Parallelenpostulat

Parallelenpostulat

Das Parallelenaxiom ist ein viel diskutierter Grundsatz der euklidischen Geometrie. In einer häufig gebrauchten auf John Playfair zurückgehenden Formulierung besagt es:

In einer Ebene α gibt es zu jeder Geraden g und jedem Punkt S außerhalb von g genau eine Gerade, die zu g parallel ist und durch den Punkt S geht.

Diese Gerade heißt die Parallele zu g durch den Punkt S. Zwei Parallele in dieser Ebene haben keinen gemeinsamen Punkt.

Schnittpunkt S von h und k.

In den Elementen des Euklid findet sich dieser Satz als das fünfte Postulat (Parallelenpostulat) in folgender Formulierung: „Gefordert soll sein: …dass, wenn eine gerade Linie [g] beim Schnitt mit zwei geraden Linien [h und k] bewirkt, dass innen auf derselben Seite entstehende Winkel [α und β] zusammen kleiner als zwei Rechte werden, dann die zwei geraden Linien [h und k] bei Verlängerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite [von g], auf der die Winkel [α und β] liegen, die zusammen kleiner als zwei Rechte sind.“

Dies besagt in moderner Formulierung, dass es zu jeder Geraden g und jedem Punkt S nicht mehr als eine Parallele zu g durch S geben kann. Dass es mindestens eine solche Parallele gibt, lässt sich aber aus den übrigen Postulaten und Axiomen des Euklid beweisen, sodass die eingangs angegebene Formulierung gerechtfertigt ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Dieses Postulat sticht durch seine Länge und Kompliziertheit aus den anderen Postulaten und Axiomen deutlich hervor. Es wurde schon im Altertum als „Makel“ in der Theorie des Euklid empfunden. Immer wieder gab es Versuche, es aus den anderen herzuleiten und damit zu zeigen, dass es für die Definition der euklidischen Geometrie entbehrlich ist. Historisch ist diese Aufgabe als das Parallelenproblem bekannt. Sie blieb über 2000 Jahre lang ungelöst. Erfolglose Versuche gab es zum Beispiel von

Carl Friedrich Gauß erkannte als erster, dass das Parallelenproblem grundsätzlich unlösbar ist; er veröffentlichte seine Erkenntnisse aber nicht.

Nichteuklidische Geometrie

Dies tat Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski, indem er 1826 eine neuartige Geometrie vorstellte, in der alle übrigen Axiome der euklidischen Geometrie gelten, das Parallelenaxiom jedoch nicht. Sie wird als lobatschewskische Geometrie oder hyperbolische Geometrie bezeichnet. Janos Bolyai gelangte unabhängig davon fast gleichzeitig zu ähnlichen Resultaten.

So kam es zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien, bei denen das Postulat entweder ganz gestrichen oder durch andere ersetzt wurde. Zum Teil verletzen nichteuklidische Geometrien außer dem Parallelenaxiom auch noch andere Axiome der euklidischen Geometrie.

Äquivalente Formulierungen

Es wurden auch eine Reihe von Aussagen gefunden, die äquivalent zum Parallelenpostulat sind:

  • „Die Winkelsumme im Dreieck beträgt zwei Rechte (180°).“ (vgl. Giovanni Gerolamo Saccheri)
  • „Es gibt Rechtecke.“
  • „Zu jedem Dreieck gibt es ein ähnliches Dreieck beliebiger Größe“ (John Wallis).
  • Stufenwinkel an Parallelen sind kongruent“
  • „Durch einen Punkt im Inneren eines Winkels gibt es stets eine Gerade, die die beiden Schenkel schneidet.“
  • „Durch drei nicht auf einer Geraden liegende Punkte gibt es einen Kreis.“ (Farkas Wolfgang Bolyai)
  • „Drei Punkte, die auf ein und derselben Seite einer Geraden liegen und zu dieser Geraden kongruente Abstände haben, liegen stets auf einer gemeinsamen Geraden.“

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Mathematische Struktur — Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Hierarchie mathematischer Strukturen. Unter einer mathematischen Struktur wird hier eine Menge verstanden, die mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist. Algebraische Strukturen sind mit einer oder …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Ludwig Wachter — (* 20. Juli 1792 in Cleve; † wahrscheinlich 3. April 1817 in Danzig) war ein deutscher Mathematiker und Astronom, ein Schüler von Carl Friedrich Gauß, der Beiträge zur frühen Geschichte der nichteuklidischen Geometrie verfasste. Leben Wachter war …   Deutsch Wikipedia

  • Elementargeometrie — René Descartes, La Géometrie (Erstausgabe 1637) Die Geometrie (griech.: γεωμέτρης „Erdmaß“, „Landmessung“) ist ein Teilgebiet der Mathematik. Einerseits versteht man unter „Geometrie“ die zwei und dreidimensionale euklidische Elementargeometrie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Euklid'sche Geometrie — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Fernpunkt (Geometrie) — Die projektive Geometrie ist ein Teilgebiet der Geometrie. Sie ist aus der perspektivischen Darstellung dreidimensionaler Gegenstände in der zweidimensionalen Ebene hervorgegangen. Im Gegensatz zur „gewöhnlichen“, euklidischen Geometrie, gibt es… …   Deutsch Wikipedia

  • Geometrisch — René Descartes, La Géometrie (Erstausgabe 1637) Die Geometrie (griech.: γεωμέτρης „Erdmaß“, „Landmessung“) ist ein Teilgebiet der Mathematik. Einerseits versteht man unter „Geometrie“ die zwei und dreidimensionale euklidische Elementargeometrie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Geometrische Form — René Descartes, La Géometrie (Erstausgabe 1637) Die Geometrie (griech.: γεωμέτρης „Erdmaß“, „Landmessung“) ist ein Teilgebiet der Mathematik. Einerseits versteht man unter „Geometrie“ die zwei und dreidimensionale euklidische Elementargeometrie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Schulgeometrie — René Descartes, La Géometrie (Erstausgabe 1637) Die Geometrie (griech.: γεωμέτρης „Erdmaß“, „Landmessung“) ist ein Teilgebiet der Mathematik. Einerseits versteht man unter „Geometrie“ die zwei und dreidimensionale euklidische Elementargeometrie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Euklidische Geometrie — Die euklidische Geometrie ist zunächst die uns vertraute, anschauliche Geometrie der Ebene oder des dreidimensionalen Raums. Der Begriff hat jedoch sehr verschiedene Aspekte und lässt Verallgemeinerungen zu. Inhaltsverzeichnis 1 Die Geometrie des …   Deutsch Wikipedia

  • Geometrie — René Descartes, La Géometrie (Erstausgabe 1637) Die Geometrie (altgriechisch γεωμετρία geometria ‚Erdmaß‘, ‚Landmessung‘) ist ein Teilgebiet der Mathematik. Einerseits versteht man unter Geometrie die zwei und dreidimensionale euklidisch …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”