Konferenz in Evian (Frankreich) im Juli 1938 erklärte sich keines der 32 teilnehmenden Länder zur Aufnahme der bedrohten Juden bereit. Vielmehr protestierte die Schweiz, in die viele Juden aus Österreich flohen, gegen die „Verjudung” und drohte eine allgemeine Visumspflicht an. Daraufhin entzog das NS-Regime deutschen Juden die Reisepässe, ersetzte sie durch Sonderausweise und verbot ihnen die Ausreise in die Schweiz. Zudem richtete Adolf Eichmann im Auftrag von Reinhard Heydrich im August die erste Zentralstelle für jüdische Auswanderung ein. Eine Flüchtlingswelle setzte ein: Bis Herbst verließen etwa 54.000 Juden das Reich.

Am 29. September gestattete das Münchner Abkommen die deutsche Annexion des tschechoslowakischen „Sudetenlandes”, die Hitler seit Mai angestrebt hatte. Chamberlains Nachgeben gegenüber der aggressiven deutschen Politik schien den Krieg noch einmal abgewendet zu haben. Doch schon am 21. Oktober erließ Hitler den Befehl zur „Erledigung der Resttschechei”. Zugleich gewann das Regime Handlungsspielraum nach innen und ließ nun vermehrt selbst jüdisches Eigentum konfiszieren und „überflüssige” Unternehmen schließen, ohne größere politische und wirtschaftliche Folgen fürchten zu müssen.

Am 14. Oktober kündigte Göring im Reichsluftfahrtministerium ein gigantisches Rüstungsprogramm an. Dieses sei jedoch durch das Staatsdefizit und begrenzte Produktionskapazitäten erschwert. Die Privatwirtschaft müsse daran mitwirken, da man andernfalls zur staatlich gelenkten Planwirtschaft übergehen werde. Die „Arisierung” sei nun unumgänglich und allein Sache des Staates; sie dürfe auf keinen Fall wie in Österreich anarchisch als „Versorgungssystem untüchtiger Parteigenossen” verlaufen.[11]

Vorzeichen und Vorbereitungen

Zwangsarbeiter bei Bauarbeiten im Konzentrationslager Dachau (Juni 1938), Aufnahme von Friedrich Franz Bauer

Dass die Reichsregierung die Pogrome und Massenverhaftungen vorbereitete, legen unter anderem folgende Schritte nahe:

  • Am 17. August 1935 hatte die Gestapo die Einrichtung einer reichsweiten „Judenkartei” angeordnet, um die deutschen Juden regional und lokal zu erfassen und zu überwachen.
  • Nach einer weiteren Verordnung mussten die Schaufenster jüdischer Geschäfte im ganzen Reich mit einer weißen Aufschrift Jude oder dem Davidstern markiert werden. Als „Schutzmaßnahme” ausgegeben, erleichterte dies Auffinden und Zerstörung.[12]
  • Zum Jahrestreffen des Allgemeinen Rabbinerverbandes in München am 8. Juni 1938 erhielt die dortige jüdische Gemeinde den Befehl, die Synagoge nebst Gemeindehaus dem Staat abzutreten und binnen 24 Stunden zu räumen. Am Morgen des 9. Juni begann der Abriss. Im August wurde auch die Nürnberger, ab September die Dortmunder Synagoge abgerissen.
  • Seit Juni 1938 erfuhren entlassene jüdische Staatsbeamte, die noch Kontakte zu ehemaligen Kollegen pflegten, dass bald eine größere Zahl Juden in die KZs eingewiesen werden sollten. Das Reichssicherheitshauptamt forderte dazu Listen vermögender Juden von Finanzämtern und Polizeirevieren an. Diese zwangen die jüdischen Rabbiner per Vorladungen dazu, Namen und Adressen ihrer Gemeindemitglieder weiterzugeben. Am 14. Juni mussten jüdische Gewerbebetriebe sich registrieren lassen, am 15. Juni ließ Kurt Daluege als Chef der Berliner Polizei etwa 1.500 Juden bei Razzien festnehmen und in KZs bringen.
  • Juden mussten seit dem 23. Juli 1938 zudem „Kennkarten” bei sich tragen, seit dem 17. August die Zweitnamen „Israel” (Männer) oder „Sara” (Frauen) annehmen und seit dem 5. Oktober ihre Sonderausweise mit einem roten J abstempeln lassen. Diese Kennzeichen ermöglichten einerseits schnelle Verhaftung und Deportation, andererseits flächendeckende Enteignung und Abschiebung der Juden.
  • Bis Oktober 1938 wurden die drei bisher größten deutschen KZs in Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen stark ausgebaut, so dass sie nunmehr zehntausende Gefangene aufnehmen konnten. Obwohl in Dachau bis dahin keine Juden inhaftiert waren, erhielt die Lagerleitung dort am 25. Oktober den Befehl, 5.000 Judensterne auf Häftlingskleider zu nähen. Zusätzliche Matratzen und Stroh wurden angeliefert.
  • Ein Überlebender, Berthold Löwenstein aus Leipzig, erfuhr am 29. Oktober 1938 von einem ehemaligen Richterkollegen, der Informationen aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin erhalten hatte: Er solle Deutschland mit seiner Familie dringend vor dem 5. November 1938 verlassen, da bis Mitte November Furchtbares mit den Juden geplant sei.[13]

Erste Massenabschiebung

Ausweisung polnischer Juden aus Nürnberg am 28. Oktober 1938

Am 9. Oktober 1938 erließ Polen eine Verordnung, nach der die Pässe aller länger als fünf Jahre im Ausland lebenden Polen ohne Sondervisum eines zuständigen Konsulats am 30. Oktober ablaufen sollten. Das betraf vor allem bis zu 18.000 von geschätzten 70.000 polnischen, meist verarmten Juden, die vielfach illegal im Großdeutschen Reich lebten.[14] Die deutsche Regierung stellte Polen daraufhin am 26. Oktober ein Ultimatum, die Rückkehrmöglichkeit der Staatenlosen zu garantieren, andernfalls werde man sie sofort ausweisen. Nach der erwarteten Ablehnung befahl die Gestapo allen Städten und Gemeinden am 27. Oktober, die Betroffenen sofort festzunehmen. In der Nacht zum 29. Oktober wurden sie aus ihren Wohnungen geholt, in schwer bewachten Zügen und Lastwagen zur deutsch-polnischen Grenze abtransportiert und hinübergejagt.

Die unvorbereiteten polnischen Grenzbeamten verweigerten den Abgeschobenen zunächst mit Waffengewalt die Einreise, die Deutschen wiederum die Rückkehr. Sie mussten tagelang ohne Nahrung in den überfüllten Grenzbahnhöfen oder im Niemandsland warten, bis die polnischen Behörden sie passieren ließen. Ein Teil kam in den nächsten Tagen bei jüdischen Gemeinden in Polen unter, etwa 7.000 Personen mussten aber zum Flüchtlingslager Zbąszyń (deutsch: Alt-Bentschen) in der Woiwodschaft Poznan marschieren, wo die polnische Regierung sie bis August 1939 internierte. Im Januar durften sie für kurze Zeit in ihre deutschen Heimatorte zurückkehren, um ihre Geschäfte zu verkaufen, Haushalte aufzulösen und so ihre erzwungene „Auswanderung” zu regeln.[15]

Attentat als Vorwand

Herschel Grynszpan nach seiner Verhaftung in Paris am 8. November 1938

Am 3. November erfuhr der in Paris lebende siebzehnjährige polnische Jude Herschel Grynszpan, dass auch seine ganze Familie nach Zbąszyń vertrieben worden war. Er besorgte sich einen Revolver und schoss damit am 7. November 1938 in der Deutschen Botschaft auf den der NSDAP angehörenden Legationssekretär Ernst Eduard vom Rath. Dieser erlag am 9. November seinen Verletzungen.

Grynszpans genaues Motiv ist unbekannt. Er gab im Verhör „Rache” für das Leiden seiner Eltern bei deren gewaltsamer Abschiebung an. Er wollte eigentlich den Botschafter erschießen, traf dann aber vom Rath. 1942 in deutscher Haft sagte er aus, er habe sein Opfer zuvor in der Pariser Homosexuellenszene kennengelernt. Daraufhin ließ Propagandaminister Joseph Goebbels den jahrelang geplanten Schauprozess gegen ihn, der das „Weltjudentum” als angeblichen Auftraggeber des Mords „beweisen” sollte, verschieben. Schließlich sagte Hitler den Prozess ganz ab.[16] Grynszpan wurde vermutlich im KZ Sachsenhausen umgebracht.[17]

1938 nutzte die NS-Führung das Attentat als willkommenen Anlass, um der unzufriedenen Parteibasis Gelegenheit zum Handeln gegen jüdisches Eigentum zu geben und die Juden beschleunigt dann auch gesetzlich aus dem deutschen Wirtschaftsleben auszuschalten. Nach diesem Muster hatte man schon den Reichstagsbrand im Februar 1933 zum Anlass genommen, die „Gleichschaltung” der Republik voranzutreiben. Das Attentat des jüdischen Studenten David Frankfurter auf den NSDAP-Funktionär Wilhelm Gustloff im Februar 1936 war dagegen nahezu folgenlos geblieben, weil das NS-Regime auch wegen der bevorstehenden Olympischen Sommerspiele die Reaktionen des Auslands berücksichtigen musste.

Verlauf

Erste Übergriffe

Zerstörtes jüdisches Geschäft in Magdeburg

Die Nachricht vom Attentat auf den zuvor weitgehend unbekannten Diplomaten vom Rath erreichte die deutsche Öffentlichkeit erst am 8. November 1938 durch die Tagespresse. Bereits am Spätnachmittag des 7. November begannen jedoch in Kurhessen und Magdeburg-Anhalt die ersten Übergriffe gegen Juden, ihre Wohnungen, Geschäfte, Gemeindehäuser und Synagogen. Die Täter waren Angehörige von SA und SS. Sie traten in Zivilkleidung auf, um wie normale Bürger zu wirken und die übrige Bevölkerung zum „Volkszorn” wegen des Attentats in Paris aufzuhetzen. Am Abend des 7. November wurden die Synagoge und andere jüdische Einrichtungen in Kassel, in der gleichen Nacht auch jene der umliegenden Orte Zierenberg, Bebra und Sontra verwüstet. Treibende Kraft dabei war der Kasseler Gaupropagandaleiter Gernand.

Am Morgen des 8. November hieß es im Leitartikel des Völkischen Beobachters (Presseorgan der NSDAP):[18]

Es ist klar, daß das deutsche Volk aus dieser neuen Tat seine Folgerungen ziehen wird. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß in unseren Grenzen Hunderttausende von Juden noch ganze Ladenstraßen beherrschen, Vergnügungsstätten bevölkern und als 'ausländische' Hausbesitzer das Geld deutscher Mieter einstecken, während ihre Rassegenossen draußen zum Krieg gegen Deutschland auffordern und deutsche Beamte niederschießen. […] Die Schüsse in der deutschen Botschaft in Paris werden nicht nur den Beginn einer neuen deutschen Haltung in der Judenfrage bedeuten, sondern hoffentlich auch ein Signal für diejenigen Ausländer sein, die bisher nicht erkannten, daß zwischen der Verständigung der Völker letztlich nur der internationale Jude steht.

Die Parteiführung wollte das Attentat also zur völligen Verdrängung und Enteignung der Juden aus dem deutschen Wirtschafts- und Kulturleben nutzen. Dazu bemühte man die Fiktion einer jüdischen Weltverschwörung und forderte eine Völkerverständigung auf Kosten der Juden.

