Orfiril

Orfiril
Strukturformel
Strukturformel von Valproinsäure
Allgemeines
Freiname Valproinsäure
Andere Namen

2-Propylpentansäure

Summenformel C8H16O2
CAS-Nummer 99-66-1
PubChem 3121
ATC-Code

N03AG01

DrugBank DB00313
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiepileptikum

Fertigpräparate
  • Valproat HEXAL®
  • Orfiril®
  • Convulex®
  • Ergenyl®
  • Depakine® (Österreich)
Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 144,21 g·mol−1
Siedepunkt

222 °C [1]

pKs-Wert

4,6 [1]

Löslichkeit

Wasser: 2000 mg·l−1 (20 °C) [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [2]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 61-22-36/38
S: 53-36/37/39-45
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

670 mg·kg−1 (Ratte p.o.) [1]

WGK 3 (stark wassergefährdend) [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Valproinsäure oder Valproat ist ein Arzneistoff, ein Antiepileptikum.

Inhaltsverzeichnis

Pharmakologische Eigenschaften

Valproinsäure greift an verschiedenen Strukturen an. Für seine antiepileptische Wirkung wird u. a. die Blockade von erregenden Ionenkanälen (spannungsabhängige Natrium-Kanäle und Calcium-Kanäle) sowie eine Verstärkung der Wirkung des hemmenden Neurotransmitters GABA (durch Hemmung des Abbaus von GABA und durch Aktivierung der Synthese von GABA) angenommen.

Valproinsäure gehört auch zu den Histon-Deacetylase-Inhibitoren, was ihren Einsatz in der Krebstherapie denkbar macht. Sie wirkt epigenetisch, d. h. sie greift u. a. durch Acetylierungen in das epigenetische System ein. Dadurch werden Zellen und die Aktivität einzelner Gene verändert.

Valproinsäure wird gut vom Körper aufgenommen und kann oral und intravenös verabreicht werden. Die Halbwertszeit liegt zwischen 12 und 16 Stunden. Bei gleichzeitiger Einnahme weiterer Antiepileptika wie Phenytoin oder Carbamazepin kann die Halbwertszeit auf vier bis neun Stunden sinken.

Einsatzgebiete

Zur Therapie generalisierter Formen der Epilepsie zählt Valproinsäure zu den Mitteln der ersten Wahl. Valproinsäure ist auch zur Therapie manischer Zustände bei der bipolaren Störung zugelassen.

Eine besondere Eignung besteht bei der Behandlung von Absencen, Aufwach-Grand-Mal und jugendlicher myoklonischer Epilepsie.

Nach fachkundiger Einstellung des Patienten durch den Arzt führt Valproinsäure empirisch bei über sechs von zehn Patienten zu dauerhafter Anfallsfreiheit.

Nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft kann Valproinsäure auch zur vorbeugenden Behandlung von Cluster-Kopfschmerz verwendet werden.[3]

Bei Kleinkindern darf Valproinsäure nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen, d. h. dann, wenn andere Antiepileptika nicht angewandt werden konnten. Der Grund hierfür ist die Möglichkeit eines tödlichen Leberzerfallskomas bei Kleinkindern; die Häufigkeit dieses tödlichen Ereignisses wird bei Kindern unter einem Lebensjahr auf 1:250 geschätzt.

Verträglichkeit, bekannte Nebenwirkungen

Vorteilhaft bei der Behandlung ist, dass Valproinsäure nicht sedierend wirkt und oft auch bei eventuell nicht erkannter idiopathischer generalisierter Epilepsie anschlägt. Es kann auch intravenös verabreicht werden.

