Patronymische Namensbildung

Patronymische Namensbildung

Ein Patronym oder Vatersname (griechisch πατρονυμικόν patronymikon, Plural: Patronymika) ist ein Name, der angibt, wie der Vater des Namensträgers mit Vornamen heißt. Nimmt der Name auf die Mutter Bezug, so nennt man ihn ein Metronym (zu μήτηρ mētēr) oder latinisiert Matronym (zu mater).

In der Grammatik bezeichnet Patronymikon die Ableitung von Personennamen, die den Nachkommen (Sohn oder Tochter) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Ableitungen

Patronymisch

Echte Patronyme sind keine Familiennamen im heutigen Sinn (die ja grundsätzlich unveränderlich sind), sondern beziehen sich jeweils nur auf die Kinder eines bestimmten Vaters. Sie verändern sich mit jeder Generation. Zum Familiennamen wandelte sich ein Patronym, wenn es nicht mehr mit dem Vornamen des Vaters übereinstimmte. Es handelt sich dann um einen patronymisch gebildeten Familiennamen (Sekundäres Patronymikon). Sehr oft waren Patronyme mit einer Erbnamensitte verbunden.

Metronymisch

Namensgebung nach der Mutter sind in Deutschland selten. In Frankreich findet man diese hingegen häufiger. Es handelt sich hier um Namen mit dem Suffix -euse und Beispiele sind Dheureuse und Monneuse, die auch aus Frankreich stammend in Deutschland vertreten sind [1].

Namensbildung nach Sprache

Westgermanische Sprachen

Deutsch

Familiennamen sind seit dem Spätmittelalter üblich, und Patronymika werden sekundär fixiert. Das Patronym konnte allein oder in Verbindung mit einem Familiennamen gebraucht werden. Beispiel: Peter Aretz Hauser „Peter Hauser, Arnolds Sohn“. In alten Urkunden ist er dann als Peter Aretz, Peter Hauser oder Peter Aretz Hauser zu finden. Im Herzogtum Schleswig wurden Familiennamen per königlich-dänischem Dekret erst 1771 eingeführt. Dennoch blieb die patronymische Namensgebung noch bis in das 19. Jahrhundert in vielen Orten in Gebrauch.[2]

Im deutschen Sprachraum sind etliche Vorsilben und Endungen bekannt:[3]

  • Die Bildung des Patronyms erfolgte im norddeutschen Sprachraum oft durch Anhängen der Endung -sen („Sohn“) an den Vornamen. Beispiele: Peter Jans-sen „Peter, Sohn des Jan
  • Im nordostdeutschen Sprachraum sind oft Patronyme mit der Endung -ke /-cke (niederdeutsche Verkleinerungsform) zu finden. Beispiel: Geri-cke "der kleine vom Gerhardt (oder Gerd)" / "Sohn des Gerhardts (oder Gerds)"
  • Auch waren Patronyme auf Genitiv-Endungen verbreitet
    • im ganzen Nordwesten auf -s (z. B. Hendricks, Hermanns, Mertens). Ob es sich bei einem aus einem Vornamen gebildeten Familiennamen um eine patronymische Ableitung auf -sen mit verschliffener Endung oder um ein Genitiv-s handelt, lässt sich nur ermitteln, wenn der Name auf seinen Ursprung zurückgeführt wird.[2]
    • Latinisierte Formen lauten auf -i, -is, -ae (z.B. Pauli, Wilhelmi, Caspari, Jakobi)
  • In althochdeutscher Zeit wurden Patronyme mit der Endung -ing (Alberding zu Albert, Humperding zu Humbert) gebildet, diese Bildung verschwindet bald, hält sich insbesondere in Westfalen aber länger
  • Im ganzen Süden des deutschen Sprachgebiets einschließlich der Schweiz und Österreich ist die Bildung auf -er weitaus am häufigsten, teils auch in der Variante -ler
  • Seltener ist -man, ein alter Diminutiv[4]

Ableitungen, welche sich auf die Mutter beziehen, trifft man im deutschen Sprachraum seltener. So führt beispielsweise der Name Tilgner auf Ottilie, Trienes auf Trina oder Triene zurück.

Friesisch

Das patronymische System erlosch in Ostfriesland Mitte des 19. Jahrhunderts. Es wurde auf Anordnung Napoleons im Jahre 1811 verboten (Dekret vom 18. August 1811, Einführung des Code Napoléon). Ähnliches erließ 1826 König Georg IV. von Hannover (Verordnung des Jahres 1826, die Namensgebung betreffend, 12. Mai 1826), bekräftigt 1857 (Erlass vom 23. Dezember 1857).

