OWi

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Eine Ordnungswidrigkeit ist nach deutschem Recht eine Gesetzesübertretung (genau: eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung), für die das Gesetz als Ahndung nur eine Geldbuße vorsieht (§ 1 Absatz 1 des „Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten“ OWiG). Bei manchen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung kann neben dem Bußgeld auch ein Fahrverbot von maximal drei Monaten verhängt werden.

Der moderne Gesetzgeber sieht es bei leichten Rechtsverstößen als ausreichend an, nicht mit dem Mittel der Strafe zu reagieren, sondern nur mit Bußgeldern. Das gilt hauptsächlich für leichte Fälle der Gefährdung oder Beeinträchtigung von Rechtsgütern anderer Personen (z. B. Verstöße gegen die Straßenverkehrs-Ordnung), aber auch für Fälle des Ungehorsams gegenüber Verwaltungsvorschriften (z. B. die Verletzung einer Meldepflicht).

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Verhältnis zum Strafrecht

Allgemeines: Rechtssystematisch gehört das Ordnungswidrigkeitenrecht zum Strafrecht. Im Gegensatz zu den Straftaten fehlt den Ordnungswidrigkeiten aber der ethische Unwert, also die moralische Vorwerfbarkeit, obgleich ein Fehlverhalten vorliegt, welches der Gesetzgeber immerhin mit Bußgeld bzw. Fahrverbot bestraft, um dem Betroffenen sein Fehlverhalten aufzuzeigen. Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist dem Strafrecht weitgehend nachgebildet.

Rechtsanwendung: Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so hat das Strafgesetz Vorrang (§ 21 OWiG). Hat das Gericht über die Tat als Straftat rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 84 Abs. 1 OWiG). Umgekehrt steht das rechtskräftige gerichtliche Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit (nicht der Bußgeldbescheid; s. a. § 86 OWiG) grundsätzlich auch ihrer Verfolgung als Straftat entgegen (Strafklageverbrauch; § 84 Abs. 2 OWiG), jedoch kommt hier ggf. eine Wiederaufnahme zuungunsten des Betroffenen in Betracht (§ 85 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 362 StPO).

Verhältnis zur Verwaltungsvollstreckung

Rechtssetzung: Nach einem Beschluss des Rechtsausschusses des Bundesrats[1] sollen die Mittel des Ordnungswidrigkeitenrechts nur bei solchen Rechtspflichten als Sanktion eingesetzt werden, aus deren nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Erfüllung sich erhebliche Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen ergäben; im Übrigen genüge die Durchsetzung mit Mitteln des Verwaltungszwangs.

Rechtsanwendung: Verwaltungszwang kann neben einer Geldbuße (oder Strafe) angewendet werden (vgl. § 13 Abs. 6 VwVG).

Aufbau der gesetzlichen Regelung

Welche Handlungen ordnungswidrig sind, ergibt sich nur teilweise aus dem „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ (OWiG). Die allermeisten Ordnungswidrigkeiten sind in Spezialgesetzen zu bestimmten Lebensbereichen (dem sogenannten Nebenstrafrecht) geregelt.

Die weitaus bedeutendste Gruppe von Ordnungswidrigkeiten ergibt sich aus der Straßenverkehrsordnung (StVO). Aber auch zahlreiche andere Gesetze sehen die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor. So ist z. B. bei bestimmten Waren die Einfuhr ohne Einfuhrgenehmigung eine Ordnungswidrigkeit nach § 33 des Außenwirtschaftsgesetzes.

Aus dem OWiG ergeben sich die Grundzüge des Ordnungswidrigkeitenrechts, also die Regelungen, die für alle Ordnungswidrigkeiten gelten. Neben Verfahrensvorschriften sind dies vor allem Regelungen

Verfahren

Auch das Verfahren − vom ersten Verdacht über die gerichtliche oder behördliche Entscheidung bis zur Vollstreckung − ist im OWiG geregelt. Die Regelungen unterscheiden sich zum Teil deutlich vom Strafprozessrecht, insbesondere von der Strafprozessordnung (StPO):

So gilt bei der Verfolgung von Straftaten grundsätzlich das Legalitätsprinzip (Straftaten müssen verfolgt werden); im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt hingegen das Opportunitätsprinzip: die Verfolgung liegt im Ermessen der Behörde. Anlass kann eine Ordnungswidrigkeitenanzeige sein, die jedermann bei der zuständigen Behörde oder der Polizei erstatten kann.

Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann der Verdächtige verwarnt werden; dabei kann ein Verwarnungsgeld erhoben werden (geringfügig sind Ordnungswidrigkeiten, für die das Bußgeld bis 35 Euro betragen würde). Ein von der Behörde angebotenes Verwarnungsgeld wird jedoch nur wirksam, wenn es akzeptiert wird, und zwar durch Zahlung innerhalb der dafür bestimmten Frist (regelmäßig eine Woche).

Nur wenn eine Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammenfällt, ist die Staatsanwaltschaft zuständig (§ 40 OWiG). Ansonsten ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht die Staatsanwaltschaft zuständig, sondern die „Verwaltungsbehörde“ (§ 35 OWiG), an manchen Stellen im Gesetz auch „Verfolgungsbehörde“ genannt. Welche Behörde das konkret ist, ergibt sich entweder aus einer besonderen gesetzlichen Regelung oder aus § 36 OWiG. Meist ist es die für das betroffene Sachgebiet zuständige Ordnungsbehörde. Wenn die sachlich zuständige Behörde nicht handeln kann (beispielsweise am Wochenende), oder wenn es keine Spezialbehörde gibt (beispielsweise für den Straßenverkehr), dann ist die Polizei zuständig. Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde endet, und das Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft fortgeführt, wenn der Verdächtige gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegt (siehe unten), wenn also über die Einleitung eines Gerichtsverfahrens entschieden werden muss.

