O.L.A.F.

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Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, kurz OLAF nach der französischen Bezeichnung Office Européen de Lutte Anti-Fraude, ist ein Amt der Europäischen Kommission mit Sitz in Brüssel. Seine Aufgabe ist die Bekämpfung von Betrug, Korruption und allen anderen rechtswidrigen Handlungen, durch welche die finanziellen Interessen der EU geschädigt werden. Das Amt ermittelt inner- und außerhalb der europäischen Behörden; es unterstützt, koordiniert und beobachtet die Arbeit nationaler Behörden in seinem Aufgabenbereich und konzipiert die Betrugsbekämpfung der Europäischen Union. Es ist dem Kommissar für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung zugeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

OLAF wurde unter dem Eindruck einer Serie von Korruptionsaffären in der EU-Kommission (z.B. die Cresson-Affäre) auf Druck des Europaparlaments eingerichtet. Nicht zuletzt durch die Enthüllungen des Whistleblowers und damaligen EU-Beamten Paul van Buitenen waren die Unzulänglichkeiten von OLAFs Vorgängerorganisation UCLAF (Unité de coordination de la lutte anti-fraude deutsch: Dienststelle für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung) deutlich geworden. Mitglieder des Europäischen Parlamentes kritisierten bei UCLAF organisatorisches Chaos, schlecht geführte und dokumentierte Ermittlungen, unvollständige und irreführende Daten über Betrugsfälle, sowie zögerliches Vorgehen gegen EU-Bedienstete bei Korruptionsverdacht.[1] Weil UCLAF als weisungsabhängige Abteilung in der Europäischen Kommission organisiert sei und dies die Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Korruption innerhalb der EU-Institutionen behindere forderten eine Reihe von EU-Parlamentariern die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungsbehörde für Fälle von Betrug und Korruption.[2]

Durch Beschluss der EU-Kommission vom 28. April 1999 wurde daraufhin das neu konzipierte Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegründet.[3]

Stellung in der EU-Bürokratie

Anders als von einigen EU-Parlamentariern gefordert wurde das Amt nicht außerhalb der EU-Kommission angesiedelt. OLAF untersteht, soweit es nicht die Ermittlungen betrifft, dem Vizepräsidenten für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung der Europäischen Kommission Siim Kallas. Es hat den Rang einer Generaldirektion der Europäischen Kommission. OLAF arbeitet unter der Aufsicht eines Überwachungsausschusses aus fünf unabhängigen externen Experten, dessen Mitglieder vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einvernehmlich ernannt werden. Der Überwachungsausschuss soll durch regelmäßige Kontrolle der von OLAF durchgeführten Untersuchungen die Unabhängigkeit von OLAF sicherstellen. Der Überwachungsausschuss gibt von sich aus oder auf Bitte des Direktors Stellungnahmen zu den Tätigkeiten von OLAF ab; kann jedoch nicht in den Ablauf der Untersuchungen eingreifen.

Den Gründungsstatuten zufolge betreibt OLAF seine Ermittlungen unabhängig. Auch wenn keine direkte Einflussmöglichkeit der Kommission auf die Ermittlungen besteht, wäre es ihr durch die Organisationsform durchaus möglich, Druck auszuüben. In seinem Sonderbericht 2005 stellte der Europäische Rechnungshof hier keine Probleme fest: „Die Zwitterstellung des Amtes, das in seinen Untersuchungen zwar unabhängig, jedoch bezüglich seiner anderen Funktionen der Kommission unterstellt ist, hat die Unabhängigkeit der Untersuchungsfunktion nicht gefährdet“.[4] Das britische House of Lords wies in einem Bericht von November 2006 ebenfalls Behauptungen zurück, OLAF stehe der Kommission zu nahe.[5]

Interne Organisation

Zum 31. Dezember 2005 waren bei OLAF insgesamt 390 Bedienstete beschäftigt, so der Jahresbericht 2005.[6]

Der Generaldirektor

OLAF wird von einem Generaldirektor geleitet – seit 1. März 2000 ist das der deutsche Staatsanwalt Franz-Hermann Brüner, der am 14. Februar 2006 für ein zweites, fünfjähriges Mandat von EU-Kommission ernannt wurde. Diesem steht (Stand März 2006) ein eigener sechsköpfiger Stab zur Seite.[7]

