- PISA Studie
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Die PISA-Studien der OECD sind internationale Schulleistungsuntersuchungen, die seit dem Jahr 2000 in dreijährigem Turnus in den meisten Mitgliedstaaten der OECD und einer zunehmenden Anzahl von Partnerstaaten durchgeführt werden und die zum Ziel haben, alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten 15-jähriger Schüler zu messen. Das Akronym PISA wird in den beiden Amtssprachen der OECD unterschiedlich aufgelöst: englisch als Programme for International Student Assessment (Programm zur internationalen Schülerbewertung) und französisch als Programme international pour le suivi des acquis des élèves.[1]
Dieser Artikel behandelt die internationale Studie der OECD. Das Konzept der OECD sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass Teilnehmerstaaten den internationalen Test um nationale Komponenten erweitern. Diese Möglichkeit wurde in Deutschland 2000 bis 2006 extensiv genutzt:[2]
- Für den Bundesländervergleich PISA-E wurden zehnmal mehr Schüler getestet als für den deutschen Beitrag zur internationalen Studie.
- In PISA-International-Plus wurden einige Schulklassen nach einem Jahr ein zweites Mal getestet, um Lernfortschritte im Laufe des neunten oder zehnten Schuljahrs zu messen.
Außerdem bietet die OECD Erweiterungsmodule an, die nur von einem Teil der Staaten genutzt werden, z. B.
- PISA-Elternstudie: Eltern nahmen an demselben Test teil wie zuvor ihre Kinder.
- Computergestützte Tests: Pilotstudie 2006
Inhaltsverzeichnis
Konzept
Die folgenden Merkmale unterscheiden PISA zum Teil deutlich von früheren Schulleistungsuntersuchungen:
- PISA wird im Auftrag der Regierungen durchgeführt (in Deutschland: der Kultusministerkonferenz).
- PISA soll in regelmäßigem Turnus fortgeführt werden.
- PISA untersucht Schüler einer Altersstufe, nicht einer schulischen Klassenstufe.
- PISA konzentriert sich nicht auf ein einzelnes Schulfach, sondern untersucht die drei Bereiche Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche Grundbildung.
- Aufgaben werden in „persönlich oder kulturell relevante Kontexte“ eingebettet.
- PISA orientiert sich nicht an der Schnittmenge nationaler Curricula, sondern postuliert einen eigenen Bildungsbegriff, der auf Englisch als literacy bezeichnet wird: „das Wissen, die Fähigkeiten, die Kompetenzen, … die relevant sind für persönliches, soziales und ökonomisches Wohlergehen“ (OECD 1999). „Hinter diesem Konzept verbirgt sich der Anspruch, über die Messung von Schulwissen hinauszugehen und die Fähigkeit zu erfassen, bereichsspezifisches Wissen und bereichsspezifische Fertigkeiten zur Bewältigung von authentischen Problemen einzusetzen.“.[3]
Vertragsmäßige Aufgabe der OECD ist Politikberatung. PISA soll nicht nur eine Beschreibung des Ist-Zustands liefern, sondern Verbesserungen auslösen. Insoweit PISA ein eigenes Bildungskonzept zugrundeliegt, wird zumindest implizit der Anspruch erhoben, auf die nationalen Lehrpläne zurückzuwirken.
Jede PISA-Studie umfasst die drei Bereiche Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Bei jedem Durchgang wird ein Bereich vertieft untersucht: 2000 die Lesekompetenz, 2003 Mathematik, 2006 Naturwissenschaften. Dieser Zyklus soll alle neun Jahre wiederholt werden.
Zusätzlich wird in jeder Studie ein Querschnittsthema untersucht: 2000 Lernstrategien und Selbstreguliertes Lernen, 2003 Problemlösung, 2006 Informationstechnische Grundbildung. Diese Zusatzuntersuchung wird nicht in allen Staaten durchgeführt.
Testaufgaben
Nach jeder Testrunde wird ein Teil der Testaufgaben „freigegeben“ und veröffentlicht. Sämtliche freigegebenen Aufgaben finden sich auch online auf den Webseiten der OECD und der nationalen Projektleitungen.
Die Testhefte umfassen typischerweise ungefähr zwanzig Aufgabeneinheiten. Jede Aufgabeneinheit besteht aus Einleitungsmaterial und ein bis sieben daran anschließenden Aufgaben.
Die Aufgabeneinheit „Tschadsee“ aus dem Lesetest von PISA 2000 [4] zeigt beispielhaft, wie weit das literacy-Konzept von PISA gefasst ist. Die Einleitung dieser Aufgabe enthält keinen Lesetext im herkömmlichen Sinn, sondern besteht in der Hauptsache aus zwei Diagrammen („nicht-textuelles Lesematerial“), die die Schwankungen des Wasserstands in den letzten 12000 Jahren und das Verschwinden und Auftauchen von Großtierarten darstellen. Daran schließen sich fünf Aufgaben an. Beispielhaft:
Frage 1: „Wie tief ist der Tschadsee heute?“ (Multiple-Choice, fünf Antwortalternativen);
Frage 2: „In welchem Jahr ungefähr startet der Graph in Abbildung A?“ (freier Text);
Frage 3: „Warum hat der Autor dieses Jahr als Anfang des Graphen gewählt?“ (freier Text);
Fragen 4 und 5 sind dann wieder im Multiple-Choice-Format.
Durchführung und Auswertung
→ Ausführliche Darstellung im Artikel Methodik der PISA-Studien
PISA ist eines von mehreren Projekten, mit denen sich die OECD seit den 1990er Jahren verstärkt im Bereich Bildungsmonitoring engagiert. Die Koordination und die Endredaktion der internationalen Berichte obliegen einer kleinen Arbeitsgruppe am Hauptsitz der OECD in Paris unter Leitung des Deutschen Andreas Schleicher. Politisch wird das Projekt von einem Rat aus Regierungsvertretern gesteuert; wissenschaftlich wird es von einem Expertengremium nebst Unterausschüssen begleitet. Die Erstellung und Auswertung der Testaufgaben wurde ausgeschrieben und an ein Konsortium aus mehreren Unternehmen der Testindustrie unter Leitung des Australian Council for Educational Research (ACER) vergeben.