Am selben Abend brannte in Bad Hersfeld die erste Synagoge. In den Landkreisen Fulda und Melsungen, u. a. den Orten Baumbach, Eschwege, Fritzlar, Rotenburg an der Fulda, Witzenhausen, wurden fast alle jüdischen Wohnungen und Geschäfte demoliert.[19] Im Laufe des Abends und der Nacht wurden zahlreiche Juden misshandelt. In Felsberg gab es dabei das erste jüdische Todesopfer in Kurhessen.

Am Nachmittag des 9. November wurden ab 15 Uhr die Synagoge und das jüdische Gemeindehaus in Dessau angezündet. Ab 19 Uhr begannen die Ausschreitungen in Chemnitz. Die Brandstiftungen betrafen allesamt nur Synagogen und Geschäfte, deren Brände die Nachbarhäuser nicht gefährden konnten. Nichtjüdische Häuser und Wohnungen blieben überall verschont.

Historiker sind sicher, dass diese Aktionen vor der Nacht zum 10. November zumindest auf Gau-Ebene zentral gelenkt waren und von den zuständigen Gaupropagandaämtern organisiert wurden. Unklar ist, inwieweit diese auf eigene Faust oder auf Weisung des Reichspropagandaministeriums handelten. Letzteres gilt als wahrscheinlicher, da die Übergriffe alle nach demselben Schema verliefen: Eine NS-Ortsversammlung wurde schnell einberufen, dort hielten Gauleiter oder Sturmbannführer Hetzreden gegen die Juden. Dann marschierten die Teilnehmer direkt zu jüdischen Geschäften, Privatwohnungen, öffentlichen Einrichtungen der jüdischen Gemeinden und zuletzt zur örtlichen Synagoge, um diese zu zerstören.

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938

Hitler hatte vom Rath sofort nach dem Attentat um drei Klassen zum Botschaftssekretär I. Klasse befördert. Beim jährlichen Kameradschaftsabend zum Gedenken des Hitler-Ludendorff-Putsches vom 9. November 1923 im Alten Rathaus in München erfuhr er gegen 21:00 Uhr vom Tod des Diplomaten. Sofort besprach er sich beim Essen mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Dann verließ er die Versammlung, fuhr in seine Privatwohnung und hielt sich in den folgenden Tagen nach außen hin zurück.

Gegen 22:00 Uhr hielt Goebbels vor den versammelten SA-Führern eine antisemitische Hetzrede, in der er „die Juden” für den Tod vom Raths verantwortlich machte. Er lobte die angeblich „spontanen” judenfeindlichen Aktionen im ganzen Reich, bei denen auch Synagogen in Brand gesetzt worden seien, und verwies dazu auf Kurhessen und Magdeburg-Anhalt. Er machte deutlich, dass die Partei nicht als Organisator antijüdischer Aktionen in Erscheinung treten wolle, aber diese dort, wo sie entstünden, auch nicht behindern werde.

Zerstörungen im Kaufhaus Uhlfelder in München

Die anwesenden Gauleiter und SA-Führer verstanden dies als indirekte, aber unmissverständliche Aufforderung zum organisierten Handeln gegen jüdische Häuser, Läden und Synagogen. Nach Goebbels' Rede telefonierten sie gegen 22:30 Uhr mit ihren örtlichen Dienststellen. Danach versammelten sie sich im Hotel „Rheinischer Hof”, um von dort aus weitere Anweisungen für Aktionen durchzugeben. Goebbels selbst ließ nach Abschluss der Gedenkfeier nachts Telegramme von seinem Ministerium aus an untergeordnete Behörden, Gauleiter und Gestapostellen im Reich aussenden. Diese wiederum gaben entsprechende Befehle an die Mannschaften weiter, in denen es etwa hieß (SA-Stelle „Nordsee“):[20]

Sämtliche jüdische Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören. Nach der Zerstörung hat eine SA-Wache aufzuziehen, die dafür zu sorgen hat, dass keinerlei Wertgegenstände entwendet werden können. […] Die Presse ist heranzuziehen. Jüdische Synagogen sind sofort in Brand zu stecken, jüdische Symbole sind sicherzustellen. Die Feuerwehr darf nicht eingreifen. Es sind nur Wohnhäuser arischer Deutscher zu schützen, allerdings müssen die Juden raus, da Arier in den nächsten Tagen dort einziehen werden. […] Der Führer wünscht, dass die Polizei nicht eingreift. Sämtliche Juden sind zu entwaffnen. Bei Widerstand sofort über den Haufen schießen. An den zerstörten jüdischen Geschäften, Synagogen usw. sind Schilder anzubringen, mit etwa folgendem Text: 'Rache für Mord an vom Rath. Tod dem internationalen Judentum. Keine Verständigung mit Völkern, die judenhörig sind.' Dies kann auch erweitert werden auf die Freimaurerei.

Der Chef der Gestapo-Abteilung für Regimegegner, Heinrich Müller, sandte um 23:55 Uhr ein Blitzfernschreiben an alle Leitstellen der Staatspolizei im Reich: Die Sicherheitsdienste sollten sich heraushalten. Sie sollten aber für den „Schutz“ des jüdischen Eigentums vor Plünderung sorgen. Punkt 3 lautete:[21]

Es ist vorzubereiten die Festnahme von etwa 20-30.000 Juden im Reiche. Es sind auszuwählen vor allem vermögende Juden. Nähere Anordnungen ergehen noch im Laufe dieser Nacht.

Polizei und SS waren demnach eine Stunde nach der SA über die angeordneten Pogrome informiert, die seit 23:00 begonnen hatten. Sie sollten diese zu der längst geplanten Internierung wohlhabender Juden nutzen. Nachdem Himmler neue Rekruten der Waffen-SS vereidigt hatte, erteilte er die „näheren Anordnungen“ Heydrich, der diese um 1:20 Uhr seinerseits als Blitzfernschreiben an alle Untergebenen sandte. Darin bekräftigte er das Verbot, zu plündern, den Schutz für Nachbargebäude vor Bränden und ergänzte, dass – auch jüdische – Ausländer nicht zu belästigen seien. Die Zahl der Festzunehmenden ließ er offen:[22]

Sobald der Ablauf der Ereignisse dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zulässt, sind in allen Bezirken so viele Juden – insbesondere wohlhabende – festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können.

Die Leitung der Zerstörungen oblag den örtlichen Propagandaämtern der NSDAP. Sie beriefen die SA-Ortsgruppen ein, die ihre Mitglieder instruierten und in Marsch setzten, um die Befehle auszuführen. In Nürnberg z. B. wurden sie wie in den meisten deutschen Städten nach Augenzeugenberichten wie folgt umgesetzt:[23]

Zuerst kamen die großen Ladengeschäfte dran; mit mitgebrachten Stangen wurden die Schaufenster eingeschlagen, und der am Abend bereits verständigte Pöbel plünderte unter Anführung der SA die Läden aus. Dann ging es in die von Juden bewohnten Häuser. Schon vorher informierte nichtjüdische Hausbewohner öffneten die Türen. Wurde auf das Läuten die Wohnung nicht sofort geöffnet, schlug man die Wohnungstür ein. Viele der „spontanen“ Rächer waren mit Revolver und Dolchen ausgestattet; jede Gruppe hatte die nötigen Einbrecherwerkzeuge wie Äxte, große Hammer und Brechstangen dabei. Einige SA-Leute trugen einen Brotbeutel zur Sicherstellung von Geld, Schmuck, Fotos und sonstigen Wertgegenständen, die auf einen Mitnehmer warteten. Die Wohnungen wurden angeblich nach Waffen durchsucht, weil am Tage vorher ein Waffenverbot für Juden veröffentlicht worden war. Glastüren, Spiegel, Bilder wurden eingeschlagen, Ölbilder mit den Dolchen zerschnitten, Betten, Schuhe, Kleider aufgeschlitzt, es wurde alles kurz und klein geschlagen. Die betroffenen Familien hatten am Morgen des 10. November meistens keine Kaffeetasse, keinen Löffel, kein Messer, nichts mehr. Vorgefundene Geldbeträge wurden konfisziert, Wertpapiere und Sparkassenbücher mitgenommen. Das schlimmste dabei waren die schweren Ausschreitungen gegen die Wohnungsinhaber, wobei anwesende Frauen oft ebenso mißhandelt wurden wie die Männer. Eine Anzahl von Männern wurde von den SA-Leuten unter ständigen Mißhandlungen und unter dem Gejohle der Menge zum Polizeigefängnis getrieben. […] Am anderen Morgen wurden gegen 4 Uhr morgens alle [der zuvor inhaftierten] Personen unter 60 Jahren nach Dachau abtransportiert.

Die Ereignisse der Folgetage

Die brennende Synagoge von Opava im Sudetenland, 10. November 1938

Die Pogrome wurden am 10. November fortgesetzt. In Österreich begannen sie erst an diesem Tag, verliefen dort aber umso heftiger. Sie dauerten im ganzen Reich, besonders in ländlichen Gebieten, bis in den Nachmittag hinein. Die befohlene Trennung von SA-Maßnahmen und SS-„Begleitschutz“ wurde in vielen Regionen missachtet, zumal der Befehl dazu erst Stunden nach Beginn der Pogrome ausgegeben worden war. In Bensheim, im Bodenseeraum, am Niederrhein, in Oberschlesien und Wien u. a. führten die Sicherheitskräfte die Zerstörungen selbst an; dort wo die Brandstiftung nicht ausreichte, halfen sie mit Sprengsätzen nach.[24] Die Vorgänge dokumentiert z. B. ein Augenzeugenbericht aus Baden-Baden:[25]

Ehe die SS die Synagoge in Brand steckte, zwang sie die Männer der jüdischen Gemeinde, sich dort zu versammeln. Entgegen dem jüdischen Brauch mussten sie ihre Hüte abnehmen. Das Gemeindeglied Herr Dreyfus wurde gezwungen, von der Kanzel herab aus dem nationalsozialistischen Hetzblatt 'Der Stürmer' vorzulesen. Die Gemeinde hatte im Chor zu antworten: 'Wir sind ein dreckiges, filziges Volk.' Die SS zwang die Männer, im Gotteshaus Nazilieder zu singen und Turnübungen vorzuführen.

Direkt im Anschluss an die Zerstörungen begann am 10. November gegen vier Uhr morgens die befohlene Inhaftierung von etwa 30.000 männlichen, meist jüngeren und wohlhabenderen Juden. In den Tagen darauf wurden sie von Gestapo und SS in die drei deutschen Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt. Laut Bericht eines Berliner Juden ließen die Wachmannschaften beim „Hofappell“, dem nächtelangen Strammstehen bei Eiseskälte auf dem Lagerplatz, keinen Zweifel daran, dass sie die Gefangenen dezimieren wollten:[26]

Ihr seid nicht in einem Sanatorium, sondern in einem Krematorium. […] Die SS hat das Recht, auf Euch zu schießen, wann sie will.

Häftlingskarte eines im KZ Dachau internierten Juden, erkennbar an SCH.J. = „Schutzhaft Jude“

Die unmenschliche Behandlung der in das KZ Buchenwald Eingelieferten beschrieb detailliert z. B. der Augenzeuge Eugen Kogon.[27] Sie mussten etwa im folgenden Winter mit bloßen Händen den Schnee im Lager räumen; Notamputationen der erfrorenen Gliedmaßen verweigerte der SS-Lagerarzt: Für Juden stelle ich nur Totenscheine aus.[28]

Gemäß der offiziellen Version des Volkszorns, der in staatliche Bahnen zu lenken sei, wurde die Deportation in die KZs der Bevölkerung als „Wiederherstellung der Ordnung“ dargestellt. Parallel dazu ließ Goebbels im Rundfunk seit dem frühen Morgen des 10. November in halbstündigen Intervallen die Aufforderung verbreiten, „von weiteren Demonstrationen und Vergeltungsaktionen sofort abzusehen.“ Dennoch kam es in kleineren Orten bis zum 11., vereinzelt sogar bis zum 12. und 13. November noch zu Ausschreitungen; sei es aus einer Eigendynamik heraus, sei es, weil die Radionachricht nicht empfangen worden war oder ignoriert wurde.

