Pacta conventa (Kroatien)

Pacta conventa (Kroatien)
Handschrift aus dem 14. Jh. in einem Budapester Museum

Als Pacta conventa (dt. vereinbarte Verträge) oder Qualiter (nach den ersten Worten) wurde ein bedeutendes Dokument der kroatischen Rechtsgeschichte bekannt. Es regelte die Beziehungen des kroatischen Adels zum ungarischen König, der seit dem Jahr 1102 auch der Herrscher Kroatiens war. Das Abkommen soll der Tradition nach 1102 geschlossen worden sein, ehe Koloman von Ungarn in Biograd na Moru auch zum König von Kroatien gekrönt wurde. Es existiert freilich keine Originalversion der Pacta conventa sondern nur eine Zusammenfassung ihres Inhalts in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert. Insofern ist heute nicht mehr zu klären, ob die Pacta conventa in dieser Form Anfang des 12. Jahrhunderts wirklich geschlossen wurden, oder ob es sich bei der späteren Überlieferung um eine Niederschrift von Gewohnheitsrechten der kroatischen Adelsnation handelt.

Inhaltsverzeichnis

Kroatien und Ungarn vor dem Abschluss der Personalunion

Durch die Heirat der ungarischen Königstochter Helena war der kroatische König Zvonimir in enge familiäre Beziehungen zur Dynastie der Arpaden getreten. Auch politisch gab es Verbindungen zwischen den beiden Ländern. So unterstützte König Géza seinen Schwager Zvonimir in den 1060er Jahren im Krieg gegen den Kärntner Grafen Ulrich.

Als Zvonimir 1089 starb, versuchte seine Witwe erfolglos, den kroatischen Thron für ihren Bruder Ladislaus, der mittlerweile in Ungarn herrschte, zu sichern. Stattdessen wurde Stephan II., der letzte Nachkomme der Trpimirović-Dynastie zum König gewählt. Dieser konnte sich in seiner nur zwei Jahre währenden Regierung nicht landesweit durchsetzen. Nach Stephans Tod 1091 bekam Helenas Partei wieder Oberwasser und ihr Bruder Ladislaus nutzte das Machtvakuum in Kroatien für einen militärischen Einfall. Er marschierte ohne größeren Widerstand bis nach Biograd na moru, der Könisresidenz an der dalmatinischen Küste. Wegen eines Kumanen-Einfalls in Ungarn musste er aber schnell heimkehren. Auf dem Rückweg gründete er das Bistum Zagreb, das der ungarischen Kirchenprovinz Kalocsa unterstellt wurde. Zumindest im binnenländischen Slawonien scheint also die ungarische Macht 1091 beständig gewesen zu sein. Außerdem ernannte Ladislaus seines Neffen Álmos zum kroatischen König. Dieser aber ist wohl nie gekrönt worden, denn die Krone befand sich im Besitz des Bischofs von Split außerhalb des ungarischen Machtbereichs. Ohne Krönung verlor Álmos in Kroatien zusehends an Anerkennung und 1093 wurde Petar Svačić zum König gewählt. Petar starb 1097 in der Schlacht am Gvozd, als er einer Truppe des ungarischen Königs Koloman den Durchzug nach Biograd verwehren wollte.

Nun gab es außer Koloman keinen Kandidaten für den kroatischen Thron. Gleichwohl zögerte der kroatische Adel, den zu jener Zeit außen- wie innenpolitisch geschwächten ungarischen König als ihren Herrscher zu erwählen. Unter anderem machte ihm sein Bruder Álmos die Macht in beiden Ländern streitig. Erst fünf Jahre später konnte sich Koloman in Biograd zum König Kroatiens krönen lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Koloman dafür dem kroatischen Adel weitreichende Zugeständnisse machte, wie sie viele Jahre später als Pacta conventa schriftlich festgehalten worden sind.

Inhalt

Der Inhalt der Pacta Conventa fand sich als Anhang in einer auf das 14. Jahrhundert datierten Abschrift der Historia Salonitana. Darin sind ihre Bestimmungen wie folgt wiedergegeben:

Die Kroaten wählen Koloman zu ihrem König, seine Nachkommen haben das Recht der Nachfolge. Kroatien wurde nicht unterworfen, sondern hat das arpadische Herrscherhaus aus freiem Willen angenommen. Daher bleiben die Besitzungen seiner Einwohner (gemeint ist der Adel) unangetastet. Der König muss den kroatischen Landtag (Sabor) anerkennen, er und seine Nachfolger müssen sich in Kroatien krönen lassen. Zur Heeresfolge war der Adel nur innerhalb der kroatischen Grenzen verpflichtet; jenseits der Grenzen muss der König dem Adel dafür die Kosten erstatten. Dem König werden die landesüblichen Abgaben zugestanden und er darf einen Stellvertreter (Ban) ernennen, der für seine Dienste mit Ländereien in Kroatien entschädigt werden konnte.

