Odrissen

Odrissen

Die Odrysen waren der größte thrakische Stamm (Völkerschaft), der etwa um 450 v. Chr. ein eigenes Reich gründete, das sich bis zur Donau und zum Strymon erstreckte. Unter König Sitalkes (440424 v. Chr.) erlebte es eine Blütezeit. Die Odrysen waren oft mit Athen verbündet. Im Jahr 341 v. Chr. geriet das Reich unter makedonische Vorherrschaft.

Odrysischer Staat im 4. Jahrhundert v. Chr.

Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich im 5. bis 1. Jahrhundert v. Chr. bis zur Windung des Flusses Tonzos (griech., heutiger Name: Tundscha) bei dem Dorf Kabile (bulg. Кабиле), am Unterlauf des Hebrus (lat., heutiger Name: Mariza in Bulgarien bzw. Evros in Griechenland). Eine der wichtigsten Städte der Odrysen war Uscudama (= Odrysia = Adrianopolis = Edirne, auf bulgarisch Odrin/Одрин). In ihrer vorrömischen Zeit war sie unter den Namen Odrysia bekannt, vermutlich in Anlehnung an den thrakischen Stamm der Odrysen oder Uscudama, und gehörte zu Thrakien. Odrysia war vom 5. bis 3. Jh. v. Ch. die Hauptstadt des Odrysenreiches.

Bereits Homer berichtet von den Odrysen. Die Odrysen haben als erster thrakischer Stamm, ein dauerhaftes Staatsgebilde gegründet - das Reich der Odrysen. Das Reichsgebiet erstreckte sich über das heutige Bulgarien, die Nordwesttürkei und nördliche Teile von Griechenland.

Herodot berichtet ebenfalls von den Odrysen, im Zusammenhang mit dem Feldzug von Dareios I. gegen die Skythen führte der persischer Herrscher sein Heer durch das Gebiet der Odrysen. In der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. gelang es den Thrakern nach der Abwehr der persischen Invasion ein thrakisches Königreich unter der Dynastie der Odrysen zu gründen. Die Odrysen waren der stärkste Stamm der Thraker.

Thukydides erwähnte ebenfalls die Odrysen und ihre politischen und militärischen Operationen.

Königreich der Odrysen

Die Odrysen hatten eine hohe Entwicklungsstufe und gute Organisation. Sie hatten gesellschaftliche und staatliche Strukturen, deren Wirken über die Grenzen ihres Stammesverbundes hinausreichten. Der größte Staatenbund der Thraker, das Reich der Odrysen, existierte von Anfang des 5. bis Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. Die erste Hauptstadt lag irgendwo am Unterlauf der Mariza. In der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. zerfiel das Reich der Odrysen in drei kleinere Allianzen. Davon bestand der Teil mit der neuen Hauptstadt Seuthopolis (im Gebiet des heutigen Kasanlak) am längsten weiter.

Thukydides schrieb, dass das Reich der Odrysen das wohlhabendste Land zwischen Adria und Schwarzem Meer sei.

Unter Teres I. (Regierungszeit 475–445 v. Chr.) reichte das Staatsgebilde bis zur Mündung der Donau und erstreckte sich überdie Einzugsgebiete der Flüsse Tundscha, Arda und Mariza und weiter nach Osten und Südosten bis ins Hinterland der griechischen Kolonien.

Teres I. wird als Gründer des Odrysenreiches angesehen. Sein Nachfolger war sein Sohn Sparadok (Regierungszeit 448–440 v. Chr.) und später dessen Bruder Sitalces (Regierungszeit 431–424 v. Chr.).

Sparadok festigte und stabilisierte den von Teres I. errichteten Staat politisch. Sitalks Name ist mit Gebietserweiterungen am Oberlauf der Struma und im Gebiet des heutigen Sofia verbunden. Das Odrysenreich erreichte während der Regierungszeit von Sitalk seine höchste Blüte.

Während der Regierungszeit von Seuthes I. (Regierungszeit 424–407 v. Chr.) änderten sich die außenpolitischen Ziele des Reiches. Es wurde das Ziel verfolgt, die Halbinsel Gallipoli zu beherrschen. Nach Seuthes I. folgten Amadok I. (407–386 v. Chr.), Seuthes II. und Cotys I. (Regierungszeit 384–358 v. Chr.). Unter Cotys I. erreichte das Odrysenreich den Höhepunktseiner Macht. Diese Macht war aber nur kurzlebig und in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. verlor das Odrysenreich seine militärpolitische Macht und wurde von sozialen und politischen Krisen erschüttert.

Cersobleptes (Regierungszeit 358–341), der Sohn und Nachfolger von Cotys I., war nicht in der Lage, die Einheit und Macht des Odrysenreiches zu erhalten. Es zerfiel und wurde unter mehreren Herrschern aufgeteilt. Die drei Nachfolger-Königreiche bestanden bis zum Aufstieg des Mazedonischen Königreiches unter Philipp II. und seinem Sohn Alexander dem Großen. Die Nachfolger-Königreiche wurden jedoch nie vollständig erobert.

