Parc Jean-Jacques-Rousseau

Parc Jean-Jacques-Rousseau

Der historische Landschaftspark von Ermenonville (Jardins d’Ermenonville) wurde von 1763 bis 1776 durch den Marquis René Louis de Girardin geschaffen. Die Domäne von Ermenonville war Girardin 1762 durch Erbschaft zugefallen: Das 1603 errichtete Schloss und das Anwesen waren 1754 von seinem Großvater mütterlicherseits, René Hatte, erworben worden. Der Besitz umfasste nach durch Kauf und Landtausch 1762 und 1778 erfolgten Erweiterungen eine Fläche von etwa 800 Hektar, bestehend aus Wiesen, Wald und Wasserflächen, dem Schloss und dem Dorf Ermenonville. Umfangreiche Einkünfte aus der Landwirtschaft gestatteten Girardin das Anwesen nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Die ursprüngliche Parkanlage bestand aus dem Nordpark (Petit Parc), der Wildnis und dem Südpark (Grand Parc). Lediglich Teile der Landschaftsgestaltungen und einige der Parkarchitekturen sind noch erhalten, das Wegesystem ist nicht mehr vorhanden. Der südliche Bereich heißt heute Parc Jean-Jacques-Rousseau.

Inhaltsverzeichnis

Ideengeschichtlicher Hintergrund

Der Park von Ermenonville kann als entscheidender Schritt zur Einführung des englischen Gartenstils auf dem Kontinent angesehen werden. Das Vorbild für diese neue Art der Gartengestaltung findet sich im Landschaftspark von Stourhead, mit dessen Bau 1741 begonnen wurde. Ihm liegt, im Gegensatz zum Barockgarten, ein mediales Konzept zugrunde, das die Verwirklichung einer Ideallandschaft, wie sie in den Gemälden Claude Lorrains und Nicolas Poussins (Et in Arcadia ego) abgebildet wird, zum Ziel hat.

Für die Gestaltung des Gartens von Ermenonville trat eine weitere Idee hinzu, die dem Roman Julie ou La Nouvelle Héloïse. Lettres de deux amants habitants d’une petite ville au pied des Alpes („Julie oder Die neue Heloise. Briefe zweier Liebender, die in einem kleinen Ort am Fuß der Alpen leben“) von Jean-Jacques Rousseau entstammt, erschienen 1761. Rousseau entwirft in seinem Buch einen Garten, der ausschließlich der Natur verpflichtet ist, im bewussten Gegensatz zum rational konstruierten Barockgarten. Konsequenterweise integrierte Girardin Elemente, die die romantische Stimmung steigern sollten (Grotte, Ruine), was bereits im Widerspruch zur Rousseau’schen Idee stand. Rousseau war sich der Künstlichkeit der Gestaltung des „Natürlichen“ bewusst: Auch bei einem Garten im englischen Stil handelt es sich immer um eine Landschaftsinszenierung. Eine weitere Überhöhung stellte die Schaffung der „Rousseau-Insel“, einer mit Pappeln bestandenen Insel, Île des peupliers, mit einem Grabmal für Rousseau dar.

Girardin hatte sich bereits durch seinen Aufenthalt in Lunéville, dem lothringischen Exil des polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński sozialreformerische Ideen zu eigen gemacht und gartengestalterische Anregungen erfahren. In England fand er in dem kleinen Garten und Bauernhof The Leasowes in Halesowen des Dichters William Shenstone ein Modell, das seinen hohen und wohl manchmal auch rigiden moralischen Ansprüchen gerecht wurde und seinen Vorstellungen von der Einfachheit des Landlebens nahekam. Für die Umgestaltungsarbeiten in Ermenonville ließ Girardin zweihundert Männer aus England kommen und beschäftigte einen aus Schottland stammenden Gärtner.

Über die Gartengestaltung hinaus stellte der Entwurf Girardins ein politisches Zeichen gegen die Monarchie, für mehr bürgerliche Freiheitsrechte dar: Freiheit und Gleichheit als dem Menschen von der Natur verliehene Eigenschaften.

Grotte
Tempel, als künstliche Ruine ausgeführt
Île des peupliers mit dem Grabmal Rousseaus

Aufnahme und Nachahmung der Idee

Unter anderem durch Kupferstiche von Georges Louis Le Rouge in seinem Werk Jardins anglo-chinois à la mode, in dem auch englische Vorbilder dargestellt werden, wurde die neue Gartenform in Kreisen adliger Gartenliebhaber auf dem Kontinent bekannt. Einer der berühmtesten Nachahmer war Fürst Franz von Anhalt, der in Wörlitz den ersten großen englischen Garten auf dem Kontinent gestalten ließ. Sogar die Rousseau-Insel wurde in Wörlitz nachgeahmt und – in Unkenntnis des Sarkophags in Ermenonville – mit einer Zierurne geschmückt. Eine Rousseau-Insel befindet sich auch im Tiergarten in Berlin und in Arkadia (Polen).

