Orest

Orest
Orestes und die Erinyen (Rachegöttinnen)

Orestes (griechisch Ορέστης) ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Agamemnon und der Klytaimnestra und der Bruder der Iphigenie (Iphimede), der Chrysothemis und der Elektra (Laodike).

Inhaltsverzeichnis

Flucht vor Aigisthos

Agamemnon zog in den trojanischen Krieg und war 10 Jahre abwesend. Klytaimnestra heiratete Aigisthos, ohne eine Wiederkehr des Gatten zu erwarten. Als Agamemnon heimkehrte, ermordeten sie ihn. Aigisthos wollte auch Orestes töten. Seine Amme Geilissa oder Arsinoe oder Laodameia rettete ihn, indem sie ihm, als er die Herausgabe des Orestes forderte, seinen eigenen Sohn übergab und er so den falschen tötete. Elektra schickte nun Orestes zu Strophios, dem König von Phokis und Gatten der Anaxibia, der Schwester des Agamemnon. Dieser erzog ihn zusammen mit seinem Sohn Pylades und so wurden die beiden sehr gute Freunde.

Rache der Ermordung Agamemnons

Elektra bat Orestes, die Ermordung ihres Vaters zu rächen. So befragte Orestes acht Jahre nach der Bluttat das Orakel von Delphi, das ihm zur Rache riet. Er zog nach Mykene und gab sich als Herold des Strophios aus, der den Tod des Orestes verkünden und seine Asche nach Hause bringen soll. Nachdem er eine Locke auf dem Grab seines Vaters niedergelegt hatte, gab er sich seiner Schwester Elektra zu erkennen und tötete Aigisthos und seine Mutter Klytaimnestra. Die Söhne des Nauplios kamen Aigisthos zu Hilfe und wurden von Pylades getötet.

Sühne des Muttermordes

Die Erinyen (Rachegöttinen) seiner Mutter schlugen Orestes mit Wahnsinn und verfolgten ihn. Niemand wollte ihn aufnehmen wegen der Ermordung seiner eigenen Mutter. So musste er zum Beispiel in Troizen in einem Zelt vor dem Tempel des Apollon wohnen, weil den Einwohnern verboten war, ihn aufzunehmen, bevor er von seiner Tat gereinigt war.

Schließlich kam er nach Athen, wo seine Tat auf dem Areopag verhandelt wurde. Zwei Rechtsgüter standen sich gegenüber: Der Schutz der Mutter vor Versehrtheit und die Forderung nach Gattentreue und Mordbestrafung. Bisher war zugunsten der Mutter entschieden worden. Orestes Tat veränderte die Rechtsprechung. Um die Ermordung des Vaters durch Klytaimnestra zu rächen, tötete er seine Mutter im Auftrag Apollons. Im Prozess plädierte die Göttin der Stadt, Athene, zu seinen Gunsten. Ihre Stimme gab den Ausschlag – Orestes wurde freigesprochen.

Doch selbst jetzt ließen ihn die Erinyen nicht völlig in Ruhe. Ein Orakel weissagte ihm, er könne sich von dem Fluch nur dann vollständig erlösen, wenn er in das Land der Tauren (ein Skythen-Stamm), ginge. Dort solle er aus dem Tempel der Artemis Orthia die Götterstatue rauben und sie dem Gott Apollon (dem Bruder der Artemis) nach Griechenland bringen. Orest machte sich gemeinsam mit seinem Freund Pylades auf nach Tauris. Dort wirkte seine Schwester Iphigenie im Tempel als Priesterin der Artemis, wovon sie nichts wussten. Sitte und zudem Iphigeniens Aufgabe war es, Fremde der Göttin Artemis zu opfern.

Als nun Orest und Pylades in Tauris ankamen, sollten auch sie geopfert werden. Iphigenie erkannte jedoch in ihnen Griechen. Sie unterbreitete den Fremden ein Angebot. Sie würde nur einen der Fremden opfern, wenn der andere ihrem Bruder Orest einen Brief nach Griechenland bringe. Durch diese Bitte erkannten sich die Geschwister. Nun wollte Iphigenie sowohl ihren Bruder als auch dessen Freund Pylades retten. Sie erdachten sich folgenden Plan: Iphigenie erzählte dem Taurerkönig Thoas, dass die Artemisstatue durch Orest, der sich des Muttermords schuldig gemacht hatte, entweiht worden war. Daher müsse sie diese sowie die Opfer im Meer reinigen, wobei kein Taurer hinsehen dürfe. Als die Taurer nun aber am Meer ihre Blicke abwandten, flohen Iphigenie, Orest und Pylades mit dem Schiff nach Griechenland. Die Artemisstatue nahmen sie mit und stellten sie im Artemistempel in Brauron (in Attika) auf. Nach anderer Überlieferung brachten sie sie nach Sparta. Orest war nun endgültig geheilt.

