Aschenbrödel

Aschenbrödel
Aschenputtel; Darstellung von Alexander Zick
Das Märchen von Aschenputtel. Zeichnung von Adrian Ludwig Richter

Das Aschenputtel, das bei Ludwig Bechstein Aschenbrödel genannt wird, ist im englischen Sprachraum als Cinderella bekannt, im französischen als Cendrillon, im spanischen als Cenicienta, im italienischen als Cenerentola, im griechischen als η σταχτοπούτα (i stachtopouta), im ungarischen Hamupipőke, im russischen als Soluschka, im tschechischen als Popelka im schwedischen als Askungen und im Polnischen als Kopciuszek. Aschenputtel ist eine im europäischen Kulturraum weit verbreitete Märchenfigur, die im deutschsprachigen Raum vor allem durch die Märchensammlung der Brüder Grimm (da Nr. 21) in Erinnerung geblieben ist. Die bekannteste Fassung neben der Variante der Brüder Grimm ist die von Charles Perrault, die den Namen Cendrillon ou La petite pantoufle de verre (Aschenputtel oder der kleine Glasschuh)[1] trägt und 1697 aufgeschrieben wurde. Diese Märchenvariante mit den in Apfelschimmel verwandelten Mäusen und dem Kürbis, der mit Hilfe der Fee zur Kutsche wird, hat maßgeblich Walt Disneys Zeichentrickfilm Cinderella geprägt, der 1950 entstand. Das Märchen gehört zu Märchentyp 510a nach Aarne und Thompson.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsangabe nach den Brüdern Grimm

Die junge Tochter eines reichen Kaufmannes wächst wohlbehütet auf, bis etwa ein halbes Jahr nach dem Tod der Mutter der Vater eine Witwe heiratet, die zwei Töchter mit ins Haus bringt. Stiefmutter und Stiefschwestern machen dem Mädchen auf alle erdenkliche Weise das Leben schwer. Weil es nicht nur gröbste Schmutzarbeit leisten sondern fortan auch in der Asche neben dem Herd schlafen muss, wird das Mädchen Aschenputtel genannt.

Als der Vater einmal zu einer fernen Messe reisen will, fragt er die drei Mädchen, was er ihnen mitbringen soll. Während die Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine verlangen, wünscht sich Aschenputtel nur ein Reis (kleiner Zweig), das dem Vater auf der Rückreise an den Hut stößt. Dieses Haselreis pflanzt Aschenputtel auf das Grab der Mutter, und es wächst zu einem Strauch (im Märchen: schöner Baum), dem Aschenputtel sein Leid klagen kann. Wenn Aschenputtel dort weint und betet, erscheint auf dem Bäumchen ein weißer Vogel, der ihm manchen Wunsch erfüllt.

Der König lässt bald darauf auf seinem Schloss ein dreitägiges Fest ausrichten, zu dem alle Jungfrauen des Landes eingeladen werden, damit sein Sohn eine Gemahlin wählen kann. Die Stiefmutter und die eitlen Stiefschwestern wollen nicht, dass Aschenputtel auch an dem Fest teilnimmt, obwohl es darum bittet. Die Stiefmutter gibt ihm stattdessen auf, Linsen aus der Asche zu lesen (auszusortieren). Dies gelingt Aschenputtel mit Hilfe der von ihm herbei gerufenen Tauben: „… die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen!“

Trotz des Lösens der gestellten Aufgabe verweigert ihm die Stiefmutter weiterhin die Teilnahme am Ball mit der Begründung, dass Aschenputtel keine geeigneten Kleider habe, und zieht mit ihren leiblichen Töchtern los. Nun eilt Aschenputtel zum Grab der Mutter. Wieder ist es der weiße Vogel, der Aschenputtel ein prächtiges Kleid und mit Seide und Silber bestickte Pantoffeln hinunter wirft.