Folgen

Auswirkungen auf die Betroffenen

Zerstörtes jüdisches Geschäft in Magdeburg, November 1938

Die Verluste an Menschenleben und das Ausmaß der Sachschäden wurden lange Zeit unkritisch aus den Angaben der NSDAP übernommen. So listete etwa die ZEIT noch am 3. November 1978 nur die 91 Morde und 267 zerstörten Synagogen auf, die ein Brief Heydrichs an Göring vom 11. November 1938 aufgeführt hatte. Die tatsächlichen Zahlen werden heute aufgrund vieler Dokumente auf ein Vielfaches davon geschätzt.

Man geht heute von mindestens 400 Todesopfern allein in der Pogromnacht aus. Darin sind Selbsttötungen und schwere Körperverletzungen mit Todesfolge enthalten. Nur in Nürnberg z. B. wurden schon am 9. November neun Morde, zehn Selbsttötungen und sieben plötzliche Todesfälle von Juden verzeichnet.[29] Hinzu kam eine unbekannte Zahl von Vergewaltigungen jüdischer Frauen.

Von den annähernd 30.000 verhafteten und deportierten Juden wurden nachweislich 10.911 – einschließlich von etwa 4.600 Wienern – ins KZ Dachau, 9.845 ins KZ Buchenwald eingeliefert. Für das KZ Sachsenhausen schätzt man mindestens 6.000, eher aber 10.000 Inhaftierte. Die Lagerhaft kostete nochmals Hunderte Menschenleben: In Buchenwald fanden nach Angaben der Lagerverwaltung 207 Juden, in Dachau 185 den Tod, die Opferzahl von Sachsenhausen ist unbekannt. Auch hier wird zusätzlich eine hohe Dunkelziffer angenommen. Denn bereits bei der Ankunft in den KZs wurden Dutzende Juden erschossen, Hunderte starben bei Fluchtversuchen oder an den Strapazen der Zwangsarbeit in den Lagern. Tausende der Überlebenden wurden schwer körperlich verletzt – allein im Jüdischen Krankenhaus Berlin mussten später 600 erfrorene Gliedmaßen amputiert werden – und seelisch traumatisiert.[30]

Die meisten der überlebenden Inhaftierten wurden bis August 1939 wieder entlassen, sofern sie sich schriftlich zur „Auswanderung“ bereit erklärten und ihren Besitz dem Staat übereigneten. Die Zahl der Ausreiseanträge stieg seit dem 9. November 1938 sprunghaft an: Bis Kriegsbeginn verließen noch einmal etwa 200.000 Juden das Reich, mehr als insgesamt von 1933 bis 1938. Sie mussten überall im Ausland ein „Vorzeigegeld“ nachweisen und konnten ihre Ein- und Ausreisevisa häufig nur noch über den Schwarzmarkt, durch Kredite von ausländischen Verwandten und Beamtenbestechung erlangen.[31]

Der in Berlin geborene israelische Antisemitismusforscher Avraham Barkai wies 1988 darauf hin, dass fast alle Synagogen im Reich zerstört worden seien; neuere Forschungsarbeiten des Synagogue Memorial haben dies bestätigt und eine Gesamtzahl von 1.406 vollständig zerstörten Synagogen und Betstuben ermittelt. Von Wiens einst etwa 25 Synagogen überstand nur der Stadttempel in der Wiener Innenstadt die Pogrome relativ unbeschadet, fast alle übrigen wurden in Brand gesetzt. Die etwa 70 Bethäuser und -räume in der Stadt wurden allesamt verwüstet und teilweise ebenfalls in Brand gesetzt; von Berlins 14 Synagogen wurden 11 vollständig niedergebrannt, die übrigen drei schwer demoliert. Zerstört wurden ferner etwa 7.500 jüdische Geschäfte, Wohnungen, Gemeindehäuser und Friedhofskapellen.

Daraufhin mussten sich viele der jüdischen Kultusgemeinden auflösen; Gottesdienste konnten nur noch privat ohne zeremonielle Gegenstände stattfinden, da vor allem die wertvollen Torarollen verbrannt oder konfisziert worden waren. Die Gottesdienste wurden nun jedoch meist gut besucht: weniger weil die Frömmigkeit wuchs, sondern weil die Mitglieder sich gegenseitig unterstützen mussten, nachdem ihnen jede Existenzgrundlage entzogen, Versammlungen verboten waren und sie die Straßen nur noch unter Lebensgefahr betreten konnten.[32]

Reaktionen des Auslands

Etwa 100 Protestnoten ausländischer Vertretungen gingen nach dem 10. November 1938 beim Auswärtigen Amt in Berlin ein. Demnach waren trotz gegenteiliger Befehle auch ausländische Juden unter den Opfern der Pogrome. Die Proteste wurden kommentarlos in die Reichskanzlei weitergeleitet und verschwanden dort in den Akten.[33]

Besonders scharf reagierten die USA, indem sie ihren Botschafter am 14. November aus Berlin abzogen. In New York City demonstrierte die Stadtbevölkerung für die Opfer. Der in Washington D.C. residierende deutsche Botschafter Dieckhoff berichtete besorgt, dass nun auch Persönlichkeiten, die das NS-Regime bislang nicht angegriffen oder „zum Teil Sympathie für Deutschland zur Schau getragen hatten“, die scharfe Kritik uneingeschränkt mittrugen.[34] Am 3. Dezember protestierte die US-Regierung gegen den Erlass zur Ausschaltung von Juden aus der deutschen Wirtschaft, der entgegen den Versicherungen Joachim von Ribbentrops auch US-Bürger betraf. Daraufhin wurden die zum 31. Dezember geplanten restlichen Schließungen jüdischer Einzelhandels- und Handwerksbetriebe bei ausländischen Firmen ausgesetzt; jüdische Auslandsvertreter waren schon am 1. Dezember von der am 12. November beschlossenen „Sühneleistung“ befreit worden, um den noch gültigen Freundschaftsvertrag mit den USA nicht zu gefährden.[35] Die US-Einreisebehörden durften jedoch weiterhin nur 27.000 von nun 140.000 jüdischen Einreiseanträgen im Jahr bewilligen.[36]

In Großbritannien bewirkten die Pogrome einen politischen Meinungsumschwung in der Bevölkerung, während die Regierung verhalten reagierte. Chamberlains Appeasement-Politik galt nun als gescheitert, die Bereitschaft zum Krieg gegen Hitler wuchs. Auch deutschfreundliche Kreise, die Maßnahmen der Hitlerregierung bislang verteidigt hatten, verstummten.

Die gegen das Deutsche Reich gerichtete Boykottbewegung,[37] die 1933 als Reaktion auf den Judenboykott entstanden war und zumeist nur jüdische Konsumenten hatte mobilisieren können, erlebte nun einen erheblichen Aufschwung. Viele ausländische Unternehmen in Frankreich, Großbritannien, Jugoslawien, Kanada, den Niederlanden und den USA kündigten ihre Handelsverträge mit Deutschland. Manche deutsche Firmen büßten ein Viertel ihres Exportgeschäfts ein; auch Betriebe, die für die Rüstung von Bedeutung waren, erlitten nach Aussage des Wehrwirtschaftsstabes empfindliche Verluste.[38] Am härtesten betroffen waren die Leder-, Textil- und Spielwarenhersteller. Gerade diese Zweige profitierten dann jedoch stark von der „Arisierung“.

Reaktionen in der NSDAP

Teile der Parteibasis waren von den Pogromen überrascht worden und lehnten sie vor allem wegen der distanzierten Haltung Hitlers als „wilde“ und „ungesetzliche“, das hieß vom „Führer“ scheinbar nicht gedeckte Aktion ab. Auch Regierungsmitglieder, darunter Göring, Himmler, Heydrich, Funk und Alfred Rosenberg, distanzierten sich und wiesen Goebbels die Alleinverantwortung für unvorhersehbare außen- und wirtschaftspolitische Folgen zu. Schon am Vormittag des 10. November warf Göring Goebbels vor, seine Aktion habe aus ökonomischer Ignoranz die „volkswirtschaftlich unsinnige Zerstörung von Sachwerten“ herbeigeführt, die er dem deutschen Staat gern als Raubgut zugeführt hätte. Dies nahm Hitler zum Anlass, Goebbels in Schutz zu nehmen und die folgende Gesetzgebung zur „Arisierung“ zu forcieren.

Die Gewaltexzesse und Plünderungen stellten die NSDAP vor Probleme, da sie den offiziell ausgegebenen Befehlen widersprachen und auch manchen Parteimitgliedern zu weit gingen. Daher sollten Parteigerichte „Disziplinlosigkeiten“ untersuchen und gegebenenfalls bestrafen; als „Schöffen“ dieser Verfahren fungierten die Gauleiter und „Gruppenführer“, die die Pogrome durchgeführt hatten. Im Februar 1939 bestätigte der geheime Abschlussbericht von Walter Buch, dem obersten Parteirichter, dass die ausführenden Täter auf Befehl von Goebbels und der ihm untergebenen versammelten SA-Führer am Abend des 9. November gehandelt hatten und deshalb weitgehend entlastet waren. Weil man die Verstöße als „Volkszorn“ dargestellt habe, sei es folgerichtig, sie nicht durch Staatsgerichte, sondern die Partei selbst zu ahnden.

Wegen der faschistisch-totalitären Gleichsetzung von Volk, Staat und Partei wurden Morde an „Volksfeinden“ als unvermeidbare Begleiterscheinung der angeordneten Pogrome gewertet. Die Befehle waren absichtlich unklar formuliert, um die Exzesse als „Überkochen der Volksseele“ ausgeben zu können. Walter Buch kritisierte diese Taktik offen als ungeeignet und bestätigte damit, was alle wussten:[39]

Wenn in einer Nacht sämtliche Synagogen abbrennen, so muß das irgendwie organisiert sein und kann nur organisiert sein von der Partei.

Im Ergebnis wurden nur 16 „befehlswidrige“ Morde untersucht und nur zwei der Täter ohne Folgen „verwarnt“, Parteiausschlüsse der unteren Instanzen wurden damit aufgehoben. Zwei weitere Täter wurden der ordentlichen Justiz überstellt: Sie hatten in der Pogromnacht Jüdinnen vergewaltigt, sollten aber nicht deswegen, sondern wegen „Rassenschande“ angeklagt werden.[40] Auf Befehl von Goebbels wies das Reichsjustizministerium die Staatsanwälte an, „keine Ermittlungen in Sachen der Judenaktion vorzunehmen.“ Diese wurden nicht selbständig tätig, so dass jede unabhängige Untersuchung und Strafverfolgung der Verbrechen unterblieb. Damit war das Justizwesen außer Kraft gesetzt; den Betroffenen war jeder Rechtsweg versperrt. Schon die antijüdischen Gesetze von 1933 hatten ihnen weitgehend die Bürgerrechte entzogen.

Obwohl die Plünderungen und zögerliche Beteiligung der Bevölkerung innerparteilich zum Teil als „Fehlschlag“ bewertet wurden, bestätigte Goebbels die Übereinstimmung innerhalb des Regimes, indem er am 13. November 1938 triumphierend in sein Tagebuch eintrug:

Ich arbeite großartig mit Göring zusammen. Er geht auch scharf ran. Die radikale Meinung hat gesiegt.