Gartenstruktur und Gestaltungselemente

Die Landschaft des Parks besteht im Wesentlichen aus zwei Waldbereichen, dazwischen befinden sich Wiesen mit lockerem Baumbestand und Büschen. Es gibt einen großen und einen kleinen Teich sowie einen seeähnlich aufgestauten Fluss. Zwei Partien des Gartens wurden zeitgenössisch als désert („Wildnis“) bezeichnet. Das Schloss (Château d’Ermenonville) liegt auf einer Insel im Fluss La Nonette. Das Konzept der Parkanlage zeichnet sich durch die harmonische Verbindung unterschiedlicher Landschaftsformen aus, gleichzeitig wurden Landschaftsbilder geschaffen, die zum Verweilen und Betrachten anregen.

Die Hauptachse entlang des Tals der Nonette führte, von den Fenstern des großen Salons des Schlosses einsehbar, nordwärts in den Bereich des Petit Parc. Die Szenerie war hier als holländische Landschaft gestaltet: Wasser- und Windmühle sind einem kanalartigen Wasserlauf mit niedrigen Brücken zugeordnet, ergänzt durch eine Brauerei. Heute existieren nur noch der Kanal und die Mühle.

Kennzeichnend und programmatisch bedeutsam sind eine Reihe von Staffagebauten, die in die Parklandschaft eingestreut sind. Es handelt sich um eine Einsiedelei (Hermitage) mit einer Grotte, eine künstliche Ruine (temple ruiné) und das Haus des Philosophen (maison du philosophe). Auch ein Turm im neogotischen Stil, der Tour Gabrielle, der seine endgültige Gestalt durch Jean-Marie Morel erhalten hatte, war vorhanden; er brannte 1793 aus. Das Grabmal für Jean-Jacques Rousseau wurde nach dessen Tod 1778 hinzugefügt. Ursprünglich handelte es sich um eine Urne auf einem würfelförmigen Sockel, 1781 entstand der Sarkophag nach einem Entwurf von Hubert Robert, ausgeführt durch den Bildhauer Jacques Philippe Lesueur. Die sterblichen Überreste Rousseaus befinden sich seit 1794 nicht mehr in Ermenonville sondern im Panthéon in Paris. Auf einer benachbarten Insel befindet sich das Grab von Georg Friedrich Meyer (1733–1779), eines aus Straßburg stammenden Malers.

Der Park wurde bereits zeitgenössisch in einem Gartenführer beschrieben, die verschiedenen Landschaftsbilder in fünfundzwanzig dazugehörigen Kupferstichen abgebildet. Der Text dieses Buches mit dem Titel Promenade ou Itinéraire des jardins d’Ermenonville wird immer wieder fälschlich Cécile Stanislas Xavier de Girardin zugeschrieben, der Verfasser ist jedoch bislang nicht bekannt. Die Kupferstiche stammen von Mérigot d. J.

Spätere Entwicklung

Der Park von Ermenonville dürfte nie die ästhetische Qualität der großen englischen Landschaftsgärten wie Stourhead erreicht haben. Schon während des Baus war es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Girardin und seinem Architekten Jean-Marie Morel, den die autoritären Umgangsformen Girardins verletzt hatten, gekommen. Ein schweres Unwetter verwüstete 1787 einen Teil des Parks; die Schäden wurden nicht beseitigt. Nach der Revolution von 1789 verfielen die Gartenanlagen weiter. Das Ehepaar Girardin verließ den Besitz im Jahr 1794.

Nachfolgende Eigentümer verfolgten das Konzept Girardins nicht weiter. So wurden etwa Pflanzungen von Rhododendron und andere Veränderungen vorgenommen. Schloss und Garten blieben bis 1878 im Besitz der Familie Girardin, die bereits 1874 die „Wildnis“ verkaufte. Nach den Girardins gehörte das Anwesen Constantin Radziwill. 1932 erwarb Ettore Bugatti die Liegenschaft, verkaufte 1938 den Südpark mit dem südlichen See und der Île des peupliers an den Touring Club de France. Seit 1985 ist das Département Oise Eigentümer. Der Désert mit der Hütte Rousseaus gehört heute dem Institut de France und ist in vernachlässigter Form erhalten. Das Château d'Ermenonville ist heute ein Luxushotel in privatem Besitz.

Literatur

  • Michel Racine (Hrsg.): Créateurs de jardins et de paysages en France de la Renaissance au XXIe siècle. Band 1: De la Renaissance au début du XIXe siècle, Actes Sud, Arles 2001, ISBN 2-7427-3280-2, S. 169–178 (u. a.). 
  • Michael Niedermeier (Redaktion), Michael Seiler (Redaktion): Die Gärten von Ermenonville. Pückler Gesellschaft, Berlin 2007 (Mitteilungen der Pückler Gesellschaft, Neue Folge; 22; ISSN 1861-8012). 
  • Antoinette Le Normand Romain: The ‘ideas‘ of René de Girardin at Ermenonville. In: The history of garden design. The western tradition from the Renaissance to the present day. Hrsg. von Monique Mosser und Georges Teyssot. Thames and Hudson, London 1991, S. 337–339.

Weblinks

49.1277777777782.69333333333337Koordinaten: 49° 7′ 40″ N, 2° 41′ 36″ O


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