Zuvor erhielten die Söhne die Vornamen ihrer Großeltern, der erste Sohn den des Großvaters väterlicherseits, der zweite Sohn des Großvaters mütterlicherseits. Ähnlich wurden die Namen der Töchter vergeben. Bei den weiteren Kindern folgten Onkel, Tanten, aber auch Taufpaten. Als Familiennamen trugen die Kinder den Vornamen des Vaters versehen mit einem Genitiv-s. Die Frauen behielten bei der Hochzeit in der Regel ihren Namen.[5][6] Die friesische Patronymbuildung erfolgte durch Anhängen von Genitivendungen: Friesisch auf -a: Fockena zu Focko, Albertsma zu Albert, Ludinga zu Ludo

Niederländisch

In den Niederlanden erfolgte die Bildung wie im Deutschen und zusätzlich mit der Endung -zoon. Jedoch waren im Norden des Landes auch die Endungen -ma und -sma (Reemtsma) in Gebrauch. In der Provinz Friesland sind sie noch heute offiziell in Gebrauch. Gebildet werden sie mit der Endung -s. Als weibliche Endung findet man -dochter.

Nordgermanische Sprachen

Besonders häufig treten patronymisch abgeleitete Familiennamen in skandinavischen Ländern auf.

  • In Dänemark erfolgt die Bildung wie im Deutschen durch die Endung -sen, früher auch -son, weibliches Suffix ist -datterTochter
  • In Norwegen ist Bildung auf -sen üblich
  • Schwedisch durch die Endung -son. Dort findet man für Töchter die Endung -dotter. Bis Ende des 19. Jahrhunderts hießen fast alle Schweden -son oder -dotter. Heutzutage sind die meisten schwedischen Nachnamen, die mit -son enden, keine echte Patronyme, sondern Familiennamen (sekundäres Patronymikon).
  • Auf Island gibt es keine Familiennamen, hier sind die Patronyme offizieller Nachname. Auch hier erfolgt die Bildung durch die Endung -son ( wbl. -dóttir ). Beispiel: Freydis Eriksdóttir
  • Auf den Färöern gilt das isländische Prinzip optional, siehe färöische Personennamen

Slawische Sprachen

In Russland ist das Patronym (отчество otschestwo, meist übersetzt als „Vatersname“) regulärer dritter Namensbestandteil neben dem Vornamen und dem Familiennamen. Ähnliche Regelungen bestehen in Weißrussland, der Ukraine und Bulgarien.

Gebildet wird das Patronym durch Anhängen eines Suffixes:

  • Russisch: -owitsch, -ewitsch und manchmal -itsch (männlich) bzw. -owna oder -ewna sowie selten -itschna, -initschna (weiblich)
  • Weißrussisch: -awitsch (männlich), -auna (weiblich)
  • Ukrainisch: -owytsch oder -ewytsch (männlich), -iwna (weiblich)
  • Bulgarisch: -ow oder -ew (männlich), -owa oder -ewa (weiblich)

Beispiele: Alexander Sergejewitsch Puschkin, „Alexander Puschkin, Sohn des Sergej“; Wladimir Iljitsch Uljanow, „Wladimir Uljanow, Sohn des Ilja“ (Lenins bürgerlicher Name); Alexandra Michailowna Kollontai, „Alexandra Kollontai, Tochter des Michail“; Julija Wolodymyriwna Tymoschenko, „Julija Tymoschenko, Tochter des Wolodymyr“.

Das Patronym steht im Russischen immer unmittelbar nach dem Vornamen („Alexander Sergejewitsch Puschkin“). In Dokumenten können Vorname und Patronym auch zusammen nach dem Familiennamen genannt werden („Puschkin Alexander Sergejewitsch“). Dies stiftet unter Ausländern gelegentlich Verwirrung über die Namensbestandteile, da im Russischen in diesen Fällen kein Komma nach dem Familiennamen gesetzt wird. Wird nur das Initial des Patronyms genannt, so wird immer auch der Vorname abgekürzt („A. S. Puschkin“). Die nach dem Muster des anglo-amerikanischen Zwischennamens gebildete Form „Alexander S. Puschkin“ ist dagegen nicht üblich. In deutschen Texten wird der Vatersname russischer Personen nur dann genannt, wenn eindeutige Identifizierbarkeit einer Person und Vollständigkeit besonders erwünscht sind, etwa in Lexika. In einfachen Texten - etwa in Medienberichten - wird hingegen auf den Vatersnamen verzichtet.

Die höfliche Anrede besteht im Russischen aus dem Vornamen und dem Patronym („Ich grüße Sie, Alexander Sergejewitsch!“). Eine Anrede mit dem Familiennamen nach westlichem Muster („Herr Puschkin“) ist sprachlich zwar möglich, wirkt im Russischen aber gestelzt und wird nur bei Ausländern ohne Vatersnamen verwendet. Unter guten Bekannten, die sich – wie in auch anderen Ländern üblich – nur mit dem Vornamen ansprechen, kann eine kumpelhafte Anredeform in Ausnahmefällen auch nur aus dem Vatersnamen bestehen.

Ausländer tragen in Russland heute keine Vatersnamen mehr; noch im 19. Jahrhundert war dies jedoch üblich, so dass in Russland z. B. Heinrich Johann Friedrich Ostermann als Andrei Iwanowitsch Osterman (mit Andrei (eigtl. Andreas) für Heinrich, und Iwanowitsch für seinen Vater Johann Conrad), Burkhard Christoph von Münnich als Christofor Antonowitsch Minich (mit Antonowitsch für seinen Vater Anton Günther) und Karl Robert von Nesselrode als Karl Wassiljewitsch Nesselrode (mit Wassiljewitsch für seinen Vater Wilhelm Karl, wohl da dies russischer klingt als das eigentlich korrektere Wilgelmowitsch) bekannt waren.