Aschenputtel legt diese Kleidung an, läuft zum Fest und mischt sich unerkannt unter die Gäste. Der Königssohn verliebt sich in das Mädchen und möchte wissen, wer diese schöne Unbekannte ist – doch zweimal gelingt es Aschenputtel ihm zu entkommen. Beim dritten Mal verliert es einen ihrer goldenen Pantoffeln auf der Schlosstreppe, und der Verliebte lässt nach der Jungfrau suchen, der dieser Pantoffel passt, damit er sie als Braut heimführen könne. Er fragt auch Aschenputtels Vater, der jedoch seine eigene Tochter nicht wiedererkannte, obwohl er sich nach jenem Tanzabend fragte, ob es wohl Aschenputtel gewesen sein könnte.

Als erstes lässt der Königssohn auch im Haus des Vaters nachforschen. Die beiden Stiefschwestern versuchen vergebens, den zierlichen Schuh über ihre Füße zu ziehen. Auf den Rat der Mutter hin schneidet sich die erste den großen Zeh ab und die zweite die Ferse. Beim Vorbeiritt am Grab wird der Betrug jedoch beide Male durch zwei Tauben vom Haselbäumchen aufgedeckt: „Rucke di guck, rucke di guck, Blut ist im Schuck (Schuh)! Der Schuck ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim.“

Das Aschenputtel, dem als einzige der Schuh passt, wird schließlich als wahre Braut erkannt, und die Stiefschwestern erhalten ihre gerechte Strafe. Über das Schicksal der bösen Stiefmutter wird im Märchen nichts gesagt, auch nicht in der Sammlung von Ludwig Bechstein, wo das Märchen in verkürzter Form ohne gravierende Abweichungen zur Fassung der Brüder Grimm wiedergegeben wird.

Inhaltsangabe nach Perrault

Aschenputtel auf einer polnischen Briefmarke des Jahrgangs 1968

Cendrillon ist wie bei den Brüdern Grimm, die das Märchen aus mündlichen Erzählungen (recte Adaptionen von Perrault) übernommen und in ihre Sammlung aufgenommen hatten, das gedemütigte Mädchen aus erster Ehe eines Edelmannes. Das Motiv des Grabes und des Haselbäumchens fehlt bei Perrault. Stattdessen ist es eine gute Fee, eine Tante von Cendrillon, die dem schönen Mädchen hilft. Als die Stiefschwestern zum Ball wollen, darf sie Cendrillon, die die Dienste einer niederen Magd verrichten muss, nicht begleiten. In ihrer Not wendet sie sich an ihre Tante, eine zauberkundige Fee. Diese lässt Cendrillon zunächst einen Kürbis holen, den die Tante aushöhlt und mit ihrem Zauberstab in eine Kutsche verwandelt. Dasselbe macht sie mit Mäusen und Ratten aus einer Falle, sowie mit einigen Eidechsen, die sie in Apfelschimmel, einen Kutscher und Lakaien verwandelt. Als die Fee Cendrillon mit ihrem Zauberstab berührt, hat diese prächtige Kleider an. Die Fee gibt ihr auch Glaspantöffelchen (Glasschuhe), in denen Cendrillon zum Ball erscheint. Perrault brachte die Glasschuhe in die Geschichte ein, weil Glas zu seiner Zeit schwerer zu formen war als Gold und so kein Betrug möglich war. Ein entscheidendes und bei Perrault deutlicher herausgearbeitetes Motiv ist, dass Cendrillon vor Mitternacht zurückkehren muss, weil sonst der Zauber vergeht.

Cendrillon gilt als Schönste auf dem Ball und wird auch von den Stiefschwestern nicht erkannt. Am zweiten Ballabend, an dem Cendrillon noch prächtiger herausgeputzt ist, verpasst sie beinahe die Mitternacht, eilt beim ersten Glockenschlag hinaus und verliert dabei einen ihrer Glasschuhe, der sich nicht zurückverwandelt. Nun lässt der Prinz im ganzen Land bekannt geben, dass er nur das Mädchen heiraten will, dem der Schuh passt. Er beauftragt einen Höfling, die Anprobe vorzunehmen. Die beiden Stiefschwestern scheitern bei dem Versuch, während der Schuh Cendrillon passt. Sie zieht nun den zweiten Schuh aus der Tasche. In diesem Moment kommt die Fee hinzu und verwandelt Cendrillons Küchenkittel in die prächtigsten Kleider.