In den Teilnehmerstaaten wurden nationale Projektzentren eingerichtet. [5] In jedem Staat werden Stichproben von mindestens 5.000 Schülern gezogen; in manchen Staaten, vor allem um Regionalvergleiche zu ermöglichen, ein Vielfaches davon.
Der Test umfasst eine zweistündige „kognitive“ Testsitzung, gefolgt von einer knapp einstündigen Fragebogensitzung („Questionnaire“). Im kognitiven Test bearbeiten nicht alle Schüler dieselben Aufgaben; 2003 wurden dreizehn verschiedene Testhefte (sowie in manchen Ländern in Sonderschulen ein Kurzheft) eingesetzt; von insgesamt 165 verschiedenen Aufgaben hatte jeder einzelne Schüler nur etwa 50 zu bearbeiten.
Die Schülerlösungen werden von angelernten Hilfskräften kodiert, digital erfasst und ans internationale Projektzentrum nach Australien zur weiteren Auswertung übermittelt. Die meisten Aufgaben werden letztlich nur als entweder „falsch“ oder „richtig“ bewertet. Je nachdem, wie viele Schüler eine Aufgabe richtig gelöst haben, wird der Aufgabe ein bestimmter „Schwierigkeitswert“ zugeordnet. Je nachdem, wie viele Aufgaben ein Schüler gelöst hat, wird dem Schüler eine bestimmte Spanne „plausibler“ „Kompetenzwerte“ zugeordnet. Schwierigkeits- und Kompetenzwerteskala werden nachträglich so skaliert, dass die Kompetenzwerte im OECD-Staatenmittel den Mittelwert 500 und die Standardabweichung 100 haben. Um auszugleichen, dass die Testhefte unterschiedlich schwierig waren, und dass einzelne Aufgaben in einzelnen Staaten, zum Beispiel wegen Druckfehlern, nicht gewertet werden konnten, wird die gesamte „Skalierung“ der Schwierigkeits- und Kompetenzwerte unter Zuhilfenahme eines komplexen mathematischen Modells des Schülerantwortverhaltens, der sogenannten Item-Response-Theorie berechnet.
Die Aufgabenschwierigkeitswerte erlauben ansatzweise eine „didaktische“ Interpretation der Testergebnisse: wenn ein Schüler beispielsweise 530 Kompetenzpunkte erzielt hat, dann kann er mit 62-prozentiger Wahrscheinlichkeit (die Zahl 62 Prozent ist willkürlich festgelegt worden) eine Aufgabe der Schwierigkeit 530 lösen. Wenn man sich nun veröffentlichte Aufgabenbeispiele anschaut, deren Schwierigkeitswert in der Nähe von 530 liegt, dann bekommt man einen Eindruck, was ein Kompetenzwert von 530 bedeutet. Allerdings muss man dabei beachten, dass der Test unter erheblichem Zeitdruck stattfindet (knapp über zwei Minuten pro Aufgabe).
Fast alle weiterführenden Auswertungen beruhen darauf, dass die statistische Verteilung der Schülerkompetenzwerte in den Teilnehmerstaaten oder feiner aufgeschlüsselten Populationen untersucht wird.
Quantitative Ergebnisse
PISA misst Schülerleistung in Punkten auf einer willkürlichen Skala. Interpretierbar werden die Punktwerte erst, wenn sie in einen Kontext gesetzt werden. Das geschieht regelmäßig durch den Vergleich zwischen verschiedenen Ländern. Die Berichte der OECD und ihrer Projektpartner bestehen dementsprechend zu einem erheblichen Teil aus Länder-Ranglisten.
Kompetenzmittelwerte
Die elementarste und meistbeachtete Statistik fasst die Schülerleistungen zu Mittelwerten zusammen. In der folgenden Tabelle sind die bisherigen Ergebnisse der mehrheitlich deutschsprachigen Staaten, einiger weiterer OECD-Staaten sowie einiger Nicht-OECD-Staaten (kursiv) zusammengefasst; in Klammern der OECD-Rangplatz.