Regentschaft des Orestes

Nun kehrte er in seine Vaterstadt Mykene zurück und übernahm die Regierung, die inzwischen entweder Aletes, der Sohn des Aigisthos, oder sein Onkel Menelaos inne hatte. Er heiratete Hermione, die Tochter von Helena und Menelaos, die zuerst mit Neoptolemos (Pyrrhos), dem Sohn des Achilleus, verheiratet war. Mit ihr wurde er der Vater des Tisamenos. Neoptolemos raubte Hermione. Orestes verfolgte ihn bis nach Delphi und tötete ihn. Orestes soll auch Erigone, die Tochter des Aigisthos, geheiratet und mit ihr den Penthilos gezeugt haben.

Als Kylarabes, der König von Argos, kinderlos verstarb, übernahm er noch diese Regentschaft. Auch als Menelaos starb, hielt man seine Kinder mit einer Nebenfrau, Nikostratos und Megapenthes, für unwürdig König von Sparta zu werden und übertrug lieber Orestes die Regierung.

Tod des Orestes

Später zog Orestes nach Arkadien und siedelte dort. In hohem Alter von 90 Jahren starb er durch den Biss einer Schlange. Er wurde in Tegea begraben. Liches, ein Spartaner, fand das Grab des Orestes in einer Schmiede auf und brachte seine Gebeine nach Sparta.

Orestes in Literatur und Musik

Aischylos hat den Orestes-Stoff in seiner Orestie behandelt, der einzigen tragischen Trilogie des perikleischen Zeitalters, die uns vollständig erhalten ist. Auch Euripides stellte Orestes in den Mittelpunkt einer seiner Tragödien. Cicero zitiert ein Stück von Marcus Pacuvius über Orestes als Beispiel für Freundschaft in seinem Werk Laelius über die Freundschaft (24.).

Georg Friedrich Händel griff in seiner Oper Oreste ebenfalls auf die Orestes-Sage zurück.

In der tragischen Oper Iphigenie auf Tauris widmet sich Christoph Willibald Gluck dem Stoff.

In Richard Strauss' Oper Elektra ist Orestes einer der Protagonisten.

Bei Johann Wolfgang von Goethe ist er eine der Hauptpersonen in seinem Drama Iphigenie auf Tauris, welches von Orestes Schwester Iphigenie handelt.

Eine moderne Bearbeitung des Mythos findet sich in Jean-Paul Sartres Les Mouches (zu deutsch Die Fliegen), welche von der britischen Independent-Band Cranes unter dem Titel La tragédie d'Oreste et Électre als experimentelles Konzeptalbum umgesetzt wurde.

Jonathan Littell nimmt in seinem Roman "Die Wohlgesinnten" Bezug auf den Orestes-Mythos.

Die US-amerikanische Heavy Metal Band Virgin Steele verarbeitete den Stoff zu ihrer Metal-Oper The House of Atreus, welche unter dem Titel Klytaimnestra oder Der Fluch der Atriden vom Landestheater Schwaben unter Walter Weyers in Memmingen 1999 uraufgeführt wurde.

A Perfect Circle veröffentlichten auf ihrem Debutalbum Mer de Noms den Titel Orestes, welcher einen nachdenklichen Orestes vor der Rache an seiner Mutter beschreibt.




Quellen

  • Apollodor, Bibliotheke, 1, 52; 2, 171; 2, 176; 5, 16; 9, 14; 9, 24; 9, 27; 9, 29.
  • Herodot, Historien, 1, 67; 9, 11.
  • Hesiod, Ehoien, 23a, 27 - 30.
  • Pausanias, Reisen in Griechenland, 1, 22, 6; 1, 28, 5; 1, 33, 8; 1, 41, 2; 2, 16, 7; 2, 17, 3; 2, 18, 5 - 6; 2, 29, 9; 2, 31, 4; 2, 31, 8 - 9; 3, 1, 5 - 6; 3, 2, 1; 3, 3, 6 - 7; 3, 11, 10, 3, 16, 7; 3, 19, 9; 3, 22, 1; 5, 4, 3; 7, 1, 7; 7, 6, 2; 7, 25, 7; 8, 3, 2; 8, 5, 1; 8, 5, 4; 8, 34, 1 -4; 8, 54, 4.
  • Strabon, Geographica, 326; 377; 383; 401; 535; 537; 582.
  • Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, 1, 111.
  • Vergil, Aeneis, 3, 331; 4, 471.

Literatur

  • Michael Grant, John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. dtv, München 2004 (18. Aufl.). ISBN 3-423-32508-9

Siehe auch

Weblinks


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