Da auch die Führungskräfte der SS am 9. November in München versammelt waren und Heinrich Müller den Befehl zum „Schutz“ der SA-Aktionen herausgab, nimmt man allgemein an, dass diese spätestens am 7. November in der NS-Führung geplant wurden, um die ohnehin geplante Enteignung und Vertreibung zu beschleunigen. Denn jedes der beteiligten Ressorts sorgte trotz interner Konflikte und unklarer Kompetenzverteilung auf seine Weise dafür, dass die seit April vorliegenden Pläne zum schärferen Vorgehen gegen die Juden und ihren Besitz umgesetzt wurden.

Ungewiss ist bis heute nur, ob Hitler, der die folgenden Arisierungsverordnungen forcierte, auch den Primärbefehl für die Pogrome gab. Himmler notierte am 10. November:[41]

Als ich den Führer fragte, hatte ich den Eindruck, dass er von den Vorgängen nichts wusste. Der Befehl kommt von der Reichspropagandaleitung

Dies begünstigte die damals häufig anzutreffende Meinung, der „Führer“ habe „davon nichts gewusst“. Auch Göring versuchte dies im Nürnberger Prozess später so darzustellen. In der Nachkriegszeit beurteilten auch Historiker die Pogrome daher oft als angeblich planlose Terroraktion ohne Hitlers Einverständnis; so stellte sie auch der Hitlerbiograf und spätere Holocaustleugner David Irving dar. Hitlers Unkenntnis halten die meisten Historiker angesichts des Führerprinzips und zeitnaher Zeugenaussagen jedoch für undenkbar. Neue Untersuchungen weisen die maßgebliche Beteiligung eines „Stoßtrupp Hitler“ an den Ausschreitungen in München nach und halten die Hauptverantwortung Hitlers für unbestreitbar.[42] Reichspressechef Otto Dietrich schrieb in seinen Erinnerungen:[43]

Der schmutzige Befehl, der auch in der Partei schwere Bedenken auslöste, wurde Goebbels am Abend des 9. November in Hitlers Privatwohnung in München erteilt und wie ich aus einwandfreier Quelle erfuhr, war er von einem Wutausbruch Hitlers begleitet, als sich Hemmungen bei den mit der Durchführung betrauten Personen bemerkbar machten.

Nicht zuletzt wegen Görings Kritik an der SA blieb die „Kristallnacht“ ein einmaliges Ereignis und wurde danach nicht wiederholt.

Reaktionen aus der nichtjüdischen Bevölkerung

Die nichtjüdischen Deutschen reagierten verschieden auf die von SA und SS eingeleiteten und beaufsichtigten Pogrome. Fast überall bildeten sich rasch Mengen von meist schweigenden Schaulustigen; manche stimmten in Hetzgesänge der Ausführenden ein. Einige beteiligten sich an einigen Orten, z. B. Wien, an Zerstörungen und Plünderungen von Geschäftsauslagen. Die meisten aber wahrten Distanz.

Besonders in ländlichen Regionen und kleineren Ortschaften nahmen die in der Hitlerjugend organisierten Kinder und Jugendlichen häufig an Misshandlungen – u. a. Steinwürfen, Beschimpfungen, Anspucken, Demütigungen aller Art – teil. Während Baldur von Schirach die Pogrome eine „verbrecherische Aktion“ nannte und behauptete, die Mitglieder der HJ seien unbeteiligt gewesen, führte der Nationalsozialistische Lehrerbund ihr Mitmachen auf die wirksame Indoktrination an den Schulen zurück (siehe Erziehung im Nationalsozialismus).

Neue Synagoge Berlin, Oranienburger Straße

Die örtlichen Feuerwehren und Polizeidienststellen schützten fast überall befehlsgemäß nur die Nachbargebäude vor dem Übergreifen der gelegten Brände und ermöglichten so die ungehinderte Zerstörung jüdischen Eigentums. Nur sehr wenige Fälle von Zivilcourage sind dokumentiert: So rettete Wilhelm Krützfeld, Vorsteher des zuständigen Polizeireviers in Berlin-Mitte, die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße, indem er auf den Denkmalschutz des Gebäudes verwies, mit einigen Beamten die SA-Brandstifter verjagte und die Feuerwehr holte, die den Brand löschte. Außer einer Rüge seines Vorgesetzten geschah ihm nichts.[44]

Am Folgetag wurde in manchen Großstädten zu Massenkundgebungen aufgerufen, die die erfolgte „Sühne“ für den Mord an vom Rath feiern und die Einheit von Volk und Partei zeigen sollten. In Nürnberg nahmen daran 100.000 Bürger teil.[45] Diese „antijüdischen Demonstrationen“ erreichten jedoch nicht das von der NSDAP erwünschte Ausmaß. Die meisten Deutschen glaubten die über die staatlich gelenkten Medien verbreitete Version von der „spontanen Volkserhebung gegen die Juden“ nicht. Der Jahresbericht der Sopade (Exils-SPD) von 1938 sprach von „großer Empörung über diesen Vandalismus“ im Rheinland, in Westfalen, Bayern und Berlin. Besonders in Schlesien und Danzig habe die Bevölkerung die Exzesse scharf abgelehnt und dies auch öffentlich gezeigt.[46] Unbestätigt sind Berichte von Emigranten, wonach 300 Nichtjuden wegen Unmutsäußerungen verhaftet wurden.

Den widersprüchlichen Dokumenten gemäß bewertet die Forschung die Haltung der deutschen Bevölkerung verschieden. Manche Historiker gehen davon aus, dass sie den öffentlich gezeigten Terror überwiegend verurteilte. Andere sehen in der Passivität latente bis offene Zustimmung, die bisher unzureichend berücksichtigt worden sei.

Die Pogrome bestärkten diejenigen, die zuvor schon Gegner der NSDAP waren, in ihrer Oppositionshaltung. Für den Kreisauer Kreis unter Graf Helmuth James von Moltke waren sie ein entscheidender Anstoß für die Attentatspläne auf Hitler. Widerstandsgruppen der KPD verbreiteten in Berlin nach den Pogromen eine Ausgabe der Roten Fahne, die unter dem Titel Gegen die Schmach der Judenpogrome zur Solidarität mit allen jüdischen Mitbürgern aufrief. Die antisemitischen Ausschreitungen seien kein Ausdruck des „Volkszorns“, sondern „Ablenkung des Volkes von der vom Kapital betriebenen Kriegspolitik“.[47] Die Exilzeitschrift Sozialistische Warte des ISK bezeichnete die Pogrome in ihrer Ausgabe vom 18. November in einem mit „Repressalien!“ überschriebenen Artikel als „Tiefstand der Rechtssicherheit in irgend einem Staatswesen“ und als ein „zum Himmel schreiendes Verbrechen“.[48]

Hitler befand sich 1938 jedoch innen- und außenpolitisch auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Macht. Auch deshalb blieben breite öffentliche Proteste oder gar Widerstand gegen die Pogrome aus. Die deutsche Öffentlichkeit sah weitgehend passiv zu, wie die jüdische Minderheit in Deutschland an Leib und Leben bedroht, von Vertretern der Staatsmacht ermordet, ihrer Versammlungs- und Gebetsorte, Traditionen und Güter beraubt und erstmals massenhaft in KZs gesperrt wurde. Die meisten Bürger fürchteten die die Straßen beherrschenden Schlägerbanden der SA und SS und scheuten abweichendes Verhalten in einem totalitären Polizeistaat, in dem „Blockwarte“ und Nachbarn einen an die Gestapo ausliefern konnten.

Gegen die folgenden „Arisierungsgesetze“ wie etwa die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben ist kein Protest überliefert. Die jahrelange Propaganda gegen die „Volksschädlinge“ hatte ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Auch profitierten viele „Volksdeutsche“ davon. Aus diesen Gründen setzte sich das verbreitete Unbehagen und Entsetzen über die Brutalität des NS-Regimes nicht in Empörung und entschlossene Ablehnung seiner Politik um. Dies wurde für dessen weitere Maßnahmen entscheidend.

Reaktionen der Kirchen und einzelner Christen

Die Kirchen waren im damaligen Deutschen Reich die einzigen nicht völlig gleichgeschalteten Großorganisationen. Doch keine katholische und evangelische Kirchenleitung protestierte öffentlich dagegen, dass hier der Staat Menschen nur aufgrund ihrer angeblichen „Rasse“ tötete, enteignete und rigoros aus der Gesellschaft ausgrenzte. Als Hauptgründe dafür nennt der evangelische Kirchenhistoriker Günter Brakelmann[49]:

  • dass die meisten Pfarrer deutschnational eingestellt waren und den autoritären Führerstaat und seine Innenpolitik seit 1933 grundsätzlich bejahten;
  • dass ihr traditioneller Antijudaismus sie dem partiell deckungsgleichen ideologischen Antisemitismus der NSDAP zustimmen ließ;
  • dass sie so sehr mit der eigenen Selbsterhaltung beschäftigt waren, dass sie nicht wagten, zu protestieren, um die verbliebenen Handlungsspielräume nicht noch mehr zu gefährden.

In vorauseilendem Gehorsam hatte Kirchenführer Otto Dibelius die „nationale Revolution“ im Januar 1933 begeistert begrüßt und alles getan, was den Verdacht einer möglichen kirchlichen Systemopposition bei der Regierung zerstreuen konnte. Schon den Geschäftsboykott des 1. April 1933 hatte er als „notwendige Selbstverteidigung” gegen den angeblich übergroßen Einfluss des Judentums verteidigt. Er mahnte damals eine „humane” Ausgrenzung der Juden an, schwieg dann aber zu sämtlichen Gewalttaten und judenfeindlichen Gesetzen der Folgezeit.

Der Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs erklärte am 16. November 1938 mit Bezug auf ein Lutherzitat:[50]

Kein im christlichen Glauben stehender Deutscher kann, ohne der guten und sauberen Sache des Freiheitskampfes der deutschen Nation gegen den jüdischen antichristlichen Weltbolschewismus untreu zu werden, die staatlichen Maßnahmen gegen die Juden im Reich, insbesonder die Einziehung jüdischer Vermögenswerte bejammern. Und den maßgebenden Vertretern von Kirche und Christentum im Auslande müssen wir ernstlich zu bedenken geben, daß der Weg zur jüdischen Weltherrschaft stets über grauenvolle Leichenfelder führt.

Er rief die Geistlichen dazu auf, „ihre Verkündigung in Predigt und Seelsorge so auszurichten, daß die deutsche Seele keinen Schaden leidet und den deutschen Menschen dazu verholfen wird, daß sie ohne falsche Gewissensbeschwerung getrost alles daran setzen, eine Wiederholung der Zersetzung des Reiches durch den jüdischen Ungeist von innen her für alle Zeiten unmöglich zu machen.”

Nur einzelne Christen hörten auf ihr Gewissen und erhoben ihre Stimme gegen die systematische Verletzung der Menschenrechte. In Berlin betete der Dompropst Bernhard Lichtenberg am Abend des 9. November öffentlich für die Juden und nichtarischen Christen. Dafür wurde er der „volksfeindlichen Hetze“ angeklagt. Der württembergische Dorfpfarrer Julius von Jan aus Oberlenningen predigte am folgenden Buß- und Bettag (16. November 1938) über den vorgegebenen Bibeltext Jer 22,29 EU:[51]

Die Leidenschaften sind entfesselt, die Gebote missachtet, Gotteshäuser, die andern heilig waren, sind ungestraft niedergebrannt worden, das Eigentum der Fremden geraubt oder zerstört. Männer, die unserem deutschen Volk treu gedient haben [], wurden ins KZ geworfen, bloß weil sie einer anderen Rasse angehörten! Mag das Unrecht auch von oben nicht zugegeben werden – das gesunde Volksempfinden fühlt es deutlich, auch wo man darüber nicht zu sprechen wagt. Und wir als Christen sehen, wie dieses Unrecht unser Volk vor Gott belastet und seine Strafen über Deutschland herbeiziehen muss. […] Gott lässt seiner nicht spotten. Was der Mensch säet, wird er auch ernten!

