Paul Graf Wolff Metternich zur Gracht

Paul Graf Wolff Metternich zur Gracht

Paul Graf Wolff Metternich zur Gracht (* 5. Dezember 1853 in Bonn; † 1934) war ein deutscher Diplomat. Er wurde bekannt als deutscher Botschafter in Großbritannien (1903–1912) und der Türkei (1915–1916) sowie im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Armeniern.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Paul Anton Marie Hubert Wolff Metternich zur Gracht war das jüngste von sechs Kindern aus der zweiten Ehe von Levin Wilhelm Anton Walburg Marie Hubert Graf Wolff Metternich zur Gracht (1811–1869) und Josephine Maximiliane Gräfin Hompesch-Bollheim (1823–1858). Stammsitz der Wolff Metternich zur Gracht war Schloss Gracht.

Leben und Tätigkeit

Paul Graf Wolff Metternich zur Gracht

Metternich, der aus einem alten Adelsgeschlecht stammte, wurde 1882 in den deutschen Auswärtigen Dienst aufgenommen. Den Höhepunkt seiner fast vierzigjährigen diplomatischen Karriere bildete dabei seine Tätigkeit als deutscher Botschafter in London in den Jahren 1901/1903 bis 1912. Dort bemühte er sich vergeblich um eine Verbesserung der angespannten deutsch-britischen Beziehungen und insbesondere um einen Abbau der politischen Reibungspunkte.

In seinen Berichten an Kaiser Wilhelm, die Reichskanzler Bülow und Bethmann-Hollweg und ihre Staatssekretäre für Auswärtige Angelegenheiten wies Metternich in diesem Sinne unablässig auf die mangelnde Akzeptanz des deutschen außenpolitischen Kurses in Großbritannien hin. So warnte er etwa am 5. Juni 1908 (Große Politik 8209) Kanzler Bülow, dass Deutschland aufgrund seines derzeitigen außenpolitischen Kurses im Kriegsfall mit „übelwollender Neutralität, höchst wahrscheinlich und ziemlich sicher sogar mit der offenen Feindschaft Englands rechnen“ müsse.

Metternichs Warnungen wurden dabei systematisch von Wilhelm Widenmann, dem Marineattaché an seiner Botschaft, unterlaufen und kontakariert, der Metternichs auf Verständigung und Ausgleich orientierten außenpolitischen Kurs strikt ablehnte: Während Metternich hoffte, eine Beseitigung der deutsch-britischen Spannungen durch ein Eingehen auf die britischen Wünsche einer Begrenzung der Flottenstärke der Kontinentalmacht Deutschland auf ein deutlich geringeres Niveau an Qualität und Quantität gegenüber der Flotte der britischen Seemacht im Rahmen eines Flottenabkommens zu erreichen, und den Briten so neue Sicherheit zu vermitteln und so ihr Wohlwollen zurückzuerlangen, forderte Widenmann einen harten Kurs, der Großbritannien vor vollendete Tatsachen und seine Freundschaft durch den Aufbau einer Flotte von gleichwertiger Stärke erzwingen sollte.

Nachdem sich Kaiser Wilhelm II. im Frühjahr 1912 im Rahmen der deutsch-britischen Verhandlungen über den deutsch-britischen Flottenkonflikt, die im Zuge der sogenannten "Haldane-Mission" geführt wurden, sich für den Rat Widenmanns und gegen den von Metternich entschied, schied dieser aus seinem Posten als Botschafter aus. An Metternichs Stelle als Botschafter rückte zunächst Adolf Marschall von Bieberstein (Mai bis September 1912) und anschließend Karl Max Fürst Lichnowsky. In Großbritannien, wo Metternich sich ungeachtet des deutsch-kritischen Klimas großen Ansehens erfreute - so wurde er etwa am 7. März von der Zeitschrift Vanity Fair zum "Mann des Tages erklärt - wurde seine Ersetzung mit Bedrückung aufgenommen und vielfach - wie etwa in den Memoirenbüchern der Premierministergattin Margot Asquith oder des Tory-Politikers Sir Austen Chamberlain zeigen - als ein Sieg der Berliner „Kriegspartei“, als deren Gegner man Metternich ansah, gewertet. Chamberlain sah Metternichs Abberufung dabei zumal als ein Beweis der Realitätsverweigerung der Berliner Führung, wenn er notierte „dass er (Metternich) abberufen wurde, gerade weil er seiner Regierung unangenehme Wahrheiten berichtete“.

Nach einer vorübergehenden Deaktivierung übernahm Metternich am 19. November 1915 das Amt des deutschen Botschafters in der Türkei. Dort versuchte er erneut einen mäßigenden Einfluss auszuüben. Seine Versuche die brutale Armenierpolitik der Pforte zu bremsen bzw. die deutsche Regierung durch seine Eingaben dazu zu veranlassen, ihren Einfluss auf die Regierung in Konstantinopel zu nutzen, um diese zu einer Mäßigung zu veranlassen, war indessen kein Erfolg beschieden. Nachdem der Reichskanzler ihm keine Unterstützung zuteil werden ließ und die türkische Regierung sich zunehmen verstimmt über seine Interventionsversuche zeigte, wurde Metternich schließlich am 3. Oktober 1916 von seinem Posten abberufen.

Zitate

  • In Großbritannien erfreute sich Metternich als Person großer Beliebtheit, so schrieb etwa Sir Austen Chamberlain, dass er für Metternich die „freundschaftlichsten Gefühle (ge)hegt“ habe (Chamberlain: Englische Politik, Essen 1938, S. 574).
  • “Ich habe diesmal absichtlich bei dem Großwesir und nicht bei einem Mitgliede des Triumvirats Vorstellung erhoben, weil mir bekannt ist, daß er die Armenierverfolgungen mißbilligt. Er hat zwar nicht die Macht, sie einzustellen, es wird ihm aber ganz erwünscht sein, meine Vorstellungen bei seinen Kollegen zu verwerten. Ich habe ihm schließlich von dem Mißbrauch gesprochen, den türkische niedere Beamte sich zu Schulden kommen ließen durch die falsche Behauptung, daß die Deutschen die Armenierverfolgungen begünstigten. Diese Verleumdung sei in Anatolien, wie ich von Reisenden und aus anderen Quellen unumstößlich wisse, weit verbreitet. Wir seien durchaus nicht gesonnen, die Verantwortung für die Armenierpolitik mit der türkischen Regierung zu teilen, und ich bäte ihn, diesen Gerüchten mit Nachdruck entgegenzutreten. Dem Großwesir war über derartige Gerüchte nichts bekannt. Er versprach aber ausdrücklich, sie dementieren zu lassen.” - Paul Wolf-Metternich an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg am 9. Dezember 1915 (Dokument 210 in ‚Deutschland und Armenien’)

Literatur

  • "Gegen die Unvernunft: Der Briefwechsel Zwischen Paul Graf Wolff Metternich und Wilhelm Solf, 1915-1918. , Mit Zwei Briefen Albert Ballins", in The American Historical Review, Vol. 70, No. 3 (Apr., 1965), pp. 773-774


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