Eine Bestrafung der Stiefschwestern erfolgt nicht, weil ihnen Cendrillon verzeiht. Am Tag von Cendrillons Hochzeit mit dem Prinzen werden auch die Stiefschwestern mit zwei vornehmen Herren vom Hof verheiratet.

Ursprung und Fortentwicklung des Märchens

Wie auch andere Märchen, hat Aschenputtel als Archetypus eine lange Geschichte hinter sich. So finden sich die ersten Spuren im alten Ägypten (Rhodopis), dann bei den Römern, im Kaiserreich China des 9. Jahrhunderts, und in Persien v. a. Ende des 12, Jahrhunderts in den von Nezāmī verfassten Sieben Schönheiten auch genannt Die sieben Prinzessinnen finden sich Vorformulierungen des Aschenbrödel-Motivs. Erstaunlicherweise gibt es auch bei den nordamerikanischen Ureinwohnern dieses Märchenmotiv. Nach Ulf Diederichs gibt es nicht weniger als 400 zirkulierende Varianten des Märchens.

Die Wirkung und Weitererzählung des Märchenmotivs von Aschenbrödel ist literarisch vielschichtig. Insbesondere in der Literatur der deutschen, englischen, russischen und französischen Romantik und in der Literatur des international Stilgeschichte bestimmenden Symbolismus finden sich zu Aschenputtel – wie zu vielen Märchenmotiven – interessante Kombinationen und Anklänge. Insbesondere sind hier Puschkin, Novalis, Tieck, Brentano, Eichendorff, E.T.A. Hoffmann, Hans Christian Andersen, Tennyson, Wilde, Mallarmé, Maeterlinck und Hofmannsthal zu nennen. Explizit wird das Thema von Aschenbrödel z. B. bei Christian Dietrich Grabbe in dem von ihm 1835 veröffentlichten Aschenbrödel, weiter bei Robert Walser in seinem 1901 in "Die Insel" veröffentlichten Dramulett Aschenbrödel. Der russische Dichter Jewgeni Lwowitsch Schwarz schrieb in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts ein Märchenstück mit dem Titel Aschenbrödel.

Die zentralen Bilder des Märchens sind die Tauben, die Schuhe und den meisten Varianten auch die Haselnüsse bzw. der Haselnussbaum. Die Tauben sind seit der griechischen Antike die traditionellen Begleiterinnen Aphrodites. Das Bild der Nuss bzw. der geknackten Nuss gilt als Metapher vollendeter Erkenntnis – diese Bedeutung von dem Bild der Haselnuss wird z. B. in der holländischen Stillebenmalerei mit diesem Erkenntnissinn verbunden.

Reduziert und banalisiert man das Grund-Motiv des Märchens auf eine im Leben unglücklich gestellte Heldin, die auf die Liebe eines Prinzen hofft, in Kombination mit einer Moral, dass das Gute immer belohnt wird, so gibt es auch Weiterführungen von Aschenbrödel in der Trivialliteratur. So findet sich dieses in solcher Weise verengte Motiv häufig in der Trivialliteratur, wie bei der Marlitt und Hedwig Courths-Mahler.

Redewendungen

  • Ein im Volksmund häufig zitierter Satz aus dem Märchen ist Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.
  • Als Aschenputtel wird umgangssprachlich auch ein unauffälliges, farbloses junges Mädchen bezeichnet, siehe auch Mauerblümchen.

Kulturgeschichtliche Überformungen in Kunst, Literatur und Musik

Die Geschichte des Aschenputtels hat zahlreiche Dramen, Opern, eine Reihe von Werken der Bildenden Kunst und Filme inspiriert, unter anderem:

Anmerkungen

  1. "cendre" bedeutet "Asche", "pantoufle" in diesem Zusammenhang Schuh, nicht "Pantoffel" oder "Hausschuh".