Wenige Tage darauf ließ die NSDAP-Kreisleitung Nürtingen SA und SS aus dem dortigen Parteikreis mit Lastwagen und Omnibus zu dem „Judenknecht“ nach Oberlenningen transportieren, die den Pfarrer vor dem Pfarrhaus fast totprügelten. Danach wurde er in „Schutzhaft“ genommen.[52] Bischof Theophil Wurm leistete ihm in den folgenden Prozessen wegen „staatsfeindlicher Hetze“ Rechtsbeistand, schrieb aber zugleich an den Reichsjustizminister:[53]

Ich bestreite mit keinem Wort das Recht, das Judentum als ein gefährliches Element zu bekämpfen. […] Weil wir unserem Volk ersparen möchten, dass es später dieselben Leiden und Demütigungen über sich ergehen lassen muss, denen jetzt andere preisgegeben sind, erheben wir […] warnend unsere Hände, auch wenn wir wissen, dass man uns deshalb Judenknechte schilt und mit ähnlichem Vorgehen bedroht, wie es gegen die Juden angewandt worden ist.

Wurm vermied also, das staatliche Vorgehen Unrecht zu nennen und trat nur für die Deutschen und die Christen, nicht die Juden selber ein. Nach Kriegsende erklärte er: Er werde wohl bis an sein Lebensende nicht damit fertig werden, dass er damals geschwiegen habe.[54]

Dagegen ergriff Pfarrer Helmut Gollwitzer als Vertreter des im KZ sitzenden Martin Niemöller in Berlin-Dahlem in seiner Predigt am 16. November über Lk 3,3-14 EU Partei für die Wehrlosen und erreichte, dass seine Gemeinde die Familienangehörigen von inhaftierten Juden materiell unterstützte. Christen wie Pfarrer Albert Schmidt, der für seinen nach Sachsenhausen deportierten Kollegen jüdischer Herkunft Hans Ehrenberg gebetet hatte, kamen für ihre Solidarität selbst in das KZ.

In Freiburg im Breisgau bildete sich aufgrund der Pogrome der Freiburger Kreis mit mehreren Arbeitsgruppen und Kontakten zu Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus. Einige seiner Mitglieder verfassten eine Denkschrift, die die im christlichen Glaubensbekenntnis gesetzten Grenzen staatlicher Gewaltausübung benannte, aus dem Ersten Gebot ein Widerstandsrecht ableitete und Wirtschaftsstrukturen eines demokratischen Nachkriegsdeutschlands konzipierte.[55]

Weitere Schritte zum Holocaust

„Arisierung“

Am 10. November befahl Hitler nach Görings Aussage ihm und Goebbels, die Juden nun vollends aus der deutschen Wirtschaft auszuschließen. Die staatlichen Maßnahmen dazu wurden als „Wiederherstellung der Ordnung“ nach den angeblich „spontanen“, tatsächlich gezielt mobilisierten Pogromen zuvor ausgegeben. Um diesen Befehl umzusetzen und das weitere staatliche Vorgehen zu beraten, berief Göring eine Besprechung ein, die am 12. November im Reichsluftfahrtministerium mit über 100 Teilnehmern stattfand. Die dort beschlossenen Maßnahmen sollten alle reichsdeutschen Juden weitgehend enteignen, aus dem Kulturleben entfernen, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verbannen und zur Auswanderung zwingen. Das erklärte Ziel war, das Deutsche Reich „judenfrei“ zu machen.

Von Teilen des Sitzungsprotokolls ist eine wortgetreue Kopie erhalten. Die Bestandsaufnahme zeigte, dass ein Großteil der zerstörten „jüdischen“ Geschäftsräume und Wohnungen „Ariern“ gehörte und von Juden nur gemietet war; die Versicherungsgesellschaften mussten diese Schäden ersetzen. Allein der Glasbruch kostete annähernd drei Millionen, die gesamten Versicherungsschäden wurden auf 225 Millionen Reichsmark beziffert.[56] Daher warf Göring Heydrich vor:[57]

Mir wäre lieber gewesen, ihr hättet 200 Juden erschlagen und hättet nicht solche Werte vernichtet.“

Dann schlug er vor, den Juden des Reiches eine „Judenvermögensabgabe“ von einer Milliarde Reichsmark als „Sühneleistung“ für „die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk“ abzufordern. Die Entschädigungen der zahlungswilligen Versicherungen sollten direkt an den Staat gehen; betroffene Juden sollten leer ausgehen. Die Idee dieser kollektiven Strafsteuer für sie, die nun eine doppelte Enteignung darstellte, stammte aus Hitlers Denkschrift vom August 1936. Alle Anwesenden beschlossen Görings Vorschlag ohne Widerspruch und ohne den Zweck zu diskutieren. Göring bekräftigte diesen jedoch in einem Vermerk an den Reichsverteidigungsrat am 18. November:[58]

Sehr kritische Lage der Reichsfinanzen. Abhilfe zunächst durch die der Judenschaft auferlegte Milliarde und durch die Reichsgewinne bei der Arisierung jüdischer Unternehmen.

So mussten die die Novemberpogrome überlebenden Juden indirekt den Beginn des Zweiten Weltkriegs finanzieren, in dessen Verlauf wiederum ihre Vernichtung zum obersten Ziel wurde. Im Einzelnen ordnete Göring noch am selben Tag als „harte Sühne“ für die Juden an:

  • das Verbot von Einzelläden, Gewerbe- und Handwerksbetrieben, Versandgeschäften, Bestellkontoren,
  • das Verbot von Märkten, Messen, Ausstellungen, Werbung, Bestellannahmen,
  • das Verbot, Mitglied einer Berufsgenossenschaft zu sein.

Die Staatspolizei ordnete zudem am selben Tag an, dass

  • Juden die vom 8. bis 10. November entstandenen Schäden im Straßenbild auf eigene Kosten sofort zu beseitigen hätten;
  • ihre Versicherungsansprüche beschlagnahmte der Staat.

Die sogenannte „Sühneleistung“ oder „Judenbuße“ sollte innerhalb eines Jahres in vier Quartalsraten aufgebracht werden. Die erste Rate wurde am 15. Dezember 1938, die letzte am 15. August 1939 fällig. Jeder jüdische Bürger, der mehr als 5.000 Reichsmark Vermögen besaß, musste davon 20 Prozent an den Staat abgeben. Zugleich wurde den Juden verboten, Staatsanleihen zu verkaufen. Sie mussten die Sühneleistung also durch Verkauf von Immobilien, Schmuck, Kunstgegenständen oder Sparguthaben aufbringen. Damit sollte das Staatsdefizit kurzfristig zur Hälfte gedeckt werden. Eine zweite Durchführungsverordnung legte eine fünfte Zahlung zum 15. Dezember 1939 fest, so dass insgesamt 25 Prozent des Vermögens abgegeben werden mussten. Die Summe von insgesamt 1.126.612.495,00 Reichsmark erhöhte das damalige Steueraufkommen des Reiches von 16 auf über 17 Milliarden um gut sechs Prozent.

Goebbels verbot den Juden zudem die Teilnahme am Kulturleben, den Besuch von Theatern, Kinos, Tanzvarietees, Kabarett, Zirkus usw. Am 14. November ordnete Reichserziehungsminister Bernhard Rust die sofortige Entlassung jüdischer Schüler aus deutschen Schulen an. Von den Hochschulen waren sie zuvor schon verbannt worden. Am 28. November wurde den Regierungsbezirken erlaubt, Juden den Zutritt bestimmter Ortsbereiche zu bestimmten Zeiten zu verbieten. Sie konnten nun auch optisch für die restliche Bevölkerung „verschwinden“, noch bevor sie deportiert wurden.

Am 3. Dezember entzog eine Anordnung Himmlers allen Juden die Führerscheine und Kraftfahrzeugpapiere. Zugleich mussten sie alle Gewerbebetriebe, Grundeigentum, Vermögen, sofern noch in jüdischem Besitz, verkaufen und ihre Wertpapiere bei einer Devisenbank hinterlegen. Sie durften keinen Schmuck, Juwelen und Kunstgegenstände mehr veräußern. Damit wurde es auch wohlhabenden Juden nahezu unmöglich gemacht, noch auszuwandern. In den Folgejahren wurden diese Maßnahmen präzisiert und radikalisiert, um Juden jegliche Existenzgrundlage in Deutschland zu nehmen.

Repression, Ghettoisierung und Deportation

Am 12. November 1938 fragte Heydrich auf Görings Konferenz, was aus den enteigneten Juden werden sollte. Ihre Rentenansprüche hatte der Staat aufgehoben, auch Entschädigungen für „arisierten“ Besitz und aufgelöste Betriebe waren äußerst knapp bemessen und wurden sogleich wieder ihrer Verfügung entzogen. Hier tauchten erstmals Pläne zur Ghettoisierung auf, die nach Kriegsbeginn weiterverfolgt wurden.

Am 24. Januar 1939 erteilte Göring Heydrich zunächst den Auftrag, die „Judenfrage“ durch „Auswanderung oder Evakuierung“ zu lösen. Dazu gründete und leitete Heydrich dann die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“. Seit Kriegsbeginn machte man diese den Juden jedoch Schritt für Schritt unmöglich: Nun begann die Zwangsumsiedlung in „Judenhäuser“. Zugleich wurden die ghettoisierten Juden immer stärker in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und aus der Öffentlichkeit verbannt. Ihre Einkaufszeiten wurden außerhalb der sonst gültigen Geschäftszeiten gelegt. Ihr Ausgang wurde zeitlich begrenzt. Nach den PKWs wurden auch ihre Fahrräder, Elektrogeräte und Wollkleidung konfisziert. Die Benutzung von Straßenbahnen, Omnibussen, Telefonen, das Betreten von Krankenhäusern, der Kauf von Zeitungen, Büchern, Blumen, bestimmten Lebensmitteln wurden ihnen verboten, ihre Lebensmittelzuteilungen wurden mehrfach gesenkt. Zur öffentlichen Brandmarkung mussten sie ab dem 1. September 1941 den „Judenstern“ tragen, der schon 1938 erwogen worden war.

Wiederum am 9. November jenes Jahres erhielten tausende Juden Berlins, Frankfurt am Mains und Münchens erstmals den behördlichen Befehl, ihre Wohnungen zu räumen und sich zur Deportation an den Versammlungsplätzen und Bahnhöfen einzufinden. Diese massenhafte „Evakuierung“ in Lager war an den 1938 in die KZs Verschleppten bereits vorexerziert worden. Von nun an rollten die Züge ins Baltikum zu den dortigen Todesschwadronen, später nach Chelmno und in die noch nicht fertiggestellten Arbeits- und Vernichtungslager außerhalb der Vorkriegsgrenzen Deutschlands.

Die Verbrechen vom November 1938 waren einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Shoa an den europäischen Juden. Die Erfahrung der Machthaber, dass Massenproteste, aber auch begeisterte Massenteilnahme dagegen ausgeblieben waren, ging in Planung und Durchführung ihrer späteren Taten ein. Während sie die Diskriminierung, Drangsalierung und Deportation der deutschen Juden mit staatlichen Gesetzen und Verordnungen öffentlich fortsetzten, hielten sie ihre planmäßige Ermordung geheim und führten diese seit 1941 großenteils in annektierten polnischen Gebieten, dem „Generalgouvernement“ und „Reichskommissariat Ostland“, durch.