Mathematik Lesefähigkeit Naturwissenschaften 2000 2003 2006 2000 2003 2006 2000 2003 2006 Deutschland 490±3 (20) 503±3 (16) 504±4 (14) 484±3 (21) 491±3 (18) 495±4 (14) 487±2 (20) 502±4 (15) 516±4 (8) Liechtenstein 514±7 536±4 ± 483±4 525±4 ± 476±7 525±4 ± Luxemburg 446±2 (26) 493±1 (20) 490±1 (22) 441±2 (26) 479±2 (23) 479±1 (22) 443±2 (26) 483±1 (24) 486±1 (25) Österreich 515±3 (11) 506±3 (15) 505±4 (13) 507±2 (10) 491±4 (19) 490±4 (14) 519±3 (8) 491±3 (20) 511±4 (12) Schweiz 529±4 (7) 527±3 (7) 530±3 (4) 494±4 (17) 499±3 (11) 499±3 (11) 496±4 (18) 513±4 (9) 512±3 (11) Belgien 520±4 (9) 529±2 (6) 520±3 (8) 507±4 (11) 507±3 (9) 501±3 (10) 496±4 (17) 509±3 (11) 510±3 (13) Finnland 536±2 (4) 544±2 (1) 548±2 (1) 546±3 (1) 543±2 (1) 547±2 (2) 538±3 (3) 548±2 (1) 563±2 (1) Frankreich 517±3 (10) 511±3 (13) 496±3 (17) 505±3 (14) 496±3 (14) 488±4 (17) 500±3 (12) 511±3 (10) 495±3 (19) Italien 457±3 (24) 466±3 (26) 462±2 (27) 487±3 (20) 476±3 (25) 469±2 (24) 478±3 (23) 483±3 (24) 475±2 (26) Japan 557±6 (1) 534±4 (4) 523±3 (6) 522±5 (8) 498±4 (12) 498±4 (12) 550±6 (2) 548±4 (2) 531±3 (3) Kanada 533±1 (6) 532±2 (5) 527±2 (5) 534±2 (2) 528±2 (3) 527±2 (3) 529±2 (5) 519±2 (8) 534±2 (2) Mexiko 387±3 (27) 385±4 (29) 406±3 (30) 422±3 (27) 400±4 (29) 410±3 (29) 422±3 (27) 405±3 (29) 410±3 (30) Niederlande disq. 538±3 (3) 531±3 (3) disq. 513±3 (8) 507±3 (9) disq. 524±3 (5) 525±3 (6) Türkei 523±5 423±7 (28) 424±5 (29) 550±6 441±6 (28) 447±4 (28) 519±9 434±6 (28) 424±4 (29) USA 493±8 (19) 483±3 (24) 474±4 (25) 504±7 (15) 495±3 (15) ± () 499±7 (14) ± () 489±4 (21) [Quellen: OECD-Berichte „First Results“ 2001, 2004 (für PISA 2000 bzw. 2003); für die Ergebnisse von PISA 2006: "PISA 2006. Science Competencies for Tomorrow's World.". Abkürzungen: „k. T.“ = keine Teilnahme; „disq.“ = disqualifiziert wegen zu geringer Teilnahmequote. Dies sind die ursprünglich veröffentlichten Daten; die 2006 für die österreichischen Ergebnisse aus 2000 veröffentlichte Korrektur ist nicht berücksichtigt. Die Zahl hinter dem „±“-Zeichen ist der offizielle Standardfehler, der die stochastische Unsicherheit der Stichprobenziehung sowie der Item-Response-Modellierung angibt; in den Originalberichten ist auch die erste Nachkommastelle angegeben.]
Neben Finnland, Japan und Kanada befinden sich auch Südkorea, Neuseeland, Australien und das Nicht-OECD-Territorium Hongkong regelmäßig in der Spitzengruppe. Vor der Türkei und Mexiko befinden sich am Tabellenende neben Italien regelmäßig Portugal und Griechenland.
Bei einer Aufschlüsselung nach Sprachgruppen fällt auf:
- In Belgien sind die Leistungen im niederländischsprachigen Landesteil wesentlich besser als im französischsprachigen; sie liegen oft noch über den niederländischen Ergebnissen im internationalen Spitzenfeld.
- In der Schweiz sind die Unterschiede zwischen der deutschen und französischen Sprachgruppe eher gering; die italienische Schweiz liegt etwas zurück.
- Die Ergebnisse aus Südtirol sind exzellent und liegen durchweg in der internationalen Spitzengruppe. Dabei haben die Institute mit deutscher Unterrichtssprache leicht besser abgeschnitten als die italienischen. Möglicherweise ist das gute Abschneiden jedoch ein statistisches Artefakt. Es wurden nur 83 Prozent aller Fünfzehnjährigen als Schüler erfasst, obwohl in diesem Alter noch Schulpflicht herrscht. Es gibt Hinweise darauf, dass Schüler aus Berufsschulen nicht korrekt erfasst wurden (siehe Kritik weiter unten: verzerrte Stichprobe).
- In Finnland schneidet die etwa fünfprozentige schwedischsprachige Minderheit um 10 bis 35 Punkte schlechter ab als die finnischsprachige Mehrheit.
- In Kanada schneidet die englischsprachige Mehrheit besser ab als die französischsprachige Minderheit.
Die Ergebnisse aus Liechtenstein stehen unter dem Vorbehalt, dass dort kaum mehr als 300 Fünfzehnjährige wohnen, von denen überdies viele im Verlauf des 16. Lebensjahrs von der Schule abgehen, während in anderen Ländern mehrere Tausend Schüler getestet werden.
Zu den starken Unterschieden zwischen den deutschen Bundesländern → PISA-E.
Die Korrelation mit den TIMSS-Studien, die in einigen Staaten parallel zu PISA fortgeführt werden, ist mäßig, was offiziell mit unterschiedlichen Inhalten und mit Normierungseffekten aufgrund unterschiedlicher Teilnehmerschaft erklärt wird.
Kompetenzstufen und Risikogruppen
Um den zahlenmäßigen Ergebnissen eine anschauliche Bedeutung zu geben, teilt das Konsortium die Punkteskala willkürlich in sechs »Kompetenzstufen« und eine darunter liegende Stufe absoluter Inkompetenz. Anhand der Aufgaben, die auf einer Stufe zu lösen sind, wird dann eine verbale Beschreibung dessen, was Schüler auf einer bestimmten Stufe typischerweise können, erarbeitet. Zu beachten ist dabei, dass der Anteil der Schüler auf einer bestimmten Stufe im OECD-Mittel konstant, weil durch die Konstruktion der Schwierigkeits- und Leistungsskalen festgelegt ist. Interpretierbar sind lediglich die zumeist geringen Unterschiede zwischen Staaten.
Schüler „unterhalb“ der Stufe 1 werden international als „at risk“ bezeichnet. Die deutsche Projektleitung hat den Begriff „Risikogruppe“ jedoch ausgedehnt und die Stufe 1 darin einbezogen. Das wurde in Teilen der Öffentlichkeit verkürzt und im Gegensatz zu Aussagen der internationalen Berichte so rezipiert, als sei ein knappes Viertel aller Fünfzehnjährigen nicht in der Lage, zu rechnen und sinnerfassend zu lesen.