Wie die Nachrichtenagentur AFP meldete, war Brüner bei der Diskussion um eine zweite Amtszeit „für das Europaparlament nur die zweite Wahl“.[8] Auch der Ministerrat bevorzugte einen anderen Kandidaten, so eine Pressemeldung der EU-Kommission.[9] Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, soll sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für ihren Landsmann eingesetzt haben.[10] Brüners Tätigkeit wurde in deutschen Medien verschieden bewertet: Während die Zeitschrift Stern den OLAF-Amtschef wiederholt kritisierte,[11][12] zog die Wochenzeitschrift Die Zeit eine eher positive Bilanz.[13]

Die Direktionen

OLAF ist in vier Hauptabteilungen, die so genannten Direktionen, gegliedert. Jede Direktion umfasst wiederum mehrere Referate:[14]

  • Direktion A Untersuchungen und operationelle Aktivitäten I
    • Referat Interne Untersuchungen – Organe der EU (A 1),
    • Referat Interne/Externe Untersuchungen – Außenstellen und Agenturen der EU (A 2),
    • Referat Direkte Ausgaben und Außenhilfe (A 3), sowie
    • Referat Außenhilfe (A 4).
  • Direktion B Untersuchungen und operationelle Aktivitäten II
    • Referat Landwirtschaft (B 1),
    • Referat Zölle I (B 2),
    • Referat Zölle 2 (B3), sowie
    • Referat Strukturpolitische Maßnahmen (B 4).
  • Direktion C Operationelle und Politische Unterstützung
    • Referat Justitielle Angelegenheiten, Rechtsberatung (C 1),
    • Referat Betrugsprävention und Intelligence (C 2),
    • Referat Amtshilfe und Intelligence (C 3),
    • Referat Operationelle Intelligence (C 4),
    • Referat Schutz des Euro (C 5)
  • Direktion D Allgemeine Angelegenheiten
    • Referat Pressesprecher, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit (D 1),
    • Referat Gesetzgebung und Rechtsangelegenheiten (D 2),
    • Referat Interinstitutionelle und Außenbeziehungen (D 3),
    • Referat Erweiterung, Ausschüsse und Berichte (D 4),
    • Referat Verwaltung und Personalwesen (D 5),
    • Referat Haushalt (D 6),
    • Referat Fortbildung, Implementierung von Programmen (D 7) und
    • Referat Informationsdienst (D 8).

Aufgaben

Die Aufgaben von OLAF umfassen:

  • die Aufdeckung und Verfolgung von Betrug im Zollbereich,
  • die Aufdeckung der missbräuchlichen Verwendung von EU-Subventionen,
  • die Aufdeckung von Steuerhinterziehung (soweit sie sich auf den EU-Haushalt auswirkt),
  • die Bekämpfung von Korruption und schwerem Fehlverhalten innerhalb der EU-Institutionen,
  • die Aufdeckung sonstiger Gesetzesverstöße, die die EU finanziell schädigen.

Insgesamt ist politisch strittig, welchen Schwerpunkt OLAF bei seinen Ermittlungen setzen soll. Während die EU-Kommission den Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Produktpiraterie und grenzüberschreitendem Steuerbetrug setzen möchte, fordert beispielsweise der österreichische sozialdemokratische EU-Abgeordnete Herbert Bösch, OLAF solle sich auf EU-interne Betrugsbekämpfung konzentrieren, berichtete das österreichische Wirtschaftsblatt Standard im Mai 2006.[15] Die Vorsitzende des OLAF-Überwachungsausschusses, des unabhängigen Kontrollgremiums der Behörde, Rosalind Wright, stellte im Oktober 2006 fest, OLAF halte das richtige Gleichgewicht zwischen internen und externen Untersuchungen.[16]

Arbeitsweise und Arbeitsbereiche

OLAF kann nur Verwaltungsuntersuchungen durchführen, so der Bericht des für OLAF zuständigen Untersuchungsausschusses an den Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments. Die Behörde kann demzufolge keine Straf- oder Disziplinarverfahren einleiten – bei ersteren ist sie auf die Justiz der Mitgliedsstaaten bei letzteren auf die entsprechenden Organe der EU angewiesen. „Sobald das OLAF eine Untersuchung abgeschlossen und den Fall an den betreffenden Mitgliedstaat übergeben hat, entzieht sich das weitere Vorgehen seinem Zugriff“ erklärte Rosalind Wright, die Vorsitzende des Ausschusses.[17] Die Effektivität von OLAF hängt demnach in hohem Maße von zwei Partnern ab, welche die Ergebnisse der Ermittlungen in förmlichen Verfahren umsetzen: Den nationalen Justizbehörden und den übrigen Behörden der EU.