In der Sowjetunion hatten alle Menschen einen Vatersnamen. So hieß beispielsweise der armenische Schachweltmeister Tigran Petrosjan offiziell auf Armenisch Tigran Wartani Petrosjan (Wartani ist der Genitiv von Wartan) und auf Russisch Тигран Вартанович Петросян Tigran Wartanowitsch Petrosjan. Inzwischen wurden die Vatersnamen in Ländern wie Estland oder Armenien wieder abgeschafft.

Als Familiennamen existieren Namen patronymischen Ursprungs in allen slawischen Sprachen, z. B. polnisch Janowicz „Nachfahr eines Jan (Johannes)“, Wojciechowski „Nachfahr eines Wojciech (Wenzel)“, Andrzejczak „Nachfahr eines Andrzej (Andreas)“, serbokroatisch Jovanović „Nachfahr eines Jovan (Johannes)“, Ivanišević „Nachfahr eines Ivaniš (Johannes)“.

Bis zu den Teilungen Polens hatten die osteuropäischen Juden keine Familiennamen, nur das Patronym in der hebräischen Form mit Ben oder der polnischen Form mit -icz. Auf dem Balkan haben sich Familiennamen bei Nicht-Adligen erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt, so dass etwa Vuk Karadžić seine ersten Bücher noch mit dem Patronym Vuk Stefanović (ohne Familiennamen; in Jacob Grimms deutscher Übersetzung Wuk Stephanowitsch) veröffentlichte.

Romanische Sprachen

Weitere Sprachen

Modernes Namensrecht

Deutsche Urkunden

In die deutschen Personenstandsurkunden werden Patronyme nach dem BGH-Beschluss vom 26. Mai 1971 (StAZ 1971, S. 250) sowie vom 9. Juni 1993 (StAZ 1993, S. 352) als besondere Namensbestandteile (Zwischennamen, in der Praxis oft in der Spalte Vornamen mit dem Zusatz „Vatersname:“) eingetragen. Der Eintragung in die deutschen Personalausweise oder Reisepässe fehlt jedoch eine Rechtsgrundlage, da in die deutschen Ausweise nur Vornamen und Familiennamen (gegebenenfalls mit Geburtsnamen) einzutragen sind.

Dänemark

Mit Inkrafttreten des neuen dänischen Namensrechts[7] am 1. April 2006 können Eltern ihren Kindern wieder einen Vatersnamen bzw. Muttersnamen als Familiennamen geben. Beispiel:

  • Vater: Morten Jakobsen
  • Mutter: Gunhild Jakobsen
  • Sohn: Nikolaj Mortensøn / Mortenssøn oder Nikolaj Gunhildsøn / Gunhildssøn[8]
  • Tochter: Vibeke Mortensdatter oder Vibeke Gunhildsdatter[8]

In Dänemark gilt also nicht mehr - wie beispielsweise in Deutschland - der Grundsatz, dass Kinder den gleichen Familiennamen führen müssen wie zumindest ein Elternteil.

Einzelnachweise

  1. Geneanet - Französische Onomastik
  2. a b Patronymische Namensbildung im Herzogtum Schleswig
  3. Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. dtv-Band 2490. dtv, 1998 (1. Aufl), ISBN 3-423-03266-9, S. 78ff
  4. Kunze 1998, S. 69
  5. Manno P. Tammena: Namengebung in Ostfriesland. ISBN 9783939870593
  6. Michael Heinze: Vier Nachnamen in einer Familie.In: Ostfriesen Zeitung, 12. April 2000 (online)
  7. siehe Navnelov – Wikipedia (dänisch)
  8. a b Dänisches Namensgesetz, abgerufen am 5. Mai 2009, 12:40 Uhr. Übersetzung der für den Nachweis wesentlichen Passagen:
    §1, Abs. 1: Diejenigen oder derjenige, der das Sorgerecht für ein Kind haben, müssen spätestens 6 Monate nach der Geburt des Kindes einen Nachnamen wählen, auf den das Kind ein Anrecht nach §§ 2-4 oder 6-8 hat.
    §1, Abs. 2: Geschieht die Namenswahl nicht in der in Abs. 1 angegebenen Frist, bekommt das Kind den Nachnamen der Mutter. Das gilt jedoch nicht, wenn schon der Nachname der Mutter nach § 7, Abs. 1, Nr. 1 oder 2 gewählt wurde. In diesem Fall erhält das Kind nach § 7, Abs. 1, Nr. 1 abhängig von seinem Geschlecht den Vornamen der Mutter mit dem Suffix -søn oder -datter.)
    §7, Abs.1: Als Nachname kenn des Weiteren genommen werden: einer der Vornamen der Eltern mit dem Suffix -søn oder -datter,)
    §7, Abs. 2: einen der Vornamen der Eltern mit einem anderen Suffix, der die Verwandtschaft zeigt, wenn der Name in einer Kultur Tradition hat, die dieses zuläßt,[...])

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