PRIND

PRIND

Als Schlaganfall (auch Zerebraler Insult, apoplektischer Insult oder Gehirnschlag, in der medizinischen Umgangssprache häufig verkürzend auch Apoplex oder Insult), wird eine plötzlich auftretende Erkrankung des Gehirns bezeichnet, die zu einem anhaltenden Ausfall von Funktionen des Zentralen Nervensystems führt und durch kritische Störungen der Blutversorgung des Gehirns verursacht wird.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe

Die Terminologie des Schlaganfalls wird nicht einheitlich benutzt. Gleichbedeutend zum Begriff Schlaganfall sind auch die angloamerikanischen Termini Stroke und Cerebrovascular accident (CVA).[1] Diese Bezeichnungen werden häufig als Oberbegriff für unterschiedliche neurologische Krankheitsbilder benutzt, deren wichtigste Gemeinsamkeit plötzliche Symptome nach einer auf das Gehirn begrenzten Durchblutungsstörung sind, wobei der Funktionsverlust definitionsgemäß[2] nicht auf primäre Störungen der Erregbarkeit von Nervenzellen zurückzuführen sein darf (konvulsive Störung, siehe Epilepsie).

Schlaganfallformen – Minderdurchblutung oder Blutung

Dem Schlaganfall liegt ein plötzlicher Mangel der Nervenzellen an Sauerstoff und anderen Substraten zugrunde. Grob unterscheiden lassen sich die plötzlich auftretende Minderdurchblutung (Ischämischer Schlaganfall beziehungsweise Hirninfarkt) und die akute Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt oder Insult), die jedoch sekundär auf Grund ihrer raumfordernden Wirkung bzw. auf Grund des Fehlens des Blutes in nachgeordneten Regionen ebenfalls zu einer Ischämie führt.

Die Unterscheidung zwischen Minderdurchblutung und Blutung ist erst durch bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) sicher möglich, wobei in den ersten Stunden beide Bildgebungsmethoden insbesondere beim primär ischämischen Hirninfarkt noch unauffällig sein können. Die Verdachtsdiagnose einer Subarachnoidalblutung, welche in Folge einer geplatzten Arterie (zum Beispiel aufgrund eines Aneurysmas) entsteht, kann insbesondere bei nur milder Symptomatik (zum Beispiel alleinige Kopfschmerzen) durch den Nachweis von Blutbestandteilen im Nervenwasser bei der Lumbalpunktion bestätigt werden.

Kürzer als 24 Stunden andauernde Minderdurchblutungen ohne sichtbare Folgen wurden früher als Transitorische ischämische Attacke (TIA) bezeichnet. Obwohl in den alten Leitlinien und auch in Lehrbüchern noch häufig erwähnt, wird in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2005 darauf hingewiesen, dass die klassische Differenzierung von transitorisch ischämischen Attacken (TIA) und vollendeten ischämischen Schlaganfällen als überholt gilt. Grund dafür ist einerseits, dass auch bei vielen Patienten mit einer sogenannten TIA morphologische Hirnschäden nachweisbar sind und andererseits das Risiko für einen Re-Infarkt nach TIA und vollendetem Schlaganfall etwa gleich groß ist. Abgesehen von der Frage der Lyse sollen sowohl "vollendete" Schlaganfälle als auch früher als TIA bezeichnete Zustände gleich behandelt werden.[3] Der Begriff (prolongiertes) reversibles ischämisches neurologisches Defizit (RIND/PRIND) für länger als 24 Stunden, aber kürzer als drei Wochen anhaltende Befunde soll ebenfalls nicht mehr angewendet werden, da dies bereits einem manifesten Schlaganfall entspricht.[4] Gleiches gilt für die Beschreibung eines partiell reversiblen ischämischen neurologischen Syndroms (PRINS).

Jährliche Häufigkeiten in Deutschland:

  • durch Minderdurchblutung primär ischämischer Hirninfarkte (Inzidenz) 137 Ereignisse/100.000 Einwohner
  • Hirnblutungen (24/100.000)
  • Einblutungen in den das Gehirn umgebenden Liquorraum, sogenannte Subarachnoidalblutungen (6/100.000)
  • Schlaganfälle ungeklärter Ursache (8/100.000)
  • Auch bei primär ischämischen Infarkten kann es zu sekundären Blutungen im Infarktgebiet (hämorrhagische Infarzierung) kommen.[5]

Symptome

Schlaganfall-Symptome

Medizinische Kurzfassung

Als Zeichen eines Schlaganfalles können plötzlich, je nach Schweregrad auch gleichzeitig mehrere Symptome auftreten:[6]

Test zur Erkennung eines Schlaganfalls

Ein einfacher Test zur Erkennung eines Schlaganfalls durch Laien ist die Cincinnati Prehospital Stroke Scale (CPSS).[7][8]

