Otto Ballerstedt

Otto Ballerstedt

Otto Ballerstedt (* 1. April 1887 in München; † 30. Juni oder 1. Juli 1934 im oder in der Nähe des KZs Dachau[1]) war ein deutscher Ingenieur, Schriftsteller und Politiker. Ballerstedt wurde vor allem bekannt als Führer des partikularistischen Bayernbundes (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Bayernbund, der bis 1967 Bayerischer Heimat- und Königsbund hieß),[2] als politischer Rivale von Adolf Hitler in der Anfangszeit seiner politischen Karriere und dafür, dass er Hitler 1922 für einen Monat ins Gefängnis brachte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Kaiserreich und Erster Weltkrieg

Ballerstedt war der Sohn von Otto Ballerstedt Senior, einem bekannten Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten und seiner Ehefrau Julie, geborene Lagel.[3] Sein Onkel, Max Ballerstedt, war ein berühmter Paläontologe. Ballerstedt schloss sein Ingenieursstudium mit der Promotion ab und arbeitete anschließend als Diplomingenieur.

Am Ersten Weltkrieg nahm Ballerstedt als Offizier teil. Während des Krieges, in dem er am Kopf verwundet wurde, trat er erstmals politisch hervor: im April 1918 forderte er den bayerischen König Ludwig III. vor dem Hintergrund der weitreichenden deutschen Gebietsgewinne im Friedensvertrag von Brest-Litowsk mit Russland, in einer Bittschrift auf, es nicht zuzulassen, dass die neugewonnenen Territorien an Preußen fielen. Dieses sei innerhalb des Bundes der Deutschen Gebiete ohnehin schon viel zu mächtig, deswegen gelte es eine Angliederung des Baltikums an Preußen zu verhindern, um das preußische Übergewicht innerhalb der Reichsgemeinschaft nicht noch weiter wachsen zu lassen.[4]

Bayernbund und Auseinandersetzung mit Hitler

Nach der deutschen Kriegsniederlage im Herbst 1918 gründete Ballerstedt den zeitweise sehr erfolgreichen Bayernbund, eine die regionale Eigenständigkeit und die regionalen Eigenheiten betonende politische Organisation, die eine Neuorganisation des Deutschen Reiches auf „streng föderalistischer Grundlage“ anstrebte. Nach der Vorstellung von Ballerstedt – „weiß-blau“ und monarchistisch gesinnt – sollte die Reichseinheit zwar gewahrt bleiben, die innere Autonomie und Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten jedoch deutlich gestärkt werden.

Als Gründer und Leiter des Bayernbundes war Ballerstedt in den frühen 1920er Jahren eine sehr exponierte Persönlichkeit in der Politik des Freistaates und seiner Hauptstadt. Adolf Hitler, der zu dieser Zeit die politische Bühne betrat, betrachtete den „Separatisten“ – wie er Ballerstedt nannte – als einen Rivalen und lieferte sich eine Zeit lang heftige Auseinandersetzungen mit dem Bayernbund, den er publizistisch angriff und auch physisch attackierte, indem er dessen politische Versammlungen von streitbaren Schlägertrupps sprengen ließ. Hitler beschrieb Ballerstedt später in einem seiner Monologe im Führerhauptquartier während des Zweiten Weltkrieges rückblickend als seinen gefährlichsten Gegenspieler auf dem Feld der Tätigkeit als öffentlicher Redner und rechnete es sich noch Jahrzehnte später als Verdienst an, sich seinerzeit gegen Ballerstedt behauptet zu haben.[5]

Am 14. September 1921 kam es zu einem aufsehenerregenden Zwischenfall als Hitler, Hermann Esser, Oskar Körner und einige andere NSDAP-Anhänger eine von Ballerstedt geleitete Versammlung im Münchener Löwenbräukeller stürmten, um diesen daran zu hindern, einen Vortrag zu halten. Dieses Ziel erreichte Hitler mit drastischen Mitteln: Er griff Ballerstedt tätlich an und verletzte diesen schwer. Infolgedessen wurde Hitler vom 27. bis 29. Januar 1922 wegen Landfriedensbruch, Erregung öffentlichen Ärgernisses und Körperverletzung vor Gericht gestellt und zu einer (zeitverzögert anzutretenden) Freiheitsstrafe von 100 Tagen und zur Zahlung von 1.000 Reichsmark verurteilt. Die Haftstrafe saß Hitler schließlich vom 24. Juni bis 27. Juli 1922 im Münchener Stadelheim-Gefängnis ab, wobei er nur einen Monat in Haft verblieb und ihm die übrigen 70 Tage erlassen wurden.[6]

Spätere Lebensjahre und Ermordung

Ab 1925 trat Ballerstedt politisch immer mehr in den Hintergrund. In den frühen 1930er Jahren verlegte er sich auf das Verfassen von photographisch illustrierten Landschafts- und Heimatbüchern.

Am 30. Juni 1934, einen Tag vor dem Antritt einer geplanten Reise nach Österreich, wurde Ballerstedt im Rahmen der als „Röhm-Putsch“ bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle ins KZ Dachau verschleppt und dort oder außerhalb des Lagers im Gündinger Forst bei Neuhimmelreich[3] erschossen. Zur selben Zeit wie er wurden Fritz Beck, Fritz Gerlich, Wilhelm Eduard Schmid und die Hausdame Ernestine Zoref ermordet.

Heute erinnert eine Straße in München, die Ballerstedtstraße, an Otto Ballerstedt.

Schriften

  • Arbeiterorganisation und Rechtsfähigkeit der Berufsvereine. Eine Mahnung, 1905.
  • Grosspreussen und Reichszertrümmerung. Der deutsche Partikularismus und Deutschlands Zukunft, 1918.
  • Um die Zugspitzbahn. Als Manuskript gedruckt, 1925.
  • Aus unserer Bergwelt. Text und Bilder, 1930.
  • Die Wunderwelt der Alpen. 71 Abbildungen aus dem Gebiet Oberammergau, 1930.
  • Die Gebirgsphotographie. Ein Feld der Freude für Jeden Photographierenden, 1934.

Einzelnachweise

  1. Erwein Arretin: Fritz Michael Gerlich. Ein Martyrer unserer Tage, 1949, S. 142.
  2. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/1020/mu1/mu11p/kap1_2/para2_18.html Die Preußische Gesandtschaft München an das Auswärtige Amt. 6. April 1920, Bundesarchiv. In allen historischen Quellen wie dieser wird von dem Bayernbund Ballerstedts geredet, nicht vom Heimat- und Königsbund, der ja erst seit 1967 Bayernbund heißt. Es handelt sich hierbei also klar um zwei verschiedene Organisationen.
  3. a b Otto Gritscheder: „Der Führer hat Sie zum Tode verurteilt…“ Hitlers „Röhm-Putsch“-Morde vor Gericht, Verlag C.H.Beck, München 1993, ISBN 3-406-37651-7, S. 122.
  4. Karl-Ludwig Ay: Die Entstehung einer Revolution, 1968, S. 138.
  5. Robert Payne: The Life and Death of Adolf Hitler, 1973, S.160. '„As an orator, Ballerstedt was my most dangerous opponent. What a feat it was to hold my own against him! His father was a Hessian, his mother was from Lorraine. He was a diabolical dialectician. To give his hearers the impression that he agreed with them, he'd begin with a eulogy of the Prussians. I've been condemned several times for accusing this man of treason— and yet, he was in fact sold to the French.“'
  6. Richard J Evans: The Coming of the Third Reich. A History, 2004, S. 181; Joachim Fest: Hitler, 2002, S. 160 und 225.

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