Paul Otto Schmidt

Paul Otto Schmidt
Paul-Otto Schmidt (Mitte) dolmetscht zwischen Édouard Daladier und Adolf Hitler (1938)

Paul(-Otto) Schmidt (* 23. Juni 1899 in Berlin; † 21. April 1970 in Gmund bei München) war von 1924 bis 1945 Chefdolmetscher im Auswärtigen Amt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1917/18 nahm Schmidt als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und wurde an der Westfront verwundet. Danach studierte er neuere Sprachen in Berlin und arbeitete gleichzeitig für eine amerikanische Zeitungsagentur. Ab 1921 nahm er an Kursen des Auswärtigen Amts (AA) zur Ausbildung von Konferenzdolmetschern teil, bei denen er sich bereits durch seine herausragende Gedächtnisleistung hervortat. Im Juli 1923 nahm Paul Schmidt – noch während der Examensvorbereitungen – den ersten Auftrag vom Sprachendienst des AA an, und zwar am Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Nach einem Sprachstudium in Berlin war Schmidt kurz im Fremdsprachenamt der Reichsregierung tätig. Ab 1924 jedoch arbeitete er als Dolmetscher im Auswärtigen Amt. Unter Gustav Stresemann stieg Schmidt bis zum Chefdolmetscher auf, eine Funktion, die er selbst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis 1945 bekleidete. Er war in dieser Rolle beteiligt an den Verträgen von Locarno und nahm auch an vielen weiteren wichtigen internationalen Konferenzen teil.

Weitere wichtige Stationen seiner Karriere waren:

Relativ spät, 1943, trat Schmidt in die NSDAP ein.

Im Mai 1945 wurde Schmidt von den Amerikanern verhaftet, jedoch 1948 entlassen. 1950 erfolgte vor der Spruchkammer Miesbach seine Einstufung als „Entlasteter“, woraufhin er seine Tätigkeit als Übersetzer fortsetzte.

Schmidt leitete ab 1952 ein Dolmetscher- und Spracheninstitut in München. Bei der Bundestagswahl 1953 kandidierte er für die rechtskonservative Deutsche Partei, verpasste jedoch den Einzug ins Parlament. Im Wintersemester 1952/53 übernahm er die Funktion des Rektors des Sprachen- und Dolmetscher-Instituts München. 1967 verzichtete er aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur.

Statist auf diplomatischer Bühne

Statist auf diplomatischer Bühne nennt Schmidt seine persönlichen Erinnerungen an 21 Jahre als wichtiger Ohrenzeuge europäischer Außenpolitik aus nächster Nähe.

Die Darstellung beginnt mit seinen Fronterfahrungen während des ersten Weltkrieges bei der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 und dem Einsatz als Aushilfe als Konferenzdolmetscher vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag, den er 24-jährig schon vor dem Universitätsexamen absolviert.

Dann schildert Schmidt den Weg über die Londoner Konferenz (1924) zu Dawes-Plan und Ruhrkampf[1] bis zum Vertrag von Locarno und die Rolle, die Aristide Briand und Gustav Stresemann dabei einnahmen, wie die Genfer Abrüstungsverhandlungen im Rahmen des Völkerbundes, an denen Heinrich Brüning teilnahm, ebenso wie Ribbentrops Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes bis hin zum grotesken Einsetzen einer französischen Marionettenregierung im Oktober 1944[2] aus nächster Nähe, immer im Bemühen, seinem Anspruch gerecht zu werden „eine lebendige Beurteilung der Geschehnisse“[3] zu liefern.

Bemerkenswert sind dabei insbesondere die Bilder, die Schmidt von Arthur Neville Chamberlain (energisch, Hitler zum Zurückweichen drängend)[4] sowie von Franco und Pétain vermittelt, die den Bündnisangeboten Hitlers nach seinem Sieg über Frankreich widerstanden.[5]

Da nach seiner Überzeugung Sachkenntnis für das Dolmetschen wichtiger ist als die Sprachbeherrschung[6] und ihm aufgrund der Übersetzungstechnik (bei der grundsätzlich geschlossene Redebeiträge im Zusammenhang wiedergegeben werden) ausführliche Aufzeichnungen zu all diesen Verhandlungen vorliegen, entsteht ein atmosphärisch dichtes, aber auch recht detailliertes Bild.

Werke

  • Statist auf diplomatischer Bühne 1923-1945. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas. Von Stresemann und Briand bis Hitler, Chamberlain und Molotow. Athenäum Verlag, Bonn 1949; neueste Aufl.: EVA, München 2005. ISBN 3-434-50591-1
  • Der Statist auf der Galerie 1945–50. Erlebnisse, Kommentare, Vergleiche. Athenäum Verlag, Bonn 1951

Weblinks

Fußnoten

  1. Über den nach französischer Vorstellung offiziell nicht gesprochen werden sollte (vgl. S.45)
  2. Sie sollte, da Frankreich bereits weitestgehend besetzt war, in Sigmaringen ihren Sitz haben. (S.584)
  3. „Nur die persönliche Erfahrung gestattet eine lebendige Beurteilung der Geschehnisse„ – Paul Schmidt im Vorwort, S. 8 (siehe Literaturangabe)
  4. S.397, zum Wortlaut vgl. http://fontanefan3.blogspot.com/2007/10/hitler-zuckte-zurck.html
  5. S.501-505, vgl. http://fontanefan3.blogspot.com/2007/10/hitlers-groe-enttuschung.html
  6. „Im Laufe der Jahre bin ich auf Grund meiner Erfahrungen immer mehr zu der Überzeugung gelangt, daß ein guter diplomatischer Dolmetscher drei Eigenschaften besitzen muß: er muß in allererster Linie, so paradox es auch klingen mag, schweigen können, zweitens muß er selbst in gewissem Ausmaß Sachverständiger in den Fragen sein, um die es sich bei seinen Übersetzungen handelt, und erst an dritter Stelle kommt eigenartigerweise die Beherrschung der Sprache.“ S. 19/20 (siehe Literaturangabe)

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