Oscar Fried

Oscar Fried
Oskar Fried

Oskar Fried (* 10. August 1871 in Berlin; † 5. Juli 1941 in Moskau) war ein deutscher Dirigent und Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Oskar Fried wurde 1871 als Sohn des jüdischen Kaufmannes Jérôme Fried in Berlin geboren. Er erhielt Violinunterricht beim älteren Bruder, spielte wohl auch Joseph Joachim vor. Die Gymnasialausbildung musste Fried 1880 aufgrund materieller Notlage der Familie abbrechen. Stattdessen erlernte er das Hornspiel in der Stadtpfeiferei von Nowawes bei Potsdam. Als etwa Vierzehnjähriger gab Fried den Dienst in der Stadpfeiferei auf und führte einige Jahre lang ein abenteuerliches Wanderleben, das ihn kreuz und quer durch Europa führte – als fahrender Musikant, der bei Tanzfesten und Hochzeiten aufspielte, und eine Zeit lang sogar als Hunde-Dompteur, Clown und Stallbursche bei einem Zirkus.

1889-1898

1889 wurde Fried Hornist im Palmgartenorchester in Frankfurt am Main, sammelte hier auch erste Dirigiererfahrungen und erhielt alsbald eine Stelle im Frankfurter Opernorchester. In Frankfurt studierte er 1891-92 zwei Semester bei Iwan Knorr am Hoch'schen Konservatorium und war rund drei Jahre Privatschüler und Assistent von Engelbert Humperdinck, der ihn mit den Werken Wagners bekannt machte. Aus dieser Zeit datieren erste Kompositionen (Lieder; Adagio und Scherzo für Blasinstrumente; Orchester-Fantasie über Themen aus „Hänsel und Gretel“). Nach den Frankfurter Jahren ging Fried (über den genauen Zeitpunkt sind die Quellen uneins: nach Paul Bekker 1892, nach anderen Angaben 1894) für kurze Zeit nach Düsseldorf, wo er sich zeitweise als Maler versuchte, um sich sodann in München niederzulassen. Hier fand er Kontakt zur literarischen Moderne (Frank Wedekind, Knut Hamsun, Otto Julius Bierbaum) und wurde vom Dirigenten Hermann Levi gefördert (Uraufführung der Fantasie über Themen aus „Hänsel und Gretel“). 1895 entstand die Oper „Die vernarrte Prinzeß“ (nach O. J. Bierbaum), die wegen Rechtsstreitigkeiten nie aufgeführt wurde. Aufgrund einer Wette ging der Bohémien Fried – nur ausgestattet mit knappsten finanziellen Mitteln – 1896 nach Paris, wo er zeitweise bittere Not litt.

1898-1934

1898 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in Werder (Havel) nieder. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Hundezüchter. Gleichzeitig trieb er musikalische Studien (Kontrapunkt bei Philipp Scharwenka) und komponierte. 1899 heiratete er Gusti Rathgeber, die ehemalige Frau O. J. Bierbaums. 1900 erwarb er ein Haus in Berlin-Nikolassee, wo er bis zu seiner Emigration 1934 lebte.

1901 entstand die „Verklärte Nacht“ (Richard Dehmel) für Mezzosopran, Tenor und Orchester, 1903 „Das trunkene Lied“ (Friedrich Nietzsche) für Soli, Chor und Orchester. Die Uraufführung des „Trunkenen Liedes“ am 15. April 1904 mit den Berliner Philharmonikern und dem Wagner-Verein unter Karl Muck errang einen sensationellen Erfolg und machte Fried über Nacht bekannt. Im selben Jahr komponierte er das „Erntelied“ (Richard Dehmel) für Männerchor und Orchester und wurde nach dem Erfolg eines Konzertes mit Liszts „Legende von der Heiligen Elisabeth“ Dirigent des Sternschen Gesangsvereins.

1905 begegnete er Gustav Mahler aus Anlass der Erstaufführung des „Trunkenen Liedes“ in Wien (6. März, Dirigent: Franz Schalk). Im selben Jahr übernahm Fried die Leitung der Neuen Konzerte mit den Berliner Philharmonikern und dirigierte am 8. November mit großem Erfolg eine Aufführung von Mahlers 2. Sinfonie, die auch den Komponisten tief beeindruckte. Fried und Mahler waren seither freundschaftlich verbunden.

Am 8. Oktober 1906 dirigierte Fried die Berliner Erstaufführung von Mahlers 6. Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern. Ihr sollten die Erstaufführungen der 7. Sinfonie (17. Januar 1910), von "Das Lied von der Erde" (18. Oktober 1912) und die deutsche Erstaufführung der 9. Sinfonie (4. Februar 1913) folgen.