Die Arbeitsbereiche von OLAF sind:

  • Eigene Ermittlungen (interne und externe Untersuchungen)
  • Unterstützung und Koordinierung anderer Ermittlungen
  • Monitoring anderer Ermittlungen
  • „Intelligence“
  • Konzipierung der Betrugsbekämpfung der EU.

OLAF ermittelt selbst sowohl bei EU-Behörden (interne Verwaltungsuntersuchung) als auch in Institutionen, die der EU nicht angehörigen (externe Verwaltungsuntersuchung). Es unterstützt die Ermittlungen anderer Behörden, indem es beispielsweise auf EU-Ebene gesammelte Informationen anbietet. Es koordiniert in grenzübergreifenden Fällen die Ermittlungen der nationalen Behörden. Beim Monitoring wird der Verlauf der Ermittlungen anderer Behörden verfolgt. Im amtsintern „Intelligence“ genannten Bereich stellt OLAF den Mitgliedsstaaten oder Drittländern multidisziplinäres Fachwissen, strategische Analysen und Risikobewertungen zur Verfügung.

Dem Jahresbericht 2005 zufolge gingen bei OLAF im Zeitraum von Juli 2004 bis 31. Dezember 2005 insgesamt 531 Hinweise auf Betrugsfälle ein. Davon wurde mehr als die Hälfte (274) als sogenannte „non cases“ aussortiert und nicht weiter bearbeitet. In 124 Fällen wurden externe Ermittlungen eingeleitet, in 40 Fällen EU-interne Ermittlungen. 42 mal wurden fremde Untersuchungen verfolgt (Monitoring), 34 mal die Ermittlungen nationaler Behörden grenzübergreifend koordiniert. 17 Mal leistete OLAF Amtshilfe in Strafsachen.[6]

Ergebnisse und Fälle

Wie die deutsche Nachrichtenagentur dpa im Juli 2006 berichtete, liefen Ende des Jahres 2005 Untersuchungen in 452 Fällen. Dabei gehe es um mögliche Schäden zu Lasten der EU-Steuerzahler in Höhe rund zwei Milliarden Euro. Im Jahr 2005 habe OLAF 203 Millionen Euro in die EU-Kassen zurückgeholt, ein Jahr davor seien es 198 Millionen Euro gewesen.[18]

Zigarettenschmuggel

Die finanziell spektakulärsten OLAF-Untersuchungen sind die Verfahren gegen Tabakkonzerne wegen Schmuggels von Zigaretten in die EU. Aufgrund der OLAF-Erkenntnisse verklagte die EU 2001 zusammen mit zehn Mitgliedsstaaten Tabak-Unternehmen vor US-Gerichten. In den ersten beiden Instanzen wurde die Klage zurückgewiesen, weil US-Gerichte keine fremden Steuern eintreiben. Die Kläger wandten sich daraufhin im Jahr 2004 an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten.[19] Der Tabakkonzern Philip Morris einigte sich 2004 gütlich mit der EU darauf – abhängig von verschiedenen Faktoren – maximal 1,25 Mrd. Dollar an die EU und zehn Mitgliedsstaaten zu zahlen.[20]

Im Zeitraum 2006 bis 2008 wurde zum Beispiel die Operation Bumerang, eine Fahndungs- und Ermittlungsoperation gegen einen europaweiten Schmuggel von Zigaretten, hinsichtlich der internationalen Koordination von OLAF unterstützt.

Die Eurostat-Affäre

Der politisch brisanteste OLAF-Fall war die Eurostat-Affäre um schwarze Kassen beim Luxemburger EU-Statistikamt, die die Kommission Prodi im Jahr 2003 in Bedrängnis brachte.