Einfluss des sozialen Hintergrunds
→ Ausführliche Darstellung im Artikel: Auswertung der PISA-Studien: Einfluss des sozialen Hintergrunds
Im Anschluss an die zweistündige „kognitive“ Testsitzung bearbeiten die Schüler ein „Questionnaire“ mit Fragen zum familiären Hintergrund, zum schulischen Umfeld, zu Lerngewohnheiten und zu anderem mehr. In den offiziellen Ergebnisberichten und in zahlreichen Sekundärstudien wird dargestellt, wie sich diese Kontextvariablen auf die kognitive Testleistung auswirken.
In PISA 2000 wurde festgestellt, dass der Zusammenhang zwischen Testergebnis und elterlichem Beruf in Deutschland so stark ist wie nirgendwo sonst. In den Folgerunden wurde dieses Ergebnis jedoch nicht repliziert; der stärkste Zusammenhang wurde 2003 in Ungarn, 2006 in der Tschechischen Republik gefunden. Die deutschen Kennwerte (Quantildifferenzen, Gradienten und Korrelationskoeffizienten der Testleistung als Funktion einer Berufsklassifikation oder eines sozial-ökonomisch-kulturellen Indexes) lagen überwiegend im oberen Teil eines breiten Mittelfeldes; die Abweichungen vom OECD-Durchschnitt waren teilweise statistisch insignifikant.
Diesen Auswertungen liegen unterschiedliche Sozialindizes zugrunde, die zum Teil nur den Beruf der Eltern, zum Teil auch deren Bildungsabschlüsse und die Ausstattung des Haushalts mit kulturellen Besitztümern berücksichtigen. Zwischen dem deutschen Konsortium und der internationalen Projektleitung besteht Dissens über die sachgerechte Quantifizierung von sozialem Hintergrund; im deutschen Bericht zu PISA 2006 wird durchgehend ein anderer Index verwendet als im internationalen Bericht.
In Deutschland besonders auffällig ist das besonders schwache Abschneiden von im Land geborenen Kindern zugewanderter Eltern (Mathematikleistung 2003: 432 Punkte, gegenüber 454 für Einwanderer der ersten Generation und 525 für Schüler ohne Migrationshintergrund; OECD-weite Vergleichszahlen 483, 475, 523). Weitere Aufschlüsselung zeigt, dass insbesondere die schwachen Leistungen türkischer Jugendlicher ein quantitativ bedeutsames Problem darstellen (Mathematikleistung 2003: zweite Generation 411, erste Generation 382). Erstaunlicherweise schnitten Schüler mit Migrationshintergrund bei sprachlastigen Aufgaben etwas besser ab als bei relativ sprachfreien; die Gründe dafür sind ungeklärt.[6]
Geschlechtsspezifische Leistungsdivergenzen
Auffällig ist der erhebliche Leistungsvorsprung der Mädchen im Lesen (2003(?) OECD-weit 34 Punkte, in Deutschland 42). Geringer ist der Vorsprung der Jungen in Mathematik (OECD 11, Deutschland 9).
In den Naturwissenschaften wurde kein signifikanter Geschlechterunterschied gefunden. Wuttke (2007) hat jedoch gezeigt, dass dieses Ergebnis allein an der Mischung von Aufgaben aus verschiedensten Gebieten liegt; in Übereinstimmung mit nationalen, lehrplannäheren Tests findet er die Alltagsbeobachtung bestätigt, dass im Mittel Jungen in Physik, Mädchen in Biologie mehr leisten.
Rezeption
PISA 2000, PISA 2003 und PISA 2006 haben in einigen Teilnehmerstaaten ein heftiges Medienecho ausgelöst; in Deutschland ist das Wort „PISA“ zum Inbegriff aller Probleme des Bildungswesens geworden.
In Deutschland
Deutschland hatte in den 70er und 80er Jahren an keinem internationalen Schulvergleich teilgenommen. Der Richtungswechsel begann mit der Teilnahme an der Mathematikstudie TIMSS 1995. Die mittelmäßigen Ergebnisse wurden von Bildungspolitikern und Fachlehrern ausgiebig diskutiert, drangen aber nur kurz an die breite Öffentlichkeit.
Die Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse Ende 2001 wurde durch Vorabberichte mehrere Wochen lang vorbereitet und erzielte ein so überwältigendes Medien-Echo, dass bald von einem „PISA-Schock“ gesprochen wurde, was an den Sputnikschock und die Debatte der 1960er Jahre um die von Georg Picht beschworene „Bildungskatastrophe“ erinnerte.
Ende 2002 beherrschte PISA erneut die Schlagzeilen, weil zum ersten Mal ein Leistungsvergleich zwischen den Bundesländern veröffentlicht wurde. Das Nord-Südgefälle überraschte relativ wenig; in vielen Kommentaren wurde es durch den Verweis relativiert, dass in Bayern die Abiturquote zu niedrig und ein bestimmter statistischer Kennwert für soziale Selektivität besonders hoch sei (siehe Hauptartikel PISA-E).
Wenige Tage vor der Veröffentlichung von PISA 2006 (Teilergebnisse waren auch diesmal an die Presse durchgesickert) eskalierte der Konflikt zwischen der OECD und der deutschen Projektgruppe. Andreas Schleicher bezog sich auf den OECD-Bericht, dem zufolge in keinem der vier Bereiche Naturwissenschaft, Mathematik, Leseleistung und Koppelung der Ergebnisse mit sozialer Herkunft Verbesserungen erreicht wurden, die über den statistischen Fehlerbereich hinausgingen. Die naturwissenschaftliche Aufgabenstellung sei im Wesentlichen neu konzipiert, in den wenigen Testaufgaben, die sowohl 2003 als auch 2006 verwendet wurden, seien die Leistungen unverändert. Umweltthemen hätten Deutschland 2006 begünstigt. Der deutsche Projektleiter Manfred Prenzel behauptete demgegenüber, die Ergebnisse seien sehr wohl zu vergleichen. Diese unterschiedlichen Einschätzungen stehen auch in den offiziellen Berichten.[7]
CDU-Kultusminister, insbesondere die hessische Ministerin Karin Wolff, nahmen das zum Anlass, Schleichers Entlassung zu fordern. Akut warf man ihm vor, mit der Kommentierung einer Vorveröffentlichung eine selbstgesetzte Sperrfrist verletzt zu haben. Die grundlegenden Vorwürfe an ihn waren:
- Schleicher maße sich die Rolle eines „Supervisors“ an, der vorgebe, wie die Daten interpretiert werden dürfen;
- Man gebe viel Geld aus, um Trends zu messen, und erfahre nun, wie problematisch Vergleiche über 3 und 6 Jahre hinweg sind.
