Osteopath

Osteopath

Osteopathie (gr. ὀστέον ostéon „Knochen“ und πάθος páthos „Leiden“) ist ein überwiegend manuelles Diagnose- und Behandlungskonzept, das auf den US-amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still (1828–1917) zurückgeht und zu den alternativmedizinischen Verfahren gezählt wird [1]. Laut Still können Störungen und Bewegungseinschränkungen der Faszien und Gelenke auch Symptome an anderen Organen und Körperregionen auslösen. Durch geeignete Grifftechniken sollen Osteopathen daher auch Probleme wie Bluthochdruck und Kopfschmerzen behandeln können.

Wissenschaftliche Nachweise einer Wirksamkeit der Osteopathie konnten bisher nicht erbracht werden.[2] Die Behauptung, mit der manipulativen Behebung von „Fehlstellungen“ der Wirbelgelenke verschiedenste von diesen „Fehlstellungen“ verursachte Krankheiten heilen zu können, widerspricht den heutigen Kenntnissen über die Anatomie, Physiologie und Pathologie des menschlichen Organismus.[3]

In den USA gibt es eine Ausbildung zum „Osteopathischen Arzt“[4] (Doctor of Osteopathic Medicine), bei der die alternativmedizinische Osteopathie nur einen geringen Teil ausmacht und die sich ansonsten an der wissenschaftlichen Medizin orientiert.

Inhaltsverzeichnis

Theorie

Still hat in seinen Publikationen die Grundlagen der osteopathischen Theorie – von ihm auch als Philosophie bezeichnet – formuliert. Er geht davon aus, dass der Körper eine Funktionseinheit bildet. Störungen in einem Bereich wirken sich auch auf andere Bereiche aus; durch die Behandlung des Knochengerüstes und des Bewegungsapparates sollen sich daher Störungen des Organismus beheben lassen. Stills vier wesentliche Grundannahmen sind:

  • Die Rolle der Arterie ist essentiell.
  • Der Körper ist eine Funktionseinheit.
  • Die Funktion bestimmt die Körperstruktur und umgekehrt.
  • Der Körper besitzt die Fähigkeit zur Selbstregulierung.

Nach Still hängen alle Körperfunktionen von der Ver- und Entsorgung durch das Gefäß- und Nervensystem ab. Arterienverkalkung, blockierte Gelenke oder verspannte Muskeln können die Versorgung des Körpers durch den Blutkreislauf und das Lymphsystem behindern und führen zu Symptomen.

Bei Störungen der Versorgung wird der Körper laut Still versuchen, dies zu kompensieren. Der Osteopath kann nach seiner Theorie mit den Händen die „Grundspannung“ von Muskeln, Knochen und Gelenken feststellen und so gestörte Funktionen erkennen.

Nach Auffassung Stills heilt sich der Körper bei Störungen grundsätzlich selbst, und es ist nicht möglich, ihn von außen zu heilen. Die Osteopathie soll die Selbstheilungskräfte aktivieren und fördern.[5].

Behandlung

Der Osteopath verwendet unter Berücksichtigung der osteopathischen Prinzipien u.a. folgende Techniken:

  • Strain/Counterstrain – positional release
  • Muskel-Energie-Techniken (MET) (siehe zum Prinzip einiger MET auch: Postisometrische Relaxation)
  • Faszien - Release - Techniken
  • HVLA-Techniken („high velocity, low amplitude“, also kleine schnelle Bewegungen; Syn: Thrust, Impulstechnik, Manipulation)
  • Viszerale Techniken (zur Behandlung u.a. von Gleitbewegungen innerer Organe, auch „viszerale Osteopathie“ genannt).
  • Osteopathie im cranialen Bereich (Cranio-Sacral-Therapie). Diese Methode geht auf Stills Schüler W.G. Sutherland zurück, der das Konzept in den 1930ern und 1940ern entwickelte. Die Ausbildungsrichtlinien hierin und die offiziellen Arbeitshypothesen hierzu werden innerhalb der American Osteopathic Association (AOA) durch die Sutherland Cranial Teaching Foundation (SCTF) definiert.

Geschichte

Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still (1828 – 1917) begründete vor über 130 Jahren die Osteopathie. Der aus Schottland stammende Mediziner John Martin Littlejohn (1866-1947) übertrug Andrew Taylor Stills vorwiegend anatomisch begründetes Konzept auf die Physiologie und förderte die wissenschaftlichen Anerkennung der Osteopathie. Nach seiner Rückkehr nach Europa gründete er 1917 die "British School of Osteopathy" (BSO) in London [6].

William Garner Sutherland (1873-1954), ein Student Stills, erweiterte das osteopathische Konzept auch auf den Bereich des Schädels und begründete damit die craniale, bzw. craniosacrale Osteopathie, die später v.a. von dem amerikanischen Osteopathen John Upledger aus der Osteopathie ausgekoppelt und als eigenständige Kraniosakrale Therapie weiterentwickelt wurde.

