Pan-Somalismus

Pan-Somalismus
Die Flagge Somalias verdeutlicht großsomalische Bestrebungen: Die fünf Zacken des Sterns stehen für Italienisch-Somaliland und Britisch-Somaliland, Ogaden, Dschibuti und Nordost-Kenia
Karte der politischen Lage im von Somali bewohnten Gebiet

Groß-Somalia – ein Gebilde, das sämtliche von ethnischen Somali bewohnten Gebiete am Horn von Afrika umfassen soll – wird als Ziel von somalischen Nationalisten angestrebt. Es würde neben dem heutigen Somalia auch die heute äthiopische Region Ogaden bzw. Somali, Dschibuti und den Nordosten Kenias umfassen.

Das Streben nach einem Groß-Somalia wird als Pansomalismus, im Somalischen Soomaaliweyn, bezeichnet.

Geschichte

Historisch war das von Somali bewohnte Gebiet nie politisch geeint, sondern stand vor der Kolonialzeit unter der Herrschaft lokaler Clans und verschiedener Sultanate. Ab dem 19. Jahrhundert erfuhr die Region ihre bis heute nachwirkende koloniale Aufteilung: Ogaden geriet unter die Herrschaft Äthiopiens, die dieses bis heute behauptet. Süden und Osten des heutigen Somalia wurden von Italien, der Norden (das heutige separatistische Somaliland) sowie Kenia von Großbritannien und Dschibuti (Französisch-Somaliland) im Nordwesten von Frankreich kolonisiert.

Es gab innerhalb der Somali-Bevölkerung Bestrebungen, diesen Teilungszustand aufzuheben und sämtliche Somali in einem Staat zu einen. Aufgrund dieser Bestrebungen wurden Italienisch-Somaliland und Britisch-Somaliland 1960 gemeinsam als Somalia unabhängig. Der neue Staat schrieb das Streben nach einer Vereinigung aller Somali-Gebiete in der Präambel seiner Verfassung fest: „Die Somalische Republik treibt mit legalen und friedlichen Mitteln die Vereinigung der (Somali-)Territorien voran“ (The Somali Republic promotes by legal and peaceful means, the union of the territories).

Als 1961 in London über die nahende Unabhängigkeit der Kolonie Kenia beraten wurde, forderten Vertreter der Somali aus Nordostkenia den Anschluss ihres Gebietes an Somalia. Eine Untersuchung ergab, dass die Somali wie auch die Oromo – welche zusammen die Bevölkerungsmehrheit in Nordostkenia stellen – diese Forderung mehrheitlich unterstützten. Dennoch entschied die britische Kolonialverwaltung, die betreffenden Gebiete bei Kenia zu belassen und ihnen in einem föderalistischen System beschränkte Autonomie innerhalb des Landes zu gewähren. Nach der Unabhängigkeit Kenias 1963 führte dessen Regierung allerdings eine zentralistische Regierungsform ein. Die Issa in Dschibuti setzten 1977 – gegen den Willen der Afar-Minderheit – die Unabhängigkeit von Frankreich durch, nicht aber den Anschluss an Somalia.

Die Forderungen nach einem Groß-Somalia standen im Widerspruch zum Prinzip der OAU, wonach die kolonialen Grenzen in Afrika nicht verändert werden sollen, um das Konfliktpotenzial zu verringern. Sie führten bald zu Spannungen zwischen Somalia und den Nachbarstaaten. Nach der Unabhängigkeit Kenias 1963 begannen Somali-Rebellen, die von Somalia aus unterstützt wurden, einen Guerillakampf für den Anschluss Nordostkenias an Somalia, woraufhin der Staat Restriktionen gegen die gesamte Bevölkerung des Gebietes verhängte; dieser „Shifta-Krieg“ dauerte bis 1967. 1964 kam es zudem zu einem kurzen äthiopisch-somalischen Grenzkrieg. Daraufhin schlossen Kenia und Äthiopien ein Verteidigungsabkommen gegen Somalia.

1976–1978 führte Somalia unter Siad Barre erneut einen Krieg um Ogaden gegen Äthiopien, den es verlor.

Heutige Situation

Nach dem Sturz Barres 1991 zerfiel Somalia in umkämpfte Machtbereiche von Clans und Kriegsherren. Seither besteht keine funktionierende landesweite Regierung mehr. Der ehemals britische Norden Somalias erklärte sich als Somaliland einseitig für unabhängig, andere Landesteile (Puntland, Südwestsomalia, Galmudug, Maakhir) erklärten ebenfalls ihre Unabhängigkeit oder Autonomie. Angesichts dieser Lage verschwanden großsomalische Bestrebungen in den 1990ern weitgehend von der politischen Agenda.

Im äthiopischen Ogaden bzw. der heutigen Somali-Region streben Teile der Somali-Bevölkerung, vor allem der dominierende Clan der Ogadeni-Darod, weiterhin nach größerer Autonomie oder einer Sezession. Hier spielen neben Nationalismus und dem Gefühl, marginalisiert und unterdrückt zu werden auf somalischer Seite und Befürchtungen um die nationale Einheit auf äthiopischer Seite zusätzlich Erdgasvorkommen in der Region eine Rolle. Die 1984 gegründete Ogaden National Liberation Front agiert dort auch gewaltsam für eine Sezession von Äthiopien. Ihr Ziel war zeitweise die Unabhängigkeit, zeitweise der Anschluss an Somalia. Der Konflikt zwischen der ONLF und der äthiopischen Armee hat sich seit 2007 verschärft.

Teile der Union islamischer Gerichte, die 2006 die Kontrolle über große Teile Somalias erlangte, wollen einen islam(-ist-)ischen Staat Groß-Somalia errichten und riefen zum Dschihad zur Eroberung Ogadens auf. Infolgedessen fühlte sich Äthiopien in seiner nationalen Souveränität bedroht, erklärte am 24. Dezember 2006 den Krieg gegen die Union und ist seither massiv in Somalia militärisch präsent.

Quellen


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