Pasteurella pestis

Pasteurella pestis
Yersinia pestis
Yersinia pestis

Yersinia pestis

Systematik
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Gamma Proteobacteria
Ordnung: Enterobacteriales
Familie: Enterobacteriaceae
Gattung: Yersinia
Art: Yersinia pestis
Wissenschaftlicher Name
Yersinia pestis
(Lehmann & Neumann 1896) van Loghem 1944

Yersinia pestis ist ein gramnegatives, unbegeißeltes, sporenloses, fakultativ anaerobes Stäbchenbakterium. Es zählt zu den Enterobakterien und ist der Erreger der Lungen- und Beulenpest. Mit einigen weiteren Bakterien bildet es die Gattung Yersinia.

Yersinia pestis wurde von Alexandre Émile Jean Yersin 1894 entdeckt und ursprünglich nach Louis Pasteur Pasteurella pestis getauft, später jedoch Yersin zu Ehren umbenannt.

Inhaltsverzeichnis

Virulenz

Die Virulenz von Yersinia pestis entsteht durch Ektotoxin, Endotoxin- und Bakterienkapselbildung.

1980 stellten Dan Cavanaugh und James Williams fest, dass die Virulenz des Bakteriums temperaturabhängig ist. Die Körpertemperatur des Flohs liege bei 24° C, die des Menschen bei 37° C und die der Ratte 1,5° C höher. Der Temperaturunterschied zwischen Floh und Ratte könne die Virulenz des Bakteriums bei der Übertragung um fast das 50-fache steigern. Diese Steigerung liege in der Fähigkeit des Bakteriums, bei höheren Temperaturen Schutzmechanismen gegen die Phagocytose, einem Bestandteil der menschlichen Immunabwehr, zu entwickeln. Bei Temperaturen, wie sie im Körper des Flohs vorherrschen, würde dieser Schutz nicht aufgebaut und das Bakterium würde von Leukozyten und Monozyten vernichtet. Aber 3 Stunden nach Eingang in einen Körper von 37° C sei der Schutzmechanismus gegen Leukozyten und kurz danach gegen die Monozyten ausgebildet.[1]

Von den hunderten von bekannten Bakterienstämmen sind nur wenige virulent. Die 40-50 Stämme von Yersinia pestis haben bei Mäusen eine große Bandbreite der Dosis, bei der die Hälfte der Versuchstiere stirbt (LD50), von unter 3 bis 100 Millionen[2].

Bricht der Krankheitserreger in die Blutbahn ein, was in 50-90 % der unbehandelten Fälle geschieht, so entsteht die Pestsepsis, also eine Streuung in die Blutbahn. Auf diesem Wege können praktisch alle Organe befallen werden. Unter anderem kommt es zur Lungenpest. Die Gefahr bei der Vermehrung innerhalb des Menschen ergibt sich aus der Ausbildung diverser Pathogenitätsfaktoren bei einer Umgebungstemperatur von 37°C, also Körpertemperatur. So bildet Yersinea pestis bei dieser Temperatur eine antiphagozytär wirkende Kapsel aus, die als F1 (Fraktion 1) bezeichnet wird, und zwei weitere antiphagozytäre Antigene, das Virulenzantigen V und W. Im Bezug auf die Virulenz des Erregers bedeutet dies, dass im Falle der Lungenpest die Übertragung von Mensch zu Mensch möglich ist, wenn es zu Kontakt mit hochinfektiösem Sputum eines an Lungenpest Erkrankten kommt. In diesem Fall kann sich innerhalb von Stunden eine primäre Lungenpest ausbilden.

Bereits 1944 ist festgestellt worden, dass Pestbakterien in Salzlösung und einer Temperatur um 25° C bis zu 2 Wochen, bei 2-4° C sogar bis zu zwei Jahren außerhalb eines Wirtstieres überleben und virulent sein können.