Neben einigen harmloseren und vorübergehenden Nebenwirkungen kann es unter der Behandlung mit Valproinsäure zu inakzeptablen Nebenwirkungen kommen, die einen Abbruch der Behandlung erfordern:

Als häufigste Nebenwirkungen kommt es zu Schläfrigkeit, Zittern (Tremor), Ernährungsproblemen (geringer oder übermäßiger Appetit), Durchfall, übermäßiger Speichelbildung und vorübergehendem Haarausfall. Gelegentlich treten Hörstörungen, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen / Muskelhypotonie, Gangunsicherheit, übersteigerte Aktivität, Stupor, Ödembildung (Wassereinlagerungen) und Verwirrtheit auf und auch das Auftreten einer hirnorganischen Erkrankung (dosisunabhängig), seltener entwickelt sich eine chronische Erkrankung des Gehirns mit Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit (Enzephalopathie). Letzteres Phänomen ist insbesondere bei einer Langzeittherapie beobachtet worden und es geht dann oft mit vermehrten Krampfanfällen und schweren Allgemeinveränderungen im EEG einher. Bei Frauen kann es zum PCO-Syndrom kommen. Insbesondere am Behandlungsbeginn können Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit auftreten. Häufig kommt es zu einer Blutbildveränderung mit z. B. Verminderung der Blutplättchen (Thrombozytopenie), Enzyminhibition. Valprorinsäure kann zudem die Blutgerinnung beeinflussen, was zu einer erhöhten Blutungsneigung führen kann. Seltener kommt es zu einer Nierenfunktionsstörung in Form eines Fanconi-Syndroms, einer Schädigung der Leber (teils mit tödlichem Ausgang) oder der Bauchspeicheldrüse (ebenfalls mit teils tödlichem Ausgang / gehäuft beim Vorliegen von Stoffwechselstörungen und bei Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten). Bei einem Verdacht auf eine solche Störung ist das Medikament sofort abzusetzen. Dem klinischen Bild des Patienten ist hier stets mehr Bedeutung beizumessen, als den Laborbefunden, da es insbesondere bei Leber- und Bauchspeicheldrüsenschäden erst akut zu einer Verschlechterung der Blutwerte kommt.

In einer retrospektiven Untersuchung haben N. Adab et al. vom Centre for Neurology and Neurosurgery in Liverpool herausgearbeitet, dass Kinder, bei denen während der Schwangerschaft die Mutter mit dem Antiepileptikum Valproinsäure behandelt wurde, einen herabgesetzten verbalen Intelligenzquotienten (VIQ) als Nachkommen haben, die vorgeburtlich nicht mit diesem Medikament in Berührung kamen.[4]

Zudem wird diskutiert, ob pränatale Valproinsäure-Gabe zu erhöhter lokaler kortikaler Hyperkonnektivität (und damit vielleicht Autismus) führen kann.[5]

Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit

Es gibt klare Hinweise, dass ein Risiko für Missbildungen des menschlichen Fetus besteht. Frauen im gebärfähigen Alter müssen vor Beginn der Behandlung über die Konsequenzen der Behandlung auf eine Schwangerschaft informiert werden. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten dies mit ihrem Arzt besprechen, damit gegebenenfalls ein anderes Medikament gewählt werden kann. Während der Schwangerschaft sollte eine wirksame Behandlung mit Valproat jedoch nicht abgebrochen werden, da Krisen mit schweren Konsequenzen für die Mutter und den Fetus ausgelöst werden könnten. Die minimale wirksame Tagesdosis soll verabreicht und in mehrere Dosen aufgeteilt werden. Eine spezialisierte antenatale Überwachung muss vorgenommen werden, um eventuelle Neuronalrohrmissbildungen oder andere Symptome einer Missbildung zu erkennen.[6]

Einzelnachweise

  1. a b c d Valproinsäure bei ChemIDplus
  2. a b Sicherheitsdatenblatt für Valproinsäure – Merck 14.Mai 2008
  3. Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft, Therapie und Prophylaxe von Cluster Kopfschmerzen und anderen Trigemino-Autonomen Kopfschmerzen (PDF-Datei)
  4. Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry 2004; 75:1575-1583, 1517-1518
  5. Rinaldi, T. et al: Hyperconnectivity of Local Neocortical Microcircuitry Induced by Prenatal Exposure to Valproic Acid. Cerebral Cortex Advance Access published on July 17, 2007. doi:10.1093/cercor/bhm117
  6. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Convulex®; Stand der Informationen: September 2005

Weblinks

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