D. D. Palmer (1845-1913), kam auf Empfehlung eines Studenten der ASO 1893 zu Besuch nach Kirksville, war zwei Wochen lang Gast in Stills Haus und machte sich mit den neuartigen manuellen Techniken der Osteopathie vertraut. Ein befreundeter Arzt, der ebenfalls an der ASO studiert hatte, vertiefte Palmers manuelles Repertoire. 1898 benannte er seine 1887 gegründete Ausbildungsstätte "Palmer Cure & Infirmary" in "Palmer School and Infirmary of Chiropractic" um. Dort lehrte er die osteopathischen Griffe z.T. in modifizierter Form, allerdings ohne Vermittlung des ganzheitlichen Konzepts. Er reduzierte die Osteopathie demnach in seiner sogenannten Chiropraktik auf ein rein symptomorientiertes Behandlungssystem.

Heute ist Osteopathie in den USA eine Arztausbildung an Colleges mit dem Abschluss D.O. (Doctor of Osteopathic Medicine). Amerikanische Absolventen der Osteopathic Medicine haben alle Rechte eines ordentlichen Arztes. Aufgrund geschichtlicher Entwicklungen arbeiten aber nur noch etwa 3 bis 5 % überwiegend mit manuellen Techniken am Patienten, und der ganzheitliche Ansatz ist in der Ausbildung nur noch in Ansätzen zu erkennen.

Europa

Osteopathie verbreitete sich nach den USA zunächst in Großbritannien. Die Osteopathie in England wurde nach Littlejohn durch den Arzt und Osteopathen Alan Stoddard geprägt, der das anspruchsvolle und aufgrund der ganzheitlichen Aspekte schwer zu integrierende System ähnlich wie Palmer modifizierte. Nach diesem Schritt erhöhte sich die Verbreitung der Osteopathie in England erheblich [7]. Die amerikanische Bezeichnung D.O. gab es zunächst auch dort; heute werden nur noch Bachelor (B.Sc.)-Zertifikate verliehen.

In Deutschland begannen Ärzte in den 1950ern, stark geprägt durch den Austausch mit amerikanischen Chirotherapeuten, mit Alan Stoddard, und weiteren symptomorientiert arbeitenden Anwendern aus Skandinavien und der Schweiz, die „manuelle Medizin/Therapie“ zu nutzen. An der BSO ausgebildete Osteopathen begründeten in den 1950ern in Deutschland das „OMT Kaltenborn-Evjenth Konzept“ der „manuellen Therapie“. Auch die deutsche Spielart der manuellen Medizin stellt eine symptomorientierte Mischung aus Chirotherapie und vereinfachter Osteopathie dar. Erst Mitte der 1980er begannen erste private Osteopathie-Schulen in Deutschland mit der Ausbildung von Osteopathen.

In Deutschland kann man Osteopathie nur an privaten Ausbildungsinstituten erlernen. Um einen einheitlichen Ausbildungsstandard bemühen sich nach eigenen Angaben verschiedene osteopathische Berufsverbände.


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Vereinigte Staaten

Osteopathie (englisch osteopathic medicine) bezeichnet in den USA eine Form der Arztausbildung an Colleges mit dem Abschluss Doctor of Osteopathic Medicine (D.O.). Diese Colleges sind teilweise an Universitäten angeschlossen. Diese Ausbildung orientiert sich an der wissenschaftlichen Medizin und beinhaltet beispielsweise Kurse über Pharmazie und Chirurgie. Während des Studiums ist das unter diesem Namen auch in Europa bekanntgewordene manuelle alternativmedizinische Diagnose- und Behandlungskonzept nur einer der vielen Fachbereiche während der primär medizinischen Ausbildung. Die Bezeichnung dieses Fachbereichs lautet dort Osteopathic Manipulative Treatment for Physicians (OMT).

Im Alltag der klinischen Praxis in den USA sind Ärzte mit dem Titel D.O. gleichgestellt mit den Kollegen, die den Titel M.D. (lat. Medicinae Doctor, Lehrer der Medizin) erworben haben.

Die Ausbildung kann bei entsprechenden Ausbildungsnachweisen durch Regierungspräsidien in Deutschland als Arztausbildung anerkannt werden. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die insbesondere davon abhängt, ob die Dauer der Ausbildung und die wesentlichen Ausbildungsinhalte dem deutschen Medizinstudium entsprechen. Der D.O. kann bei einer positiven Entscheidung eine Berufserlaubnis als Arzt nach § 10 der Bundesärzteordnung erhalten. Alternativ dazu kann er als Heilpraktiker arbeiten.

Historisch ist interessant, dass viele US-Soldaten nach dem zweiten Weltkrieg wegen Überfüllung der Universitäten keinen Studienplatz in Medizin bekamen und deshalb auf die Facharztstudiengänge der Osteopathy Colleges auswichen.

Nichtärztliche Osteopathen werden in den USA als non-physician osteopaths bezeichnet. Vertreter der europäischen, alternativmedizinischen Osteopathen bezeichnet man in den USA auch als European osteopathic manipulators.

Rechtslage

Zulassung

Nach deutscher Rechtsprechung ist die Osteopathie eine Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes und darf nur durch Heilpraktiker und Ärzte ausgeübt werden.