Die OECD wies diese Vorwürfe zurück. Die Interpretation entspreche den Ergebnissen der Studie. Eine Vergleichbarkeit über die Jahre sei sehr wohl gegeben, allerdings nicht in den jeweils neu getesteten Einzelbereichen. Es sei so geplant gewesen, dass aufbauend alle drei Jahre ein neuer Bereich getestet werde. Nach der Leseleistung 2000 waren dies 2003 die mathematischen und 2006 erst die naturwissenschaftlichen Kenntnisse.
Einige CDU-Kultusminister erwogen laut, aus der PISA-Studie auszusteigen. Als Alternativen wurden der Bildungsmonitor der wirtschaftsnahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen genannt. Gleichzeitig drohte die OECD dem deutschen Projektleiter damit, dem ländervergleichenden PISA-E-Test das Label "PISA" zu entziehen, wenn er die Daten nach seiner eigenen Methode skaliere, da dies dann nichts mehr mit PISA zu tun habe.
Der PISA-Konflikt reiht sich ein in eine Auseinandersetzung zwischen konservativen Bildungspolitikern in Deutschland und internationalen Organisationen, die seit einem Jahr für Pressewirbel sorgt. Streitpunkt war jedes Mal das dreigliedrige Schulsystem und die Frage, ob dieses Migrantenkinder und Kinder aus unteren Schichten benachteilige. Im Dezember 2006 wurde ein entsprechendes Papier der EU-Kommission zurückgewiesen und im Frühjahr 2007 wurde der UN-Beobachter für das Menschenrecht auf Bildung, Vernor Muñoz, für seinen kritischen Bericht scharf angegriffen. Bereits im Sommer 2007 wurde die internationale jährlich erscheinende OECD-Studie Bildung auf einen Blick von konservativen Lehrerverbänden als „ideologisch“ bezeichnet.
In Österreich
In Österreich trat der PISA-Schock verspätet ein: Nachdem man sich 2000 noch daran delektiert hatte, deutlich besser als Deutschland abgeschnitten zu haben, wurde das Ergebnis aus 2003 als „Absturz“ wahrgenommen. Daraufhin veranlasste Bildungsministerin Elisabeth Gehrer eine Überprüfung durch die Statistiker Erich Neuwirth, Ivo Ponocny und Wilfried Grossmann, die in ihrem 2006 erschienen Untersuchungsbericht [8] zahlreiche Ungereimtheiten bei der Stichprobenziehung und Datenauswertung zutage förderten; insbesondere war 2000 die Stichprobe in den Berufsschulen nicht korrekt gezogen worden. In einem Vorwort zu diesem Untersuchungsbericht spielt der PISA-Koordinator der OECD, Andreas Schleicher, die Korrekturen herunter und behauptet, die OECD habe bislang darauf hingewiesen, dass eine Interpretation der österreichischen Ergebnisse nur „eingeschränkt zulässig“ gewesen sei. Nach weiterer Verzögerung hat die OECD Anfang 2007 nahezu unbeachtet die Ergebnisse von Neuwirth et al. in den internationalen Datensatz übernommen und damit die österreichischen Ergebnisse aus 2000 offiziell nach unten korrigiert. Diesen korrigierten Daten zufolge hat es nie einen Absturz gegeben; 2000 und 2003 lagen die österreichischen Schülerleistungen gleichermaßen im Mittelfeld; es gab keine statistisch signifikanten Veränderungen.
Ähnlich wie in Deutschland sind soziale Unterschiede auffällig. Die Regierungsparteien (ÖVP und FPÖ) verwiesen bevorzugt auf schlechte Deutschkenntnisse von Ausländerkindern. Die damalige Ministerin Gehrer konstatierte weiterhin ein Fehlverhalten von Eltern, die sich zu wenig um ihre Kinder kümmern würden. Die Opposition (SPÖ und Grüne) äußerte den Vorschlag, statt des stark diversifizierten Schulensystems eine Gesamtschule einzuführen. Diese Idee ist stark beeinflusst vom finnischen Vorbild. Im dortigen Schulsystem gibt es zwar extreme Leistungsunterschiede innerhalb, aber kaum zwischen den Schulen. In Österreich jedoch war das Gegenteil zu spüren.
Das Modell Finnland
Finnland wurde in der öffentlichen Rezeption in Deutschland und Österreich allgemein als „Testsieger“ angesehen. Zahlreiche Erklärungen für das exzellente Abschneiden Finnlands wurden vorgeschlagen (siehe auch: Bildungssystem Finnland):
- eine in der Reformation verwurzelte Lesetradition,
- hohe Motivation, lesen zu lernen, durch Filme in Originalsprache mit Untertiteln in Fernsehen und Kino,
- Gemeinschaftsgefühl in einem kleinen Land: jeder Einzelne ist wichtig.
- vergleichsweise geringe soziale Unterschiede in der Bevölkerung,
- ein ungegliedertes Gesamtschulsystem,
- hervorragende personelle Ausstattung der Schulen, unter anderem mit Sozialpädagogen; wo erforderlich, kommt eine zweite Lehrkraft in den Unterricht.