Die Tageszeitung Die Welt beschrieb in einem zusammenfassenden Artikel (19. November 2003) den Kern der Affäre. Eurostat habe seit 1989 unter seinem Direktor Yves Franchet fiktive Aufträge vergeben oder manipulierte Rechnungen ausgestellt. Diese Gelder seien über Jahre in schwarze Kassen geflossen, aus denen die Mitarbeiter teure Freizeitaktivitäten finanzierten. Die Höhe des Schadens wurde den Angaben der Zeitung zufolge im Jahr 2003 von der EU-Kommission auf 930 000 Euro geschätzt. Andere Schätzungen gingen zu diesem Zeitpunkt von bis zu 40 Millionen Euro aus.[21]

Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (vom 6. Juli 2003) übte die EU-Kommission in der Eurostat-Affäre indirekt Kritik an den Ermittlungen von OLAF. Wie die Zeitung berichtete, das Amt ermittele seit 1999 in dieser Sache, habe jedoch erst im Frühjahr 2003 habe OLAF die Justizbehörden in Frankreich und Luxemburg eingeschaltet, um die Ermittlungen weiterzuverfolgen. Die FAZ kam zu dem Schluss, dass „Olaf überfordert scheint, die Untersuchungen zügig abzuschließen“.[22]

Die Wochenzeitschrift Stern (5. Juli 2003) behauptete, die betrügerischen EU-Statistiker hätten Helfer im EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF gehabt. Dort seien seit 1998 immer wieder Hinweise eingegangen. Trotz schwerer Betrugsvorwürfe gegen Eurostat seien einschlägige Informationen bei OLAF nicht einmal ordentlich abgeheftet worden. Eine belastende Zeugenaussage sei sogar ganz verschwunden. Das Blatt berief sich in diesem Bericht auf ein internes Papier von OLAF-Juristen.[23]

In einer am 22. April 2004 angenommenen Entschließung erklärte das Europaparlament, der Fall Eurostat habe „schwerwiegende Probleme im Hinblick auf die Arbeitsmethoden sowohl der Kommission als auch von OLAF aufgezeigt“.[24]

OLAF selbst erklärte in seinem Jahresbericht 2005, es befasse sich seit dem Jahr 2000 mit Eurostat. Vier Eurostat-Fälle habe es im September 2003 und je fünf weitere Fälle in den Jahren 2004 und 2005 abgeschlossen.[6]

Beurteilung von OLAF

Das Europäische Parlament zog nach einer öffentlichen Anhörung im Juli 2005 eine positive Bilanz der ersten sechs Jahre OLAF[25] und resümierte: „Wenn es das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) nicht gäbe, müsste es erfunden werden.“ Der österreichische EU-Abgeordnete und ständige Berichterstatter für OLAF-Angelegenheiten, Herbert Bösch, stellte fest: „Wir senden an die Mitarbeiter von OLAF die klare Botschaft, dass wir ihre Arbeit anerkennen und schätzen.“ Das britische House of Lords stellte im November 2006 fest, es sei zufrieden mit dem Umfang der OLAF-Untersuchungen. Es regte an, OLAF solle einen Bericht erstellen, aus dem hervorgeht, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten die von OLAF übergebenen Untersuchungsergebnisse nutzen.[26]

Der Europäische Rechnungshof zeigte in seinem Sonderbericht über OLAF im Juli 2005 jedoch auch eine Reihe von Kritikpunkten an der Arbeit von OLAF auf:

  • Der Rechnungshof kritisierte die vom Management des Amtes ausgeübte Aufsicht als unzulänglich, dies führe zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung der Akten, zur Vorlage von wenig schlüssigen Berichten und zu schwer erkennbaren Ergebnissen.
  • Die Vorbereitung und Nachsorge der Untersuchungen seien häufig unzulänglich.
  • Mit Ausnahme des Zollsektors sei die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein Bereich, der noch erheblich verbessert werden müsse.
  • Mängel gebe es auch bei der Information über die von OLAF vorgenommenen Untersuchungen und der Messung der Ergebnisse. Als Punkte, in denen mangelhaft informiert wird, nannte der Rechnungshof die Wiedereinziehung unterschlagener Beträge oder die disziplinar- oder strafrechtlichen Sanktionen, die in Betrugsfällen verhängt wurden.
  • Es gebe keine unabhängige Kontrolle bei der Rechtmäßigkeit von laufenden OLAF-Untersuchungen und bei der Einhaltung der Grundrechte der einer Untersuchung unterworfenen Personen. Es fehle eine festgeschriebene Regelung für Untersuchungen, dies führe regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten.