Soweit das OWiG keine besondere Regelung enthält, gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO) entsprechend; dabei hat die Verfolgungsbehörde dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten (§ 46 OWiG). Auch im Bußgeldverfahren sind also Durchsuchungen oder Sicherstellungen möglich. Ausgeschlossen sind hingegen Festnahmen, Verhaftungen und Zwangseinweisungen.

Auch die Polizei hat bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dieselben Rechte und Pflichten wie bei der Verfolgung von Straftaten, soweit das OWiG keine besondere Regel enthält (§ 53 OWiG). Weitreichende Grundrechtseingriffe können jedoch nur von Polizeibeamten angeordnet werden, die Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft sind (§ 53 Abs. 2 OWiG).

Eine Person, gegen die ein Bußgeldverfahren betrieben wird, heißt „Betroffener“.

Bußgeldbescheid

Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, und wenn auch keine (wirksame) Verwarnung vorliegt (z. B. weil das Verwarnungsgeld nicht rechtzeitig gezahlt wurde), dann erlässt die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid. Ein Bußgeldbescheid ist im Gegensatz zur Verwarnung mit zusätzlichen Kosten (Gebühr und Auslagen) verbunden. Erst nach Zustellung des Bußgeldbescheides haben eventuelle Beteiligte (z. B. der Geschädigte) ein Anrecht auf Akteneinsicht (nur über einen Rechtsanwalt).

Sobald der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist, kann er vollstreckt werden. Anders als Geldstrafen im Strafrecht können Bußgelder allerdings nicht in Freiheitsstrafen umgewandelt werden. Zur Beitreibung des Bußgeldes kann das zuständige Gericht gemäß § 96 OWiG Erzwingungshaft anordnen.

Rechtskraft tritt automatisch ein, wenn die Rechtsbehelfsfrist verstreicht, ohne dass ein wirksamer Rechtsbehelf erhoben wird. Der statthafte Rechtsbehelf gegen einen Bußgeldbescheid heißt Einspruch. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen, d. h. der Einspruch ist nur wirksam, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids erhoben wird.

Verfahren nach einem Einspruch

Auf den Einspruch hin kann die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurücknehmen. Andernfalls leitet sie den Vorgang weiter an die Staatsanwaltschaft, die ihn dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht bestimmt einen Termin zur Verhandlung, in der der Sachverhalt durch Beweisaufnahme geklärt und rechtlich bewertet wird. Anders als im Strafprozess muss die Staatsanwaltschaft an der Verhandlung nicht teilnehmen.

Wenn der Betroffene zu dem Gerichtstermin nicht erscheint, wird sein Einspruch verworfen und der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig (also unanfechtbar), außer der Betroffene war von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden oder ausnahmsweise ohne Verschulden an der Terminswahrnehmung gehindert.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann gegen die Entscheidung des Amtsgerichts mit der Rechtsbeschwerde das Oberlandesgericht als nächste Instanz angerufen werden. Wenn das Oberlandesgericht dies zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung für geboten hält, kann sogar der Bundesgerichtshof angerufen werden.

Wiederholte Ordnungswidrigkeiten

Einige Sanktionsnormen im deutschen Strafrecht qualifizieren die beharrliche oder wiederholte Begehung einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat. Beispiele hierfür sind:

  • beharrliche Verstöße im Reisegewerbe (Vergehen gem. §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1, 2 Nr. 2 oder 6 oder 146 Abs. 1, 148 Gewerbeordnung),
  • beharrliche Verstöße gegen die räumliche Beschränkung des Aufenthalts von Asylbewerbern (Vergehen gem. §§ 56 Abs. 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, 85 Nr. 2 Asylverfahrensgesetz).
  • beharrliche Ausübung der verbotenen Prostitution (Vergehen gem § 184d StGB, im Gegensatz zur verbotenen Ausübung der Prostitution als Ordnungswidrigkeit nach § 120 OWiG)

Ferner gilt auch bei Ordnungswidrigkeiten das Prinzip, dass ein Wiederholungsfall strenger sanktioniert wird. Beispielsweise unterscheidet der Bußgeldkatalog, der Richtlinien für die Ahndung von Verkehrsverstößen enthält, ausdrücklich zwischen Erst- und Wiederholungstätern.

Österreich

In der Republik Österreich existiert analog dem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht ein Verwaltungsstrafrecht, das durch das Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG; allgemeines Verwaltungsstrafrecht, Verfahrensrecht), das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG; Verfahrensrecht; s. § 24 Abs. 2 VStG) und zahlreiche Straftatbestände in verschiedenen Einzelgesetzen geregelt ist.

Schweiz

In der Schweiz gilt das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht Vorlage:§§/Wartung/alt-ch vom 22. März 1974.

Einzelnachweise

  1. Leitsätze zur Erforderlichkeit bußgeldrechtlicher Sanktionen, insbesondere im Verhältnis zu Maßnahmen des Verwaltungszwangs vom 2. März 1983

Weblinks

Siehe auch

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