- höhere Qualität der Lehrer: Lehrer werden aus den besten 10 Prozent eines Jahrgangs in einem umfangreichen Verfahren vor, während und nach dem Studium ausgewählt.[9]
- Klassenstärken von in der Regel weniger als 20 Schülern,
- hervorragende materielle Ausstattung der Schulen: freundliche Gebäude, Bibliothek, Kantine,
- weitgehende Autonomie der Schulen verbunden mit wirkungsvoller Qualitätskontrolle. Statt detaillierte Lehrpläne vorzuschreiben, beschränkt sich die finnische Bildungsbürokratie darauf, Lernziele vorzugeben und landesweite Tests zu erarbeiten, mit denen überprüft wird, wie gut die Ziele erreicht wurden.
- Vertrautheit mit standardisierten Tests.
Die Begeisterung für Finnland rief auch kritische Stimmen auf den Plan, die darauf hinwiesen, dass Alkoholismus unter finnischen Schülern weitverbreitet und die Selbstmordrate alarmierend hoch sei.
Aus statistischer Sicht relativiert sich das gute Abschneiden Finnlands, sobald man demographische, insbesondere soziale, Hintergrundvariablen kontrolliert. Finnland ist weniger "großstadtgeprägt" als die meisten einwohnerstärkeren Staaten. Außerdem ist Finnland in weiten Landesteilen sehr dünn bevölkert, so dass schon dadurch die durchschnittliche Klassenstärke sinkt und die notwendigen Schüler für ein mehrgliedriges Schulsystem gar nicht zur Verfügung stehen.
Die Schulstrukturdebatte
Befürworter der Gesamtschule nutzten die PISA-Ergebnisse für eine Neuauflage der deutschen und österreichischen Schulstrukturdebatte. Sie verwiesen insbesondere auf:
- das hervorragende Abschneiden Finnlands und einiger anderer Staaten,
- die überdurchschnittliche Korrelation zwischen den deutschen Testergebnissen und dem sozialen bzw. Migrations-Hintergrund,
- die starke Korrelation zwischen Wahl des Schultyps und familiärem Hintergrund.
Gegner wenden ein, dass die PISA-Ergebnisse keineswegs eindeutig sind:
- Auch „Testverlierer“ haben Gesamtschulsysteme.
- Im innerdeutschen Vergleich schneiden Länder, die wie Bayern konsequent an einem gegliederten Schulsystem mit harten Aufnahmebedingungen für höhere Schulen festhalten, am besten ab.
- Die Verhältnisse in Deutschland und Finnland sind aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht vergleichbar; es ist völlig spekulativ, den finnischen Erfolg primär der Schulstruktur zuzuschreiben.
- Die Lehrer in Finnland sind anders ausgewählt und besser ausgebildet als in Deutschland, so dass nicht die Schulform oder -struktur, sondern die Qualität der Lehrer über den Bildungsstandard mitentscheiden kann.
Politische Reaktionen
Als unmittelbare Reaktion auf den PISA-Schock beschlossen die deutschen Kultusminister die Entwicklung bundesweiter „Bildungsstandards“ und die Gründung des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, das diese Standards in Form von Testaufgaben operationalisiert.
Rückwirkung auf die Schulen
Es war politisch von Anfang an beabsichtigt, dass PISA auf die Schulwirklichkeit zurückwirken solle. Beteiligte Mathematikdidaktiker hofften beispielsweise, ihre Vorstellung von sinnvollem Unterricht durchzusetzen (Meyerhöfer in Jahnke/Meyerhöfer 2007).
Konkret spürbar ist der Einfluss der PISA-Beispielaufgaben zum Beispiel, wenn in neuen Mathematiklehrplänen verstärktes Gewicht auf das Arbeiten mit Graphiken und Tabellen gelegt wird.
Kritik
→ Hauptartikel: Kritik an den PISA-Studien
Die PISA-Studien haben nicht nur ein außergewöhnliches Medienecho, sondern auch heftige wissenschaftliche Debatten ausgelöst. Aufgrund der Komplexität des Gegenstands ist die Kritik ein interdisziplinäres Unterfangen, an dem sich sowohl Pädagogen als auch Psychologen und andere Wissenschaftler mit statistischer Fachkunde (Mathematiker, Physiker, Ökonomen) beteiligen. Je nach Herkunft haben sie ihre Anmerkungen an weit gestreuten, zum Teil entlegenen Stellen veröffentlicht. Erst mit einiger Verzögerung erscheinen erste Sammelbände, die die bisher verstreute Kritik bündeln (Jahnke/Meyerhöfer 2006, erweitert 2007; Hopmann/Brinek/Retzl 2007).
Zielsetzung von PISA
Das utilitaristische Bildungsziel von PISA wird insbesondere von frankophonen Autoren kritisiert: es bewirke zunächst einmal eine Verzerrung der Testergebnisse zugunsten angelsächsischer Staaten und sodann einen Druck, Lehrpläne so anzupassen, dass unmittelbar alltagsrelevante Fertigkeiten ein größeres Gewicht bekämen. Das bedrohe zum Beispiel die Spezifizität des französischen Mathematikunterrichts, der großen Wert auf strenge Beweise legt. In diesem Zusammenhang wird auf die ökonomische Zielsetzung der OECD und auf die Intransparenz und mangelnde demokratische Legitimität der Entscheidungsprozesse in PISA hingewiesen. Ein ähnlicher Einwand lautet, dass PISA mit seinen Schwerpunkten Mathematik, Muttersprache, Naturwissenschaften die Marginalisierung gesellschaftswissenschaftlicher und musischer Fächer forciert.