Bezeichnungen

Die Nutzung der Bezeichnungen „Osteopathie“ und „Osteopath“ sind geregelt durch das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG). „Osteopathie“ ist in Deutschland kein Begriff der Umgangssprache. Deshalb muss die Bedeutung bei seiner Verwendung in der Werbung im Gesundheitswesen erklärt werden. Die Berufsbezeichnung „Osteopath“ im deutschen Gesundheitswesen ist rechtlich nicht zulässig; die Verwendung als Berufsbezeichnung wird in der Regel abgemahnt. Auch weitere Zusatzbezeichnungen mit Buchstabenkombinationen wie D.C., C.O., D.O. sind nicht zulässig, sofern es sich nicht um erworbene und eingetragene Titel von Hochschulen handelt. Ein Urteil des LG Düsseldorf vom 24. Juli 2006 liegt vor (Aktenzeichen: 12 O 66/05).

Da es keine staatliche Regelung der Ausbildung und Berufsbezeichnung gibt, hat der in Deutschland erworbene/vergebene Titel D.O. keine rechtliche Bedeutung. Allerdings ist „D.O.“ ein geschütze Wortmarke des Verbandes der Osteopathen Deutschland e. V. (VOD), der dadurch die Vergabe des Titels kontrollieren kann.

In anderen Staaten Europas gibt es Universitäten, an denen man einen Master of Science oder einen Doktorgrad in Osteopathie erwerben kann. Aufgrund des Bologna-Abkommens und zwischenstaatlicher Abkommen dürfen diese Bezeichnungen auch in Deutschland geführt werden. Eine Berufszulassung als Osteopath ist im deutschen Gesundheitswesen damit jedoch nicht verbunden. Die Verwendung von Abschlusstiteln der deutschen und ausländischen Colleges, Fachhochschulen, Universitäten und Hochschulen unterliegt dem Hochschulrahmengesetz (HRG) bzw. den Hochschulgesetzen der Bundesländer. Die Verwendung des Begriffs „Diplom“ ist in Deutschland nur für die Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten erlaubt. Ausländische Titel müssen von den Regierungspräsidien anerkannt werden. Dies gilt auch für den professional degree (Fachabschluss-Titel) des amerikanischen D.O.

Kritik

Die Osteopathie wird von medizinischer und wissenschaftlicher Seite kritisiert[8]. Für die von der Osteopathie angenommene Anregung der Selbstheilungskräfte durch eine Stimulation des Bindegewebes gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis[1]. Es fehlt bisher jeder Beweis, dass die Osteopathie Heilungswirkungen erzielt, die über den Placeboeffekt hinausgehen.[2]

Quellen

  1. a b Stiftung Warentest: Die Andere Medizin. „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 211ff. Berlin 2005. ISBN 3-937880-08-9.
  2. a b AOK-Internetpräsenz zur Osteopathie abgerufen am 20.08.2007
  3. Max Geiser in: Schweizerische Ärztezeitung 2007, Seite 758, aufgerufen am 21. August 2007
  4. http://www.dgom.info/osteopath_medizin.html
  5. Kurt W. Seifert: Die Osteopathie
  6. http://jolandos.com/de/geschichte/littlejohn.htm
  7. Thomas KJ, Carr J, Westlake L, Williams BT: Use of non-orthodox and conventional health care in Great Britain. BMJ. 1991; 302(6770): 207–10
  8. Heike Jänz in NZZ 25. Juni 2006 aufgerufen am 26. August 2007

Literatur

Deutsch

  • Andrew Taylor Still: Das große Still-Kompendium., Pähl, 2005
  • William Garner Sutherland: Das große Sutherland-Kompendium., Pähl, 2004
  • C. Trowbridge: Andrew Taylor Still 1828-1917', Pähl, 2005
  • N. Handoll: Die Anatomie der Potency', Pähl, 2004
  • J. Stark: Stills Faszienkonzepte', Pähl, 2007

Englisch

  • Andrew Taylor Still: The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy. Kansas City 1902
  • Andrew Taylor Still: Osteopathy, Research and Practice. Kirksville 1910
  • William Garner Sutherland: The Cranial Bowl. 1939
  • William Garner Sutherland: Contributions of Thought. The collected Writings of William Garner Sutherland. 1971
  • William Garner Sutherland, Editor: Ann Wales: Teachings in the Science of Osteopathy. 1990
  • Rebecca Lippincott Conrow, Howard A. Lippincott: A Manual of Cranial Technique. 1943
  • J. M. Littlejohn: The Fundamentals of Osteopathic Technique. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: The Pathology of the Osteopathic Lesion. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: Principles. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: Lesionology. Maidstone
  • Harold Ives Magoun: Osteopathy in the Cranial Field. Denver 1951
  • Charles Owens: An Endocrine Interpretation of Chapman Reflexes. Newark, Ohio 1963
  • Irvin M. Korr: The Neurobiologic Mechanisms in Manipulative Therapy. Michigan State University, 1977
  • Irvin M. Korr, Editor: Barbara Peterson: The Collected Papers of Irvin M Korr. Indianapolis 1979
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