Varianten

R. Devignat teilte 1951 die Pestbakterien in 3 Hauptvarianten nach den starken biochemischen Unterschieden ein: Variante 1 (später „Orientalis“ genannt) soll ihren Ausgangspunkt in Indien, Burma und im südlichen China gehabt haben. Sie soll für die Pandemie von 1890 verantwortlich und in wenigen Jahren über die ganze Erde verbreitet worden sein. Variante 2 („Antiqua“ genannt), die er für die älteste hielt, soll in Zentral-Asien entstanden sein und sich über Zentralafrika verbreitet haben und die justinianische Pest im 6. Jh. verursacht haben. Die 3. Variante („Medievalis“) stamme ebenfalls aus Zentralasien, soll sich in Richtung Krim und die Umgebung des Kaspischen Meeres verbreitet und dann den Schwarzen Tod in Europa und die folgenden Epidemien ausgelöst haben.[3] Diese Grundsicht war lange Zeit Standard für die Ausbreitungswege. Aber nun stellte sich heraus, dass beide Hauptvarianten „Medievalis“ und „Antiqua“ in Kenia auftraten und „Orientalis“ und „Medievalis“ zusammen in der Türkei gefunden wurden.[4]

Drei nach dem Genom unterschiedlichen Hauptstämmen historische Ausbreitungswege zuzuordnen ist spekulativ. Mark Achtmann u.a. kamen in ihren Studien zu dem Ergebnis, dass Yersinia pestis ein mutierter Klon von seinem nahen Verwandten Yersinia pseudotuberculosis ist, einer relativ harmlosen Bakterie, die Magenbeschwerden verursachen kann und nur äußerst selten zum Tode führt. Die beiden Arten haben über 90% des Genmaterials gemeinsam und würden nach taxonomischen Regeln als Varianten der gleichen Art bezeichnet, wenn sie nicht aus klinischen Gründen scharf unterschieden werden müssten. Die Autoren meinten, dass diese Variante höchstens 20.000 Jahre alt sein könne, das unsicherere Mindestalter aber wahrscheinlich bei 1.000 Jahren liege.[5]

In der Untersuchung von 2004 fand man außerdem eine bis dahin unbekannte Sequenz einer noch nicht beschriebenen Varietät von Yersinia pestis.[6] Die Tatsache, dass die Sequenz in keiner Datenbank vorhanden war, vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung der Probe. Später erwies sich die Zuordnung der Varianten zu bestimmten Epidemien als unrichtig, denn auch in mittelalterlichen Gräbern wurde die Variante Orientalis gefunden. 1997 wurde ein Pestbakterienstamm beschrieben, der multiresistent gegen Antibiotika war. Da er in älteren Proben nicht zu finden war, scheint er nach den Aussagen der Forscher erst 1995 entstanden zu sein.[7]

Mutationen

Bei Yersinia sind es wohl 2 Plasmiden, die für pestis charakteristisch sind und seine Gefährlichkeit ausmachen. So wurde schon vermutet, dass eine plötzliche und umfassende Veränderung der Virulenz ein Hintergrundfaktor dafür gewesen sein kann, dass eine Pestepidemie plötzlich ausbrach und wieder verschwand, quer über die Jahrhunderte hindurch.[8] Gerade bei Viren und Bakterien ist eine Instabilität des Genmaterials zu beobachten, die zu vielen Mutationen führt. Inzwischen ist es gelungen, das gesamte Genom von Yersinia pestis zu entschlüsseln und zu kartografieren.[9] Dabei stellten die Forscher fest, dass das Bakterium genetische Besonderheiten aufwies, die auf häufige „intragenomische Rekombinationen“ hinweisen, was bedeuten würde, dass das Pestbakterium in hohem Maße zulasse, Gene anderer pathogener Organismen aufzunehmen. Sie meinten, die Pestbakterien hätten Charakteristiken, die auf ständige Veränderungen hinwiesen [10]. Ein Jahr später entschlüsselte eine andere Forschergruppe einen anderen Bakterienstamm und bestätigte diese Einschätzung.[11] Annie Guiyoule und Bruno Rasoamanana untersuchten in Madagaskar die Gebiete mit besonders hoher Pestaktivität in den letzten Jahrzehnten. Sie isolierten 187 verschiedene Stämme aus der Zeit von 1926-1996.[12]