Literatur

  • Münzer, Adolf: Illustrationen zu Aschenputtel - gez. von Adolf Münzer. Mainz, 1904
  • Auerbach, Alfred: Aschenbrödel - Zusatz e. Märchen in neuzeitl. Form in 4 Bildern. Leipzig, 1931
  • Aschenputtel: ein Märchenspiel nach Gebrüder Grimm für die Bühne bearbeitet von Margrit Glaser; Inszenierung Hilde Hellberg/Stadt-Theater Worms, Spielzeit: 1946/47
  • Bechstein, Ludwig: Deutsches Märchenbuch - Sämtliche Märchen. Hrsg.: Scherf, Walter. Vollständ. Ausg. nach d. Ausg. letzter Hand unter Berücksichtigung d. Erstdr. / mit Anmerk. u. e. Nachw. vers. von Walter Scherf. Mit 187 Ill. v. [Ludwig Richter]. Darmstadt, 1966
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 46-51, S. 451-452. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Ulf Diederichs: Who’s who im Märchen. Dtv 2002 ISBN 3-423-32537-2
  • Marian Roalfe Cox: Cinderella: 345 Variants of Cinderella, Catskin and Cap o’Rushes. Kraus Reprint 1967 (Referenzwerk, ohne die Varianten aus dem asiatischen Sprachraum)
  • Das Kabinett der Feen, Französische Märchen des 17. und 18. Jahrhunderts, Hrsg. Friedemar Apel und Norbert Müller, München 1984
  • Božena Němcová: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Berlin: Eulenspiegel-Verl., 2002

Deutung

  • Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen. Stuttgart, 1977. (S. 225 ff)
  • Wegehaupt, Heinz: Hundert Illustrationen aus zwei Jahrhunderten zu Märchen der Brüder Grimm. Hanau, 1986
  • Schödel, Siegfried: Märchenanalysen. Stuttgart, 1977
  • Wittmann, Ulla: Ich Narr vergaß die Zauberdinge. Märchen als Lebenshilfe für Erwachsene. Interlaken 1985. S. 214-220. (Ansata-Verlag; ISBN 3-7157-0075-0)
  • Drewermann, Eugen: Aschenputtel. Solothurn [u.a.], 1993
  • Lenz, Friedel: Bildsprache der Märchen. 8. Auflage. S. 146-159. Stuttgart, 1997. (Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH; ISBN 3-87838-148-4)
  • Delatte, Annie: Il était une fois ... six version de Cendrillon. Paris, 1997
  • Clarke, Micael M.: Brontës "Jane Eyre" and the Grimm’s Cinderel. Houston, Tex., 2000
  • La Ventafocs : adaptació d'un con de Charles Perrault /Perrault, Charles. - 1. ed. - Barcelona : Ed. Cruïlla, 2002
  • Butterwegge, Marianne: Ich und Du: märchenhafte Beziehungen im Wandel der Zeit ; eine Märchendeutung und ein Märchen. Hildesheim : Internat. Kulturwerk, 2002
  • Paust, Irene: Ziehe dein schimmerndes Kleid an, weine nicht mehr! Der Weg zum Dualpartner. Eine Interpretation des Märchens Aschenputtel nach den Brüdern Grimm. 2002
  • Mailer, Iris: Das Aschenbrödel von Moritz v. Schwind. Wien, 2003
  • Feustel, Elke: Rätselprinzessinnen und schlafende Schönheiten : Typologie und Funktionen der weiblichen Figuren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Hildesheim : Olms-Weidmann, 2004
  • Hörmann, Birgit Maria: Vergleich ausgewählter Motive in verschiedenen Fassungen von Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen, 2006
  • Geiser, Julia: Entstehungsgeschichte und Analyse von Aschenputtel von den Brüdern Grimm. 2007
  • Schütz, Margit: Warum Cenerentola nicht zum Aschenputtel-Dasein bestimmt ist. Eine Analyse von Gioacchino Antonio Rossinis "La Cenerentola". 2007
  • Christoph Hollergschwandner: Cendrillon - Ein Vergleich. 2007

Weblinks

  • Das Märchen nach den Gebrüdern Grimm als Volltext in drei Fassungen beim Gutenbergprojekt:
http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschenpu.htm
http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschenpt.htm
http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschen.htm
  • Das Märchen nach Ludwig Bechstein als Volltext beim Gutenbergprojekt:
http://gutenberg.spiegel.de/bechstei/maerchen/aschenb.htm
  • Cendrillon von Perrault
Deutscher Text beim Gutenbergprojekt
Französischer Text auf Wikisource

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