Papyrussammlung der ÖNB

Papyrussammlung der ÖNB
Papyrussammlung – Neue Burg

Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek ist eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art weltweit. Ihre Räumlichkeiten befinden sich in der Neuen Burg in Wien, und sie umfasst rund 180.000 Objekte aus rund 3000 Jahren ägyptischer Geschichte (ca. 1500 v. Chr. – 1500 n. Chr.). Der Sammlung ist ein Museum angeschlossen, das neben einer Dauerausstellung zu ägyptischen Kulturen in regelmäßigen Abständen auch Sonderausstellungen zu Spezialthemen der Papyrologie zeigt. Außerdem verfügt die Sammlung über eine umfangreiche papyrologische Bibliothek mit einem Bestand von rund 15.000 Werken. Die Sammlung hat sowohl die Erhaltung und Restauration der Papyri zur Aufgabe, als auch die wissenschaftliche Erforschung und Publikation dieser wichtigen Quelle für die antike und mittelalterliche Geschichte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Sammlung verdankt ihr Entstehen in erster Linie dem Professor für Geschichte des Orients an der Universität Wien, Josef Karabacek. Mit Hilfe des Teppich- und Kunsthändlers Theodor Graf konnte dieser in den Jahren 1881 und 1882 die rund 10.000 Papyri des 1. Fayyumer Funds nach Wien bringen. Ende 1883 entschloss sich Erzherzog Rainer, die Papyrussammlung für eine unbekannte Summe zu erwerben. Karabacek wurde mit der Bearbeitung der Sammlung beauftragt. Bis 1899 erweiterte Erzherzog Rainer die Sammlung laufend durch neue Ankäufe und machte sie im selben Jahr seinem Onkel Kaiser Franz Josef I. zum Geschenk, der sie als Spezialsammlung in die k.k. Hofbibliothek (die heutige Österreichische Nationalbibliothek) eingliederte. Sie erhielt neue Räumlichkeiten am Josefsplatz. Zusätzliche Ankäufe von hauptsächlich Ostraka erfolgten 1899 und 1911.

Nachdem 1920 die Hofbibliothek in die Nationalbibliothek überführt worden war, erhielt die Papyrussammlung 1921 neue Räumlichkeiten im Palais Friedrich (heutige Albertina). Es folgten verstärkte Editionsbemühungen und der Aufbau der Fachbibliothek in den 1920er und 1930er Jahren. Am 12. März 1945 wurde das Sammlungsgebäude durch einen Bombentreffer schwer beschädigt. Die Schäden waren allerdings gering, die wertvollsten Papyri waren schon zuvor geborgen worden. Ab 1948 konnte die Arbeit in Notquartieren fortgesetzt werden, am 18. April 1954 erfolgte die feierliche Eröffnung der neuen Räumlichkeiten in der wiedererrichteten Albertina.

Ab den 1960er Jahren nahmen die Editionsprojekte einen erfreulichen Aufschwung. Neues Personal konnte aufgenommen werden, die Sammlung wurde systematisch durch Ankäufe und Schenkungen erweitert und entwickelte sich zu einer immer wichtiger werdenden wissenschaftlichen Forschungseinrichtung.[1] Dieser internationalen Bedeutung wurde 2004 auch an der Universität Wien durch die Einrichtung eines Lehrstuhls für Papyrologie (Prof. Bernhard Palme) am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik entsprochen. 1998 erfolgte die Übersiedlung der Sammlung, Fachbibliothek und Ausstellung in Räumlichkeiten in der Neuen Burg.

Im Jahr 2001 wurde die Papyrussammlung in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen.

Die Sammlung

Detail aus dem Totenbuch des Sesostris (15. Jh. v.Chr./18. Dynastie)

Den Schwerpunkt der Sammlung bilden die arabischen, griechischen und koptischen Objekte. Der griechische Bestand ist am größten, wobei hier die byzantinische Epoche Ägyptens am stärksten vertreten ist. Der Großteil der Urkunden besteht aus Dokumenten, es sind aber auch literarische Stücke von großer Bedeutung darunter. Der arabische Bestand ist die größte einschlägige geschlossene Sammlung der Welt. Auch hier bilden die Urkunden den Großteil der Sammlung, viele Stücke sind bereits auf Papier geschrieben, das ab dem 9. Jahrhundert den Papyrus als Beschreibstoff verdrängte. Die Bedeutung des koptischen Bestandes liegt vor allem in seinen literarischen, biblischen und liturgischen Schriften. Die Fachbibliothek umfasst rund 15.000 Bände.

