Pattern Variables

Pattern Variables

Der soziologische Begriff „Pattern variables“ (deutsche Übertragung: Grundmuster, kulturelle Muster oder Mustervariablen) stammt von dem nordamerikanischen Soziologen Talcott Parsons. Es handelt sich dabei um ein Instrument für die strukturfunktionalistische Analyse einer Gesellschaft.

Pattern Variables sind fünf dichotome Entscheidungsalternativen, zwischen denen ein Individuum wählen muss, um eine Situation zu definieren. Sie leiten sich direkt aus dem action frame of reference ab. Die ersten drei Mustervariablen (Affektivität vs. affektive Neutralität, Universalismus vs. Partikularismus, Selbstorientierung vs. Kollektivorientierung) setzen sich aus den drei Modi der motivationalen Orientierung und den drei Modi der Wertorientierung zusammen. Sie resultieren aus dem Fehlen einer biologisch vorgegebenen Hierarchie unter den Orientierungen.

Die beiden letzten Variablen ergeben sich aus der Indeterminiertheit der Objektsituation. Sie beziehen sich vornehmlich auf soziale Objekte und werden einerseits durch die Unterscheidung sozialer Objekte als Komplexe von Eigenschaften (qualities) oder Leistungen (performance), im Falle von „Zuschreibung vs. Leistung“ gewonnen, während sich die Variable „Diffusität vs. Spezifität“ aus der spezifischen bzw. diffusen Bedeutung von sozialen Objekten für den Akteur ableitet.

Im Einzelnen

Zwischen den folgenden fünf Dichotomien muss jeder Akteur wählen, will er eine Situation definieren:

  • Affektivität versus affektive Neutralität: Das Individuum hat die Wahl, seine unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen z. B. wie unter Familienmitgliedern (Affektivität) oder aber, die Affektivität zugunsten der Befriedigung eines langfristigen Bedürfnisses aufzuschieben (Neutralität).
  • Universalismus versus Partikularismus: Alternative zwischen dem Akzeptieren allgemeiner und besonderer Gruppennormen. Partikularismus bedeutet eine Handlungsmöglichkeit, die stärker an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtet ist, also ob sich der Akteur an der zu ihm selbst in einer Situation orientieren soll. Universalismus hingegen richtet sich an den gesellschaftliche Vorgaben aus.
  • Zuschreibung versus Leistung: Alternative zwischen zugeschriebenen Eigenschaften und erworbenen Leistungen.
  • Diffusität versus Spezifität: Alternative zwischen Handlungen, die auf die ganze Person und solchen, die auf spezielle Segmente, d. h. einzelne, klar definierte „Teile“ (Rollen) des Individuums bezogen sind.
  • Selbstorientierung versus Kollektivorientierung: Alternative zwischen Eigeninteressen (Eigennutz), also vorrangig an sich selbst denken, und Kollektivwohl,sprich sich an die Wünsche eines Kollektivs ausrichten (Gemeinnutz). (Parsons nannte die fünfte Orientierungsalternative nicht immer)

Die fünf von Parsons definierten Mustervariablen sollen sowohl eine erschöpfende, d. h. vollständige Analyse des Rollenhandelns eines Individuums, als auch die Bestimmung der Grundstrukturen ganzer Gesellschaften ermöglichen.

Das Instrument der „Grundmuster“ kann ein nützliches Instrument darstellen, um gewisse Tendenzen in einer Gesellschaft zu erkennen. Es ist jedoch in den Augen der zeitgenössischen Soziologie zu reduktionistisch, um weitere Erklärungen zuzulassen, da es auf ein binäres Handlungsschema aufbaut. Im Gegensatz zu Parsons' Theorie entscheiden sich Individuen nur selten klar zwischen den jeweils zur Verfügung stehenden Polen, sondern wägen ab und wählen im Normalfall einen Zwischenweg. Sie legen sich auch nicht, wie von Parsons postuliert, fest, sondern wägen bei jeder anstehenden Handlungsentscheidung neu ab.

Begriffshistorisches

Wissenschaftshistorisch lehnen sich Parsons' fünf Grundmuster idealtypisch stark an die Eigenschaften von „Gemeinschaft“ bzw. „Gesellschaft“ von Ferdinand Tönnies an, lösen sie aber von dessen strikter Zuordnung zu einem seiner beiden Normaltypen („Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“).

Literatur

Erwin K. Scheuch: Sozialer Wandel, Bd. 1: Theorien des Sozialen Wandels, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2003, S. 210-212


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pattern variables —   [ pætən veərɪəblz, englisch] Plural, Soziologie: von T. Parsons geprägte Bezeichnung für die möglichen Orientierungsalternativen für soziales Handeln. Parsons unterschied fünf Paare alternativer Verhaltensmöglichkeiten: Affektivität oder… …   Universal-Lexikon

  • Pattern-Variables — Pattern Variables,   von dem amerikanischen Soziologen T. Parsons für eine allgemeine Theorie sozialen Handelns entwickeltes Typisierungsschema, das folgende Bewertungs und Orientierungsalternativen definiert, mit denen jede mögliche… …   Universal-Lexikon

  • Pattern variables — Der soziologische Begriff „Pattern variables“ (deutsche Übertragung: Grundmuster, kulturelle Muster oder Mustervariablen) bezeichnet ein Instrument für die strukturfunktionalistische Analyse einer Gesellschaft. Geprägt wurde „Pattern variables“… …   Deutsch Wikipedia

  • pattern variables — See Parsons, Talcott …   Dictionary of sociology

  • Pattern — ist ein ehemaliger Ortsteil von Aldenhoven, siehe: Pattern (Aldenhoven) ein Ortsteil von Jülich, siehe: Pattern (Jülich) ein anglisierender Begriff für „Muster“ in der strukturfunktionalistischen Soziologie eine Struktur – siehe Pattern Variables …   Deutsch Wikipedia

  • Pattern theory — Pattern theory, formulated by Ulf Grenander, is a mathematical formalism to describe knowledge of the world as patterns. It differs from other approaches to artificial intelligence in that it does not begin by prescribing algorithms and machinery …   Wikipedia

  • Latent Pattern Maintenance — (deutsch „ständige Aufrechterhaltung und Erneuerung von Wertmustern“) ist einer der Schlüsselbegriffe aus der soziologischen Systemtheorie von Talcott Parsons: Es ist eine Grundfunktionen seines sogenannten AGIL Schemas. Diese Grundfunktion… …   Deutsch Wikipedia

  • Singleton pattern — In software engineering, the singleton pattern is a design pattern used to implement the mathematical concept of a singleton, by restricting the instantiation of a class to one object. This is useful when exactly one object is needed to… …   Wikipedia

  • Convergence of random variables — In probability theory, there exist several different notions of convergence of random variables. The convergence of sequences of random variables to some limit random variable is an important concept in probability theory, and its applications to …   Wikipedia

  • Smart variables — SmartVariables is a term introduced in 1998 referring to a design pattern that merges networking and distributed object technology with the goal of reducing complexity by transparently sharing information at the working program variable level.… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”