OKW-Prozess

OKW-Prozess

Der Prozess Oberkommando der Wehrmacht, der sogenannte Generalsprozess, war der letzte und - praktisch zeitgleich mit dem Wilhelmstraßen-Prozess - einer der längsten der zwölf Nachfolgeprozesse gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Anklageschrift wurde 17. November 1947 eingereicht, die Verhandlungen dauerten von Februar bis Oktober 1948 (169 Tage), das Urteil wurde am 14. April 1949 verkündet. Drei Feldmarschälle, zehn Generale und ein Generaladmiral hatten sich zu verantworten. Von ihnen beging der ehemalige Befehlshaber in den Niederlanden, Generaloberst Johannes Blaskowitz, am ersten Verhandlungstag Selbstmord.

Inhaltsverzeichnis

Die Anklagepunkte

Die Anklageschrift vom 28. November 1947 umfasste Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Verbrechen wurden unterteilt in Verbrechen gegen Kriegsführende und Kriegsgefangene einerseits und Verbrechen gegen Zivilpersonen andererseits. Der gemeinsame Plan und die Verschwörung zur Begehung dieser Taten war ebenfalls ein Anklagepunkt.

Die Richter

Präsident: John C. Young, ehemaliger Präsident am Obersten Gericht des Staates Colorado, als Beisitzer fungierten Winfried Hale, Richter am Berufungsgericht des Staates Tennessee und Justin W. Harding, früherer Richter in Alaska und Hilfsgeneralstaatsanwalt des Staates Ohio, der bereits im Juristenprozess Richter gewesen war.

Der Prozess

Im Mittelpunkt des Prozesses standen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere die verbrecherischen Befehle der Wehrmachtsführung, ihre Weitergabe und Befolgung, die zu einer Vielzahl von ungeheuerlichen Kriegsverbrechen geführt hatte. Einen Schwerpunkt bildete der Kommissarbefehl von 1941, der zur Ermordung politischer Kommissare der Roten Armee führte, einen weiteren der Kommandobefehl von 1942, bei dessen Befolgung Kriegsgefangene der alliierten Streitkräfte ermordert wurden, die an den Küsten in Westen und in Griechenland als Mitglieder von Kommandounternehmen gekämpft hatten. Weitere Verhandlungsthemen waren die millionenfachen Verbrechen gegen Kriegsgefangene, hauptsächlich Soldaten der Roten Armee, und die verbrecherischen Maßnahmen der Wehrmacht gegen Zivilisten in den besetzten Gebieten, die in großer Zahl umgebracht oder in die Zwangsarbeit verschleppt wurden.

Angeklagte und Urteile

Dass der so genannte High Command Case im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch als OKW-Prozess übersetzt wurde, ist durch die Liste der Angeklagten nicht gerechtfertigt. Tatsächlich gehörten nur drei von ihnen dem Oberkommando der Wehrmacht an, die anderen waren ehemalige Truppenführer, Oberbefehlshaber von Armee- und Heeresgruppen.

In Anbetracht des vorangegangenen Freispruchs von Generalstab und OKW vom Anklagepunkt, verbrecherische Organisationen zu sein, ließen die Richter die Anklagepunkte Verbrechen gegen den Frieden und Verschwörung nicht als Belastungspunkte gelten. Eine kollektive Beschuldigung der Generalität wurde nicht zugelassen. Das Militärtribunal unterstrich sein Prinzip der individuellen Verantwortlichkeit dadurch, dass es Freisprüche gab. Der Oberbefehlshaber der Luftflotte 3, Generalfeldmarschall Hugo Sperrle und der Chef der Seestreitkräfte in Norwegen und Kommandeur der Marinegruppe Nord, Generaladmiral Otto Schniewind, wurden freigesprochen. Die Verurteilungen erfolgten wegen der Ausarbeitung von verbrecherischen Befehlen wie dem Kommissarbefehl und dem Kommandobefehl, wegen Verbrechen an Kriegsgefangenen und Zivilisten, wegen der Deportation von Zivilisten aus den besetzten Ländern zur Zwangsarbeit sowie wegen der Unterstützung der Ermordung von Juden im Osten oder der Beteiligung daran:

  • Johannes Blaskowitz, Generaloberst: Suizid am 5. Februar 1948
  • Karl-Adolf Hollidt, Generaloberst und Oberbefehlshaber der 6. Armee: 5 Jahre Haft, teilweise verbüßt; 1949 entlassen
  • Hermann Hoth, Generaloberst und Oberbefehlshaber der 4. Panzerarmee: 15 Jahre Haft, teilweise verbüßt; 1954 entlassen
  • Georg von Küchler, GeneralGeneraloberst und Befehlshaber der Heeresgruppe Nord: 20 Jahre Haft, 1951 zu 12 Jahren Haft umgewandelt; 1953 entlassen
  • Wilhelm Ritter von Leeb, Generalfeldmarschall: 3 Jahre Haft, verbüßt
  • Rudolf Lehmann, General und Chef der Rechtsabteilung des OKW: 7 Jahre Haft, teilweise verbüßt (Verteidiger: Rupprecht von Keller)
  • Hermann Reinecke, General der Infanterie und Chef des NS-Führungsstabes im OKW, als Leiter des Allgemeinen Wehrmachtsamtes für das Kriegsgefangenenwesen zuständig: Lebenslängliche Haft, teilweise verbüßt; am 1. Oktober 1954 begnadigt und entlassen
  • Georg-Hans Reinhardt, Generaloberst und Befehlshaber der Heeresgruppe Mitte: 15 Jahre Haft; im Juni 1952 entlassen
  • Karl von Roques, General der Infanterie und Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes der Heeresgruppe A: 20 Jahre Haft; verstorben am 24. Dezember 1949
  • Hans von Salmuth, Generaloberst und Oberbefehlshaber der 15. Armee: 20 Jahre Haft, 1951 zu 12 Jahren Haft umgewandelt; im Juli 1953 entlassen
  • Otto Schniewind, Generaladmiral: Freispruch
  • Hugo Sperrle, Generalfeldmarschall: Freispruch
  • Walter Warlimont, General der Artillerie und stellvertretender Chef des Wehrmachtführungsstabes: Lebenslängliche Haft, 1951 zu 18 Jahren Haft umgewandelt; im Juni 1954 entlassen
  • Otto Wöhler, General der Infanterie und Befehlshaber der Heeresgruppe Süd: 8 Jahre Haft, teilweise verbüßt; im Januar 1951 entlassen

Literatur

  • Annette Weinke: Die Nürnberger Prozesse. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53604-2
  • Jörg Friedrich: Das Gesetz des Krieges. Das deutsche Heer in Rußland 1941 - 1945. Der Prozeß gegen das Oberkommando der Wehrmacht. München 1993, ISBN 3-492-03116-1

Siehe auch


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