Umgang mit den Verbrechen nach 1945

Strafrechtliche Ahndung

Kurz nach Kriegsende hoben die Besatzungsmächte die Verjährungsfristen für Delikte wie Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Diebstahl, Brandstiftung, Sachbeschädigung und Nötigung auf. Zugleich wurden die deutschen Strafverfolgungsbehörden angewiesen, gegen Täter der Pogrome zu ermitteln und Anklage zu erheben.

Skulptur „Jüdische Opfer des Faschismus“ auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Mitte

Die Delikte der Novemberpogrome wurden tatsächlich vergleichsweise umfassend verfolgt. Die strafrechtliche Ahndung zog sich jedoch in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik noch bis 1955 hin. Dabei lässt sich an den Gerichtsverfahren eine Entwicklung zu immer milderen Urteilen und wachsenden Schwierigkeiten bei der Tataufklärung ablesen.

In einer ersten Phase bis zum Jahre 1947 war die Gerichtsbarkeit personell unterbesetzt und konnte nur eine Minderheit der Täter aburteilen, doch waren fast alle neu eingesetzten oder im Amt belassenen Richter unbelastet. Die Gerichte verwarfen die Ausrede des „Befehlsnotstandes“ unter Hinweis auf das Deutsche Beamtengesetz von 1937, das die Verweigerung eines verbrecherischen Befehls erlaubt hätte. Meist wurde der Begriff der Rädelsführerschaft vom Gericht weit ausgelegt, so dass dem SA-Führer oder NS-Amtswalter die bloße Anwesenheit am Tatort straferschwerend angerechnet wurde. Oft wurde in solchen Fällen auf „schweren Landfriedensbruch“ erkannt, der Zuchthausstrafen nach sich zog.

Während einer zweiten Phase zwischen 1948 und 1949 machte sich in der Bevölkerung ein Stimmungswandel bemerkbar. Die Entnazifizierung wurde als ungerecht empfunden und war geradezu verhasst; die Aufgabe der Vergangenheitsbewältigung wurde als weniger wichtig eingestuft, und eine „Schlussstrich-Mentalität“ war unverkennbar. Dies schlug sich in den Aussagen von Zeugen nieder, denen öfter die Bereitschaft zu objektiver Mitwirkung fehlte. Während Täter in der ersten Phase von der Anklage überrascht wurden, in Untersuchungshaft keine Möglichkeit zu Absprachen hatten und geständig waren, konnten Täter sich nun vorher absprechen und Zeugen beeinflussen. Die „Verurteilungsquote“ sank deutlich. Meist wurden SA-Führer jetzt nur wegen „einfachen Landfriedensbruchs“ zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die durchschnittliche Strafzumessung für schweren Landfriedensbruch sank in dieser Phase von 24 Monaten auf 16 Monate. Auch die Strafen für Körperverletzung oder Sachbeschädigung fielen nun deutlich milder aus.

Die dritte Phase der strafrechtlichen Ahndung der Novemberpogrome begann mit dem „Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit“, das die Bundesregierung am 31. Dezember 1949 gegen die Bedenken des Hochkommissars John Jay McCloy erließ und alle Strafen unterhalb von sechs Monaten amnestierte. Dieses politische Signal wurde von der Richterschaft, die inzwischen wieder belastete ehemalige Nationalsozialisten in ihren Reihen hatte, nicht überhört. Mehrere Verfahren wurden eingestellt, zu einer Anklageerhebung kam es deutlich seltener und lediglich die Fälle von schwerem Landfriedensbruch wurden noch regelmäßig vor Gericht abgeurteilt.

Bezeichnungen

Die Ereignisse wurden bereits 1938 von Tätern, Augenzeugen und Betroffenen sehr verschieden bezeichnet. Vor allem seit ihrem 50. Jahrestag 1988 wurde der verbreitete Begriff „(Reichs)-Kristallnacht“ zunehmend problematisiert. Die Debatte um die angemessene Bezeichnung ist offen.

Damalige Begriffe

Die in die Konzentrationslager verschleppten Opfer sprachen von der „Rath-Aktion” oder der „Mordwoche”. Victor Klemperer schrieb in sein Tagebuch von der „Grünspan-Affäre”. Walter Tausk fühlte sich an die „Bartholomäusnacht” erinnert. Viele Augenzeugen der Pogrome erinnerten sich an damals umlaufende Ausdrücke wie „Glasnacht”, „Gläserner Donnerstag” und „Kristallnacht”, die auf die an diesem Tag zersplitterten Glasfensterscheiben jüdischer Häuser anspielten. Die Zeitungen der Exil-SPD und der Untergrund-KPD nannten die Ereignisse „Judenpogrome”.

Täter der SA und HJ sprachen wie beim Röhm-Putsch von einer „Nacht der langen Messer”. Diesen Ausdruck hörten Opfer als Gerücht über eine ihnen bevorstehende Racheaktion schon im Vorfeld. Die Dienststellen des NS-Regimes und die vom Reichspropagandaministerium gelenkten Medien benutzten Propagandaausdrücke wie „Judenaktion“, „Novemberaktion“, „Vergeltungsaktion“ oder „Sonderaktion“. Die angeordneten Versammlungen des Folgetages nannten sie „antijüdische Demonstrationen“ oder „gerechte Vergeltungskundgebungen“.

Reichskristallnacht“ war jedoch anfangs kein staatliches Propagandaschlagwort. Wahrscheinlich prägte der Berliner Volksmund die Wortschöpfung „Kristallnacht“ angesichts der vielen zerbrochenen Glasfenster und Kristallleuchter jüdischer Synagogen und Geschäfte. Der Ausdruck „Reichskristallnacht“ wandte sich dann gegen die damaligen Machthaber, indem er ihren inflationären Gebrauch der Anfangssilbe „Reichs-“ mit satirischem Spott übersteigerte. Diese regimekritische Bedeutung ist nicht schriftlich belegt, wurde später aber von Zeitzeugen bestätigt. Adolf Arndt (SPD), der im November 1938 in Berlin als Rechtsanwalt tätig war, sagte in der Verjährungsdebatte des Deutschen Bundestages vom 10. März 1965:[59]

…den 8./9. November 1938, den man doch nicht, Herr Bundesjustizminister, als „sogenannte Reichskristallnacht“ bezeichnen sollte. Das ist ein blutiger Berliner Witz gewesen, weil man sich damals nicht anders zu helfen wusste.

Demnach versuchten ohnmächtige Zeitzeugen damit wenigstens privat ihre innere Empörung in grimmiger, sarkastischer Form zu äußern. Erst als der Ausdruck in der NSDAP bekannt wurde, deuteten Parteimitglieder ihn zynisch um. So sagte der Funktionär Wilhelm Börger im Juni 1939 auf dem Gautag der NSDAP in Lüneburg:[60]

Die Sache geht als Reichskristallnacht in die Geschichte ein (Beifall, Gelächter).

Der Begriff wurde also schon kurz nach seinem Entstehen von den Tätern vereinnahmt, so dass die ursprünglich gemeinte bitter-ironische Distanz gegenüber dem Staatsterror und dessen ideologischer Bemäntelung verloren ging. Deshalb konnte er – so die sich in den 1950er Jahren durchsetzende Meinung – die Ereignisse vom November 1938 nicht historisch dauerhaft bezeichnen.

Begriffe nach 1945

Briefmarke der DDR, 9. November 1963: Niemals wieder Kristallnacht

In Texten der ersten Nachkriegsjahre finden sich Ausdrücke wie „Judennacht“, „Kristallnacht“, „Novemberpogrom“, „Novembernacht“, „Pogromnacht“, „Tag der (deutschen) Scherbe“, „Reichsscherbenwoche“, „Reichskristalltag“, „(Reichs-)Kristallwoche“, „Reichstrümmertag“, „Synagogenbrand“, „Synagogensturm“, „Synagogenstürmernacht“, „Verfolgungswoche“.

In der DDR wurden die Ereignisse in der Regel „faschistische Pogromnacht“ genannt. In der Bundesrepublik setzten sich „Kristallnacht“ (Brockhaus 1952) und „Reichskristallnacht“ durch. Diese werden bis heute sowohl umgangssprachlich als auch lexikalisch verwendet, auch in anderen Ländern und unter Historikern, jedoch meist mit kritischer Distanz, angedeutet durch Anführungszeichen.

Da der Ausdruck widersprüchliche Mitbedeutungen anklingen lässt, die man nur bei Kenntnis der Begriffsentstehung versteht, stieß er schon früh besonders bei den Opfernachfahren auf Kritik und Ablehnung. So befürchtete die „Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen“ 1948 am zehnten Jahrestag der Novemberpogrome:[61]

Ehe es soweit ist, dass sich dieses falsche Wort im allgemeinen Sprachgebrauch so eingebürgert hat, dass es nicht mehr wegzubringen ist, möchten wir darauf hinweisen, welche Entstellung mit der Benutzung dieses Wortes verbunden ist. Das Wort ‚Kristallnacht’ ist nicht von den früher Verfolgten erdacht und in den Sprachgebrauch gebracht worden.

Dass es dennoch öffentlich und fachlich üblich wurde, lag auch daran, dass es die unausgesprochenen Widersprüche griffig in drei Komponenten zusammenfasste, die mitgedacht werden müssen, um den realen Charakter der Ereignisse zu begreifen:

  • „Reichs-“ als Hinweis auf das propagandistisch bemäntelte Regierungsverbrechen, das alle Bürger einbezog,
  • „Kristall-“ als ironische Beschönigung für die Zerstörung von menschlichem Glück, Leben, Eigentum, Miteinander,
  • „Nacht“ als Metapher für die politische Finsternis, die sich bis 1945 fortsetzte und ins Ungeheure steigerte.
50. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost, 1988

Seit dem 50. Jahrestag und der deutschen Wiedervereinigung 1990 intensivierte sich die Diskussion um die richtige Bezeichnung. Nun waren Entstehung und regimekritischer Sinn des Ausdrucks „Reichskristallnacht“ weithin vergessen. Damit wirkte seine Verwendung nur noch zynisch gegenüber den menschlichen Opfern und den Überlebenden, so als seien damals nur Fensterscheiben zu Bruch gegangen. So verlangte etwa Avraham Barkai 1988:[62]

’Kristallnacht’! Das funkelt, blitzt und glitzert wie bei einem Fest! Es wäre längst Zeit, daß diese böswillig-verharmlosende Bezeichnung zumindest aus der Geschichtsschreibung verschwände.

Heutige Begriffe

Politik und Medien sprechen seit einigen Jahren öfter von der „Reichspogromnacht”. Kritikern zufolge fördere diese Alternative die notwendige Vergangenheitsbewältigung nicht, sondern täusche sie eher als erledigt vor. Dass die Umbenennung nur im deutschen Sprachraum stattfand, könne den Austausch mit anderssprachiger Forschung und ausländischer Literatur erschweren.

Die Bezeichnung als „Pogrom” stellt die Aktionen lokalen und regionalen Massakern an Juden seit dem Mittelalter an die Seite, erfasst aber nicht ihre Besonderheit: ihre Organisation durch eine Staatsregierung für ein ganzes Staatsgebiet, die eine landesweite Enteignungs-, Deportations- und Vernichtungspolitik einleitete. Dies kann dazu beitragen, den Holocaust zu verharmlosen.[63]

Der dritte Wortteil fördert das historische Fehlurteil, es habe sich um die Ereignisse nur einer Nacht gehandelt. Der neue Begriff vermischt unverträgliche Bedeutungsebenen und verdeckt den ursprünglichen Sinn des älteren Begriffs als Spottwort gegen die NS-Propaganda erst recht.

