Paul Strand

Paul Strand

Paul Strand (* 16. Oktober 1890 in New York; † 31. März 1976 in Orgeval) war einer der einflussreichsten amerikanischen Fotografen des 20. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Strand kam als Sohn böhmischer Einwanderer in New York zur Welt und wuchs dort auf. An der örtlichen Ethical Culture School wurden ihm durch seinen Lehrer Lewis Hine die Grundlagen photographischen Arbeitens als Voraussetzung für eine berufliche Fotografie vermittelt. Durch ihn lernte Strand Alfred Stieglitz und die Photo-Sezessionisten kennen und begann sich intensiv mit seiner zeitgenössischen Kunst auseinanderzusetzen. 1909 schloss er seine Ausbildung an der ECS ab und wurde Mitglied im New York Camera Club. Bis 1911 arbeitete er im elterlichen Eisenwarengeschäft und war dann bis 1918 als Gebrauchsfotograf tätig. Er experimentierte mit Weichzeichnerlinsen, Gummidrucken und vergrößerten Negativen. Mit seinen fotografischen Arbeiten aus dieser Zeit zeigte er die negativen Aspekte der modernen industriellen Zivilisation, das Leben in New York mit seinem menschlichen Elend und seiner Entfremdung.[1]

1916 widmete Alfred Stieglitz ihm die beiden letzten Ausgaben der Zeitschrift Camera Work, begleitet von einer Ausstellung in der Galerie 291 von Stieglitz’. Zur selben Zeit setzte sich Paul Strand mit der Rolle der Fotografie in der Kunst auseinander. In einem Text in Seven Arts betonte er die Notwendigkeit der mediengerechten Benutzung der Fotografie, dessen Objektivität nicht als Widerspruch zur Kunst steht.[2]

Von 1918 bis 1919 war Strand Röntgentechniker im Army Medical Corps. Nach seiner Entlassung aus der Armee fotografierte er Landschaften und Felsformationen und versuchte auch in der Werbebranche Geld zu verdienen. Mit dem Maler und Fotografen Charles Sheeler machte Strand 1920 den experimentellen Film Manhatta, ein Avantgarde-Film im Genre des City-Films.[3]

Mit Kunstfilmen und mit freier Fotografie konnte Strand seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten, so begann er mit dem Kauf einer eigenen Filmkamera 1922 seine freiberufliche Tätigkeit als Kameramann im Nachrichten- und Sportbereich. Die Fotografie trat in den Hintergrund, auf die Wochenenden und die Ferien. Diese Phase seines Lebens - das Heraustreten aus dem hektisch-urbanen Leben New Yorks in seiner Freizeit -, schlug sich in seinen späteren Arbeiten, in den Landschafts- und Naturaufnahmen nieder. Es wurde einer lebenslange Auseinandersetzung des Stadtbewohners mit der Natur.[4]

Bis Ende der 1920er Jahre schuf Paul Strand vorwiegend Detailaufnahmen von Motiven in der Natur. „Die Bildidee hat [hier] eindeutig Vorrang vor der Abbildqualität der Fotografie.“[4] Einen ersten Wendepunkt in der Auseinandersetzung mit der Landschaftsfotografie schuf er bei Arbeiten über die Halbinsel Gaspé in Kanada. Hier kam er zu einer Arbeitsweise, die den fotografischen Prozess nicht nur bildhaft, sondern auch thematisch begreift.[4]

Zwischen 1925 und 1930 unternahm Strand mehrere Reisen in ihm unbekannte Gegenden der USA und Kanadas. In dieser Zeit entdeckte er das ländliche Leben Amerikas und die Faszination der Darstellung. Von 1932 bis 1934 lebte er in Mexiko. Hier erweiterte er seinen Ausdruck von Kultur und Menschen, er wurde zum Leiter für Fotografie und Cinematografie der Abteilung Bildende Kunst im Ministerium für Bildung berufen. 1936 heiratete er Virginia Stevens. 1937 bis 1944 war er Präsident von Frontier-Films, einer gemeinnützigen Einrichtung zur Produktion von Lehrfilmen. Als Kameramann und Regisseur produzierte er viele Dokumentarfilme. Nach fast zehnjähriger Filmtätigkeit kehrte Strand 1944 zur Fotografie zurück. In den folgenden Jahren unternahm er viele Fotoreisen und Ausstellungen. Sein Projekt Time in New England, sollte der Versuch sein, in den Erscheinungsformen einer Region, ihrer Landschaft und den Menschen die Spuren überlebender Traditionen zu entdecken. Daraus entstand ein Buch, das Amerika als traditionsreiches Land mit seinen unterschiedlichen historischen Spuren beschreibt.[4]