Der Mathematikdidaktiker Thomas Jahnke kritisiert den Grundgedanken, Bildung „standardisieren“ zu wollen (vgl. Bildungsstandards) und deutet PISA auch als Markterschließung der Testindustrie.[10] Der Philosoph Konrad Paul Liessmann kritisiert PISA als ökonomischen Versuch die (humanistische) Bildung im Grunde abschaffen zu wollen und durch simples Wissen (im Gegensatz zu Bildung) zu ersetzen. Er beklagt die Transformation der Bildungseinrichtung Schule in eine Berufsschule für Kinder und damit das Ende des bewussten und geistigen Menschen und seine Entwicklung zu einem Arbeitnehmer und Konsumenten.[11]
Methodik: Validität der Instrumente
Im Anschluss an die Testungen 2000 und 2003 wurde jeweils nur ein kleiner Teil der eingesetzten Aufgaben (der „Instrumente“ in der Sprache der Psychologie) veröffentlicht. Eine Vielzahl von Autoren hat diese Aufgabenbeispiele kritisiert, besonders gründlich der Mathematikdidaktiker Meyerhöfer. In einer didaktischen Analyse mit Methoden der objektiven Hermeneutik zeigt er, dass PISA dem Anspruch, eine spezielle „Mathematische Literalität“ zu testen, nicht gerecht wird.
Das seit den allerersten vergleichenden Schulstudien ungelöste Übersetzungsproblem bewirkt auf verschiedenen Wegen eine Verzerrung der internationalen Vergleiche:
- Herkunft der Aufgaben (überwiegend aus dem angelsächsischen Bereich und den Niederlanden).
- Unterschiedliche Lesbarkeit verschiedener Sprachen.
- Texte werden beim Übersetzen tendenziell länger; Aufgabentexte sind im Deutschen um ca. 16% länger als im Englischen (Puchhammer in Hopmann/Brinek/Retzl 2007).
- Wenn Übersetzer die Aufgabe verstehen, neigen sie dazu, Hilfen zu geben (Freudenthal 1975).
- Wenn Übersetzer nicht alle Fußangeln erkennen, kann die Aufgabe wiederum erheblich schwerer geraten.
- In einzelnen Aufgaben sind manifeste Übersetzungsfehler unterlaufen.[12]
Ein weiteres Problem ist die unterschiedliche Vertrautheit mit dem Aufgabenformat. Meyerhöfer spricht hier von „Testfähigkeit“; in den USA wird schon lange über die Bedeutung von „testwiseness“ diskutiert. Wuttke (2007) hat entdeckt, dass bis zu 10 Prozent der deutschsprachigen Schüler das Multiple Choice-Format nicht verstehen und mehr als eine Antwortalternative ankreuzen.
Methodik: Validität der Statistik
Bei der Auswertung von PISA und ähnlichen Studien stellt sich das Grundproblem, dass Leistungsunterschiede „innerhalb“ eines jeden Staats wesentlich größer sind als typische Unterschiede „zwischen“ Staaten. Es ist deshalb eine Messgenauigkeit im unteren Prozentbereich erforderlich, um statistisch signifikante Aussagen über solche Unterschiede treffen zu können. In PISA wird das formal durch die Verwendung sehr großer Stichproben (etwa 5.000 Schüler/Staat) erreicht. Die offiziellen Standardfehler berücksichtigen jedoch nicht mögliche systematische Verzerrungen (Wuttke 2007). Solche Verzerrungen werden unter anderem bewirkt durch:
- Unzuverlässige Ausgangsdaten (es gibt keine Urlisten mit allen Fünfzehnjährigen; die Stichprobenziehung ist extrem kompliziert und nicht überprüfbar).
- Leistungsabhängige Teilnahmeneigung (2007 wurde bekannt, dass die Teilnahmeneigung in manchen Staaten so gering ist, dass Schüler mit bis zu 50 Dollar oder einem freien Tag für die Teilnahme belohnt wurden).
- Uneinheitlicher Ausschluss von lernbehinderten Schülern (Hörmann in Hopmann/Brinek/Retzl 2007).
- Einige Staaten, darunter Finnland, haben Legastheniker vom Test ausgeschlossen (OECD: Technische Berichte).
Interpretation der Ergebnisse
Aus systemanalytischer Sicht wird kritisiert, dass das offiziell deklarierte erkenntnisorientierte Ziel, durch zyklische Wiederholung die „leistungsmäßigen Ergebnisse von Schulsystemen“ mitzuverfolgen, von vorneherein illusorisch sei: die Testergebnisse hängen von einer Vielzahl verschiedenster Einflüsse ab, so dass ein Rückschluss auf die eine Eingangsgröße „Schulsystem“ in der Regel ein ökologischer Trugschluss ist. Beispielsweise schmilzt der Vorsprung Finnlands dahin, wenn man nur die eine zusätzliche Eingangsgröße „Migrantenanteil“ herausrechnet.
Das von PISA postulierte Bildungsziel „literacy“ führt zu einer Verwischung der Grenze zwischen den einzelnen Testgebieten. Die Ergebnisse sind hochkorreliert. Deshalb argumentiert Heiner Rindermann (2006; mit Verweis auf ähnliche Ergebnisse von Siegfried Lehrl und Volkmar Weiss), dass man PISA in guter Näherung als einen Intelligenztest deuten kann.
Weitere Analysen
Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. stellte fest, dass jene Gruppen bei PISA am schlechtesten abschnitten, die sich durch den höchsten Medienkonsum auszeichnen[13]. Siehe dazu auch: Kindheit und Jugend in Deutschland#Medienkonsum
Quellenangaben
- ↑ Organisation for Economic Co-operation and Development
- ↑ Deutsche Projektleitung 2003 und 2006 – IPN an der Uni Kiel
- ↑ [http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/intgrundkonzeption.htm Internationale Grundkonzeption laut deutscher Projektleitung 2000
- ↑ OECD-Veröffentlichung mit Aufgabenbeispielen. Es ist nicht ganz klar, ob die Lizenzbedingungen der OECD ein Einbinden in die WP gestatten würden.
- ↑ Für Details siehe Methodik der PISA-Studien.
- ↑ Ramm et al. 2004: Ramm et al.: Soziokulturelle Herkunft: Migration. In: PISA 2003: Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann, ISBN 3-8309-1455-5, S. 269/270.