Einige neuere historische Untersuchungen bevorzugen deshalb den Begriff „Novemberpogrom(e)”. Er soll mit anderen Ausdrücken verbundene emotionale Assoziationen vermeiden und so einen sachlichen Rückblick auf das Geschehen fördern. Monatsangabe und Plural deuten die längere Dauer der Ausschreitungen und ihrer folgenden KZ-Inhaftierungen an.

Gleichwohl wird „Reichskristallnacht” weiterhin gebraucht. Der Politologe Harald Schmid wies auf die Dialektik des Begriffs hin: Er sei einerseits als internationales Fachwort für Historiker unaufgebbar, andererseits verbiete sich eine distanzlose Übernahme wegen der komplexen Mitbedeutungen. Er folgerte daraus:[64]

Doch das Wort bleibt auch ein nützlicher sprachlicher Stolperstein. Denn die scheinbar bloß etymologische und semantische Kontroverse führt geradewegs zum Gespräch über die ganze NS-Vergangenheit, den kritischen Umgang mit ihr und das Bemühen um moralische Genauigkeit – auch in der heutigen Benennung politischer Verbrechen.

Kommunales Gedenken

Gedenkplatte Wittmund

Besonders in denjenigen deutschen Städten, in denen bis 1938 eine intakte Synagoge stand, wird jährlich am 9. November der Pogrome gedacht. Die Form dieser Erinnerung hat sich seit 1945 erheblich gewandelt.

Bis 1958 waren meist lokale jüdischen Gemeinden die Hauptträger der Veranstaltungen, oft unterstützt von anderen Opfergruppen wie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), gewerkschaftlichen und außerparlamentarischen Oppositionsgruppen. Sie wandten sich gemeinsam z. B. gegen neue antisemitische Tendenzen, zu langsame und mangelnde Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen und unzureichende Wiedergutmachung.

Seit 1963 wurde der 9. November in den meisten betroffenen Orten regelmäßig als Gedenktag an die „Kristallnacht” unter dem Motto „Als die Synagogen brannten” begangen. Im Vordergrund standen dabei die Gewalt und Zerstörung einer einzigen Nacht, während die folgende Deportation in KZs, „Arisierung” und die Rolle der Zuschauer vielfach kaum bedacht wurden. Bis 1973 ging die Zahl dieser Gedenkveranstaltungen und die Teilnahme daran zurück. Aktuelle politische Ereignisse wie die Studentenbewegung, der Yom-Kippur-Krieg oder der 50. Jahrestag des Hitler-Ludendorff-Putsches überschatteten das Datum.

Zum 40. Jahrestag 1978 gewann das Gedenken an die Novemberpogrome ungeahnte Popularität. Gegenüber 1973 verzehnfachte sich die Anzahl der Gedenkveranstaltungen. Die spezifisch jüdische Verfolgungsgeschichte wurde nun erheblich differenzierter wahrgenommen, erforscht und gewürdigt. Der Begriff „Reichskristallnacht” wurde kritisch hinterfragt und die historische Einordnung der Novemberpogrome als Beginn der „Endlösung” oder Etappe auf dem Weg dorthin erörtert. Auch die Haltung des damaligen Publikums als Komplizen oder schweigende Zuschauer wurde vermehrt diskutiert.

Trotz des Eklats im Bundestag 1988 fand das Datum seinen festen Platz in der kommunalen und regionalen Erinnerungskultur. Oft wird es nicht nur als Rückblick, sondern als Tag des Antirassismus begangen, bei dem aktuelle Friedenspolitik, Rechtsextremismus oder Asylpolitik thematisiert werden. Seit einigen Jahren wird auch die spezifische Lokalgeschichte genauer untersucht und in das Gedenken einbezogen: etwa indem sämtliche Namen der jeweils vor Ort ermordeten, deportierten, vertriebenen und geschädigten jüdischen Personen verlesen werden und Überlebende oder Augenzeugen ihre persönliche Geschichte erzählen.

Das Wiener Volkstheater stellt seit 1993 jährlich eine Bühne für Berichte von Zeitzeugen der Novemberpogrome zur Verfügung.[65] In München wirken Vertreter jüdischer Gemeinden und die Bürgerinitiative Gegen Vergessen – Für Demokratie bei den Gedenkfeiern zusammen.

Nationales Gedenken

Seit 1978 hat der 9. November auch auf Bundesebene den ihm gebührenden Rang als festes Erinnerungsdatum eingenommen. Ein gemeinsamer Vorstoß des Zentralrats der Juden, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Kultusministerkonferenz löste damals zahlreiche Schulveranstaltungen aus. Aktionswochen und Schweigemärsche gegen Neonazismus fanden starken Zuspruch. Alle Landesregierungen und Bundespräsident Walter Scheel beteiligten sich mit eigenen Gedenkveranstaltungen.

Der fünfzigste Jahrestag 1988 geriet jedoch zum Skandal: Bei der zentralen Gedenkfeier des Bundestages durften Repräsentanten der jüdischen Opfergruppe nur am Rande mitwirken. Heinz Galinski sollte dort nicht sprechen, weil er zuvor in der Volkskammer der DDR aufgetreten war. Die Rede des Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger wirkte in Teilen wie eine Entschuldigung der Mitläufer des Nationalsozialismus.

1990 war der 9. November zeitweise auch als deutscher Nationalfeiertag im Gespräch. Wegen des Mauerfalls von 1989 stand das Datum für den entscheidenden Durchbruch zur Wiedervereinigung. Es hätte zudem einen Bezug zu einigen historischen Ursachen der Novemberpogrome hergestellt: zur Novemberrevolution von 1918 sowie zum Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923. Darin sah eine Minderheit der Bundestagsabgeordneten eine Chance zu einer gesamtdeutschen Identität, die die Freude über die Wiedervereinigung bewusst mit der Erinnerung an den Wendepunkt zum Holocaust als tiefster Schattenseite der deutschen Geschichte verbindet.

Zum Tag der Deutschen Einheit wurde dann aber der 3. Oktober erklärt. 1996 erklärte Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar, an dem sowjetische Truppen 1945 das KZ Auschwitz-Birkenau befreiten, zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und begründete dies so:[66]

Die Erinnerung darf nie enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form der Erinnerung zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.

Für viele Gruppen und Personen, die sich mit den Folgen des Antisemitismus auseinandersetzen, wirkt der 27. Januar in der Bevölkerung bisher nicht ausreichend als Anstoß zum nationalen Gedenken der NS-Zeit. Darunter sind der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz und der Arbeitskreis „Israel und Kirche” in der EKD:[67]

Der 9. November ist durch keinen anderen Gedenktag zu ersetzen. Am 27. Januar, dem staatlichen Gedenktag, wird aller Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht. Das Gedenken der schuldig Gewordenen und ihrer Nachkommen unterscheidet sich vom Gedenken der Opfer und ihrer Nachkommen. Es muss Gewissen treffendes Gedenken sein, sonst droht die Gefahr, der eigenen Geschichte auszuweichen, indem man sich unberechtigt auf die Seite der Opfer stellt.

Historische Einordnung

Die Pogromnacht wird heute als aktionistische Radikalisierung der auch von der Parteibasis vorangetriebenen Judenvertreibung (Dieter Obst), als deren teils organisierte, teils improvisierte staatliche Zentralisierung (Rita Thalmann) oder als gezielter umfassender Angriff des Regimes auf die noch vorhandenen moralisch-ethischen Grundlagen und Reste eines rechtsstaatlichen Bewusstseins der Deutschen (Jörg Wollenberg) interpretiert. Konsens besteht darin, dass es sich um eine „Kriegserklärung an die Juden“ (Wilfred Mairgünther) handelte, die die gesamte jahrhundertelange Kultur und Religionsausübung des Judentums in Deutschland und Österreich zerstören und jede Erinnerung daran auslöschen sollte. Darin konnte jeder Zeitgenosse den Vernichtungswillen des Regimes erleben, das auf das Stillhalten der Augenzeugen setzte und diese damit zu Komplizen des kommenden Völkermords machte.

Die Synagogenzerstörung war als Auftakt der systematischen „Arisierung” ein unübersehbares Vorzeichen für die Judenvernichtung unter Kriegsbedingungen, da den enteigneten Juden jede Existenzgrundlage genommen und ihre Ghettoisierung schon gefordert worden war. Dies stellt im Rückblick das entscheidende Bindeglied zwischen der anfangs auf Verdrängung und Vertreibung, dann Enteignung und Vernichtung ausgerichteten Judenpolitik des NS-Regimes dar. So urteilt Wolfgang Benz:[68]

[…] der Pogrom […] markierte die Wende. Mit keinem andern Ereignis hat das NS-Regime so zynisch demonstriert, daß es auch auf den Schein rechtsstaatlicher Tradition nun keinen Wert mehr legte. Antisemitismus und Judenfeindschaft, wie sie als Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie schon immer propagiert worden waren, schlugen jetzt um in die primitiven Formen physischer Gewalt und Verfolgung. Die „Reichskristallnacht“ bildete den Scheitelpunkt des Wegs zur „Endlösung“, zum millionenfachen Mord an Juden aus ganz Europa.