1907 übernahm Fried die Leitung der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde in Berlin mit den Philharmonikern. 1908 wurde ihm die Leitung des Blüthner-Orchesters übertragen. 1910 führte er im Oktober in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde Arnold Schönbergs „Pelleas und Melisande“ auf – die erste Aufführung eines großen Schönberg-Werkes außerhalb Wiens. 1912 trat Fried von der Leitung der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde zurück, weil er Bestrebungen, deren auf die Moderne gerichtete Programmatik zu unterlaufen, nicht akzeptierte. Während er in Berlin fortan seltener zu erleben war, führte ihn sein Weg in den letzten Jahren vor dem Krieg mehr und mehr ins Ausland, wo er zu einem Bahnbrecher für die moderne Musik wurde. 1912 komponierte er das Melodram „Die Auswanderer“ auf Verse aus Émile Verhaerens Gedichtsammlung „Les Campagnes Hallucinées“ in der Übertragung von Stefan Zweig (Uraufführung im Januar 1913 mit Tilla Durieux als Sprecherin und den Berliner Philharmonikern). Wenig später gab er das Komponieren auf und wirkte fortan als freischaffender Dirigent.

Mit dem Zusammenbruch des Berliner Musiklebens infolge des Krieges war Fried in zunehmendem Maße auf auswärtige Gastdirigate angewiesen, die ihn durch ganz Europa führten: Manchester, Mailand, Paris, Kopenhagen, Budapest. 1916 leitete er die deutsche Erstaufführung der 4. Sinfonie von Sibelius in der Neuen freien Volksbühne Berlin. 1921 wurde er als erster ausländischer Künstler von Lenin in die UdSSR eingeladen (Beethovens 9. Sinfonie am Bolschoi-Theater) und unternahm 1924 erneut eine Konzertreise in die UdSSR, wo er auch weiterhin häufig gastierte. Das Aufblühen der Schallplattenindustrie und ein langfristiger, umfassender Vertrag banden ihn an die DGG und wieder fester an Berlin. Als erster Dirigent realisierte er 1924 die Gesamteinspielung einer Mahler-Sinfonie für die Schallplatte (2. Sinfonie, Orchester der Berliner Staatsoper). In den Jahren bis 1934 entstand vor allem mit dem Orchester der Berliner Staatsoper sein diskographisches Vermächtnis. Er übernahm 1925 die Leitung des neu gegründeten, aus dem Blüthner-Orchester hervorgegangenen Berliner Symphonie-Orchesters (einem Vorgänger des heutigen Konzerthausorchesters Berlin). Tourneen führten ihn durch Europa, in die UdSSR und nach Amerika. 1926 dirigierte Fried Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert anlässlich des Horowitz-Debuts in Europa.

1934-1941

1934 musste der Jude und Sozialist Fried emigrieren, er ging in die UdSSR und wurde Kapellmeister in Tbilissi (Tiflis) sowie Dirigent des Sinfonie-Orchesters des Allunions-Radio-Komitees in Moskau und leitete bis 1937 eine Vielzahl von Konzerten, bevor er – wahrscheinlich krankheitsbedingt – das Dirigieren aufgeben musste. Kurz vor seinem Tode am 5. Juli 1941 in Moskau erhielt er die sowjetische Staatsbürgerschaft. Eine Quelle spricht in Bezug auf seinen Tod von „merkwürdigen, bis heute nicht geklärten Umständen“.

Wirkung

Rückt Oskar Frieds Leistung als einer der herausragenden Dirigenten der ersten Jahrhunderthälfte und eines Vorkämpfers für die Moderne durch die Wiederveröffentlichung einer Reihe von Aufnahmen allmählich wieder in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit, so ist sein kompositorisches Œuvre noch weitgehend vergessen. Insbesondere die nach der Jahrhundertwende entstandenen Werke erregten seinerzeit großes Aufsehen, man sprach sogar von einem typischen „Fried-Stil“. Die Werke jener Jahre, vorab „Die Auswanderer“, das „Erntelied“, „Das trunkene Lied“ und die „Verklärte Nacht“, weisen Fried als einen Komponisten aus, der, ausgehend von der späten Romantik Wagners und beeinflusst vor allem von Gustav Mahler, eine durchaus eigene Sprache ausprägte. Sein Melodram „Die Auswanderer“ – wohl überhaupt eines der ersten Stücke für den Konzertsaal, das von einer dezidiert politisch kritischen Intention getragen ist – reflektiert aktuelle soziale Probleme und verbindet überaus suggestive Melodik mit einer Harmonik, die über weite Strecken von Ganztonkomplexen gesteuert wird. Frieds Musik dem Repertoire zurückzugewinnen, wäre Aufgabe engagierter Interpreten.

Literatur

  • Paul Bekker: Oskar Fried. Sein Werden und Schaffen. Berlin 1907
  • Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Kassel 1955
  • Peter Cahn: Das Hoch'sche Konservatorium in Frankfurt am Main (1878-1978), Frankfurt am Main: Kramer, 1979.
  • Ludwig Finscher (Hrsg.): Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Stuttgart 2002
  • Hugo Leichtentritt: Oskar Fried. Leipzig 1906
  • Monika Schwarz-Danuser: „Vom Melodram zur Sprechstimme“. Aspekte der Sprechstimme in Oskar Frieds „Die Auswanderer“. In: Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte 112/113 „Schönberg und der Sprechgesang“. München 2001
  • Paul Stefan: Oskar Fried. Das Werden eines Künstlers. Berlin 1911
  • Michael Stegemann: Ein sehr origineller und eigenartiger Patron. Manuskript einer Sendung auf NDR Radio 3 vom 20. Juli 2001

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