Ärzte in den USA haben einen einfachen Test vorgestellt, mit dem auch ungeübte Personen innerhalb einer Minute einen Schlaganfall relativ sicher erkennen können: Sie müssen nur beurteilen, ob ein Patient normal lächeln, beide Arme heben und halten beziehungsweise einen einfachen Satz verständlich formulieren kann. Im us-amerikanischen Raum hat sich zum besseren Einprägen die Eselsbrücke F-A-S-T (englisch: schnell) durchgesetzt. Sie steht für face – arms – speech – time[9]:

  • Bitten Sie die Person, zu lächeln. (Das Gesicht wird bei Lähmung einseitig verzogen.)
  • Bitten Sie die Person, gleichzeitig beide Arme nach vorne zu heben, Handflächen nach oben. (Bei einer Lähmung kann ein Arm nicht gehoben werden bzw. sinkt oder dreht sich, vor allem bei geschlossenen Augen, ab.)
  • Bitten Sie die Person, einen einfachen Satz nachzusprechen, zum Beispiel: „Ich benötige keine Hilfe.“ (Der Satz muss korrekt wiederholt werden, die Sprache darf nicht verwaschen sein.)

Mit diesem Test werden Schlüsselsymptome für einen Schlaganfall abgefragt. Ein Test mit einhundert Personen zeigte, dass sie großteils einen Schlaganfall korrekt diagnostizierten.

Eine Schwäche der Arme erkannten 97 Prozent, Sprachdefizite 96 Prozent der Testpersonen einwandfrei. Aufgrund des Lächelns der Patienten identifizierten 74 Prozent eine Gesichtsmuskelschwäche. Mit dieser Methode können zufällig anwesende Passanten ihre Diagnose den eintreffenden Rettungsteams sofort mitteilen.

Wegen der damit verbundenen Zeitersparnis sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient bleibende Schäden davonträgt.

Therapie

Erste Hilfe

Patienten mit einem Schlaganfall (oder dem Verdacht auf selbigen) sollten ohne zeitliche Verzögerung ärztlicher Behandlung zugeführt werden, denn in einer Vielzahl von Fällen gilt es, mittels intravenöser oder intraarterieller Gabe von speziellen Medikamenten (Thrombolyse) ein eventuell vorhandenes Blutgerinnsel aufzulösen und das Gehirn vor einem dauerhaften Schaden zu bewahren.

Primär gilt es in der Ersten Hilfe, nach dem unverzüglichen Absetzen eines Notrufs den Patienten weiterhin zu betreuen, mit erhöhtem Oberkörper zu lagern und fortlaufend das Bewusstsein zu kontrollieren. Keine körperliche Belastung. Nichts trinken, nichts essen, da eine Aspirationsgefahr besteht. Das bedeutet, dass das Gehirn evtl. den Schluckvorgang nicht mehr richtig steuern kann und so die Gefahr des Verschluckens besteht. Notfalltransport mit Rettungswagen, eventuell mit Notarzt, in eine Stroke Unit (spezialisierte Abteilung für Schlaganfall-Behandlung, nicht unbedingt immer Bestandteil einer neurologischen Klinik) zur genauen Diagnostik und Therapie von möglichen Komplikationen.[10]

Rehabilitation

Funktionserholung nach großem kortikalem Schlaganfall [fMRT]
Aktivitätsmuster bei Gesunden und Schlaganfall-Patienten, gemessen mit fMRT

Die Rehabilitation von Patienten mit zerebrovaskulärer Insuffizienz beginnt idealerweise postakut in o.g. spezialisierten Behandlungszentren, sogenannte Stroke Units. Rehabilitative Ansätze wie das des Bobath-Konzepts erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit und sind bei konsequenter Ausführung für den Rehabilitationsverlauf maßgeblich mitverantwortlich. Ein neuer und wissenschaftlich mehrfach validierter Ansatz ist die "Constraint-Induced Movement Therapy" (CIMT),[11] bei der durch Immobilisation des gesunden Arms für den Großteil der Wachperiode der Patient zum Gebrauch der erkrankten Hand "gezwungen" wird, wodurch krankhafte Anpassungsphänomene wie der "erlernte Nichtgebrauch" verhindert werden können. Diese Therapiemethode ist auch bei schwer betroffenen Patienten und im chronischen Stadium einsetzbar.

Im Zentrum der neurologischen Rehabilitation stehen vor allem Maßnahmen, welche die Körperwahrnehmung des Betroffenen fördern und im besten Falle zur vollständigen Kompensation verlorener Fähigkeiten führen.

So werden beispielsweise zur Wiederherstellung der Gehfähigkeit mit Physiotherapeuten Gangmuster eingeübt. So arbeiten unter anderem Ergotherapeuten gezielt mit den Patienten zur (teilweisen) Wiederherstellung der sensomotorischen Fähigkeiten.