Bestände

Der Gesamtbestand gliedert sich nach Sprachen zahlenmäßig wie folgt auf:

  • Hieroglyphisch und Hieratisch: ca. 275 Objekte, davon 170 Papyri
  • Demotisch: ca. 2.000 signierte Objekte, davon 1551 Papyri und 352 Ostraka
  • Koptisch: ca. 26.000 Objekte, davon 7153 Papyri, 1300 Pergamente, 935 Papiere und 770 Ostraka
  • Griechisch: ca. 70.000 Objekte, davon 41.039 Papyri, ca. 3000 Pergamente und 12.000 unsignierte Kleinstfragmente
  • Lateinisch: ca. 150 Objekte, davon 136 Papyri und 11 Pergamente
  • Arabisch: ca. 75.000 Objekte, davon 16.619 Papyri, 16.523 Papiere, 382 Pergamente
  • Hebräisch: ca. 200 Objekte[2]

Ausstellung

Die Dauerausstellung der Papyrussammlung versteht sich als ein Museum der Kulturen in Ägypten. Es beschäftigt sich mit verschiedenen Lebensbereichen, wie Totenkult, Magie, Medizin, Essgewohnheiten, Musik, Religion, Literatur und Alltagsleben. Mittels rund 200 Ausstellungsstücken wird ein Einblick in antike und mittelalterliche ägyptische Lebenswelten vermittelt.[3] Neben Papyri werden auch Stücke auf Pergament und Ostraka, sowie die Produktionsweise von Papyrus gezeigt. Besonders sehens- und hörenswert ist ein Fragment aus der Tragödie Orestes von Euripides, das mittels moderner Technik neu vertont wurde und das jedem Besucher eine Vorstellung antiken Chorgesangs gibt. Neben der Dauerausstellung finden in regelmäßigen Abständen auch Sonderausstellungen zu verschiedenen Themen im Museum statt.

Bedeutung für die Geschichtswissenschaften

Die Bedeutung der Papyrologie für die Altertumswissenschaften hat in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Keine andere Quellengattung erlaubt einen so tiefen Einblick in Verwaltungs- und Sozialstrukturen, in wirtschaftliche Abläufe usw. wie die Papyri, die zumeist zufällig im heiß-trockenen Wüstenklima Ägyptens konserviert wurden.[4] In Wien hat die papyrologische Forschung eine lange Tradition, für die letzten Jahre ist hier u. a. ein von Prof. Bernhard Palme geleitetes und vom FWF finanziertes Editionsprojekt zu nennen. Mit März 2009 startete das NFN-Projekt Imperium et Officium, dessen verschiedene, interdisziplinären Teilprojekte (Alte Geschichte, Altorientalistik, Arabistik) ebenfalls stark auf papyrologischem Material basieren.

Publikations- und Editionsreihen zu Wiener Papyri:

  • Corpus Papyrorum Raineri (CPR)
  • Mitteilungen aus der Papyrussammlung der österreichischen Nationalbibliothek in Wien, Neue Serie (MPER N. S.)
  • NILUS
  • Griechische Papyrusurkunden kleineren Formats (SPP)

Sammlungsdirektoren

  • Josef Karabacek (1899–1904, Direktor der Hofbibliothek)
  • Karl Wessely (1904–1922, Kustos „extra statum“)
  • Theodor Seif (1923–1930, orientalische Abteilung)
  • Hans Gerstinger (1923–1936, bis 1931 griechische Abteilung, danach Gesamtleitung)
  • Walter Till (1936–1942 und 1948–51)
  • Franz Unterkircher (1951–1956, dienstrechtlicher Vorstand, eigentlich Direktor der Handschriftensammlung)
  • Herbert Hunger (1956–1962)
  • Helene Loebenstein (1962–1984)
  • Hermann Harrauer (1984–2005)
  • Cornelia Römer (seit 2005)

Belege

  1. P. Rain. Cent., S. 13–39
  2. http://www.onb.ac.at/sammlungen/papyrus/papyrus_bestaende.htm und P. Rain. Cent., S. 22–39
  3. Herbert Hunger: Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Katalog der ständigen Ausstellung, Wien 1962
  4. Roger S. Bagnall: Reading Papyri, Writing Ancient History, London and New York 1995, S. 1–31

Literatur

  • Roger S. Bagnall: Reading Papyri, Writing Ancient History, London and New York 1995
  • Herbert Hunger: Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Katalog der ständigen Ausstellung, Wien 21962
  • Helene Loebenstein und Hermann Harrauer: Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Katalog der Sonderausstellung 100 Jahre Papyrus Erzherzog Rainer, Wien 1983
  • Papyrus Erzherzog Rainer (P. Rain. Cent.): Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien 1983

Weblinks

48.20519444444416.3650277777787Koordinaten: 48° 12′ 19″ N, 16° 21′ 54″ O


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