1951 ließ sich Paul Strand in Frankreich nieder, da ihm Amerika im Zuge der begonnenen Kommunistenverfolgung der McCarthy-Ära keine Lebens- und Arbeitsperspektiven mehr bot. In Europa hoffte er auf einen Ort, in dem er sich auf einen überschaubaren Lebensraum konzentrieren konnte. Im gleichen Jahr heiratete er Hazel Kingsbury. 1955 erwarb er ein Haus in Orgeval, in der Nähe von Paris, in dem er bis zu seinem Tod lebte. Die nächsten zwanzig Jahre waren geprägt von Reisen, Ausstellungen und Publikationen. Paul Strand starb 1976 sechsundachtzigjährig in seinem Haus in Orgeval.

Rezeption

„Strands akribische Konzentration auf die besondere Materialität und Formgestalt seiner Motive und deren konsequente Isolation aus dem zeitgeschichtlichen Prozeß bilden die Voraussetzung für eine Konstruierung des Zeitlosen. Jedes Foto ist in diesem Sinne ein formal bewußtes, autonom gedachtes Einzelstatement […] Nicht 'Life-Photography', nicht Beschleunigung, sondern die Verlangsamung des Aufnahmevorgangs war für ihn der Ausgangspunkt zu einem fotografischen Bild, das als subjektiv formuliertes Fragment immer nur ein Element in dem entworfenen Darstellungsgefüge seiner Kulturportraits bedeutete.“

Ute Eskildsen[4]

Seine Arbeiten sind nicht nur dokumentarisch, sondern kompromisslos in ihrer Wahrheitssuche. Stieglitz schrieb 1916:

„Strand hat etwas Neues dem Alten hinzugefügt. Seine Aufnahmen sind brutal, direkt, frei von jeglichem Humbug, frei von Kunstgriffen und unbeeinflusst von jeglichem Ismus.“

Ausstellungen (Auswahl)

  • 1916 291, New York
  • 1925 Anderson Galleries, New York
  • 1945 The Museum of Modern Art, New York
  • 1969 Haus der Heimat, Freital (DDR)
  • 1973 County Museum, Los Angeles
  • 2010/11 Stieglitz, Steichen, Strand. Ausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York City [5]

Bibliographie (Auswahl)

  • Time in New England, New York, Oxford University Press, 1950
  • Le France de Profil, Laussane, La Guilde du Livre, 1952
  • Living Egypt, Dresden, VEB Verlag der Kunst, 1969
  • Ghana, An African Portrait, New York, Millerton, 1976
  • Die Welt vor meiner Tür 1950–1976. Ausstellungskatalog Essen, München, Zürich 1994, ISBN 0-89381-596-9.
  • Paul Strand. Könemann, Köln 2001, ISBN 3-89508-604-5.

Literatur

  • L. Fritz Gruber (Hrsg.): Große Photographen unseres Jahrhunderts. Deutsche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1964, S. 64 ff.
  • Calvin Tomkins (Hrsg.): Paul Strand: Sixty Years of Photographs. Aperture, New York 1976, ISBN 0-900406-81-X
  • Naomi Rosenblum, The Stieglitz Years at 291 (1915-1917), New york, Zabriskie Gallery, 1983

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrich Keller: An Art Historical View of Paul Strand. 12/1974
  2. Raul Strand: Photography. In: Seven Arts, 8/1917
  3. Maren Stange (Hrsg.): Paul Strand-Essays on His Life and Work. New York 1990.
  4. a b c d e Ute Eskildsen: Die Region als Kulturportrait im Spätwerk Paul Strands. In: Die Welt vor meiner Tür
  5. Stieglitz, Steichen, Strand (englisch). Abgerufen am 12. Februar 2011.



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