- ↑ [1] PISA 2006: Naturwissenschaftliche Kompetenzen für die Welt von Morgen. OECD Briefing Note für Deutschland; [http://pisa.ipn.uni-kiel.de/zusammenfassung_PISA2006.pdf Zusammenfassung der deutschen Ergebnisse durch das Kieler IPN
- ↑ E. Neuwirth, I. Ponocny, W. Grossmann W (Hrsg.): PISA 2000 und PISA 2003: Vertiefende Analysen und Beiträge zur Methodik. Graz: Leykam 2006.
- ↑ [2] McKinsey-Studie zu PISA September 2007 (englisch)
- ↑ T. Jahnke: Die PISA-Unternehmer. Forschung & Lehre, 15, 26–27 (2008).
- ↑ K. P. Liessmann: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien: Paul Zsolnay 2006.
- ↑ [3] „Dachboden“ statt „Boden des Dachgeschosses“ für „attic floor“, „Hemisphäre“ statt „Erdhälfte“ für „hemisphere“, „Forschung“ für „scientific experiments“ – vgl. Wuttke (2007) und in der Berliner Zeitung ("Pisa – ein teurer Zufallsgenerator")
- ↑ [4] Christian Pfeiffer et al.: „Die PISA-Verlierer – Opfer des Medienkonsums“ KFN Hannover
Siehe auch
- Weiterführende Artikel
- Methodik der PISA-Studien
- Auswertung der PISA-Studien: Einfluss des sozialen Hintergrunds
- Kritik an den PISA-Studien
- andere Schulstudien
Literatur
- PISA-Studien, International
- OECD (1999): Measuring Student Knowledge and Skills. A New Framework for Assessment. Paris: OECD, ISBN 92-64-17053-7 Download Englische Version Download Französische Version Download Spanische Version
- OECD (2001): Lernen für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA 2000. Paris: OECD, ISBN 92-64-59671-2
- OECD (2003a): The PISA 2003 Assessment Framework. Mathematics, Reading, Science and Problem Solving Knowledge and Skills. Paris: OECD, ISBN 978-92-64-10172-2 Download Englische Version Download Französische Version Download Spanische Version
- OECD (2004a): Learning for Tomorrow's World. First Results from PISA 2003. Paris: OECD, ISBN 978-92-64-00724-6
- OECD (2004b): Problem Solving for Tomorrow's World. First Measures of Cross-Curricular Competencies from PISA 2003. Paris: OECD, ISBN 978-92-64-00642-3
- OECD (2005): PISA 2003 Technical Report. Paris: OECD, ISBN 978-92-64-01053-6
- PISA-Studien, Deutschland
- J. Baumert u. a.: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Deutsches PISA-Konsortium. Leske + Budrich, Opladen 2001, ISBN 3-8100-3344-8
- M. Prenzel u. a. (Hrsg.): PISA 2003. Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Deutsches PISA-Konsortium. Zusammenfassung. Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, Kiel 2004 (Kurzfassung)
- M. Prenzel u. a. (Hrsg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Waxmann, Münster 2004, ISBN 3-8309-1455-5
- M. Prenzel u. a. (Hrsg.) PISA 2006. Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie. Waxmann, Münster u.a. 2007, ISBN 978-3-8309-1900-1
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- Detlef Rost: Interpretation und Bewertung pädagogisch-psychologischer Studien. Beltz, Weinheim 2005, ISBN 3-407-25379-6
- Zusammenfassungen, Rezensionen, Kritiken
- Hans Brügelmann: Fieber genau zu messen ist noch keine Diagnose, Fieber erfolgreich zu senken keine Therapie. Wie Leistungstests in ihren Leistungsmöglichkeiten durch PISA & Co überfordert werden. Beitrag zum Forum „Schule ist mehr als PISA – Zur Bedeutung reformpädagogischer Ansprüche an die schulische Bildung von heute“ der ZEIT-Stiftung in Hamburg am 6./7. März 2008.
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- Thomas Jahnke, Wolfram Meyerhöfer (Hrsg.): PISA & Co – Kritik eines Programms. Franzbecker, Hildesheim 2007 (2.Aufl.), ISBN 978-3-88120-464-4 (Sammelband mit Beiträgen von neun Forschern)
- Josef Kraus: Der PISA Schwindel. Unsere Kinder sind besser als ihr Ruf. Wie Eltern und Schule Potentiale fördern können. Signum, Wien 2005, ISBN 3-85436-376-1 (Bewusst polemische Streitschrift)
- Volker Ladenthin: PISA – Recht und Grenzen einer globalen empirischen Studie. Eine bildungstheoretische Betrachtung. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Paderborn 79(3)354–375 (2003). Online unter http://www.messen-und-deuten.de/pisa/Ladenthin03.pdf.
- Erich Neuwirth, Ivo Ponocny, Wilfried Grossmann (Hrsg.): PISA 2000 und PISA 2003. Vertiefende Analysen und Beiträge zur Methodik. Leykam, Graz 2006, ISBN 3-7011-7569-1 (Umfassendes Erratum zu den Österreichischen Ergebnissen aus PISA 2000)
- W. Potthoff, J. Schneider, F. Schrage: Impulse für die aktive Schule. Vorschläge zur besseren Zentrierung und Profilierung des Bildungswesens nach PISA, Reformpädagogischer Verlag, Freiburg 2004, ISBN 3-925416-27-7
- Joachim Wuttke: Die Insignifikanz signifikanter Unterschiede. Der Genauigkeitsanspruch von PISA ist illusorisch. In: T.Jahnke, Meyerhöfer: PISA & Co – Kritik eines Programms. Franzbecker, Hildesheim (2.Aufl. 2007). Online unter http://www.messen-und-deuten.de/pisa/Wuttke2007b.pdf.
Weblinks
- International
- Deutschland (siehe auch: PISA-E und PISA-International-Plus)
- Deutschland 2000 (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin)
- Deutschland 2003, 2006 (IPN, Kiel; dort finden sich insbesondere ein Kurzbericht und viele freigegebene Aufgabenbeispiele)
- Schweiz
- Südtirol
- andere Teilnehmerstaaten
- Kritik
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