Einzelbelege

  1. Ashkenazhouse: Reichskristallnacht – Novemberpogrome 1938
  2. Prof. Dr. Meier Schwarz: Die „Kristallnacht”-Lüge (Forschungsbericht auf shoa.de)
  3. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden (1961); Jörg Wollenberg: Die Bedeutung des Novemberpogroms innerhalb der nationalsozialistischen Judenverfolgung (1999)
  4. Emmanuel Feinermann, Rita Thalmann: Die Kristallnacht, Frankfurt am Main 1999, S. 13
  5. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938. 2000, S. 20
  6. Feinermann/Thalmann: Die Kristallnacht, S. 15
  7. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden. Kiel 1987, S. 52
  8. Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich. Göttingen 1966, S. 144
  9. Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, S. 160ff.
  10. Kurt Pätzold, Irene Runge: Kristallnacht. Zum Pogrom 1938. Köln 1988, S. 55.
  11. Feinermann/Thalmann, Die Kristallnacht S. 30
  12. Feinermann/Thalmann, Die Kristallnacht S. 16f
  13. Vincent C. Franck, Ungereimtheiten
  14. Peter Longerich: Politik der Vernichtung: eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, Piper, München 1998, ISBN 3-492-03755-0, S. 197; beruft sich auf Sybil Milton: The Expulsion of Polish Jews from Germany October 1938 to July 1939. A Documentation, in: Leo Baeck Institute Year Book 29 (1984), S. 169-199
  15. Feinermann/Thalmann, Die Kristallnacht S. 37ff
  16. Feinermann/Thalmann, Die Kristallnacht S. 76f
  17. Karl Jonca: Die Radikalisierung des Antisemitismus: Der Fall Herschel Grynszpan und die „Reichskristallnacht.“ In: Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Peter Schwarz ( Hrsg.): Deutschland zwischen Krieg und Frieden: Beiträge zur Politik und Kultur im 20. Jahrhundert, Bundeszentrale für politische Bildung 1990
  18. Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke. Waltrop 2001, S. 45f
  19. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938. S. 77
  20. Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke. S. 47f
  21. Feinermann/Thalmann, Die Kristallnacht S. 83
  22. NS-Dokument: Blitzfernschreiben Heydrichs an Heinrich Müller
  23. Jörg Wollenberg: „Niemand war dabei und keiner hat's gewusst.” Die deutsche Öffentlichkeit und die Judenverfolgung 1933-1945. München 1989, S. 22f
  24. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 154f
  25. Eberhard Röhm, Jörg Thierfelder: Juden – Christen – Deutsche. Band 3/2, Stuttgart 1995, S. 25
  26. Herbert Michaelis, Ernst Schraepler: Ursachen und Folgen des deutschen Zusammenbruchs in Dokumenten. Band 12: Das Dritte Reich. 1966, S. 585f
  27. Eugen Kogon: Der SS-Staat, S. 229ff
  28. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 112
  29. Jörg Wollenberg: „Niemand war dabei und keiner hat's gewusst”, S. 24
  30. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 110ff
  31. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 117
  32. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 137
  33. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 120
  34. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Band I, 1990, S. 46
  35. Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, S. 191
  36. Kurt Pätzold, Irene Runge: Kristallnacht. Zum Pogrom 1938, S. 33
  37. Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden, Erster Band, Lizenzausgabe der bpb, S. 33
  38. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Band I, S. 47
  39. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 138f
  40. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 136f
  41. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 140f
  42. Angela Hermann: Hitler und sein Stoßtrupp in der „Reichskristallnacht“. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), Heft 4, S. 616ff
  43. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 141
  44. Wolfgang Benz: Geschichte des Dritten Reiches S. 143f
  45. Jörg Wollenberg: „Niemand war dabei und keiner hat's gewusst”, S. 26
  46. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden, S. 165f
  47. Gruppe Magma: Die KPD und der Antisemitismus, Anmerkung 18 und Originaltext des KPD-Aufrufes
  48. Deutsche Nationalbibliothek: Deutsche Exilschriften 1938-1945 (in Suchschablone „Sozialistische Warte“, „Jahrgang 13“, „Ausgabe 46“ und „Seite 1086“ eingeben)
  49. Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke, S. 56
  50. zitiert nach „Ein Mahnwort zur Judenfrage”, Kirchliches Amtsblatt vom 24. November 1938, S. 1
  51. Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke, S. 56f
  52. Augenzeugenbericht in: Röhm/Thierfelder: Juden – Christen – Deutsche, Band 3/1, S. 69-73; Thomas Wolfes: Julius von Jan, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL) Band 18, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 752–760 (online); Julius von Jan: Im Kampfe gegen den Antisemitismus - Erlebnisse im Dritten Reich, in: Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 34 (25. August 1957) und 35 (1. September 1957)
  53. Hartmut Metzger: Kristallnacht. Stuttgart 1978, S. 50
  54. Hartmut Metzger: Kristallnacht, S. 49
  55. Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke, S. 61f
  56. Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, S. 182
  57. Hans Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938, S. 131
  58. Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden. S. 132
  59. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenografische Berichte, 4. Wahlperiode, Band 57, 170. Sitzung, S. 8553
  60. Harald Schmid: Erinnern an den „Tag der Schuld“. Das Novemberpogrom 1938 in der deutschen Geschichtspolitik, Hamburg 2001, S. 82, Anmerkung 57
  61. Harald Schmid: Sprachstreit im Novemberland Freitag 46, Die Ost-West-Wochenzeitung, 8. November 2002
  62. zitiert in: Walter H. Pehle (Hrsg.): Der Judenpogrom 1938: Von der „Reichskristallnacht” zum Völkermord. Frankfurt am Main 1988, S. 113
  63. Ashkenaz House: Kristallnacht-Definition - Reichskristallnacht – Novemberpogrome 1938
  64. Harald Schmid, Sprachstreit im Novemberland
  65. Wiener Volkstheater: Kristallnacht – Zeitzeugen berichten
  66. zitiert nachBezirksausschuss München-Maxvorstadt: Gedenktage für die Opfer des Nationalsozialismus
  67. Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau: Aufruf an die Kirchen aller Konfessionen in unserem Land. Erinnerung und Umkehr. Für einen offiziellen kirchlichen Gedenktag am 9. November
  68. Wolfgang Benz: Der Holocaust. C.H.Beck, 6. Auflage, München 2005, ISBN 3406398227, S. 26

Literatur

Zu Hintergründen und Verlauf
  • Ben Barkow; Raphael Gross; Michael Lenarz, Hrsg., Novemberpogrom 1938 : Die Augenzeugenberichte der Wiener Library, London , Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-633-54233-8
  • Lars Clausen: Die Probe der Verrohung. In: Lars Clausen: Krasser sozialer Wandel, Leske + Budrich, Opladen 1994, S. 217-227, ISBN 3-8100-1141-X
  • Hans-Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht”. Die Novemberpogrome 1938. Econ Tb. 2000, ISBN 3-612-26753-1
  • Thorsten Eitz: Reichskristallnacht. In: Georg Stötzel/Thorsten Eitz: Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hildesheim/Zürich/New York 2003 ISBN 3-487-11759-2
  • Max Eschelbacher: Der zehnte November 1938. Klartext-Verlag, Essen 2001, ISBN 3-88474-724-X
  • Emanuel Feinermann, Rita Thalmann: Die Kristallnacht. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-434-46211-2 (1. Auflage 1987)
  • Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden: Bd. 1., Die Jahre der Verfolgung: 1933 - 1939, München 1998 , ISBN 3-406-43506-8
  • Martin Gilbert, Kristallnacht: Prelude to Destruction, London 2007
  • Hermann Graml: Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich. dtv, Nördlingen 1988, ISBN 3-423-04519-1
  • Andreas Heusler, Tobias Weger: Kristallnacht. Gewalt gegen die Münchner Juden im November 1938. Buchendorfer Verlag, München 1998, ISBN 3-927984-86-8
  • Wolf-Arno Kropat: Reichskristallnacht. Wiesbaden 1997, ISBN 3-921434-18-1
  • Wilfred Mairgünther: Reichskristallnacht. Hitlers Kriegserklärung an die Juden. Neuer Malik-Verlag, Kiel 1987, ISBN 3-89029-027-2
  • Hartmut Metzger: Kristallnacht. Calwer, Stuttgart 1978, ISBN 3-7668-0608-4
  • Herbert Michaelis/Ernst Schraepler: Ursachen und Folgen des deutschen Zusammenbruchs in Dokumenten. Bd. 12: Das Dritte Reich. Dokumenten-Verlag Wendler, 1966
  • Andrea Nachama Hrsg. „Es brennt!“: antijüdischer Terror im November 1938 / [Hrsg. Stiftung Topographie des Terrors …], Stiftung Topographie des Terrors, Berlin 2008-. Katalog zu gleichnamigen Ausstellung in der Synagoge Oranienburger Strasse, berlin
  • Dieter Obst: „Reichskristallnacht”. Ursachen und Verlauf des antisemitischen Pogroms vom November 1938. Europäische Hochschulschriften, Peter Lang, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-631-43481-2
  • Kurt Pätzold, Irene Runge: Kristallnacht. Zum Pogrom 1938. Pahl-Rugenstein, Köln 1988, ISBN 3-7609-1233-8
  • Walter H. Pehle (Hrsg.): Der Judenpogrom 1938: Von der „Reichskristallnacht” zum Völkermord. Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-596-24386-6 (darin: Avraham Barkai: ‚Schicksalsjahr 1938‘. Kontinuität und Verschärfung der wirtschaftlichen Ausplünderung der deutschen Juden. S. 94-117)
  • Jerzy Tomaszewski: Auftakt zur Vernichtung. Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938. Fibre-Verlag, Osnabrück 2002, ISBN 3-929759-63-2
Zur weiteren Enteignung und Holocaustplanung
  • Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Droste Verlag, Düsseldorf 1972, ISBN 3-7700-0317-9 (S. 160 ff.: Hitlers Plan einer Judenstrafsteuer)
  • Götz Aly: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Frankfurt am Main 2005 (zur „Judenbuße”: S. 60-66), ISBN 3-10-000420-5
  • Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich. Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft Band 38, Musterschmidt-Verlag, Göttingen 1966
  • Israel Gutman, Eberhard Jäckel, Peter Longerich: Enzyklopädie des Holocaust. Argon Verlag 2002, Band 1-3, ISBN 3-87024-300-7
Zu Reaktionen aus dem In- und Ausland
  • Günter Brakelmann: Evangelische Kirche und Judenverfolgung. Drei Einblicke. Darin: Kirche und Judenpogrom 1938. Hartmut Spenner Verlag, Waltrop 2001, ISBN 3-933688-53-1
  • Wolfgang Benz: Die Geschichte des Dritten Reiches. München 2000, ISBN 3-89331-449-0
  • Helmut Gollwitzer: Dennoch bleibe ich stets an dir … Predigten aus dem Kirchenkampf 1937-40. Joachim Hoppe (Hrsg.), Kaiser-Taschenbücher 42, 1988, ISBN 3-459-01772-4
  • Hermann Graml: Effekte der „Reichskristallnacht” auf die britische und amerikanische Deutschlandpolitik. In: Zeitschrift für Geschichtsunterricht 46 (1998), S. 992-996
  • Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Frankfurt am Main 1990, Band 1, ISBN 3-596-10611-7
  • Alexander Korb: Reaktionen der deutschen Bevölkerung auf die Novemberpogrome im Spiegel amtlicher Berichte. VDM Verlag, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-8364-4823-9
  • Peter Longerich: Davon haben wir nichts gewusst! Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945. Siedler Verlag, München 2006, ISBN 3886808432
  • Eberhard Röhm/Jörg Thierfelder: Juden – Christen – Deutsche. Besonders: 1938-1941: Ausgestoßen. Calwer Verlag, Stuttgart 1995, Teilband 3/1: ISBN 3-7668-3393-6, Teilband 3/2: ISBN 3-7668-3398-7
  • Jörg Wollenberg (Hrsg.): „Niemand war dabei und keiner hat's gewusst.” Die deutsche Öffentlichkeit und die Judenverfolgung 1933-1945. Piper, München 1989, ISBN 3-492-11066-5
Zur Erinnerung und Bewältigung nach 1945
  • Dieter Obst: Die „Reichskristallnacht” im Spiegel westdeutscher Nachkriegsprozessakten und als Gegenstand der Strafverfolgung. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 44 (1993), Seite 205-217
  • Harald Schmid: Erinnern an den „Tag der Schuld“. Das Novemberpogrom 1938 in der deutschen Geschichtspolitik. Ergebnisse Verlag, Hamburg 2001, ISBN 3-87916-062-7
  • Harald Schmid: Antifaschismus und Judenverfolgung. Die „Reichskristallnacht“ als politischer Gedenktag in der DDR. V und R Unipress, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-146-7
  • Micha Brumlik, Petra Kunik: Reichspogromnacht. Vergangenheitsbewältigung aus jüdischer Sicht. Brandes + Apsel Verlags-GmbH, 2. Auflage 1988, ISBN 3925798927
Stadtgeschichten und Erfahrungsberichte
  • Erwin Leiser: Die Feuerprobe - Novemberpogrom 1938. Video eines Zeitzeugen mit Dokumentarbildern, 1999
  • Hans-Dieter Arntz: „Reichskristallnacht“. Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande - Gerichtsakten und Zeugenaussagen am Beispiel der Eifel und Voreifel, Helios-Verlag, Aachen 2008, ISBN 978-3-938208-69-4
  • Peter Guttkuhn: Es geschah (auch) in Lübeck. Der Pogrom gegen die jüdischen Mitbürger. In: Vaterstädtische Blätter, 33. Jg., Lübeck 1982.
  • Peter Guttkuhn: Als eine Welt zerbrach. Erinnerungen an die „Reichskristallnacht“ in Lübeck. In: Lübecker Nachrichten, Sonntagmorgen, 6. November 1988.
  • Andreas Heusler, Tobias Weger: Kristallnacht. Gewalt gegen die Münchner Juden im November 1938. Buchendorfer, 1998, ISBN 3927984868
  • Sven Felix Kellerhoff: Kristallnacht. Das Novemberpogrom 1938 und die Verfolgung der Berliner Juden. Berlin Story Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-929829-66-2
  • Theodor Zondek: Wo war die Scham? Ein Augenzeugenbericht vom 10. November 1938 (Berlin), in: Die ZEIT, 4. November 1988, S. 49-50.

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