- Astrometrisch
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Die Astrometrie (lat. astrum „Stern“ und -metrie) ist der geometrische Teilbereich der Astronomie und als solcher das Gegenstück zur Astrophysik. Sie umfasst die Messung und Berechnung von Gestirnspositionen (sog. Sternörter) und ihren Bewegungen in genau definierten Bezugsystemen. Damit ist sie die Grundlage vieler astronomischer Forschungen und insbesondere der Himmelsmechanik. Bis zur Etablierung der Astrophysik, die um 1860 nach Erfindung der Spektroskopie begann, machten Astrometrie und Sphärische Astronomie den Großteil der gesamten Sternkunde aus.
Nach de Vegt¹ ist Astrometrie die Wissenschaft vom geometrischen Aufbau des Universums (Ort, Bewegung und Entfernung der Gestirne) oder die Vermessung des Himmels. Gleichzeitig gibt sie eine Koordinaten-Grundlage für die Geodäsie – also die Vermessung der Erde.
Inhaltsverzeichnis
Aufgaben der Astrometrie
Konkreter betrachtet, bedeutet Astrometrie heute:
- Erstellung von Katalogen mit genauen Positionen und Eigenbewegungen von Sternen
- Aufbau des fundamentalen Bezugskoordinatensystems von Astronomie und Geowissenschaften
- Aufbau räumlicher astronomischer Datenbanken
- Entwicklung von Messmethoden und Instrumenten
- einerseits terrestrisch (optische Teleskope und -Sensoren, Infrarot-, Radioteleskope usw.),
- andererseits mit Astrometriesatelliten (siehe Hipparcos und künftig Gaia) und interplanetaren Raumsonden
- Durchführung der einschlägigen Messungen und internationalen Messkampagnen
- Reduktion der Messungen und Normung der entsprechenden Verfahren.
Die wichtigste Institution für diese Aspekte ist das Astronomische Rechen-Institut (ARI) in Heidelberg. Es betreibt Astrometrie, Stellardynamik und astronomische Dienstleistungen in Form von Ephemeriden und Jahrbüchern, Kalendergrundlagen und Bibliografien.
Historisches und Querverbindungen
Bis zum Aufkommen der Astrophysik nach 1850 – vor allem durch die Spektralanalyse und die Astrofotografie – war (nach Karl Schütte) die Astrometrie gleichbedeutend mit Astronomie überhaupt. Erst im 20. Jahrhundert begann man von Astrometrie oder Positionsastronomie zu sprechen – im Gegensatz zur Astrophysik, welche ab 1950 die Astronomie dominierte.
Seit der Entwicklung von elektro-optischen Sensoren wie CCD, von Astrometriesatelliten wie Hipparcos und der VLBI-Interferometrie erlebt die Astrometrie eine Renaissance. Ihre Querverbindungen zur Geodäsie werden stärker, die Bedeutung hochpräziser Koordinatensysteme nimmt zu. Internationale Aufgaben wie Monitoring der Erdrotation mit Radioastronomie und GPS, Raumfahrt- und Satellitenprojekte wie Galileo oder GAIA werden interdisziplinär und geben jungen Astronomen neue Berufsmöglichkeiten. In der Definition der Zeitsysteme müssen Astronomen mit Physik und weiteren drei bis vier Disziplinen kooperieren.
Zwei- bis vierdimensionale Astrometrie
Der 2-D-Teil der Astrometrie zählt zur sphärischen Astronomie und beschäftigt sich nur mit der Einfallsrichtung von Lichtquellen aus dem Weltraum – theoretisch, messtechnisch, betreffs der Koordinatensysteme und für diverse Korrekturen der scheinbaren Richtung von Himmelsobjekten (Planeten, Sternen, Galaxien) auf ihre wahre Richtung.
Dreidimensional werden die Sternörter durch Messung von Parallaxen – jener scheinbaren jährlichen Verschiebungen, die von gegenüberliegenden Punkten der Erdbahn feststellbar sind. Daraus können Sterndistanzen bis zu 100 Lichtjahren abgeleitet werden, mit Hipparcos- und anderen Methoden noch weit darüber hinaus.
4-D könnte man schließlich die Stellardynamik nennen, die sich auf Eigenbewegungen stützt. Man erhält sie aus genauen Sternörtern von weit auseinander liegenden Epochen. Ihre Ergänzung zum räumlichen Geschwindigkeitsvektor gibt die Radialgeschwindigkeit, ein Ergebnis der Spektralanalyse und somit der Übergang zur Astrophysik. Ähnlich steht es um Entfernungsbestimmungen mittels Fotometrie.
Die Dynamik ferner Objekte wird umso mehr astrophysikalisch erforscht, je weiter sie entfernt sind. Diese Grenze wird aber durch die Raumfahrt und Astrometriesatelliten ständig ausgeweitet.
Nutzen für die astronomische Forschung
Präzise Sternkoordinaten, Entfernungs- und Geschwindigkeitsdaten befruchten viele Aspekte der Astronomie. Einige davon sind:
- Besseres räumliches Bild der Sternverteilung und der Bewegungsverhältnisse
- Dynamik der Milchstraße in unserer Umgebung
- Präzisere Bestimmung der Sternverteilung bezüglich der Kombination von Leuchtkraft und Spektraltyp im Hertzsprung-Russell-Diagramm
- Genauere Basis zur Vermessung der Erde und des Sonnensystems
- Präzisere Vorhersage[1] von Sternbedeckungen durch Planeten und Kleinplaneten (Asteroiden).
- Basis für hochpräzise Astrometrie bis zu entferntesten Galaxien
- Verbindung des optischen Koordinaten-Rahmens zu jenem der Radio-Interferometrie mit Quasaren; siehe VLBI, Geodäsie.
Literatur
- Julius Redlich: Ein Blick in das allgemeinste Begriffsnetz der Astrometrie. Verlag Beyer, Langensalza 1907.
- Rudolf Sigl: Geodätische Astronomie. Verlag Wichmann, Heidelberg 1991 (3. Aufl.). ISBN 3-87907-190-X
- Albert Schödlbauer: Geodätische Astronomie – Grundlagen und Konzepte. De Gruyter, Berlin/New York 2000. ISBN 3-11-015148-0
- P. Brosche, Harald Schuh: Neue Entwicklungen in der Astrometrie und ihre Bedeutung für die Geodäsie. in: Zeitschrift für Vermessungswesen ZfV. Stuttgart Jg. 124.1999, S.343-350. ISSN 0044-3689
- Jean Kovalevsky, (et al.): Fundamentals of astrometry. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-64216-7
- Jean Kovalevsky: Modern astrometry. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-42380-X
- Stephen Webb: Measuring the universe - the cosmological distance ladder. Springer, London 2001, ISBN 1-85233-106-2
- Michael Perryman: Astronomical Applications of Astrometry: Ten Years of Exploitation of the Hipparcos Satellite Data. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-51489-7
Einzelnachweise
- ↑ Bis zur Hipparcos-Mission waren diese (schwachen) Sterne nicht genau genug vermessen, so dass die Bedeckungslinien auf der Erde oft zu unsicher für mobile Messtrupps waren. Nun löst der Tycho-Katalog das Problem auf etwa ±100 m.
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