Atlatl

Atlatl
Speerschleuder/Atlatl
Produkte von Aborigines; von links: Speerschleuder (Woomera), Wurfholz für die Jagd, rückkehrender Bumerang

Eine Speerschleuder ist Teil einer komplexen, prähistorischen Jagdwaffe, die in Mittelamerika aber noch nach der Zeitenwende als Kriegswaffe (Atlatl) eingesetzt wurde. Mit Hilfe dieser Abwurfvorrichtung erreicht das Wurfgeschoss (Speer) eine höhere Reichweite bzw. Durchschlagskraft als ein von Hand geschleuderter Speer.

Geschichte

Während der letzten Eiszeit wurde in Europa die Speerschleuder entwickelt, eine Jagdwaffe, die aus dem Geschoss und der Wurfvorrichtung besteht. Das älteste Fundstück lässt sich dem späten Solutréen (vor ca. 18.000–16.000 Jahren) zuordnen. Der überwiegende Teil aus stratigraphisch gesicherten Zusammenhängen stammt jedoch aus dem Magdalénien IV (vor ca. 11.400–10.800 Jahren). Die Speerschleuder stellt neben Pfeil und Bogen die älteste komplexe Jagdwaffe der Menschheit dar. Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung ist Südwestfrankreich, einige Fundstücke stammen aus der Schweiz, aus Deutschland und Spanien. Weltweit ist die Speerschleuder archäologisch und ethnographisch in Mikronesien, Australien (Woomera), Neu-Guinea und bei den Eskimos belegt. In Amerika benutzten die Azteken die Speerschleuder, den Atlatl, dessen Konstruktion etwas von den Speerschleudern auf den anderen Kontinenten abweicht, als Kriegswaffe.

U. Stodiek (1993) unterteilt sie aufgrund der Konstruktionsmerkmale in Hakenschleudern, hierbei handelt es sich meist um Kompositgeräte, Muldenschleudern, die aus einem Stück gefertigt wurden und an einem Ende eine muldenförmige Vertiefung aufweisen, sowie Haken-Mulden-Schleudern, einer Mischform aus beiden Typen mit kleinem Haken.[1]

Bei den jungpaläolithischen Speerschleudern handelt es sich fast ausschließlich um Hakenschleudern, deren Hakenende aus Rengeweih, aber auch aus Knochen oder Elfenbein gefertigt wurde. Der Haken wurde mit Hilfe von Abschrägungen, natürlichen Klebstoffen (Bienenwachs, Baumharz, Birkenpech) und Bindematerialien (Sehnen, Bast), teilweise sogar mit Hilfe von Durchbohrungen an einem hölzernen Stab befestigt. Er diente zur Aufnahme für eine sich am Ende des Wurfgeschosses befindende Vertiefung. Um die Flugstabilität des Speeres zu erhöhen, wurde wahrscheinlich eine Befiederung angebracht. Die relativ geringe Anzahl von Funden lässt vermuten, dass der Großteil der Speerschleudern ganz aus Holz gefertigt wurde. Bei den derzeit über 100 Funden handelt es sich ausschließlich um Fragmente, bei denen nur die Haken erhalten sind. Anhand von weltweiten völkerkundlichen Vergleichen (Stodiek 1993) mit heutigen vollständigen Exemplaren konnte eine durchschnittliche Gesamtlänge der Speerschleudern von 65 cm ermittelt werden. Die Länge der Speere, deren Spitzen aus Feuerstein oder Rengeweih bestanden, wird auf etwa 2,10 bis 2,30 m rekonstruiert.

Die Funktionsweise ist einfach: Zuerst wird die Aushöhlung am hinteren Ende des Speeres in die Schleuder eingehakt. Dabei hält die Hand des Wurfarmes den Speer und die Speerschleuder parallel zueinander. Der Bewegungsablauf des Werfens schließlich ähnelt dem eines normalen Speerwurfes. Mit Hilfe der Speerschleuder wird jedoch die Länge des Hebelarms (Wurfarms) vergrößert, wodurch sich die auf das Wurfgeschoss wirkende Beschleunigung erhöht. Dadurch wird eine größere Reichweite, aber auch Durchschlagskraft als mit einem herkömmlichen Speer erreicht.

Literatur

  • U. Stodiek: Zur Technologie der jungpaläolithischen Speerschleuder. Eine Studie auf Basis archäologischer, ethnologischer und experimenteller Erkenntnisse. Tübinger Monogr. Urgesch. 9, Tübingen 1993
  • U. Stodiek, H. Paulsen: „Mit dem Pfeil, dem Bogen…“ Technik der steinzeitlichen Jagd. Oldenburg 1996, ISBN 3-89598-388-8
  • J. Hahn: Artefaktmorphologie. Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Tübingen 1991

Weblinks

  1. Abbildungen siehe [1]

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