Lebensdauer

Auch die Lebensdauer der Pestbakterien ist von Interesse. Bei moderaten Temperaturen überleben Yersinia pestis an den Mundwerkzeugen der Flöhe rund 3 Stunden.[13] Aber bereits 1944 ist festgestellt worden, dass Pestbakterien in Salzlösung und einer Temperatur um 25° C bis zu 2 Wochen, bei 2-4° C sogar bis zu zwei Jahren außerhalb eines Wirtstieres überleben und virulent sein können.[14] Experimente in der 1. Hälfte des 20 Jh. zeigten auch, dass Sonnenlicht die Bakterien rasch abtötete, die Lebensdauer jedoch stark von der Umgebung der Bakterien abhängt, insbesondere von deren Unterlage. In dünner Lauge auf Glas starben sie innerhalb 1 Stunde ab, bei einer dicken Bakterienschicht vervierfachte sich die Lebensdauer und auf Stoff aus Hanf lebten sie bis zu 14 Stunden.[15] Während Temperaturen bei 55° C tödlich sind, schaden ihnen niedrige Temperaturen nicht. In Mandschuria (Stadt in China) wurden sogar noch virulente Bakterien in gefrorenen Pestleichen gefunden. Auch konnten die Bakterien fast einen Monat in Kornstaub überleben, der von infektiösen Ausscheidungen verunreinigt war.[16] Pestbakterien können in Raumtemperatur und normaler Luftfeuchtigkeit also Menschen in einem Zeitraum von mehr als 5 Tagen infizieren.[17]

Übertragung

Flöhe, insbesondere aber der Rattenfloh Xenopsylla cheopis können den Pesterreger übertragen. Aber auch Nosopsyllus fasciatus und der Menschenfloh Pulex irritans werden diskutiert, da Xenopsylla cheopis auf tropische Temperaturen angewiesen ist und in Europa nicht überleben kann. Flöhe sind blutsaugende Parasiten, die ihren Wirt direkt mit Yersinia pestis infizieren können. Wechselt der Rattenfloh von einem infizierten Nager – beispielsweise der Wanderratte oder der Hausratte – nach dessen Tod auf einen anderen Wirt, etwa Haustiere oder Menschen, ist er in der Lage, diese mit dem Pestbakterium zu infizieren. Dabei kann die Pesterkrankung für den Menschen ebenso tödlich sein wie für die Ratten.

Krankheitserscheinungen

→ siehe Hauptartikel Pest

An der Bissstelle kommt es zu einer lokalen Infektion die durch die Ausbildung einer Pustel gekennzeichnet ist und zur sogenannten Bubonenpest (Beulenpest) führt.

Bei der septischen (blutvergiftenden) Form wird keine Pestbeule entwickelt. Der Patient stirbt schnell ohne besondere äußere Symptome, aber mit einer hohen Bakterienkonzentration im Blut. Wenn diese Pestbakterien die Lunge angreifen, so wird diese Form als „sekundäre Lungenpest“ bezeichnet, die die gefährlichste Form mit dem raschesten Verlauf bildet. Neben hohem Fieber ist der blutige Auswurf eines der wenigen äußeren Symptome.

Die blutvergiftende Wirkung wird ausgelöst, wenn die Bakterien ihren normalen Lebenszyklus vollenden und absterben. Dabei werden große Mengen toxischen Sekrets direkt in den Blutkreislauf abgegeben; Nieren und Leber können nekrotisch werden, wenn sie versuchen, das System von Toxinen zu reinigen. Am Ende erliegt das Opfer einem toxischen Schock.