Der Rechnungshof sprach sich indirekt dafür aus, die Ressourcen des Amtes auf einschlägige Ermittlungen zu konzentrieren und die OLAF übertragenen Aufgaben in diesem Sinne zu überprüfen: „Eine Neuausrichtung der Tätigkeiten des Amtes auf seine Untersuchungsfunktion würde einen besseren Ressourceneinsatz, insbesondere mit Blick auf die Einleitung gezielter Untersuchungen, in als besonders betrugsträchtig geltenden Bereichen ermöglichen.“[4]

Zum Verhältnis der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten zu OLAF schreibt Jeanne Rubner, Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung, in ihrem Buch "Brüsseler Spritzen"[27]: "Die Anti-Betrugsbehörde Olaf, die eigentlich Wachhund der Kommission sein soll, wird an der kurzen Leine gehalten." Und an anderer Stelle: "Mittelfristig jedoch liegen die Probleme weniger bei Olaf als bei den EU-Ländern. Sie sind es, die Olaf ausbremsen und den Ermittlern die Arbeit schwer machen."

OLAF und die Öffentlichkeit

Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Amtes kennzeichnete Florian Neuhann in seiner OLAF-Studie (siehe Literatur) als „eher ein Defizit“. Es sei OLAF „nicht in ausreichendem Maße gelungen, seine Politik überzeugend gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit und dem Parlament darzulegen und die Gründe für seine aktuelle Prioritätensetzung zu erläutern“. Zudem würde die Medienöffentlichkeit vom Amt eher als Gegner denn als Partner in der Betrugsbekämpfung wahrgenommen.[28] Der Sprecher von OLAF warb seinerseits für Verständnis: „Natürlich möchten die Journalisten zu einem bestimmten Thema so viele Informationen haben wie möglich. Das Amt hat jedoch die Verpflichtung, den Schutz der Grundrechte, der Rechtsnormen und der Integrität und Effizienz seiner Ermittlungen zu gewährleisten.“[29]

Das Verhältnis zwischen OLAF und den Medien wurde im März 2004 schwer belastet, als die belgische Polizei die Wohnung und das Büro des Brüsseler Stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack durchsuchte und Unterlagen beschlagnahmte. Der Korrespondent hatte wiederholt in kritischen Berichten zu OLAF interne Papiere des Amtes zitiert.[30] Der belgische Untersuchungsrichter hatte – auf Antrag von Olaf – ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen einer möglichen Korruptionsstraftat eröffnet. Ein Verfahren gegen Tillack wurde bis heute nicht eröffnet. Tillack wurde mit allen Klagen – unter anderem beim EU-Gerichtshof in Luxemburg[31] –, die er im Anschluss an die belgische Durchsuchungsaktion einlegte, abgewiesen.[32]

In dieser Sache kritisierte der Europäische Bürgerbeauftragte OLAF in einem Sonderbericht an das Europäische Parlament.[33]

Die Durchsuchungsaktion löste eine Diskussion über Pressefreiheit in der EU aus; viele Journalisten betrachteten dieses Vorgehen als Einschränkung der freien Berichterstattung.[34] Durch den Fall Tillack, so Neuhann in seiner OLAF-Studie "ließ sich in der öffentlichen Meinung ein Stimmungswechsel feststellen; seitdem stehen zuvörderst einige Journalisten dem Amt ablehnend gegenüber". Tillack selbst wurde für seine Berichte über Korruption und Missstände innerhalb der EU-Bürokratie mit dem "Leipziger Medienpreis" 2005 ausgezeichnet.[35]

Schließlich endete im November 2007 Tillacks Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit der Verurteilung Belgiens zur Zahlung von 10.000 Euro Schadensersatz wegen Verletzung der Pressefreiheit.[36]

Siehe auch

OLAF beschränkt sich in seiner Arbeit auf Straftaten, die zu Lasten der Europäischen Union gehen. Für den Kampf gegen internationale organisierte Kriminalität sind in der EU zwei andere Ämter zuständig:

Einzelnachweise

  1. Pressebericht des Europäischen Parlamentes vom 6. Oktober 1998
  2. Pressebericht des Europäischen Parlamentes vom 6. Oktober 1998
  3. Beschluss der Kommission vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)
  4. a b Sonderbericht 2005 des Europäischen Rechnungshofes zu O.L.A.F. vom 18. August 2005
  5. House of Lords: 50th Report of Session 2005–06, "Financial Management and Fraud in the European Union"
  6. a b c OLAF-Jahresbericht 2005 für den Zeitraum 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2005
  7. Der OLAF-Organisationsplan auf der Website des Amtes
  8. Brüner bleibt EU-Betrugsbekämpfer AFP-Meldung in: DIE WELT.de vom 8. Februar 2006
  9. Die Kommission ernennt den neuen Generaldirektor des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF). Pressemeldung der EU-Kommission vom 14. Februar 2006
  10. Ringen um Chef der Betrugsbekämpfer In: Der Standard online vom 6. Februar 2006
  11. Hans-Martin Tillack: Der Jäger wird zum Gejagten In: stern.de vom 11. November 2003
  12. Hans-Martin Tillack, Luisa Brandl: Der EU-Ermittler und sein verdächtiger Freund In: stern.de vom 24. März 2006
  13. Joachim Fritz-Vannahme: Ein Deutscher als Olaf-Chef In: Zeit online vom 10. Februar 2006
  14. Organigramm auf der OLAF-Homepage
  15. EU-Kommission startet Neuanlauf zur Reform der Betrugsbekämpfung OLAF. In: Der Standard, 23. Mai 2006
  16. House of Lords, 50th Report of Session 2005–06 Financial Management and Fraud in the European Union, Volume II: Evidence, Q599
  17. Rosalinde Wrights Rede vor dem Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlamentes gehalten am 21. Februar 2006
  18. EU-Betrugsermittler sind so erfolgreich wie nie zuvor dpa-Meldung in: Die Welt vom 14. Juli 2006
  19. EU-Pressemitteilung über die Verfahren gegen Tabakfirmen in den USA (engl.) vom 15. Januar 2004
  20. EU-Pressemitteilung zum Abkommen mit der Zigarettenfirma Philip Morris vom 9. Juli 2004
  21. Katja Ridderbusch: EU-Kommission geht in der Eurostat-Affäre in die Offensive In: Die Welt vom 19. November 2003
  22. Hajo Friedrich: Kommission ergreift "drastische Maßnahmen" In: FAZ vom 9. Juli 2003
  23. Hans-Martin Tillack: Bereichert euch! In: Stern vom 5. Juli 2003
  24. Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Affäre Eurostat und OLAF vom 22. April 2004
  25. Europäisches Parlament: "Support for embattled OLAF at EP hearing"
  26. House of Lords: 50th Report of Session 2005–06, "Financial Management and Fraud in the European Union"
  27. Referenz-Fehler: Ungültiger <ref>-Tag; es wurde kein Text für das Ref mit dem Namen Spritzen angegeben.
  28. Florian Neuhann: Das OLAF und die Öffentlichkeit. In: Korruption in der Europäischen Union und ihre Bekämpfung
  29. Alessandro Butticé: Informations- und Kommunikationspolitik für OLAF in: OLAF Round Table on Anti-Fraud Communication
  30. "Massiver Anschlag auf die Pressefreiheit" In: Stern vom 19. März 2004
  31. Europäisches Gericht erster Instanz, Pressemitteilung in der Rechtssache T-193/04 Tillack ./. Europäische Kommission
  32. Karen Krüger: „Stern“ verklagt Belgien In: FAZ vom 15. April 2005
  33. Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten für das EU-Parlament zum Fall Tillack vom 12. Mai 2005
  34. EFJ Tells European Commission To Keep “Hands Off” Reporter’s Files After Court Decision Presseerklärung der European Federation of Journalists (EFJ), 20. April 2005
  35. Leipziger Medienpreis für Petersen und Tillack In: Netzeitung, 6. Januar 2005
  36. Belgien muss Reporter 10.000 Euro Schadensersatz zahlen In: tagesschau.de, 27. November 2007

Literatur

  • Florian Neuhann: Im Schatten der Integration. OLAF und die Bekämpfung von Korruption in der Europäischen Union. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1479-X
  • OLAF (Hrsg.): Prévenir la fraude en informant le public: Table ronde sur la communication antfraude (französisch), 2. Aufl., OPOCE, Luxemburg 2006, ISBN 92-7900823-4
  • Dr. Hendrik Horn: Die Durchführung von Kontrollen durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Irland – Verwaltungsrecht im Spannungsfeld von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht“, Münster 2002, Mendel-Verlag, www.efa-schriften.de/band4.htm
  • Dr. Kai F. Decker: Grundrechtsschutz bei Handlungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) , Hamburg 2008, Dr. Kovac Verlag, ISBN 978-3-8300-3721-7
  • Jeanne Rubner: Brüsseler Spritzen - Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU, Verlag C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58452

Weblinks


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