Nach dem Zerfall des Odrysenreiches herrschte Cersobleptes nur noch über ein Gebiet östlich des Flusses Hebrus (lat., heutiger Name: Mariza in Bulgarien bzw. Evros in Griechenland). Das Gebiet zwischen den Flüssen Hebrus und Nestos wurde von Amadok (359–351) und später von Teres (351–341) beherrscht. Zwischen den Flüssen Nestos und Struma herrschte Berisad und später der Sohn von Cersobleptes - Ketripor.

Die zunehmende Macht der Makedonier fordert die Thraker heraus. Der Widerstand der Thraker wurde jedoch 342–339 v. Chr. gebrochen. Die Odrysen wurden von Philipp II. von Makedonien besiegt, das Odrysenreich wurde von den Makedoniern besetzt und seine Macht wurde beschnitten. 342 v. Chr. annektierte Philipp II. das Land der Thraker und nahm das Königreich der Odrysen unter seine Kontrolle. Nach dem Tod von Alexander dem Großen, dem Sohn und Nachfolger von Philipp II. wurde Thrakien von Lysimachos beherrscht.

Ein Teil der alten thrakischen Siedlungen wurde nach hellenistischem Vorbild zu Städten umgewandelt. Als wichtige Zentren bilden sich in Thrakien Philipopolis (heute Plowdiw) und später Kabile heraus. Kabile ist heute ein "archäologisches Reservat", zehn km von Jambol entfernt.

Trotz der mazedonischen Besetzung bestand das Odrysenreich und seiner Herrscherdynastie weiter. Während der Regierungszeit von Seuthes III. stabilisierte sich das Reich. Jedoch trat in der gesamten hellenistischen Welt im 3. Jahrhundert v. Chr. eine Krise ein, die sich auch in Thrakien widerspiegelte. Die Anzahl der lokalen Königreiche und der Herrscherdynastien nahm zu, die Dezentralisierung in den Staaten nahm zu. Die Schwächung der Staaten war auch verbunden mit dem Ansturm der Kelten, die die Ursache für Umsiedlungen verschiedener Stämme auf der Balkanhalbinsel waren.

In der Folge war das Schicksal des Odrysenreiches von der Expansion des Römischen Reiches bestimmt. Die thrakischen Königreiche schlossen sich zu einer Koalition zusammen, um dem Vordringen des Römischen Reiches Einhalt zu gebieten. Auch die Diplomatie spielte dabei eine wichtige Rolle.

Cotys, ein Herrscher der Odrysen, stellt freundschaftliche Beziehungen zu Philipp V. von Makedonien (238–179 v. Chr.) her und später auch mit seinem Sohn Perseus.

Sogar nach dem endgültigen Fall der griechischen Städte unter dem Expansionsdruck des Römischen Reiches im 1. Jahrhundert v. Chr. leisteten die Thraker Widerstand. Von entscheidender Bedeutung war der Dritte Mithridatische Kriege (74–63 v. Chr.). Obwohl die Römer siegten, konnten sie nur den Widerstand einzelner thrakischer Stämme und Königreiche brechen, nicht jedoch ihre dauerhafte römische Herrschaft über Thrakien sichern.

Als entscheidend für die Thraker war der Zeitraum 44–42 v. Chr., als das geschwächte Reich der Geten in fünf Teile zerfiel.

Durch die Expedition des Lucullus kamen die Odrysen unter römische Schutzherrschaft. Lucullus rückte nach Osten vor, schlug die Besser in ihren Bergen, nahm ihre Hauptstadt Uscudama ein und zwang sie, sich der römischen Oberhoheit zu fügen. Der König der Odrysen, Sadalas, und die griechischen Staedte an der Ostküste nördlich und südlich vom Balkangebirge: Istropolis, Tomoi, Kallatis, Odessos (heute Warna), Mesembria, Apollonia Pontika und andere, wurden abhängig von den Römern.

Die Aktionen der Römer führten letztendlich doch allmählich zu einer langsamen Umwandlung des thrakischen Gebietes in eine römische Provinz. Um 37 oder 38 wurde das Gebiet dem Römischen Reich unterstellt. Der römische Kaiser Tiberius setzte im Jahre 19 n. Chr. einen Gouverneur für Thrakien ein. Ein Odrysen-Stamm, der in den Ost-Rhodopen lebt, rebelliert 21 n. Chr. gegen die römischen Besatzer. 26 n. Chr. rebellierten weitere thrakische Stämme, die südlich des Balkangebirges siedelten, gegen die Römer. Im Jahre 46 n. Chr. wurde Thrakien unter Kaiser Claudius eine römische Provinz. Bei der Teilung des Römischen Reiches (395) lag Thrakien innerhalb der Grenzen des Oströmischen Reiches (Byzanz).

Siehe auch

Liste der thrakischen Stämme

Quellen

  • Hans-Dieter Zimmermann: Odrysen. In: Lexikon der Antike. VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1987.

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