Diagnose

Die zunächst vieldeutigen und oft nur schwachen Symptome erfordern in der Regel bakteriologische Untersuchungen, manchmal sogar über die DNA für eine eindeutige Zuordnung. Es sind Verwechselungen mit Blinddarmentzündung, Hirnhautentzündung und Streptokokkenifektionen in den USA dokumentiert.[18]

Der mikrobielle Nachweis wird aus Sputum, Blut oder Bubonenaspirat (Eiter) erhoben.

Therapie

Die Krankheit ist mit Antibiotika wie beispielsweise Tetrazykline, Streptomycin, Chinolone und Cotrimoxazol gut zu behandeln. Anzumerken bleibt, dass dies jedoch nur bei rechtzeitiger Diagnose der Fall ist. Die Letalität steigt exponentiell zum Fortschreiten der Erkrankung.

Literatur

  • Medizinische Mikrobiologie, Hof und Dörries, 3. Auflage, ISBN 978-3-13-125313-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dan C. Cavanaugh und James E. Williams: „Plague: Some Ecological Interrelationsships“. In: R. Traub und H. Starcke (Hrg.) Fleas, Proceedings of the International Conference on Fleas. Ashton Wold, Peterborough, UK, 21-25 June 1977. Rotterdam 1980 S. 245-256, 251.
  2. Robert Perry und Jaqueline Fetherson; „Yrsinia pestis - Etiologic Agent of Plague.“ In: Clinical Microbiology Review, 10, 1 (1997) S. 35-66, 41
  3. R. Devignat: „Variétés de l'espèce Pasteurella pestis.“ In: Bulletin of the World Health Organization 4 (1951) S. 241-263.
  4. Annie Guiyoule, Francine Grimont u.a.: „Plague Pandemics Investigated by Ribotyping of Yersinia pestis Strains.“ In: Journal of Clinical Microbiology 1994, S. 634-641.
  5. Mark Achtmann u.a.: „Yersinia pestis, the cause of plague, is recently emerged clone of Yersinia pseudotuberculosis.“ In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 96, 24 (1999) 14043-14048.
  6. Michel Drancourt u. a.: „Genotyping, Orientalis-like Yersinia pestis, and plague pandemics“. In: Emerging Infectious Deseases. 10, 9, (2004), S. 1585-1592.
  7. March Galimand, Annie Guiyoule u.a.: „Multidrug Resistance in Yersinia pestis Mediated by a Transferable Plasmid.“ In: The New England Journal of Medicine 327, 10 (1997) S. 677-680.
  8. Perry und Fetherston S. 38-40
  9. J. Parkhill, B. W. Wren und 33 weitere Forscher: „Genome sequence of Yersinia pestis, the causative agent of plague.“ In: Nature 413 (1001) S. 523-527.
  10. Parkhill und Wren S. 523, 527.
  11. W. Deng, V. Burland u.a.: „Genome frequence of Yersinia pestis KIM.“ In: Journal of Bacteriology 184, 16, (2002) S. 4601-4611.
  12. Annie Guiyoule, Bruno Rasoamanana u.a.: „Recent Emergence of New Variants of Yersinia pestis in Madagascar.“ In: Kournal of Clinical Microbiology 1997, S. 2826-2833.
  13. V. A. Bibikova: „Contemporary views on the interrelationsships between fleas and the pathogens of human and animal deseases.“ In: Annual Review of Entomology 22, 1977 S. 23-32.
  14. Georges Girard: „Hémoculture et bactérémie dans l'infection pesteuese.“ Bulletin of the Exotic Pathology Society 37, 228.
  15. Robert Pollitzer: Plague. WHO, Genf 1954, S. 104-105
  16. Robert Pollitzer und Karl F. Meyer; „The Ecology of Plague“. In: Jaques M. May (Hrg.): Studies in Disease Ecology, Studies in Medical Geography, Vol. 2, New York 1961, S. 433-590
  17. Laura J. Rose u.a.: „Survival of Yersinia pestis on Environmental Surfaces“. In: Applied and Environmental Microbiology 2003 S. 2166-2171.
  18. William Reed u. a.: "Bubonic plague in the southwestern United States." In: Medicine 49, 6, 1970. S. 465-486, 470-480.

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