Als Vertragspartner des Königs werden die Vertreter der kroatischen Adelsfamilien Kačić, Kukar, Šubić, Svačić, Plečić, Mogorović, Gušić, Čudomirić, Karinjanin und Lapčan, Lačničić, Jamometić und Tugomirić genannt.

Wirkungsgeschichte der Pacta Conventa

Der kroatische Adel konnte sich über Jahrhunderte eine weitreichende Selbständigkeit erhalten. Konkret hing das aber von der Stärke des jeweiligen Königs ab. Da die meisten ungarischen Herrscher aber auch in ihrem Stammland dem Adel weit entgegenkommen mussten, galt dies auch für Kroatien. Die starke Stellung des kroatischen Adels beruhte jedoch mehr auf persönlichen Privilegien. Manche Könige verzichteten auf die separate Krönung in Kroatien, ohne dass dies noch politische Konsequenzen hatte. Durch Heiraten und Landerwerb beiderseits der Grenzen vermischten sich die Magnatenfamilien Kroatiens und Ungarns mehr und mehr. Viele Adlige gehörten beiden Adelsnationen an.

Von Bedeutung war die Rechtstradition der Pacta Conventa jedoch, als der Sabor 1527 in einem eigenen Wahlakt den Habsburger Ferdinand zum König wählte. Ferdinand erkannte auch die alten Rechte des kroatischen Adels an. Bei der separaten Verabschiedung der Pragmatischen Sanktion, die im 18. Jahrhundert die Erbfolge Maria Theresias sicherte, berief sich der Sabor ebenfalls auf die Eigenständigkeit gegenüber Ungarn. Dies war der letzte Rechtsakt, bei dem die Pacta Conventa eine Rolle spielten.

Kontroverse

Schon im 19. Jahrhundert waren die Pacta Conventa Gegenstand hitziger Auseinandersetzungen zwischen ungarischen und kroatischen Historikern. Als Bestandteil des so genannten historischen Staatsrechts waren sie Legitimationsgrundlage für politische Ansprüche beider Nationen. Die kroatische Seite forderte auf Basis des historischen Rechts die Anerkennung als Nation mit eigener Staatlichkeit innerhalb der Donaumonarchie, die Magyaren sahen Kroatien als integralen Bestandteil Ungarns. Bei diesen Auseinandersetzungen stand auch die Authentizität der Pacta Conventa zur Debatte.

In der Forschung nach 1945 betrachtete die kroatische Historikerin Nada Klaić die Erwähnung der zwölf Stämme als eine Einheit im Trogirer Privileg als Hauptgrund für ihre Unechtheit, während der kroatische Historiker Oleg Mandić dazu die Gegenposition vertrat.[1]

Weblinks

  • Hrvoje Jurčić: Die sogenannten „Pacta conventa“ in kroatischer Sicht, Ungarn-Jahrbuch 1969, München. PDF (1139kB, dt.)
  • Nada Klaić: O. Mandić, “Pacta conventa” i “dvanaest” hrvatskih bratstava, Historijski zbornik, XI–XII, 1958–59, Historijski zbornik 13 (1960), S. 303-318. PDF (2162kB, kroat.)
  • Oleg Mandić: O jednoj “recenziji”, Historijski zbornik 13 (1960), S. 318-320. PDF (387kB, kroat.)

Literatur

1. Quellen

  • Thomas Archidaconus / Toma Arhiđakon: Historia Salonitana. Povijest salonitanskih i splitskih prvosvećenika. Predgovor, latinski tekst, kritički aparat i prijevod na hrvatski jezik, hrsg. v. Olga Perić. (= Biblioteka Knjiga mediterana. 30). Split 2003. ISBN 953-163189-1

2. Darstellungen

  • Budak Neven, Prva hrvatska stoljeća, Zagreb 1994

Einzelnachweise

  1. Bernath M., Krallert G.: Historische Bücherkunde Südosteuropa, München/Wien, R. Oldenbourg, 1980, S. 1324

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