Pappa Denke

Pappa Denke

Karl Denke, auch „Pappa Denke“ genannt (* 12. August 1870 in Oberkunzendorf bei Münsterberg in Schlesien; † 22. Dezember 1924 in Münsterberg) war ein deutscher Serienmörder.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er wurde 1870 in Oberkunzendorf (Schlesien) geboren[1] und siedelte 1880 in die Stadt Münsterberg über, wo er in der Teichstraße 10 seine Taten beging.

Am 20. Dezember 1924 kamen Schreie aus der Wohnung von Karl Denke. Der obdachlose Wanderarbeiter Vincent Oliver kam mit einer klaffenden Wunde am Kopf aus der Tür. Ein Nachbar, der zu Hilfe eilte, glaubte dem Obdachlosen zunächst nicht, dass er von dem alten Mann mit einer Spitzhacke attackiert worden sei. Denke galt im Ort als etwas „schrullig“; aber auch als Wohltäter, der immer eine Mahlzeit für Obdachlose und Wandergesellen hatte. Von 1893–1895 war er Bälgetreter und Kreuzträger der evangelischen Gemeinde, zahlte jedoch ab 1906 keine Kirchensteuer mehr und betrachtete sich als aus der Kirche ausgetreten.

Polizeifoto nach seinem Freitod

Aufgrund der Anschuldigung musste die Polizei eine routinemäßige Untersuchung der Wohnung von Denke vornehmen. Die Behörden waren schockiert: Bei dem sehr zurückgezogen lebenden Bürger ihrer Stadt fand man bei der Durchsuchung die Überreste von mehreren Menschen, darunter über 420 Zähne, 480 Knochen und aus menschlichem Fleisch zubereitete Mahlzeiten. Einige waren zum direkten Verzehr bestimmt, einige waren zur Konservierung in Pökelsalz eingelegt. Außerdem fand man drei aus Menschenhaut gefertigte Hosenträger und Schnürsenkel.

Noch in der Nacht seiner Verhaftung erhängte sich Denke in seiner Zelle. Deshalb konnte er nie verhört werden, und wichtige Details seiner Taten und über seine Opfer konnten nicht geklärt werden.

Beim Abschluss der Ermittlungen kam zutage, dass Denke mindestens 31 Menschen geschlachtet, verarbeitet, gegessen und Teile ihres Fleisches auf dem Breslauer Wochenmarkt verkauft hatte, was allerdings vom Sprecher des Marktes bestritten wurde. Mit der Genauigkeit eines Buchhalters hatte Denke die Namen sowie Details über das „Schlachtgewicht“ etc. der 31 Opfer, davon vier Frauen (meist Landstreicher) sorgfältig aufgeschrieben. Die Eintragungen beginnen am 21. Februar 1903 (Opfer Ida Launer) und enden am 17. November 1924.

Bemerkenswert ist fernerhin, dass im selben Jahr zuvor schon der Serienmörder Fritz Haarmann in Hannover festgenommen worden war und auch die Taten von Carl Großmann aus Berlin zu jener Zeit aufgedeckt wurden. Dabei kamen erstaunlich viele Parallelen zu Tage: Alle drei Serienmörder waren Kannibalen und hatten das Fleisch ihrer Opfer vermutlich auch verkauft. In dieser Zeit waren allerdings noch viel mehr Serienmörder unterwegs als die genannten.

Diese Häufung von Serienmördern zeichnet auch ein Bild vom Deutschland der 1920er Jahre. Der erste Weltkrieg und damit verbundene Hungersnöte sowie die Industrialisierung Deutschlands und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Umwälzungen könnten bei der Herausbildung von Serienmördern eine Rolle gespielt haben. Ebenso gab es eine große Zahl von entwurzelten Personen, die auf der Suche nach Arbeit unterwegs waren und deren Verschwinden selten auffiel, wenn sie einem Mörder zum Opfer fielen.

Literarische und musikalische Verarbeitung

Bertolt Brecht nahm die Berichterstattung über Denke im Berliner 8-Uhr-Abendblatt vom Dezember 1924 zum Anlass für eine um 1931 entstandene Satire, die fragmentarisch im Tuiromankomplex überliefert ist. Er gibt dem kleinen Kannibalen die Vornamen des Humanisten Fichte und macht aus dem unscheinbaren Karl Denke einen Johann Gottlieb Denke, den Begründer des „Denkismus“, dem wegen seiner „Verdienste“ als vermeintlicher ideologischer Vorreiter eines augenscheinlich gedankenlosen Massenkonsums im Ersten Weltkrieg eine „Ehrenrettung“ zuteil werden solle, die „Dem Volk der Dichter und Denkes“ [2] als adäquates Beispiel für bedeutende Denkleistungen dienen könne: „Ist der Schritt von der Pflege des Menschen, wie man sie in den Krankenhäusern beobachtet, zu seiner Schlachtung nicht ein unendlich viel weiterer als der von dieser Schlachtung zum Aufessen? [...] Tatsache ist jedenfalls, daß der ungeheure Gedanke des Weltkriegs nur von einem einzigen Mann unter ungünstigsten Umständen in nur ganz kleinem Maßstabe zu Ende gedacht wurde: eben von Denke.[3]

Die deutsche Death-Metal-Band Eisblut widmete ihm das Lied: „Menschenfleischwolf“.

Wie im Fall von Fritz Haarmann wurde auch bei Karl Denke das seinerzeit populäre Operettenlied „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt auch das Glück zu dir“, das von Walter Kollo gesungen wurde, entsprechend umgedichtet: „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Denke auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen und macht Pökelfleisch aus dir.“

Quellen

  1. Auf der Totenbescheinigung ist als Geburtsdatum der 12. Februar 1860 vermerkt. Es ist wahrscheinlich, dass dieses das eigentliche Geburtsdatum ist.
  2. Alle Zitate in diesem Satz aus: Bertolt Brecht: Werke. Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hrsg. von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. Berlin, Frankfurt am Main, 1989, Bd. 17. Prosa 2, S. 13.
  3. Ebd., S. 15.

Weblinks


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