Die Bedeutung einer gezielten Logopädie bereits in der Frühphase und über einen langen Zeitraum wird häufig unterschätzt und nur laienhaft angegangen.

Moderne Ansätze der Neurorehabilitation versuchen krankhafte Hirnaktivität zu beeinflussen. So findet sich bei einigen Patienten eine enthemmte Aktivität der nicht-geschädigten Hemisphäre, welche die motorischen Funktionen der vom Schlaganfall betroffenen Hirnhälfte stört. Eine Reduktion der Überaktivität, z.B. mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation (TMS), kann bei einem Teil der Patienten zu einer besseren Funktion der gelähmten Hand führen.[12] Derzeit läuft an den National Institutes of Health (NIH) eine Multicenter-Studie zur Wirksamkeit der Magnetstimulationstherapie in Kombination mit einer pharmakologischen Stimulation mit dem Dopamin-Präparat "Levo-DOPA". Durch Letzteres sollen die TMS-Effekte verstärkt werden. Auch andere Medikamente aus der Gruppe der monoaminergen Substanzen wie Paroxetin (serotonerg), Fluoxetin (serotonerg) oder Reboxetin (adrenerg) können Schlaganfall-Defizite transient verbessern, wie in Placebo-kontrollierten Studien gezeigt werden konnte.[13] Ein neuer technischer Ansatz zur Verbesserung von Ausfällen besteht in der transkraniellen Gleichstrom-Behandlung (transcranial direct current stimulation, tDCS), was derzeit in mehreren Kliniken, unter anderem in Deutschland, überprüft wird.[14]

Siehe auch

Zu Einzelheiten bzgl. Symptomen, Diagnostik und Therapie siehe

Literatur

  • Meilensteine aus der Geschichte des Schlaganfalls, Autorenkollektiv, Verlag: Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim

Lehrbücher

  • J. Braun; R Preuss: Klinikleitfaden Intensivmedizin, 5. Auflage, Urban & Fischer, 2002, ISBN 3-4372-3760-8 (Medizinisches Lehrbuch)
  • Klaus Poeck, Werner Hacke: Neurologie. Springer, Berlin u. a. – 12. Auflage 2006. 760 S. ISBN 3-540-29997-1 (Medizinisches Lehrbuch)
  • Patricia M. Davies: Hemiplegie. Springer, Berlin; 2. Auflage 2002. 622 Seiten. ISBN 3-540-41794-X (Lehrbuch zur krankengymnastischen Rehabilitation nach Schlaganfall)

Einzelnachweise

  1. Hamann 2002: Hamann, Gerhard F.; Siebler, Mario; von Scheidt, Wolfgang: Schlaganfall: Klinik, Diagnostik, Therapie, Interdisziplinäres Handbuch. ecomed Verlagsgesellschaft 2002, ISBN 3-609-51990-8.
  2. Definition der WHO
  3. Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. 3 Auflage. Georg Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-132413-9 (Stand: 24.02.2008). 
  4. Clearingbericht "Deutsche Leitlinen zum Schlaganfall", 2005. Hauptdokument (PDF)
  5. Kolominsky-Rabas et al.: A prospective community-based study of stroke in Germany--the Erlangen Stroke Project (ESPro): incidence and case fatality at 1, 3, and 12 months. Stroke. 1998;29:2501-6. PMID 9836758
  6. American Heart Association: A Simple Test for Stroke. online, abgerufen am 21. Juni 2007
  7. M. S. Dittmar, B. Vatankhah, M. Horn, doi:10.1055/s-2004-828291 (2004)
  8. Illustrierter Test auf der Internetseite der American Stroke Association: [1].
  9. National Stroke Association
  10. Liste von Stroke Units mit einer Zertifizierung seitens der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
  11. Taub, E.; Uswatte, G.; Pidikiti, R: Constraint-Induced Movement Therapy: a new family of techniques with broad application to physical rehabilitation--a clinical review. J Rehabil Res Dev. 1999 Jul;36(3):237-51. Review.
  12. Nowak, D.A.; Grefkes, C., Fink, G.R.: Modern neurophysiological strategies in the rehabilitation of impaired hand function following stroke. Fortschr Neurol Psychiatr. 2008 Jun;76(6):354-60. Review. German.
  13. Pariente, J.; Loubinoux, I.; Carel, C.; Albucher, J.F.; Leger, A.; Manelfe, C.; Rascol, O.; Chollet, F.: Fluoxetine modulates motor performance and cerebral activation of patients recovering from stroke. Ann Neurol. 2001 Dec;50(6):718-29.
  14. Hummel, F.C.; Voller, B.; Celnik, P.; Floel, A.; Giraux, P.; Gerloff, C.; Cohen, L.G.: Effects of brain polarization on reaction times and pinch force in chronic stroke. BMC Neurosci. 2006 Nov 3;7:73.

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